Leisure Sickness: Endlich Urlaub ... und gleich mal krank
Wochenlang hat man geschuftet und sich auf den Urlaub gefreut. Doch gleich am ersten freien Tag passiert es: Ein Fieberschub, die Nase läuft, der Kopf dröhnt. „Es kommt häufiger vor, dass Menschen im Urlaub krank werden. Betroffen sind vor allem beruflich stark belastete Menschen“, sagt Dr. Sylvia Böhme, Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin bei der AOK. Leisure Sickness heißt das Phänomen und wird ins Deutsche mit Freizeitkrankheit übersetzt. Dabei ist es nicht die freie Zeit, die krank macht, sondern der Stress vor der Ruhephase.

Erschöpft an freien Tagen – ein bekanntes Phänomen
Die Erfahrung, ausgerechnet an den freien Tagen erschöpft zu sein oder sogar krank zu werden – dieses Phänomen kennen gut 72 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland, wie eine aktuelle repräsentative Studie der IU Internationalen Hochschule mit Hauptsitz in Erfurt ergab. Fast jede fünfte Person erlebt dies sogar immer oder häufig an freien Tagen oder im Urlaub, so ein weiteres Ergebnis.
Mögliche Symptome
Die Bandbreite der Symptome reicht von grippalem Infekt mit Halsschmerzen und Fieber über starke Müdigkeit bis zu Kopfschmerzen und Übelkeit. Sogar schwere Erkrankungen, beispielsweise ein Herzinfarkt, können vorkommen.
„Viele merken erst in den Erholungsphasen, wie sehr sie sich körperlich und geistig angestrengt haben“, sagt Böhme. „Sie sind oft sehr eingebunden und pflichtbewusst, bekommen die Arbeit nicht aus dem Kopf, sind ständig erreichbar und beantworten E-Mails.“ Die Betroffenen schlafen auch eher schlecht und machen viele Überstunden.
Was Stress bewirkt
Warum wird man aber überhaupt krank, wenn der Körper eigentlich auf Erholung schalten sollte? „Stress ist zunächst einmal eine gute und angemessene Reaktion unseres Körpers auf eine akute Belastungssituation. Bei Stress werden die sogenannten Stresshormone, also zum Beispiel Cortisol oder Adrenalin, ausgeschüttet, sodass wir bestmöglich auf die Belastungssituation reagieren können. Ist der Stress aber nicht mehr akut, sondern dauerhaft, gibt es keine Erholungsphasen. Dann ist der Spiegel an Stresshormonen langfristig sehr hoch und das ist nicht gut für unseren Körper. Wir befinden uns in ständiger Alarmbereitschaft und können nur schwer abschalten, um neue Kraft zu tanken“, erklärt Böhme. Unter Stress arbeitet das Immunsystem auf Hochtouren, denn, so die AOK-Expertin weiter: „Bei hoher Belastung können wir keine Erkältung gebrauchen. In der Übergangsphase zwischen Stress und Ruhephase kann das Immunsystem dann aber endlich herunterfahren und wir werden krank.“
Warnzeichen ernst nehmen
Warnzeichen wie Herzrasen, Kurzatmigkeit oder übermäßiges Schwitzen sollte man ernst nehmen. „Eine ständige hohe Arbeitsbelastung ohne Phasen der Erholung kann zu psychischen und körperlichen Folgeerkrankungen führen“, sagt Böhme. Es ist daher wichtig, schon vor dem Urlaub mit der Erholung zu beginnen und chronischen Stress zu vermeiden. Auch in der Woche können sich Berufstätige Minuten und Stunden der Entspannung gönnen. Aktive Entspannung und regelmäßige Bewegung gehören zu den besten Mitteln gegen Stress. Es hilft zum Beispiel schon, dreimal pro Woche 30 Minuten lang in schnellerem Tempo spazieren zu gehen. Wem Entspannungsübungen gefallen, der kann Yoga, Meditation, Tai-Chi, Qigong oder ähnliche Methoden ausprobieren. Zur Ruhe kommt man gut am Abend bei einem gemütlichen Essen mit der Familie oder Freunden, einem Buch oder mit ruhiger Musik vor dem Einschlafen. Die Zeit nach der Arbeit nur vor dem Fernseher oder am Smartphone zu verbringen, verschafft dagegen keine echte Erholung
Entspannt in den Urlaub – so klappt es
Viele machen vor dem Urlaub noch extra Überstunden, um ihre Abwesenheit vorzubereiten. Das ist kontraproduktiv, weil man den Urlaub dadurch in einem gestressten Zustand beginnt. „Es sollte in einem Betrieb angestrebt werden, dass Aufgaben vertreten werden können“, empfiehlt Psychologin Dr. Böhme. Zur Ruhe kommen heißt, die freie Zeit nicht mit zu vielen Aktivitäten oder sportlichen Herausforderungen vollzupacken. Ansonsten wird das Stresshormon Cortisol nicht oder nur langsam abgebaut, sodass sich ein Erholungseffekt nicht einstellen kann. Besser ist es, auch mal Langeweile aufkommen zu lassen und sich spontan zu entscheiden, was man heute unternehmen will. In den Urlaub startet man am besten, indem man sich ein oder zwei Tage Ruhe und Nichtstun gönnt, möglichst ohne Hektik am Urlaubsort ankommt und am ersten Tag früh schlafen geht.