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Verwaltungsrat fordert nachhaltige GKV-Finanzreform

11.08.2023 AOK Baden-Württemberg 8 Min. Lesedauer

Zur Mitte der Legislaturperiode zieht der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg eine kritische Zwischenbilanz der gesundheitspolitischen Maßnahmen der Ampel-Koalition.

Vorbemerkung: Zur Mitte der Legislaturperiode zieht der Verwaltungsrat der AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… Baden-Württemberg eine kritische Zwischenbilanz der gesundheitspolitischen Maßnahmen der Ampel-Koalition. Die GKV hat ein anhaltendes Finanzierungsproblem. Wichtige die GKV und die soziale Pflegeversicherung Die Pflegeversicherung wurde 1995 als fünfte Säule der Sozialversicherung eingeführt. Ihre Aufgabe… entlastende Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag wie etwa die Einführung von kostendeckenden Beiträgen für die Empfänger und Empfängerinnen von Bürgergeld oder die Übernahme von Rentenversicherungsbeiträgen von pflegenden Angehörigen wurden bislang nicht umgesetzt. Bisher beschlossene Gesetze wie das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz, das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz oder das Arzneimittel Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel insbesondere Stoffe und… -Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz betreiben überwiegend Symptomkur zu Lasten der Beitragszahlenden, untergraben den Gestaltungsspielraum der Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… und die Handlungskompetenzen der sozialen Selbstverwaltung und lassen dringend notwendige strukturelle Reformen grundlegend vermissen. Der Bund stiehlt sich bei der Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben zudem weiterhin aus der Verantwortung, sodass den Beitragszahlenden systemfremd zusätzliche finanzielle Lasten aufgebürdet werden – sei es zuletzt zum Beispiel beim Gesetz zur Einführung einer UPD-Stiftung oder aktuell beim Entwurf für ein Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz und den darin enthaltenen Gesundheitskiosken. Darüber hinaus drohen der GKV im Zuge der anstehenden Krankenhausreform weitere erhebliche finanzielle Belastungen. Die Lasten der Transformation dürfen aber gerade nicht auf die GKV-Beitragszahlenden abgewälzt werden.

Der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg fordert die Politik daher auf, Entscheidungen hauptsächlich zu Lasten der Beitragszahlenden nicht weiter fortzusetzen, gesamtgesellschaftliche Aufgaben ordnungspolitisch korrekt zuverlässig durch den Staat zu finanzieren und Krankenkassen und soziale Selbstverwaltung in ihrem Spielraum zur Gestaltung der Gesundheitsversorgung nicht weiter zu beschneiden. Das ist auch ein wichtiger Beitrag zum sozialen Frieden in Deutschland.  

Zu den aktuellen gesundheitspolitischen Themen und Gesetzesvorhaben positioniert sich der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg wie folgt:

GKV-Finanzierung

Der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg stellt fest, dass die GKV seit einigen Jahren ein Finanzierungsproblem hat. Die Ausgaben steigen stärker als die Beitragseinnahmen. Die finanzielle Stabilität der GKV ist für den Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg ein enorm wichtiges Thema. Es muss endlich Schluss damit sein, die Probleme weiter in die Zukunft zu verschieben und die Beitragszahlenden mit immer weiter steigenden Beiträgen zu belasten sowie den Handlungs- und Gestaltungsspielraum der Krankenkassen zu beschneiden. Statt einseitig und ausschließlich auf Beitragserhöhungen zu setzen, sollte die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel abgesenkt werden und kostendeckende Beiträge des Bundes für Bürgergeldempfänger sichergestellt werden. Der Staat muss seine gesamtgesellschaftlichen Ausgaben endlich ordnungspolitisch korrekt zuverlässig finanzieren und darf dies nicht länger den Beitragszahlenden anlasten. Außerdem müssen die Ausgaben viel stärker an den Einnahmen orientiert und auf diese Weise in ihrem Wachstum gebremst werden – eine unkontrollierte weitere Zunahme der Ausgaben ist angesichts der derzeitigen gesamtwirtschaftlichen Situation und der bereits hohen Sozialabgabenlast in Deutschland weder nachhaltig noch vertretbar.

