Nachhaltige Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung sicherstellen 

Die gesetzliche Krankenversicherung steht mehr denn je vor erheblichen finanziellen Herausforderungen. Demografischer Wandel, medizinischer Fortschritt und ineffiziente Strukturen treiben die Ausgaben der Krankenkassen weiter in die Höhe, ohne die Versorgung signifikant zu verbessern. Hinzu kommen teure Reformgesetze und mehrfache Eingriffe in die Rücklagen der Krankenkassen. Währenddessen bleiben die Einnahmen aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage immer weiter hinter den Ausgaben zurück. Die Politik dreht bisher immer weiter an der Beitragsspirale. 2025 gab es den historisch höchsten Anstieg des GKV-durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent. Und auch 2026 wird der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz weiter ansteigen auf dann 2,9 Prozent – wobei die tatsächlich von den Kassen erhobenen Beitragsätze heute schon zum Teil bereits deutlich darüber liegen. Die von der Politik versprochenen Stabilität der Beitragssätze ist damit Augenwischerei – müssen die meisten Kassen doch ihre Rücklagen auf das gesetzliche Minimum auffüllen und dafür die Zusatzbeitragssätze weiter erhöhen. 

Besorgniserregende Entwicklung: Das GKV Defizit, das über die Zusatzbeiträge der GKV-Mitglieder und der Arbeitgeber ausgeglichen werden muss, ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen.

Jährliche Beitragssatzanhebungen dürfen aber kein selbstverständliches Instrument der Gesundheitspolitik zur Finanzierung der medizinischen und pflegerischen Versorgung sein. Sie schwächen den sozialen Zusammenhalt und sind eine Belastung für den Wirtschaftsstandort. Eine verlässliche, stabile und nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung muss zu einer der vordringlichsten Aufgaben der Politik werden, um die langfristige Handlungsfähigkeit der beiden Sozialsysteme sicherzustellen. Die Einsetzung der Finanzkommission Gesundheit (FKG) ist ein richtiger und wichtiger Schritt, kommt aber sehr spät. Es braucht weitere kurzfristige Maßnahmen zur Stabilisierung der GKV-Finanzen. Die bisher von der Politik beschlossenen Darlehen stellen keine nachhaltige Lösung dar, und das sogenannte „Kleine Sparpaket“ greift zu kurz, lässt wichtige Bereiche mit Einsparpotenzial wie den Arzneimittelsektor außen vor und wird nicht einmal die die erhofften 2 Milliarden Euro an Entlastung für die GKV bringen.

Ordnungspolitisch sauber finanzieren

Der Staat muss der Verantwortung für seine Aufgaben nachkommen. Dazu gehört eine auskömmliche Finanzierung der Beiträge für Bürgergeldempfangende, die aktuell um über zehn Milliarden Euro zu gering ausfällt. Außerdem muss der Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen regelmäßig dynamisiert werden, damit zusätzliche gesamtgesellschaftliche Aufgaben nicht ausschließlich den Beitragszahlenden aufgebürdet werden. Lediglich auf der Einnahmenseite für Verbesserungen der Finanzlage zu sorgen, ist nicht ausreichend. Der Anteil der Steuerfinanzierung in der GKV muss mit Blick auf die bereits hohe Sozialabgabenlast auf das notwendige Maß begrenzt bleiben, um eine Gesundheitspolitik nach Kassenlage zu vermeiden. Darüber hinaus muss die Haushaltsautonomie der selbstverwalteten Krankenkassen vollständig wiederhergestellt werden. 

Keine Zweckentfremdung von Beitragsmitteln

Beitragsmittel dürfen nicht mehr als finanzieller „Verschiebebahnhof“ für staatliche Aufgaben genutzt werden. Das gilt insbesondere für die Investitionskostenfinanzierung der Kliniken durch die Länder, die nach wie vor unzureichend ist und in Teilen aus den Mitteln der Krankenkassen für die Betriebskosten entnommen wird. 

Stärkste Preistreiber: Krankenhaus, Arzneimittel und ambulante Versorgung machen zwei Drittel der Krankenkassen-Ausgaben aus.

