Prävention stärken und als echte vierte Säule etablieren
Prävention in den öffentlichen Fokus rücken
Prävention und Gesundheitsförderung müssen stärker in den öffentlichen Fokus rücken und als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden. Sie müssen dort ansetzen, wo Menschen leben, lernen und arbeiten. Nach dem Prinzip „Health in all Policies“ gilt es, Prävention und Gesundheitsförderung verbindlich in allen Politikfeldern zu verankern und konsequent umzusetzen. Wir als AOK Baden-Württemberg übernehmen hier bereits Verantwortung: Mit individuellen Gesundheitskursen, betrieblicher Gesundheitsberatung sowie vielfältigen Aktivitäten in nicht-betrieblichen Lebenswelten – von Kitas und Schulen bis hin zu Sportvereinen. Doch Prävention und Gesundheitsförderung gelingt nur im Zusammenspiel aller Akteure. Deshalb braucht es auch das Engagement und die finanzielle Beteiligung von Land und Kommunen, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die gesundes Verhalten fördern und ungesunde Gewohnheiten reduzieren. Die im Landesrecht verankerten kommunalen Gesundheitskonferenzen sind hierfür eine wichtige Plattform. Diese gilt es durch das Land zu stärken und zu fördern.
Prävention und Gesundheitsförderung müssen ihren festen Platz im Alltag haben. Beispielsweise, indem Kommunen mit Unterstützung des Landes Radwege ausbauen, Sportanlagen und ein gesundes Schulessen bereitstellen und damit die Lebensqualität der Menschen verbessern. Denn eines ist klar: Wir alle profitieren, wenn Krankheiten gar nicht erst entstehen oder ihr Verlauf abgemildert werden kann – die Menschen, weil sie gesund bleiben, und das Solidarsystem, weil Folgekosten vermieden werden. Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht lohnt sich Prävention: Studien zeigen, dass Investitionen in Gesundheitsvorsorge einen hohen „Return on Investment“ haben. Je nach Maßnahme können im Schnitt pro investiertem Euro zwischen zwei und sechs Euro an Folgekosten eingespart werden.
„Prävention muss von Klein auf gestärkt und als echte vierte Säule der Versorgung etabliert werden.“
Mitglied des Vorstands
Gesundheitskompetenz von Klein auf stärken
Ein zentraler Schlüssel dafür ist die Stärkung der Gesundheitskompetenz. Sie erfordert eine umfassende Gesundheitsbildung, die zugleich Voraussetzung für gesundheitliche Chancengleichheit ist. Gesundheitsbildung muss früh beginnen und in den Lebensverhältnissen jeder einzelnen Person ansetzen. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass umfassende Gesundheitsbildung verbindlicher Bestandteil der Lehrpläne für alle Schularten wird. Da Kinder und Jugendliche immer mehr Zeit im digitalen Raum verbringen, sollte Gesundheitsbildung auch den bewussten und reflektierten Umgang mit digitalen Medien fördern – als wichtigen Baustein für psychische Gesundheit und Resilienz. Gesundheitsbildung darf jedoch nicht mit dem Ende der Schulzeit aufhören. Sie muss über Ausbildung, Berufsleben und weitere Lebensphasen hinweg fortgeführt werden – in allen Lebenswelten. Ziel ist es, Menschen zu einem gesunden Lebensstil zu befähigen und Eigenverantwortung zu fördern.
Hierfür ist es auch von Bedeutung, dass die mit den Digitalgesetzen auf Bundesebene geschaffenen Möglichkeiten zur Gesundheitsprävention effektiv für eine bestmögliche Versorgung genutzt werden. Als Gesundheitskasse führen wir entsprechende Datenanalysen durch und stärken die Prävention unserer Versicherten. Damit wir dies noch effektiver umsetzen können, muss sich das Land dafür einsetzen, dass auch behandelnde Ärztinnen und Ärzte datenbasierte Hinweise zu versichertenindividuellen Gesundheitsrisiken erhalten können. So lassen sich dann im Arzt-Patienten-Gespräch wichtige Präventionsmaßnahmen und eine Stärkung der Eigenverantwortung auf den Weg bringen.
Prävention als gesamtgesellschaftliche Pflichtaufgabe
Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung müssen insgesamt einen größeren Stellenwert in der Gesellschaft bekommen. Wichtig ist daher, dass diese Aufgabe nicht nur in den Sozialgesetzbüchern verankert ist, sondern Gesundheitsförderung und Prävention Pflichtaufgaben im Rahmen der Daseinsvorsorge werden. Wir müssen weg von der Krankheitsorientierung und hin zu einer echten Präventionskultur. Baden-Württemberg hat mit der Schaffung der Präventionsallianz Baden-Württemberg bereits einen entscheidenden Schritt getan. Wichtig ist, dass die gesetzliche Krankenversicherung auch künftig eng eingebunden bleibt.
