Wie sich der Öffentliche Gesundheitsdienst neu aufstellt
Mit dem „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ fließen zwischen 2021 und 2026 vier Milliarden Euro zusätzliche Bundesgelder in die Länder und Kommunen, um den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) vor Ort zu stärken. Wie es ab 2027 finanziell weitergeht, muss noch entschieden werden.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) hat nicht nur wichtige staatliche Aufgaben zum allgemeinen Gesundheitsschutz, sondern sorgt gemäß dem Präventionsgesetz mit den gesetzlichen Krankenkassen auch für Prävention und Gesundheitsförderung zum Wohle der Bevölkerung in Ländern und Kommunen. Er umfasst Einrichtungen der Gesundheitsverwaltung auf allen föderalen Ebenen. Auf Bundesebene gehören etwa das Bundesgesundheitsministerium (BMG), Bundesbehörden wie das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG), das Robert-Koch-Institut (RKI) oder das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zum ÖGD. Auf Länderebene sind dies die Ländergesundheitsministerien und Landesämter oder -institute für Gesundheit, und kommunal sind die circa 380 Gesundheitsämter zuständig.
Lehren aus der Pandemie
Die Corona-Krise hat die Schwächen des ÖGD offengelegt: zu wenig Personal, veraltete IT, fehlende Vernetzung. In vielen Kommunen zeigte sich zwischen Ämtern, Ländern und Bund erheblicher Optimierungsbedarf in der Kommunikation. Etwa dokumentierte der Bundesrechnungshof 2023, dass viele Gesundheitsämter während der Pandemie ihre Daten nicht zeitnah oder gar nicht weitergeben konnten, weil unterschiedliche IT-Systeme nicht untereinander kompatibel waren. Gleichzeitig zeigte die Pandemie, wie wichtig der ÖGD ist, um in einer Krisenlage größeren Ausmaßes Schaden von der Bevölkerung abzuwenden, und dass eine nachhaltige Stärkung unverzichtbar ist.
Der „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ war die politische Antwort auf die strukturellen Defizite, die während der Pandemie sichtbar wurden, und zugleich auf die bereits vor 2020 erkennbare Finanznot vieler Kommunen. Besonders in finanzschwachen Regionen waren die Handlungsspielräume bei den öffentlichen Dienstleistungen stark eingeschränkt. Die Pandemie löste 2020 den größten wirtschaftlichen Einbruch aus, was die Situation der Kommunen weiter verschärfte. Der Bund reagierte im September 2020 mit dem Pakt-Beschluss zwischen Bund und Ländern und einem sechsjährigen Investitionsprogramm über vier Milliarden Euro, um den ÖGD zu stärken. Die Mittel sind in jährlich ansteigende Tranchen aufgeteilt, die gegen Tätigkeits- und Zwecknachweis jeweils am 1. Juli an die Länder ausgezahlt werden. Die Gelder werden nach Einwohnerzahl der Länder verteilt.
Finanzspritzen für mehr Personal und moderne Strukturen
Der Großteil der vier Milliarden Euro, nämlich rund 3,1 Milliarden Euro, fließt in den Personalaufbau, die Qualifizierung und in Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Bezahlung, um für Nachwuchs und Fachkräfte attraktiv zu bleiben. Seit Start des Paktes 2021 bis Ende 2024 wurden bundesweit 5.210 auf die volle Arbeitszeit umgerechnete Stellen (Vollzeitäquivalente) aus Paktmitteln geschaffen und besetzt – deutlich mehr als die Zielmarke von 4.300 Stellen und auch mehr als die Zielvorgabe für 2025 (5.000). Rund 90 Prozent der neuen Stellen sind unbefristet und sollen damit nach Ende der Paktförderung weiter bestehen. Das Personal soll nach Paktvereinbarung zu 90 Prozent im Bereich der örtlichen Gesundheitsbehörden angesiedelt sein.
Die zweitgrößte Finanzspritze von 800 Millionen Euro geht in Digitalisierungsprojekte des ÖGD (bisher 488 Projekte, Stand Juni 2025) plus weiteren 24 Millionen Euro für den Ausbau des Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystems für den Infektionsschutz (DEMIS) – insgesamt eines der größten Digitalisierungsvorhaben des Bundes im Gesundheitsbereich. Unter dem Leitbild „Digitales Gesundheitsamt 2025“ soll der ÖGD im Rahmen des Paktes durch zentrale und dezentrale Maßnahmen gezielt digitalisiert werden, um in künftigen Krisen und Gesundheitslagen handlungsfähiger zu werden. Die restlichen 76 Millionen Euro werden für die Modernisierung von See- und Flughäfen nach den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), zum Beispiel zur Vorbereitung auf Pandemien und Klimafolgen, und für das Personal der Bundesbehörden bereitgestellt. Zehn Millionen Euro stehen für Forschung und Evaluation bereit.
Fachkräftemangel und Finanzierung bleiben die Schwachstellen
Die Bundesregierung zieht insbesondere bei der Digitalisierung und beim Personalausbau eine positive Zwischenbilanz für den ÖGD-Pakt. Doch der ärztliche Personalmangel bleibt bestehen – vor allem das Gewinnen und Qualifizieren von Fachkräften ist weiterhin eine zentrale Herausforderung. Der „Beirat Pakt ÖGD“ empfiehlt zum Beispiel attraktivere Vergütung, mehr Informationen über den ÖGD als Arbeitgeber und die Verankerung eines Faches Öffentliches Gesundheitswesen (ÖGW) in der Approbationsordnung. Zudem müsse der ÖGD seine Strukturen regional besser verzahnen, um auf neue Risiken wie Klimafolgen und Pandemien vorbereitet zu sein.
Der Pakt läuft Ende 2026 aus, eine Anschlussfinanzierung ist noch offen. In ihrem Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD vereinbart zu prüfen, wie die Förderung weitergehen könnte. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) erklärte auf Anfrage, es werde „Unterstützungsmöglichkeiten des Bundes im Rahmen der verfassungsrechtlichen Kompetenzen prüfen“, sobald die Kontaktaufnahme durch die entsprechenden Gremien der Länder dazu erfolgt sei. Bereits 2021 drängten die Länder darauf, dass der Bund seine Finanzierungsbeteiligung über 2026 hinaus fortführt, um die mit Paktmitteln die geschaffenen Stellen dauerhaft finanzieren zu können. Fielen die Paktmittel aus, müssten die Länder und Kommunen ab 2027 die Gehälter komplett aus ihren defizitären Haushalten bestreiten. Kritiker warnen, dass der ÖGD ohne Anschlussfinanzierung des Paktes nach 2026 wieder in gravierende Unterfinanzierung geraten könnte.
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