Ausgaben bremsen und Effizienzpotenziale heben

Wesentliche Treiber für die immer weiter steigenden GKV-Ausgaben sind die drei großen Felder Krankenhaus, Arzneimittel und ambulante Versorgung. Hier braucht es dringend strukturelle Maßnahmen, um die Ausgabendynamik abzubremsen und gleichzeitig die Versorgung zu verbessern. Die in der letzten Legislaturperiode beschlossene Krankenhausreform geht hier mit der Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft in wichtigen Bereichen in die richtige Richtung. Die damit verbundenen strukturellen Änderungen zur Steigerung der Qualität und zum effizienten Einsatz des knappen Personals dürfen aber nicht wieder aufgeweicht werden, sondern müssen jetzt konsequent umgesetzt und die daraus resultierenden Einsparungen an Beitragszahlende zurückgegeben werden. Überdurchschnittlich stark gestiegen sind vor allem die Arzneimittelausgaben. Eine wichtige Maßnahme zur Ausgabendämpfung ist daher die Reduzierung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent – wie in nahezu allen europäischen Ländern. Das würde die GKV erheblich entlasten. Außerdem braucht es eine stringente Preisbremse bei neuen, oftmals sehr teuren Arzneimitteln. Weitere Effizienzpotenziale zur Dämpfung der Ausgaben bei gleichzeitiger Verbesserung der Versorgungsqualität bieten bei der ambulanten Versorgung die Digitalisierung und eine koordinierte Versorgung. Insgesamt brauchen wir dringend eine Ausgabenpolitik, die sich konsequent an der Einnahmensituation orientiert, damit die Beitragszahlenden nicht immer weiter belastet werden. 

Immenser Kostenanstieg: Am dynamischsten entwickeln sich die Ausgaben für Arzneimittel.

Finanzausgleich zielgenau ausgestalten

Die Zielgenauigkeit der Zuweisungen für die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds muss weiter erhöht werden, um insbesondere eine Benachteiligung vulnerabler und sozial schwacher Versichertengruppen zu verhindern. Dazu bedarf es einer fundierten Weiterentwicklung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (RSA) und die entsprechende Beauftragung des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesamt für soziale Sicherung (BAS). 

„Die nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Kranken-und Pflegeversicherung erfordert strukturelle Reformen statt immer wiederkehrender Beitragserhöhungen.“

Johannes Bauernfeind

Vorstandsvorsitzender

Pflege verlässlich finanzieren

Auch die Soziale Pflegeversicherung (SPV) steht angesichts der Folgen des demografischen Wandels und einer bereits jetzt bestehenden milliardenschweren Finanzierungslücke vor enormen finanziellen Herausforderungen. Ständige kleinteilige, kurzfristig gedachte Reformen sowie Darlehen zum Schließen kurzfristiger Milliardenlücken sind dabei weder nachhaltig noch  zielführend. Es bedarf einer umfassenden Struktur- und Finanzreform,die von der mittlerweile eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe Pflege angegangen werden muss. Die Finanzierung der SPV muss langfristig stabilisiert und das Leistungsniveau im Rahmen des umlagefinanzierten Teilleistungssystems durch einen Finanzierungsmix gesichert werden. Finanzielle Belastungen müssen auf viele Schultern verteilt werden und das beitragsfinanzierte Umlagesystem der SPV muss trotz der demografischen Herausforderungen weiterhin der wichtigste Bestandteil der Pflegefinanzierung bleiben. Nur dann kann die SPV ihre gesellschaftliche Funktion weiter erfüllen und ein Interessenausgleich zwischen den Generationen sowie zwischen den Beitragszahlenden und Leistungsbeziehenden gelingen. Das Leistungsniveau sollte durch eine regelgebundene Dynamisierung auf der Grundlage der Entwicklung der Bruttolohnzuwächse stabilisiert werden – damit ließe sich auch der weitere Anstieg der pflegebedingten Eigenanteile dämpfen, was Pflegebedürftige und ihre Angehörigen entlastet. Außerdem müssen als Sofortmaßnahme auch bei der SPV versicherungsfremde Leistungen durch Steuermittel finanziert werden. Dazu gehören insbesondere Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen, die Beiträge von Bürgergeldbeziehenden sowie die immer noch ausstehende Finanzierung der pandemiebedingten Maßnahmen in Höhe von fast sechs Milliarden Euro. 

Positionspapier zur Bundestagswahl

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Kernforderungen

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Kernforderungen der AOK Baden-Württemberg zur Landtagswahl 2026

Format: PDF | 172 KB

Pressekonferenz

Vorstellung des neuen Public Health Index

Wo steht Deutschland beim Thema Prävention im internationalen Vergleich?