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„Pflegende Angehörige sind Deutschlands größter Pflegedienst“

09.10.2025 AOK-Bundesverband 3 Min. Lesedauer

Die Aufgabe, Pflege und Beruf zu vereinbaren, bringt pflegende Angehörige oft an ihre gesundheitlichen Grenzen. Die Politik ist deshalb gefordert, mehr Unterstützung bereitzustellen.

Rund 5,7 Millionen Menschen in Deutschland sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes. Über 80 Prozent der Betroffenen leben zu Hause und werden dort ambulant versorgt. In drei Viertel der Fälle sind es pflegende Angehörige, die dabei die komplette Pflegeverantwortung übernehmen. „Nicht Caritas oder Arbeiterwohlfahrt, sondern Ehepartner, Töchter, Enkelkinder oder gute Freunde sind also in Wahrheit der größte Pflegedienst in Deutschland“, bringt es Annette Düring auf den Punkt, die im Verwaltungsrat der AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… Bremen/Bremerhaven Versichertenvertreterin und Mitglied im Aufsichtsrat des AOK-Bundesverbands ist. Für die Angehörigen bedeute die Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… eines nahestehenden Menschen eine große Herausforderung, so Düring weiter. „Wenn Termine im Job, Arztbesuche und Haushaltsführung mit der Pflege der Eltern unter einen Hut gebracht werden müssen, kommen viele an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, fühlen sich hilflos und alleingelassen. Ihr Risiko, selbst zu erkranken, steigt dadurch deutlich an“, betont Düring.

Gesundheitliche Beschwerden durch Pflege

Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov bestätigt das: 32 Prozent der pflegenden Angehörigen berichten von psychischen Belastungen, 22 Prozent von körperlichen Beschwerden. „Die Politik muss dringend weitere Maßnahmen zur Unterstützung pflegender Angehöriger einleiten. Hierfür müssen auch kommunale Unterstützungsstrukturen konsequent auf- und ausgebaut werden“, fordert Düring. Man brauche flächendeckend sogenannte Caring Communities, in denen lokale Sorgestrukturen entwickelt würden, in denen Nachbarschaftshilfe, freiwilliges Engagement und professionelle Dienste zusammenfließen, so Düring weiter.

Mit dem Familiencoach Pflege engagiert sich die AOK-Gemeinschaft bereits in diesem Bereich und stellt Betroffenen eine internetbasierte Unterstützung zur Verfügung, um den seelisch belastenden Pflegealltag besser zu bewältigen und sich vor Überlastung zu schützen. Anhand von Tipps, interaktiven Übungen, Videos und Audios lernen sie, wie sie mit den Herausforderungen bei der Pflege eines Angehörigen besser umgehen können.

Folgen für die Wirtschaft

Doch nicht nur die Pflegenden selbst stehen unter Druck. Ihre hohe Belastung hat nämlich auch Folgen für die Wirtschaft. „Fast jede vierte Hauptpflegeperson reduziert ihre Arbeitszeit oder gibt ihren eigenen Beruf ganz auf. Nur 46 Prozent der pflegenden Angehörigen arbeiten noch Vollzeit. Die bereits vorhandenen finanziellen Unterstützungsinstrumente werden dabei noch zu wenig genutzt“, sagt Sven Nobereit, der im Verwaltungsrat der AOK Plus die Arbeitgeberseite vertritt und Mitglied im Aufsichtsrat des AOK-Bundesverbands ist. Eine Umfrage im Auftrag des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) bestätigt das. Demzufolge gaben von den Teilzeit-Beschäftigten 52 Prozent an, ihre Arbeitszeit wegen der Pflege eines Angehörigen verringert zu haben. Und von den Nicht-Erwerbstätigen waren 28 Prozent laut eigener Auskunft vor der Pflegearbeit erwerbstätig.

„In einem von Fachkräftemangel geprägten Arbeitsmarkt können wir uns solche Verluste gesellschaftlich einfach nicht mehr leisten“, sagt Nobereit. Und damit nicht genug: Weil pflegende Angehörige stark psychisch und körperlich belastet sind, fallen sie zudem häufiger krankheitsbedingt am Arbeitsplatz aus. „Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2050 noch deutlich zunehmen wird, brauchen wir Rahmenbedingungen, die die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf erleichtern, insbesondere durch die Änderung auf eine wöchentliche statt die tägliche Höchstarbeitszeit“, sagt Nobereit. Und weiter: „Vor Ort kommen Unternehmen und Beschäftigte oft zu den besten Lösungen. Ich empfehle daher immer das persönliche Gespräch.“