Zeitschriftenschau
In jeder Ausgabe kuratiert G+G Beiträge aus Fachzeitschriften und gibt einen Einblick in den aktuellen Stand von Forschung und Wissenschaft.

Versorgung: Frauen bekommen seltener Schmerzmittel verschrieben
Der Gender Pain Gap beschreibt geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der Schmerzwahrnehmung und -behandlung. Eine Studie der Universität von Virginia, Charlottesville, zeigte, dass Frauen seltener Opioide und Nichtopioid-Analgetika erhalten als Männer, obwohl sie häufiger unter chronischen Schmerzen leiden. Auch belegt die Analyse von Daten aus über 21.000 Patientenakten in den USA und Israel, dass Schmerzwerte bei Frauen seltener dokumentiert werden und nicht nur Ärzte, sondern auch ihre Kolleginnen ihnen weniger Schmerzmittel verschreiben. Eine Ursache ist, das Stereotype die Behandlung prägen: Schmerzen von Frauen werden häufiger als psychosomatisch eingestuft, während Männer als „stoischer“ gelten. Dies führt zu „Medical Gaslighting“, bei dem Ärztinnen und Ärzte die Symptome abtun, herunterspielen oder nicht ernst nehmen. Zwar spielen auch biologische Faktoren wie zum Beispiel Hormone eine Rolle – Östrogen senkt die Schmerzschwelle, Testosteron erhöht sie. Aber diese Faktoren reichen als Erklärung nicht aus. Daher fordern Expertinnen und Experten geschlechtersensible Forschung und Therapien, die biologische, soziale und kulturelle Faktoren berücksichtigen.
PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America)
Systemische Autoimmunerkrankung: hohes Risiko für Lungenhochdruck
Die chronisch entzündliche Autoimmunerkrankung „systemischer Lupus erythematodes (SLE)“ betrifft nicht nur die Haut, sondern zieht auch innere Organe in Mitleidenschaft. Laut einer südkoreanischen Langzeitstudie mit 6.074 daran erkrankten Patientinnen und Patienten ist das Risiko für Lungenmanifestationen 3,26-fach höher als bei Kontrollpersonen (15,2 zu 4,5 Fälle je 1.000 Personenjahre). Besonders erhöht waren das Risiko für Bluthochdruck in den Gefäßen des Lungenkreislaufs (pulmonale Hypertonie) und für interstitielle Lungenerkrankungen ILD (9,58-fach), also Erkrankungen, die das Zwischengewebe der Lunge und die Lungenbläschen betreffen. Durch eine zunehmende Vernarbung der Lunge kann in manchen Fällen eine Lungenfibrose entstehen. Frauen, Jüngere und Menschen ohne Diabetes zeigten eine höhere Anfälligkeit. Die Ursachen dafür sind unklar. Die Studie fordert ein gezieltes Screening für ILD und Lungenhochdruck sowie weitere Erforschung der Mechanismen.
RMD Open (Rheumatic & Musculoskeletal Diseases)
Skoliose: Operation wirkt langfristig besser gegen Schmerzen
Eine Langzeitstudie (ASLS-1) verglich über acht Jahre die Wirksamkeit operativer und nicht-operativer Behandlungen bei Erwachsenen mit einer verkrümmten Wirbelsäule (lumbale Skoliose ASLS) und Schmerzen. Dabei zeigte die operative Therapie signifikant bessere und stabilere Ergebnisse in den Bewertungskriterien Oswestry Disability Index (ODI) und Scoliosis Research Society-22 (SRS-22). Der ODI misst Alltagseinschränkungen durch Rückenschmerzen auf einer Skala von null bis 100. SRS-22 ist ein Fragebogen, mit dem Skoliose-Patienten nach einer Operation an der Wirbelsäule Schmerzen, Funktion, psychische Gesundheit, Selbstbild und Zufriedenheit mit der Behandlung zu bewerten. Ergebnis der Langzeitstudie: Die operierte Gruppe (182 Patienten) erreichte nach zwei Jahren eine ODI-Verbesserung von 12,98 Punkten und eine Steigerung des SRS-22 um 0,57 Punkte. Diese Verbesserungen blieben über acht Jahre stabil. Die nicht-operative Gruppe (104 Patienten) zeigte keine vergleichbaren Fortschritte. Zwar traten in der operativen Gruppe vor allem in den ersten zwei Jahren häufiger schwerwiegende Komplikationen auf, zum Beispiel waren Revisions-OPs aufgrund von Implantat-Versagens erforderlich. Doch selbst die davon Betroffenen erreichten langfristig signifikante Verbesserungen. Trotz der Risiken gilt die Operation damit als überlegene Therapie, um die Schmerzen dauerhaft zu lindern und die Lebensqualität zu erhöhen. Und die Autoren der Studie betonen, dass neuere OP-Techniken (präzisere Wirbelsäulenausrichtung, stabilisierende Implantate) die hier noch hohen Komplikationsraten senken könnten. Dennoch bleiben konservative Therapien wie die Physiotherapie eine Option für Patienten mit geringerem Leidensdruck oder erhöhtem OP-Risiko.