UPD-Stiftung

Um die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) bekannter und wirksamer zu machen, will die Bundesregierung sie neu aufstellen. Ein zentraler Punkt dabei ist, dass die UPD ab dem 1. Januar 2024 als Stiftung bürgerlichen Rechts verstetigt werden soll. Dies soll ihre Unabhängigkeit sowie ihre Informations- und Beratungsstrukturen langfristig stärken. Damit wird den Kranken- und Pflegekassen indirekt unterstellt, dass sie ihre Versicherten interessengeleitet und/oder qualitativ unzureichend beraten würden. Diese Sicht weist der Verwaltungsrat entschieden zurück. Kritisch ist darüber hinaus die Art der Finanzierung der Stiftung: Geldgeber soll weiterhin nahezu ausschließlich die GKV sein. Da es sich beim Angebot der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, wäre allerdings eine Finanzierung der Stiftung aus Steuermitteln der richtige Weg. Dies machte der Verwaltungsrat der GKV-Spitzenverbandes in seiner Sitzung am 15.06.2023 deutlich und beschloss, die Arbeit an der Satzung der Stiftung zu verweigern.

Zwischenzeitlich gibt es Einigung zwischen dem GKV-Spitzenverband Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurden die Organisationsstrukturen in der gesetzlichen… und dem Bundes-gesundheitsministerium (auf Staatssekretärsebene), wonach der Schwerpunkt der Informations- und Beratungstätigkeit der Stiftung sich auf die GKV-Versicherten und den Leistungskatalog Als Leistungskatalog werden die Leistungsarten der Krankenkassen bezeichnet, auf die ihre… des Sozialgesetzbuches V beziehen soll sowie auf ein Mitspracherecht bei Haushaltsentscheidungen der Stiftung.  Der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg ist dessen ungeachtet weiterhin der Auffassung, dass eine Finanzierung der UPD-Stiftung aus Steuermitteln besser gewesen wäre.

Krankenhaus-Reform

Der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung, die Krankenhausstrukturen und die Krankenhausfinanzierung Seit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz von 1972 teilen sich die Bundesländer und die gesetzlichen… zu reformieren. Die im Juli 2023 vorgestellten Eckpunkte stellen einen wichtigen Schritt für eine verstärkte Qualitätsorientierung der stationären Versorgung dar. Insbesondere die Weiterentwicklung der Krankenhausplanung Die Planung von Krankenhäusern steht in der Verantwortung der Bundesländer, die damit die… auf Basis von bundeseinheitlichen Leistungsgruppen mit verbindlichen Qualitätskriterien und die Kopplung der Vorhaltepauschalen an diese Gruppen sind aus Sicht der AOK Baden-Württemberg zu begrüßen. Die Qualität ist ein zentrales Versorgungsziel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Im Rahmen der… der Behandlungen muss bei der Ausarbeitung des Referentenentwurfs im Vordergrund stehen. Darüber hinaus ist eine bedarfsgerechte Ausgestaltung der Vorhaltepauschalen angebracht, die sich nicht allein an der Fallzahl Summe aller Abrechnungsfälle in einem Abrechnungszeitraum. , sondern an der Bevölkerung bemisst. Wichtig ist zudem, dass die Effizienzgewinne im jeweiligen Bundesland verbleiben und nicht abwandern.
Mit Blick auf die Finanzierung der Kliniken sowie der Reform stellt der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg fest, dass es für die Reform ein tragfähiges und finanzierbares Konzept braucht. In puncto Investitionskostenfinanzierung ist Baden-Württemberg zwar im Vergleich der Bundesländer auf einem guten Weg, jedoch sind selbst diese vergleichsweisen hohen Investitionsmittel nicht ausreichend. Auch mit Blick auf die Transformationskosten ist die öffentliche Hand gefragt. Der Verwaltungsrat betont ausdrücklich, dass die Lasten der Transformation nicht auf die GKV-Beitragszahlenden abgewälzt werden dürfen. Die Beitragszahlenden werden schon durch vergangene Reformen und die aktuelle Gesundheitspolitik Die Gesundheitspolitik ist ein facettenreiches Gebiet, das weit über die in der Öffentlichkeit mit… erheblich belastet.

Aus Sicht des Verwaltungsrats ist es überdies sehr wichtig, dass die Reform der Krankenhausversorgung mit einer Reform der Notfallversorgung einhergeht. In Bezug auf die Notfallversorgung ist es wichtig, dass diese einerseits effizient erfolgt, andererseits aber auch einen guten Zugang bietet und somit gut erreichbar ist. Dies gilt insbesondere auch für die ländlichen Regionen.

Gesundheitskioske & Primärversorgungszentren

Der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg sieht bedarfsorientierte Gesund-heitskioske grundsätzlich als ein sinnvolles Instrument, das zur niedrigschwelligen Beratung bei Gesundheitsfragen ein hilfreicher Ansatz sein kann. Allerdings sind bestehende Angebote – etwa von Krankenkassen – zu berücksichtigen. In Bezug auf die bislang im Entwurf des „Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz“ (GVSG) angedachte Ausgestaltung sollten einige Änderungen vorgenommen werden.

