Pressemitteilung

Pandemie führt zu Anstieg der Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen im Rems-Murr-Kreis

03.02.2023 AOK Baden-Württemberg, Ludwigsburg-Rems-Murr 4 Min. Lesedauer

Die Corona-Pandemie hat in Baden-Württemberg zu einem Anstieg der Behandlungen von Kindern und Jugendlichen bis 19 Jahren mit Essstörungen geführt. Das zeigen Auswertungen der AOK zu den Daten ihrer Versicherten. Landesweit betrug die Zunahme von 2020 auf 2021 rund 18 Prozent. Ein ansteigender Trend ist auch im Rems-Murr-Kreis zu beobachten: Hier ist die Behandlungshäufigkeit von Essstörungen zwischen 2017 und 2021 im Schnitt um 5,2 Prozent pro Jahr gestiegen und liegt damit etwas unter dem Landesdurchschnitt von 5,4 Prozent.

Essstörung
Magersüchtige halten sich trotz Untergewicht für zu dick.

WaiblingenDie Corona-Pandemie hat in Baden-Württemberg zu einem Anstieg der Behandlungen von Kindern und Jugendlichen bis 19 Jahren mit Essstörungen geführt. Das zeigen Auswertungen der AOK zu den Daten ihrer Versicherten. Landesweit betrug die Zunahme von 2020 auf 2021 rund 18 Prozent. Ein ansteigender Trend ist auch im Rems-Murr-Kreis zu beobachten: Hier ist die Behandlungshäufigkeit von Essstörungen zwischen 2017 und 2021 im Schnitt um 5,2 Prozent pro Jahr gestiegen und liegt damit etwas unter dem Landesdurchschnitt von 5,4 Prozent.

Essstörungen sind psychische Störungen, die mit einem krankhaft veränderten Essverhalten einhergehen. Die relevantesten Essstörungen sind die Magersucht (Anorexie), die Bulimie und die Binge-Eating-Störung. Die Anorexie und die Bulimie treten bis zu zehnfach häufiger bei Mädchen und Frauen als bei Jungen und Männern auf, bei der Binge-Eating-Störung ist der Unterschied geringer. Bei der Magersucht besteht eine deutlich verringerte Nahrungszufuhr. Menschen mit einer Bulimie leiden hingegen unter wiederholten Essanfällen, das heißt, sie essen in kurzer Zeit sehr viel und unkontrolliert und erbrechen sich danach aus Angst vor einer Gewichtszunahme. Bei der Binge-Eating-Störung treten Essanfälle ohne Erbrechen auf.

Über die psychologischen Hintergründe der gestiegenen Behandlungszahlen gibt es verschiedene Hypothesen: Diskutiert wird, dass ein Verlust der Tagesstruktur während der Pandemie und insbesondere während der Lockdowns begünstigend gewesen sein könnte, verbunden mit weniger Außenaktivität unter Kindern und Jugendlichen, die stattdessen den Fokus mehr auf Social-Media-Aktivitäten gelegt haben. Diese wiederum könnten vermehrt einen Anstoß in Richtung Körperoptimierung, Diäten und Workouts gegeben haben. „Eine weitere Erklärung könnte sein, dass das gestörte Essverhalten eine Art Bewältigungsstrategie ist, mit dem Gefühl von Kontrollverlust im Rahmen der Pandemie umzugehen. Insbesondere Betroffene, die sozial isoliert waren und hohe Ansteckungsängste hatten, könnten in der Pandemie besonders anfällig gewesen sein“, sagt Dr. med. Dipl.-Psych. Alexandra Isaksson, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapiebei bei der Gesundheitskasse.

Essstörungen machen sich auf teils unterschiedliche Weise bemerkbar: Menschen mit Magersucht sind meist untergewichtig und haben starke Angst zuzunehmen. Um dies zu verhindern, essen sie viel weniger, treiben exzessiv Sport oder greifen zum Beispiel zu Abführmitteln oder Entwässerungstabletten. Auch eine starke, selbst herbeigeführte Gewichtsabnahme bei Normalgewichtigen kann ein Hinweis auf eine Magersucht sein. Typisch für diese Essstörung ist zudem, dass sich die Betroffenen trotz Untergewichts weiterhin für zu dick halten. Häufige körperliche Folgeerscheinungen bei der Anorexie sind Haarausfall, Ausbleiben der Menstruation mit beeinträchtigter Fruchtbarkeit, Blutarmut, Herzrhythmusstörungen und Osteoporose. Bei häufigem Erbrechen wie bei Bulimie kommt es vermehrt zu Entzündungen der Rachenschleimhaut, Karies und Störungen des Elektrolythaushalts (Kalium- und Natriummangel). Unbehandelt können die Gewichtsveränderungen ernsthafte körperliche Folgen nach sich ziehen – wie beispielsweise hormonelle Veränderungen oder Mangelzustände – und die Essstörungen einen chronischen Verlauf nehmen. Die Gesamtsterblichkeit ist bei Essstörungen generell, insbesondere jedoch bei Menschen mit Magersucht um ein Mehrfaches erhöht, höher als bei Menschen mit Depressionen oder Schizophrenie.

Betroffenen hilft eine ambulante Psychotherapie, welche mit einer Ernährungstherapie ergänzt wird. Eine stationäre Therapie kann notwendig werden, wenn zum Beispiel bei der Anorexie ein kritisches Untergewicht besteht oder auch wenn weitere psychische Störungen wie Depressionen und Angststörungen und starke Alltagseinschränkungen vorliegen. Erste Anlaufstelle kann hier der Haus- oder Kinderarzt, ein Facharzt Will ein Arzt nach erfolgter Approbation eine Fachgebietsbezeichnung (zum Beispiel Arzt für… für Psychosomatik oder auch eine psychosoziale Beratungsstelle sein.

Im Modul Kinder- und Jugendpsychiatrie des AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -FacharztProgramms wird eine psychosoziale und damit ganzheitlich ausgerichtete Beratung und Versorgung erkrankter Kinder und Jugendlicher gefördert und darüber hinaus das Lebensumfeld und die Familie der Betroffenen einbezogen: Eine Therapie im Alltag der Kinder und Jugendlichen wird ermöglicht, zum Beispiel in der Familie oder in der Schule, was die Versorgung entscheidend verbessern kann. Bei Teilnahme am AOK-HausarztProgramm wird zusätzlich eine Kinder- und Jugendvorsorgeuntersuchungen J2 (von 16 bis 17 Jahren) angeboten, deren Schwerpunkt unter anderem das frühzeitige Erkennen und Behandeln von Sozialisations- und Verhaltensstörungen ist.

Über Essstörungen und deren Behandlungsmöglichkeiten informieren auch die Internetseiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Sie bietet Betroffenen und ihren Angehörigen zudem eine anonyme telefonische Beratung über Essstörungen und deren Behandlungsmöglichkeiten unter (0221) 89 20 31.

Ihr Ansprechpartner und Pressekontakt

Joachim Härle
Pressesprecher

Joachim Härle