Besser im Netzwerk

Die Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg sollen personell verstärkt werden – für mehr Koordinierungsarbeit. Im Landkreis Reutlingen hat man sich bereits auf den Weg gemacht.

Drei ältere Menschen in einer Gesprächssituation
Unterstützung: Eine halbe Stelle mehr für Koordinierungsarbeit soll die Beraterinnen der Pflegestützpunkte entlasten.

Im Juli tritt in Baden-Württemberg eine Ergänzungsvereinbarung zum Rahmenvertrag der Pflegestützpunkte in Kraft. Sie sieht vor, dass Pflegestützpunkte eine halbe zusätzliche Stelle für Koordinierungsarbeit erhalten können, finanziert zu einem Drittel von den Kommunen und zu zwei Drittel von den Kranken- und Pflegekassen.

Die Regelung ist eine Reaktion auf die Ergebnisse des IGES-Evaluationsberichts, der 2024 festgestellt hat, dass Beratungs- und Personalressourcen effizienter organisiert werden können. Die Verfasserinnen und Verfasser empfehlen eine koordinierte Vernetzung der Akteure vor Ort. Im Landkreis Reutlingen ist man diesen Schritt bereits gegangen – aus gutem Grund. „Wir sind ein Flächenlandkreis mit großem ländlichen Raum. Mobilität ist ein riesiges Thema – für Pflegebedürftige wie für unsere Beraterinnen“, sagt Gabriele Gerstmeier, im Sozialdezernat des Landratsamts zuständig für die strategische Altenhilfeplanung. Acht Standorte umfasst das Pflegestützpunkte-Netz im Kreis, dazu kommen die externen Träger und Kooperationspartner wie ein Palliativnetzwerk, ein Netzwerk Alterspsychiatrie sowie seit 2024 eine kommunale Pflegekonferenz. Das erfordert Abstimmung.

Gabriele Gerstmeier verantwortet die Koordination der Pflegestützpunkte derzeit zu 20 Prozent ihrer Arbeitszeit – eine Entlastung für das Beratungsteam in den Stützpunkten, das mit wachsender Komplexität der Fälle und steigendem Bedarf konfrontiert ist. „Die Menschen kommen erst, wenn schon sehr viele Probleme zusammengekommen sind. Und die Hilfsangebote leiden selbst unter Personalmangel.“ Umso wichtiger sei es, Doppelstrukturen zu vermeiden, Wissen zu bündeln und Übergänge – etwa vom Klinikentlassmanagement in die häusliche Pflege – reibungslos zu gestalten.

 

„Der Austausch erleichtert es uns, Ressourcen besser zu nutzen.“

Gabriele Gerstmeier

Strategische Altenhilfeplanung, Landratsamt Reutlingen

Die neue Vereinbarung ist für Reutlingen nicht nur Bestätigung, sondern auch Rückenwind. Sie schafft erstmals eine formalisierte Grundlage für eine Stelle, die vielerorts bislang improvisiert war. Ein Beispiel für gelungene Netzwerkarbeit soll die neue Pflegekonferenz im Kreis werden. Schon zur Auftaktveranstaltung kamen über 100 Teilnehmende aus den 26 Kommunen. Schwerpunkte wie Digitalisierung und „Sorgende Gemeinschaft“ wurden gesetzt. „Der Austausch erleichtert es uns, übergreifend zu arbeiten und Ressourcen besser zu nutzen“, sagt Gerstmeier.

Das IGES-Institut hatte den Auftraggebern der Studie, den Kommunalen Spitzenverbänden und den Kranken- und Pflegekassen, verdeutlicht, dass die Pflegestützpunkte-Arbeit insgesamt weiter professionalisiert und regional stärker verankert werden sollte. Mit der Ergänzungsvereinbarung werden nun die finanziellen Voraussetzungen geschaffen, um die notwendige strukturelle Veränderung erreichen zu können. Ob und wie die Kommunen ihren Drittelanteil finanzieren können, bleibt allerdings offen. In Reutlingen wird darüber im Rahmen der kommenden Haushaltsberatungen entschieden.

Standpunkt: Koordination darf kein Luxus sein

Portrait Karin Gaiser
Karin Gaiser, Spezialistin Pflege, AOK Baden-Württemberg

Die kommunalen Pflegestützpunkte leisten eine zentrale Arbeit und sind eine wichtige Ergänzung zu unseren eigenen Beratungsangeboten. Im Südwesten ist es 2018 durch den Rahmenvertrag mit den Kommunalen Spitzenverbänden gelungen, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, damit Beratungsressourcen zielgerichtet eingesetzt werden können. Genau dafür schafft die neue Ergänzungsvereinbarung die Voraussetzung. Die Vernetzung und Koordination, die abhängig von den Bedarfen und den strukturellen Voraussetzungen regional unterschiedlich ausgestaltet werden muss, ist Grundvoraussetzung, damit der Einsatz der Beratungsressource tatsächlich bei den Menschen ankommt.

Mit der zusätzlichen halben Stelle pro Pflegestützpunkt wird eine wichtige Struktur gestärkt: die Koordination. Sie entlastet die Pflegeberaterinnen und sorgt dafür, dass ihre praktischen Erfahrungen – wo es hakt, welche Angebote fehlen – systematisch in die kommunale Planung, die Pflegekonferenzen oder die Quartiersarbeit einfließen. Das Ziel ist eine „sorgende Gemeinschaft“, in der Pflege nicht isoliert, sondern eingebettet gedacht wird. Die Umsetzung liegt nun bei den Landkreisen. Für viele wird das ein Kraftakt.

Die Ergänzungsvereinbarung ist ein erster Schritt. Kein Ziel. Wer Pflege zukunftssicher machen will, muss sie klug organisieren – und das beginnt nicht erst beim stationären Pflegeplatz, sondern im Vorfeld der Pflege. Wir brauchen eine zielgerichtete Sozialplanung in Kombination mit einer regionalen Bedarfsplanung. Angesichts immer knapper werdender Ressourcen müssen wir es gemeinsam mit den Kommunen schaffen, funktionierende Strukturen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zu schaffen.