Artikel Gesundheitssystem

Recht: Urteil zu Preismoratorium und Arzneimittelrabatten

18.09.2025 Kathleen Neumann 4 Min. Lesedauer

Bundesverfassungsgericht bestätigt Herstellerabschlag. Pharmaunternehmen scheitern mit Verfassungsbeschwerden.

Symbolbild eines Paragraphenzeichen, das auf einem geöffneten Buch steht

Das Bundesverfassungsgericht hat Verfassungsbeschwerden zweier Pharmaunternehmen gegen Maßnahmen zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung zurückgewiesen und die Eingriffe nach Artikel 12 des Grundgesetzes in die Berufsfreiheit als gerechtfertigt bewertet. Mit dem Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung hat der Bundesgesetzgeber verschiedene Maßnahmen zur Begrenzung der Ausgabensteigerung im Arzneimittelbereich vorgenommen. In diesem Maßnahmenbündel enthalten ist unter anderem die Regelung, dass Krankenkassen von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel vom 1. Januar bis 31. Dezember 2023 einen Abschlag in Höhe von zwölf Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmens ohne Mehrwertsteuer erhalten.

Urteil vom 7. Mai 2025 (Bundesverfassungsgericht)

1 BvR 1507/23 und 1 BvR 2197/23

Streit um Berufsfreiheit

Gleichzeitig wurde ein bereits geltendes Preismoratorium verlängert, wonach die Krankenkassen für Erhöhungen des Abgabepreises einen Abschlag erhalten. Darüber hinaus wurden die bestehenden am Zusatznutzen und dem Patentstatus der zweckmäßigen Vergleichstherapie orientierten Vorgaben für die Vereinbarung von Erstattungsbeträgen nach Paragraf 130b SGB V geändert und zu Lasten der pharmazeutischen Unternehmer verschärft. Weitere Maßnahmen betreffen unter anderem die Preisbegrenzung für Arzneimittel, die mit dem gleichen neuen Wirkstoff in den Verkehr gebracht werden. Neu eingeführt wurde außerdem der Kombinationsabschlag zugunsten der Krankenkassen, wenn Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen in Kombination eingesetzt werden, ohne dass nach Feststellung des Gemeinsamen Bundesausschusses dafür ein beträchtlicher Zusatznutzen zu erwarten ist.

Gericht stärkt Gemeinwohl

Gegen Maßnahmen, die die pharmazeutischen Unternehmen nach ihrer Ansicht besonders belasten, haben zwei Pharmaunternehmen das Bundesverfassungsgericht angerufen. Sie sahen durch die einzelnen Preisreglementierungen ihre Berufsfreiheit verletzt.  

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden jedoch als teilweise unzulässig und in Bezug auf den Herstellerabschlag und die Verlängerung des Preismoratoriums darüber hinaus als unbegründet zurückgewiesen. Das oberste Verfassungsgericht führt zur Begründung insbesondere aus, dass der durch den Herstellerabschlag bewirkte Eingriff in die Berufsfreiheit gerechtfertigt sei. Es weist darauf hin, dass der Herstellerabschlag der finanziellen Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung diene und erforderlich sei, um die legitimen Gemeinwohlbelange zu erreichen. Der Eingriff sei angesichts unter anderem des Einsparvolumens und der Höhe des Abschlags auch verhältnismäßig. Das Gericht betont, dass die Finanzierbarkeit der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung mit Hilfe eines Sozialversicherungssystems einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang darstelle. Der Gesetzgeber dürfe und müsse sich daher bei der Ausgestaltung des Systems davon leiten lassen.

„Die Finanzierung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung mit Hilfe eines Sozialversicherungssystems stellt einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang dar. “

Kathleen Neumann

Justiziarin im AOK-Bundesverband

Dass der Gesetzgeber bei der Abwägung zwischen der Belastung durch den Herstellerabschlag und der dadurch bewirkten Förderung des Gemeinwohlziels von falschen Annahmen ausgegangen ist, sei nicht ersichtlich, heißt es weiter. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Leistungserbringer dieses Sozialversicherungssystems, welches ihnen größere wirtschaftliche Sicherheit vermittele als ein freies Konkurrenzsystem, Nutznießer desselben seien. Denn – mit Blick auf die pharmazeutischen Unternehmen – seien die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, die Versicherten mit dem vom Vertragsarzt verordneten Arzneimittel zu versorgen.

Stabile Pharmabranche

Im System der gesetzlichen Krankenversicherung resultiere daraus ein allenfalls geringer Vertrauensschutz für die pharmazeutischen Unternehmen. Dies gelte insbesondere, wenn der Gesetzgeber diejenigen Belastungen, die aus seiner Sicht für die Kostensteigerungen besonders verantwortlich seien. Diese Einschätzung des Gesetzgebers habe das Bundesverfassungsgericht lediglich auf Plausibilität zu überprüfen. Die Berechnungen, die von den Beschwerdeführenden vorgebracht wurden, wären nicht geeignet, die Einschätzung des Gesetzgebers zu erschüttern.  

Foto: Grafik: GKV-Ausgaben für Arzneimittel und Gesetzliche Arzneimittelrabatte 2013-2023.
Arzneimittel - mehr Ausgaben, mehr Ausgleich

Da keine tatsächlichen Anzeichen für eine Instabilität der pharmazeutischen Industrie in Deutschland ersichtlich seien, sah das Gericht die Maßnahme auch als zumutbar an. Es führte dabei an, dass die Preise in Deutschland höher als in anderen europäischen Ländern seien. Mit vergleichbarer Argumentation sah es auch den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit durch das verlängerte Preismoratorium als gerechtfertigt an.

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