Gesundheitsversorgung klimaresilient gestalten
Die Auswirkungen des Klimawandels gelten laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als größte Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts. Der Bericht zu Klimawandel und Gesundheit 2024 in der Wissenschaftszeitschrift Lancet macht deutlich, dass aufgeschobener Klimaschutz zu enormen wirtschaftlichen wie gesundheitlichen Folgekosten führt. Auch und gerade in Baden-Württemberg ist mit einer Zunahme von Hitzewellen zu rechnen. So sind bereits heute während sommerlicher Witterung 20 Prozent der Bevölkerung im Land von Hitze betroffen. Und bei weiterer Klimaerwärmung ist laut aktuellen Klimamodellen für Baden-Württemberg zu erwarten, dass die Hitzebetroffenheit weiter ansteigen wird – schon bei einer Erwärmung um 2 Grad gegenüber der Periode 1971 bis 2000 auf dann über 40 Prozent der Bevölkerung.
Besonders gefährdete Menschen wie chronisch Kranke und alte Menschen schützen
Daher fordern wir, Klimaschutz als integralen Bestandteil der Gesundheitspolitik nach dem Ansatz „Health in All Policies“ in alle relevanten Prozesse und Politikfelder einzubeziehen. Die gesundheitliche und pflegerische Versorgung in Baden-Württemberg muss klimaresilient gestaltet werden, um insbesondere chronisch kranke oder ältere Menschen zu schützen. So sollte das Land zum Beispiel das Thema Hitze und den Umgang damit in allen Politikbereichen verankern und entsprechende Maßnahmen auf der kommunalen Ebene (wie z.B. Trinkbrunnen, Beschattungen o.ä.) begleiten und fördern. Notwendig sind auch verbindliche Hitzeaktionspläne, die Einrichtung von „kühlen Räumen“ in Gesundheitseinrichtungen oder die Schaffung von Beratungsangeboten. Hier geht die AOK Baden-Württemberg als Gesundheitskasse zum Beispiel durch Aufklärung und Beratung zum Thema Hitze im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung voran. Wir fordern das Land auf, Hitzeschutz per Landesrecht als kommunale Pflichtaufgabe zu verankern und dauerhaft zu finanzieren.
Nachhaltige Arzneimittelversorgung voranbringen – Antibiotikaresistenzen auch auf Landesebene effektiv bekämpfen
Neben dem Klimawandel sieht die WHO antimikrobielle Resistenzen als eine der größten globalen Gesundheitsgefahren an. Allein in Deutschland sterben jährlich etwa 10.000 Menschen durch Infektionen mit antibiotikaresistente Erreger – das sind mehr Todesfälle als durch Influenza. Antibiotikaresistenzen entstehen vor allem durch die Belastung von Produktionsabwässern und den übermäßigen Einsatz von Antibiotika. Die AOK Baden-Württemberg setzt sich im Rahmen der Arzneimittelrabattverträge durch ein Umweltkriterium, das saubere Produktion von Antibiotika belohnt, für eine gesunde Gesellschaft ein. Doch diese Maßnahme ist angesichts des Ausmaßes an Resistenzen wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Es braucht hier dringend eine europäische Kraftanstrengung durch Änderungen im europäischen Rechtsrahmen für Arzneimittel. Notwendig sind unter anderem verbindliche Umweltkriterien für die Zulassung und die laufende Produktion ausgewählter Arzneimittel sowie einheitliche Kontrollsysteme zu deren Einhaltung. Wir fordern, dass das Land sich auf der europäischen Ebene mit aller Kraft für die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen stark macht und entsprechende Änderungen des EU-Rechts anstößt. Das ist gerade auch mit Blick auf eine stabile und resiliente Versorgung von großer Bedeutung. Außerdem braucht es mit Blick auf das Problem der Antibiotikaresistenzen auch ein koordiniertes Vorgehen hier in Baden-Württemberg, um alle Akteure im Land für die große Herausforderung zu sensibilisieren und Maßnahmen zu deren Bekämpfung zu treffen, zum Beispiel im Rahmen eines Runden Tisches, der eine Antibiotika-Resistenzstrategie für Baden-Württemberg entwickelt.