Auftakt Digitalwerk: Platz für Perspektiven
Mit dem Digitalwerk hat die AOK Baden-Württemberg Anfang 2023 ein Netzwerk initiiert, das Menschen zusammenbringen soll, die aktiv an der Digitalisierung des Gesundheitswesens mitarbeiten.
Das war ein willkommener Zufall: Wenige Tage, bevor am 14. März 2023 zum ersten Mal Vertreterinnen und Vertreter aus dem Gesundheitswesen bei der Auftaktveranstaltung des Digitalwerks zusammenkamen, stellte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach seine Digitalisierungsstrategie für Gesundheit und Pflege vor. Das 44 Seiten starke Papier bot ausreichend Diskussionsstoff für die gut 100 Teilnehmenden, die im Stuttgarter Impact Hub bei einem „Barcamp“ die Köpfe zusammengesteckt hatten, um darüber ins Gespräch zu kommen, wie man die Gesundheitsbranche digitaler und anwenderorientierter machen könnte. Krankenhausärztinnen, Landärzte, große Industrieplayer wie IBM, Microsoft oder Siemens waren genauso vertreten wie Kommunen und Softwareentwickler.
Oder Stefan Lob, Geschäftsführer eines Intensivpflegedienstes. Er beschäftigt 50 Angestellte, die neben der Pflege am Menschen – wie üblich in der Branche – noch viel Zeit für Dokumentation auf Papier verbringen. Ab 2025 ist für sein Unternehmen die Anbindung an die Telematikinfrastruktur Pflicht. Er ist auf digitale Lösungen angewiesen und begrüßt die Entwicklungen, aber: Wer soll seine Pflegekräfte dafür fit machen? „Wie kriege ich die neuen Anwendungen umgesetzt, wenn personelle Ressourcen zur Schulung nicht vorhanden sind beziehungsweisenicht finanziert werden?“, fragte Stefan Lob beim Barcamp in die Runde. Ein ganz praktisches Problem, für das er eine Lösung sucht. Also „pitchte“ er sein Thema und machte es damit zum „Tagesordnungspunkt“. Und genau das ist die Idee hinter einem Barcamp: Es gibt keine vorgegebene Agenda – die Teilnehmenden bestimmen das Geschehen. In kleinen Gruppen und Sessions von maximal 45 Minuten setzten sich die Expertinnen und Experten unter anderem mit ökonomischen Aspekten der Digitalisierung, dem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen sowie den Implikationen einer offenen Datenhaltung auseinander. „Dadurch, dass binnen kurzer Zeit unterschiedliche Perspektiven einen Platz bekamen, erlebten die Sessions im Barcamp eine ungeahnte Vielfalt“, sagte Anita Ammon, Spezialistin Digitale Innovation bei der AOK Baden-Württemberg. Insgesamt 27 Themen stellten die Teilnehmenden an diesem Tag zur Debatte und diskutierten Fragen wie: Wer soll welche Dividende bei der Digitalisierung von Prozessen erhalten? Was wird aus der Digitalisierungsstrategie des Bundesgesundheitsministeriums? Oder: Wie können wir den § 68b SGB V zur Förderung von Versorgungsinnovationen tatsächlich nutzen?
Breite Beteiligung
Ein Kernteam, bestehend aus drei Mitarbeitenden der AOK sowie aus drei externen Branchenkennern, hat den Diskurs begleitet und agiert im Digitalwerk als Sparringspartner für die unterschiedlichen Themenfelder. Teil dieses Teams sind die Journalistin Bianca Flachenecker, der Start-up-Netzwerker Martin Blaschka und der Berater Frank Stratmann. „Die Gesundheitskasse verzichtet beim Digitalwerk ganz bewusst darauf, eine Agenda vorzugeben“, betonte Martin Walter, Spezialist Digitale Innovation und ebenfalls Teil des Kernteams. „Vielmehr suchen wir den Diskurs, um endlich in die konkrete Umsetzung von Digitalprojekten zu kommen.“ Denn genau daran hapert es immer wieder. Mit der Digitalisierung der Gesundheitsversorgung geht ein klares Nutzenversprechen einher – von innovativen digitalen Therapien über KI-gestützte Diagnostik bis hin zur umfangreichen Nutzung von Gesundheitsdaten. Doch vielversprechende Ideen bleiben häufig Modellprojekte und werden nicht in der Versorgung verankert.
„Das Barcamp ist ein guter, innovativer Ansatz, um zu hören, wo den Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitswesen der Schuh drückt“, sagte Roland Hamm, Mitglied im Verwaltungsrat der AOK Baden- Württemberg, der die Barcamp-Auftaktveranstaltung in Stuttgart besucht hat.
Fortsetzung folgt
Auch Michael Noll, Geschäftsbereichsleiter Digitale Innovation, zieht ein positives Fazit: „Wir haben mit dem Barcamp den Anfang gemacht und sind den Themen, die uns allen auf der Seele brennen, auf den Grund gegangen. Im nächsten Schritt werden wir in weiteren Formaten wie dem SocialAudio ‚Werkgespräch‘ auf LinkedIn an konkreten Lösungen arbeiten.“ Neuen Gesprächsstoff gibt es inzwischen auch: Ende Juni hat der Bundesgesundheitsminister die Referentenentwürfe für das Digital- und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz vorgelegt. Im Digitalwerk werden die Vorhaben seitdem in sogenannten Werkgesprächen debattiert: Menschen, die professionell am Gesundheitsgeschehen beteiligt sind, treffen sich alle zwei Wochen zum „SocialAudio“ auf LinkedIn, also einer Art Live-Konversationsraum. Spätestens im Oktober kann die Debatte dann auch analog fortgesetzt werden – dann wird es ein zweites Digitalwerk-Event geben.