JAMA Surgery
Kreuzbandriss: Operationstechnik erhöht Risiko für erneuten Eingriff
Risse des vorderen Kreuzbandes gehören zu den häufigsten Verletzungen beim Sport. Gleichzeitig besteht immer ein gewisses Revisionsrisiko, etwa durch Implantatversagen oder erneute Verletzung. Eine große norwegische Kohortenstudie verglich nun verschiedene Operationsmethoden hinsichtlich ihrer Outcomes und analysierte in diesem Zuge auch weitere Risikofaktoren. Für die Studie zogen die Autoren die Daten von 30.035 Patientinnen und Patienten aus dem norwegischen Kniebänderregister heran, von denen 1.599 im Zeitraum von maximal 15 Jahren eine Revisions-OP benötigt hatten. In die Analyse flossen das Alter der Patienten zum Zeitpunkt der operativen Rekonstruktion, das Geschlecht, der Grund für die Verletzung, die Operationsmethode samt intraoperativer Befunde und das Vorliegen einer eventuellen Wiederverletzung ein. Ergebnis der Studie: Innerhalb von 15 Jahren nach der ersten OP lag die Revisionsrate bei 7,1 Prozent. Im Mittel erfolgte die Revisions-OP nach 34 Monaten. Hauptursache dafür war eine erneute Verletzung (38,1 Prozent der Fälle), gefolgt von Transplantatversagen. Eine entscheidende Rolle spielte allerdings die Rekonstruktionstechnik. Wurde das Kreuzband mittels Hamstring-Sehne rekonstruiert, war das Revisionsrisiko im Vergleich zur Patellarsehnen-Transplantation um das 2,3-Fache erhöht. Auch das Alter der Betroffenen zum Zeitpunkt der Erstoperation war ein markanter Faktor für das Revisionsrisiko. Patienten ohne Revisionseingriff waren im Mittel 26,5 Jahre alt, solche mit einer späteren Revisionsoperation durchschnittlich 20,4 Jahre. Auffallend war zudem, dass sowohl der Zeitpunkt der Primär-OP als auch der Zeitpunkt der Revision bei Frauen deutlich früher lag als bei Männern. Rechnerisch war das Risiko für eine erneute OP innerhalb von zwei Jahren nach Primärverletzung für unter 20-Jährige beider Geschlechter um das 4,5-Fache erhöht. Für Patienten zwischen 20 und 30 Jahren war es noch immer um den Faktor 2,1 höher gegenüber über 30-Jährigen. Und: Bei Patienten, die gleichzeitig einen Kreuzbandriss und einen Meniskusriss erlitten hatten, war das Risiko für Spätrevisionen um 30 Prozent erhöht. Restriktionen der Studie bestanden in den teils nicht vollständig erfassten Daten zur verwendeten Operationstechnik. Auch fehlten häufig patientenspezifische Angaben wie zum Beispiel der Body-Mass-Index.
The American Journal of Sports Medicine
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