Gesund leben kann man lernen
Schülerinnen und Schüler sollten früh lernen, für ihr Handeln Verantwortung zu übernehmen. Dies gelingt, wenn sie eine gesunde, nachhaltige und umweltbewusste Lebensweise kennenlernen. Die AOK Baden-Württemberg fördert dies mit verschiedenen Programmen. Ein Beispiel aus dem Neckar-Odenwald-Kreis.

Es ist kurz nach 10 Uhr. Im Foyer des Landratsamts Neckar-Odenwald- Kreis in Mosbach herrscht reges Treiben. Über 20 Schülerinnen und Schüler der Friedrich-Heuß-Schule in Haßmersheim besuchen heute die Kreisstadt, um die NachhaltICHkeitsarena zu erkunden. Melanie Rudolf vom Landratsamt hat die Wanderausstellung organisiert. Die Verantwortliche der Kommunalen Gesundheitskonferenz (KGK) plant nicht nur Veranstaltungen und koordiniert die Geschäftsstelle, sondern bereitet auch die Termine von Landrat Achim Brötel vor. Die KGK besteht aus Vertretern örtlicher Institutionen der Gesundheitsförderung, Prävention, Versorgung, Selbsthilfe, des Patientenschutzes und des Sozialbereichs.
Auch die AOK-Bezirksdirektion Rhein-Neckar-Odenwald bringt sich in das Gremium mit ein. In Baden- Württemberg gibt es 39 solcher Konferenzen, die wichtige gesundheitliche Themen auf Stadt- und Kreisebene abstimmen und die Ziele des Gesundheitsleitbilds Baden-Württemberg verfolgen. Dieses Jahr stehen der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Gesundheit im Fokus. „Daher freut es mich, dass wir die NachhaltICHkeitsarena zwei Wochen lang für Schulklassen und die Öffentlichkeit in unsere Veranstaltungsreihe integrieren konnten“, sagt Rudolf.
Die interaktive Wanderausstellung kommt gut an. „Die meisten Schülerinnen und Schüler sind sehr interessiert und lassen sich für die verschiedenen Themen begeistern“, freut sie sich. Auch Emilia Urban und Gia Han Thai sind begeistert, besonders bei der Station „Wir bewegen was“. „Das hat mir am meisten Spaß gemacht. Beim ersten Versuch habe ich 897 Schritte geschafft und dann über 1.000“, freut sich die zwölfjährige Emilia. Gia Han Thai fand das Thema „Wie und wo werden Lebensmittel richtig gelagert“ spannend. „Ich wusste nicht, dass Tomaten nicht in den Kühlschrank gehören, weil sie sonst ihre Aromen verlieren“, erzählt sie. Neben der richtigen Lagerung von Lebensmitteln werden weitere Fragen beantwortet: Woher kommen meine Lebensmittel und gibt es regionale und saisonale Alternativen? Was ist Mikroplastik, welche Auswirkungen hat es auf die Umwelt und wie kann ich es reduzieren? Wie lange kann man Lebensmittel essen und muss Abgelaufenes sofort entsorgt werden? Was ist ein CO2-Fußabdruck und wie kann ich ihn verringern? Hilft Bewegung mir und dem Klima?
„Die meisten Schülerinnen und Schüler sind in der Ausstellung sehr interessiert und lassen sich für die verschiedenen Gesundheitsthemen begeistern.“
Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis

„Die NachhaltICHkeitsarena ergänzt das bewährte ScienceKids-Konzept um einen innovativen Baustein und verbindet Nachhaltigkeit mit Gesundheitsbildung. Damit erfüllen wir unseren gesetzlichen Präventionsauftrag im schulischen Bereich besonders gut“, erklärt Christian Bikowski, Präventionsexperte bei der AOK-Bezirksdirektion Rhein-Neckar-Odenwald. Das Programm wurde von der AOK Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, der Außenstelle Ludwigsburg des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung sowie der Stiftung Sport in der Schule entwickelt.
Interaktion fördert den Lernerfolg

Wie alle ScienceKids-Konzepte bietet auch die NachhaltICHkeitsarena durch handlungsorientiertes Lernen Anregungen für einen abwechslungsreichen und ansprechenden Unterricht. „Das Grundprinzip lautet: erforschen, erleben, erlernen, reflektieren und nachhaltig handeln. Je früher wir beginnen, desto besser lassen sich Verhaltensänderungen erreichen und Gesundheitskompetenz aufbauen“, erklärt Christian Bikowski.
Georg Elmlinger, Sport- und Geografielehrer an der Friedrich-Heuß-Schule, stimmt zu. „Schülerinnen und Schüler haben bei interaktiven Angeboten wie der NachhaltICHkeitsarena mehr Spaß als bei der Vermittlung reiner Theorie – die Lernerfolge sind eindeutig besser“, sagt er. Der 35-Jährige verweist auf den kompetenzorientierten Bildungsplan von 2016 in Baden- Württemberg, der Erziehungs- und Bildungsprozesse anstoßen soll, um die Lernenden auf das „wirkliche Leben“ vorzubereiten. Dabei sollen sie Wissen und Können anwenden, um verschiedene Aufgaben und Lebenssituationen zu meistern. Die NachhaltICHkeitsarena ermöglicht es, in sechs Modulen fächerübergreifend Aspekte der Nachhaltigkeit zu behandeln. Biologie, Geografie, Sport und Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung (WSB) der Sekundarstufe I und des Gymnasiums sowie Alltagskultur, Ernährung und Soziales (AES) in der Sekundarstufe I sind zentrale Fächer. Es gibt jedoch auch Bezüge zu Deutsch, Mensch, Natur und Technik, Religion, Ethik und Englisch. Die Aktivitäten in den Modulen fördern selbstverantwortliches Handeln, indem sie Denken, Wollen und Motivation anschaulich verknüpfen.
Langfristig sollen sie Haltungen entwickeln, die einen respektvollen Umgang mit sich, anderen, der Gemeinschaft und der Natur fördern. „Ich finde solche Angebote sehr gut, weil Schülerinnen und Schüler durch neue Erfahrungen und Erkenntnisse ihr eigenes Handeln reflektieren und selbstwirksam erleben“, sagt Georg Elmlinger.
„Die NachhaltICHkeitsarena ergänzt das ScienceKids-Konzept um einen innovativen Baustein und verbindet Nachhaltigkeit mit Gesundheitsbildung. So erfüllen wir unseren gesetzlichen Präventionsauftrag besonders gut.“
Präventionsexperte, AOK Baden-Württemberg
Gesundheit als Schulfach