Zunächst ist es erforderlich, die Zielgruppen von Gesundheitskiosken zu konkretisieren. Bislang fehlt eine Definition der anzusprechenden Bevölkerungsgruppen und damit eine Grundlage für einen zielgerichteten Einsatz der Kioske. Außerdem sind Kriterien zur Errichtung von Gesundheitskiosken und der Auswahl der Regionen zu nennen. Ebenso sollte die Formulierung „besonders benachteiligte Regionen“ konkretisiert und messbar gemacht werden. Dabei sollte sie am regionalen Bedarf anhand von Strukturdaten festgemacht werden. Der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg betont zudem, dass unter Berücksichtigung der angespannten GKV-Finanzlage und der weiter steigenden Belastung der Beitragszahlenden eine stärkere Einbindung der öffentlichen Hand und auch weiterer Sozialversicherungsträger erforderlich ist, da das Konzept Gesundheitskiosk neben unmittelbaren Leistungen der Gesundheitsversorgung auch öffentliche Aufgaben umfasst.

Aus Sicht des Verwaltungsrates der AOK Baden-Württemberg sollte außerdem das bislang vorgesehene alleinige Initiativrecht der Kommunen durch einen partizipativen Ansatz, orientiert am konkreten Bedarf, ersetzt werden. Damit erhalten regionale Akteure und damit auch Kassen mehr Handlungsspielraum zur Gestaltung der Versorgung. Zudem wird durch die Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure von Beginn an das Risiko eines Aufbaus von Doppelstrukturen reduziert.

Die ebenso im GVSG geplanten Primärversorgungszentren (PVZ) können einen Beitrag zur Sicherung der regionalen Versorgung leisten, sofern Hausärzte in diesem Konstrukt eher bereit sind, sich in unterversorgten Regionen niederzulassen. Insgesamt bleibt der mit dem Referentenentwurf vorgesehene rechtliche Rahmen für die PVZ jedoch hinter den Möglichkeiten zurück und schöpft die Potenziale anderer Gesundheitsprofessionen sowie einer sektorenübergreifenden Versorgungslösung nicht aus. Ziel sollte sein, eine interdisziplinäre Teamarbeit auf Augenhöhe zu ermöglichen.

Digitalisierung Gesundheitsdatennutzung

Grundsätzlich begrüßt der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg das mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) verfolgte Ziel, Gesundheitsdaten für die Verbesserung von Versorgung, Öffentlicher Gesundheit, Forschung, Innovation und der Weiterentwicklung des Gesundheitssystems zu nutzen. Einige Maßnahmen, wie die Verknüpfung von Daten aus dem Forschungsdatenzentrum und jenen aus den Krebsregistern sowie die angestrebte Möglichkeit, auch den Krankenkassen die Nutzung von Versichertendaten zur Gesundheitsförderung ist ein fortlaufender Prozess mit dem Ziel, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über… zu ermöglichen, sind besonders positiv hervorzuheben.

Ebenso begrüßt der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg die Intention des Digitalgesetzes (DigiG), die digitale Transformation des Gesundheitswesens und der Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… zu beschleunigen und weiterzuentwickeln. Insbesondere die Weiterentwicklung für die Nutzungsvoraussetzungen der elektronischen Patientenakte (ePA) mit einem Opt-Out Ansatz ist ein vielversprechendes Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Aus versorgungspolitischer Perspektive bedarf es aber der Nachbesserung mit Hinblick auf die Flexibilisierung der Videosprechstunden. Sie hat grundsätzliche Auswirkungen auf die bisherige Zulassungspraxis in der vertragsärztlichen Versorgung. Es gilt darauf zu achten, dass sich in strukturschwachen Regionen keine Benachteiligung aus diesem Paradigmenwechsel ergibt. Darüber hinaus ist es dem Verwaltungsrat ein besonderes Anliegen, dass es auch zukünftig Versorgungsangebote für Menschen gibt, die keinen Zugang bzw. Bezug zur Digitalisierung haben.  Abzulehnen ist darüber hinaus die Ausweitung des Leistungsanspruches auf Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) höherer Risikoklassen, die ein enormes Kostenpotenzial für die Kassen bergen, ohne äquivalenten Nutzennachweis verglichen mit der Standardtherapie aufzuweisen. Der Verwaltungsrat der AOK Baden-Württemberg verweist darauf, dass hierauf vor allem mit Blick auf die prekäre Haushaltslage der GKV, unbedingt verzichtet werden muss. Kritisch zu bewerten sind hingegen geplante Regelungen, die in erster Linie eine Zunahme an Aufwand, etwa durch Einscannen von gedruckten Dokumenten, bedeuten würden, ohne im Gegenzug einen äquivalenten Nutzen zu bieten.

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