Eine Depression nach der Geburt kann auch Väter treffen

Der sogenannte Babyblues, ein Stimmungstief in den ersten Tagen nach der Geburt eines Kindes, ist bei Müttern weit verbreitet, geht aber zum Glück meist schnell vorbei. Doch manchmal hält die depressive Stimmung weiter an und kann sich zu einer postpartalen Depression (PPD) – umgangssprachlich Wochenbettdepression – auswachsen. Betroffen davon sind nicht nur Mütter. Auch Väter können nach der Geburt ihres Kindes eine Depression entwickeln. Die PPD bei Vätern ist wissenschaftlich noch wenig erforscht. Sie kann sich negativ auf die Partnerbeziehung und die Bindung zum Kind auswirken. Frühzeitig Hilfe zu suchen, ist daher wichtig.

Eine Frau hält ein kleines, weinendes Kind auf dem Arm, ein Mann sitzt mit verschränkten Armen auf dem Boden.

Direkte Auslöser und Risikofaktoren

Schätzungsweise fünf bis zehn Prozent der Väter könnten unter postpartaler Depression leiden. Bereits diese Schwankungsbreite der vermuteten Häufigkeit zeigt, dass noch vieles bei dieser Erkrankung unklar ist. Meist tritt diese Depression zwischen dem dritten und sechsten Monat nach der Geburt auf, oft etwas zeitversetzt zu einer postpartalen Depression bei den Müttern. „Als Auslöser werden Schlafmangel, Stress oder Probleme in der Partnerschaft in Verbindung mit der krassen Veränderung des täglichen Lebens diskutiert. Auch Veränderungen im Hormonhaushalt, zum Beispiel ein Absinken des Testosteronspiegels, könnten eine Rolle spielen“, sagt Dr. Astrid Maroß, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie beim AOK-Bundesverband. Hinzu kommen Risikofaktoren wie eine frühere Depression des Mannes, finanzielle Sorgen oder fehlende soziale Unterstützung durch das Umfeld.

Auch entsprechen die Erwartungen an die Vaterschaft und die eigene neue Position in der Familie nicht immer der Realität – da gibt es Unsicherheiten und Erschöpfung im Umgang mit dem Säugling oder Eifersucht auf das Verhältnis Mutter-Kind. „Manche Väter haben das Gefühl, nicht gut genug zu sein, und fühlen sich schuldig oder nutzlos, wenn sie den Bedürfnissen des Babys vermeintlich nicht gerecht werden“, so Maroß weiter.

Einer der größten Risikofaktoren für eine Erkrankung des Vaters scheint jedoch zu sein, wenn die Mutter an einer postpartalen Depression leidet und die familiäre Situation besonders belastet ist.

Väter reagieren eher gereizt und aggressiv

Eine postpartale Depression kann sich bei Männern und Frauen unterschiedlich zeigen: „Mütter sind in dieser Phase eher erschöpft, während Väter schneller gereizt und aggressiv wirken. Klassische Anzeichen sind zum Beispiel ein verstärkter Rückzug aus der Arbeit oder der Familie, Schlaflosigkeit, Nervosität, Wutattacken oder das Gefühl, wertlos zu sein“, sagt Medizinerin Maroß.

Radio O-Töne von Dr. Astrid Maroß, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie im AOK-Bundesverband

Bei der Therapie die gesamte Familie einbeziehen

Meist ist eine postpartale Depression bei Vätern nicht ganz so stark ausgeprägt wie bei Müttern – ein offenes Gespräch mit der Partnerin, der Familie oder Freunden kann schon ein erster Schritt sein, die Gefühle zu verarbeiten, sich nicht allein zu fühlen und Unterstützung für die junge Familie zu organisieren. Reicht dies nicht aus, sollten sich Betroffene professionelle ärztliche oder psychologische Hilfe holen,“ rät Dr. Maroß: „Es hilft vielen Vätern, wenn sie erkennen, dass sie nicht allein sind und dass eine Depression behandelbar ist. Eine frühzeitige Behandlung kann helfen, die negativen Auswirkungen auf die Familie zu mindern und die Bindung zum Kind zu stärken. Hilfreich kann zum Beispiel sein, einen Entlastungsplan für die Familie zu entwickeln oder sich mehr Unterstützung von außen zu holen. Bei einer Therapie sollte die gesamte Familie miteinbezogen werden.“ 

Männer in Geburtsvorbereitung einbeziehen

Oft ist es sinnvoll, wenn Männer ihre Partnerin bei Schwangerschaft und Geburt begleiten, zum Beispiel beim Geburtsvorbereitungskurs. „Je mehr die Väter über den Umgang mit dem Säugling und möglicherweise auftretende Probleme wissen, desto besser. Häufiger Körperkontakt, das Kind beruhigen, füttern oder in den Schlaf wiegen – das unterstützt eine gute Bindung zwischen Vater und Kind“, sagt Maroß. Zugleich gibt es dem Vater ein Gefühl von Selbstwirksamkeit, er fühlt sich als wichtiger Partner in der neuen Familienkonstellation.