Gordana Marsic, Vorstandsmitglied der AOK Baden-Württemberg, betont die Bedeutung der Gesundheitskompetenz von Kindesbeinen an. „Kinder und Jugendliche übernehmen Verhaltensweisen und Essgewohnheiten aus ihrem Umfeld. Für ihre gesunde Entwicklung ist es entscheidend, sie früh an gesundheitsförderndes Verhalten heranzuführen“, sagt sie und weist darauf hin, dass sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt hat, was eine gesundheitsbewusste Lebensweise erschwert. So ist beispielsweise Essen jederzeit verfügbar, was zu übermäßigem Konsum führt und dem Körper keine Verdauungspausen lässt. Ungesunde Snacks werden massiv beworben und sind auf dem Schulweg leicht zugänglich. Mehrgenerationenhaushalte sind selten, wodurch wertvolles Wissen über Ernährung und Bewegung nicht mehr weitergegeben wird. Die Digitalisierung erleichtert den Zugang zu Informationen, doch viele davon sind falsch oder wissenschaftlich ungeklärt. „Es wird immer schwieriger, verlässliche von falschen Informationen zu unterscheiden.“
„Ein Schulfach Gesundheit wäre der richtige Weg, um Gesundheitsbildung fest in den Schulalltag zu integrieren und einen ganzheitlichen Gesundheitsansatz zu verfolgen.“
Vorstandsmitglied, AOK Baden-Württemberg
„Trotz vielfältiger Kommunikationsmöglichkeiten nimmt die digitale Vereinsamung zu“, sagt Gordana Marsic. Die Folgen sind gravierend: Übergewicht betrifft weltweit über drei Milliarden Menschen, eine Zahl, die sich in 30 Jahren mehr als verdoppelt hat. In Deutschland sind zwei von drei Erwachsenen übergewichtig oder adipös. Psychische Erkrankungen nehmen zu – 2022 waren 4,7 Prozent der Deutschen betroffen. Mehr als jeder vierte Erwachsene erfüllt jährlich die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Rund 60 Prozent der Deutschen haben eine geringe Gesundheitskompetenz. 2024 wiesen sogar über 75 Prozent der Erwachsenen in Deutschland unzureichende Gesundheitskompetenz auf: „Drei von vier Menschen hierzulande haben Schwierigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden“, fasst Gordana Marsic zusammen.
Diese Zahlen zeigen, dass ein Umdenken nötig ist. Trotz zahlreicher Initiativen fehlt es an flächendeckender Umsetzung. Ein „weiter so“ reicht nicht. Geringe Gesundheitskompetenz führt in vielen Fällen zu ungesundem Verhalten, schlechter Gesundheit und höherer Belastung des Gesundheitssystems. Gesundheit sollte in der Gesellschaft mehr zählen. Dazu gehören Bewegung, ausgewogene Ernährung, Entspannung, psychisches Wohlbefinden und ein funktionierendes soziales Miteinander. Und: Gesundheitskompetenz muss von klein auf gefördert werden, unabhängig von Herkunft oder sozialem Status, um die Chancen auf ein selbstbestimmtes, gesundes Leben zu erhöhen. Strukturell verankerte Lösungen sind notwendig, um Gesundheitskompetenz regelmäßig aufzubauen. „Ein Schulfach Gesundheit wäre deshalb der richtige Weg, um Gesundheitsbildung in den Schulalltag zu integrieren und einen ganzheitlichen Gesundheitsansatz zu verfolgen“, fordert Gordana Marsic. Eine aktuelle Civey-Umfrage im Auftrag der AOK Baden-Württemberg bestätigt dies. Mehr als die Hälfte der Befragten meint, Gesundheit sollte ein Schulfach werden. Über 80 Prozent halten es für wichtig, dass Schulen Kinder über Themen wie Ernährung, Bewegung, mentale Gesundheit und Prävention aufklären. Auch soziales Miteinander, Erste Hilfe und Suchtprävention sollten Teil des Fachs Gesundheit sein, falls es eingeführt wird.
Emilia Urban und Gia Han Thai fahren zurück zur Schule. „Zu Hause probiere ich das Eierexperiment noch einmal aus“, sagt Emilia. Heute hat sie gelernt: Sinkt ein Ei im Glas auf den Boden, ist es frisch. Steigt es nach oben und schwimmt an der Oberfläche, ist es definitiv älter oder verdorben.