Stellungnahme der AOK Rheinland/Hamburg zum Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG)
In Ergänzung zur Stellungnahme des AOK-Bundesverbandes haben wir anlässlich der Verbändeanhörung des Bundesgesundheitsministeriums am 21. August 2025 den Referentenentwurf des Krankenhausreform-Anpassungsgesetzes (KHAG) und die sich daraus ergebende Krankenhausreform aus der Anwenderperspektive einer direkt betroffenen Einzelkasse sowie eines direkt betroffenen Landesverbands kommentiert.
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1. Einführung
Die AOK Rheinland/Hamburg hat sich an der Entwicklung des Leistungsgruppensystems und der Umsetzung der Planungsreform in Nordrhein-Westfalen (NRW) intensiv beteiligt. Praktische Erfahrungen konnten in unserem Haus nicht nur hinsichtlich der Umsetzung des neuen Krankenhausplans als Federführerin in drei Versorgungsgebieten gesammelt werden, sondern seit 01.01.2024 in den Pilotregionen Solingen und Kreis Mettmann auch bezüglich der Auswirkungen auf die Krankenhausabrechnungen sowie die Budgetverhandlungen. Wir halten es für sinnvoll und erforderlich, diese konkreten Erfahrungen und profunden Kenntnisse in die Gestaltung der Reform auf Bundesebene einzubringen.
Seit 01.04.2025 haben die neuen Feststellungsbescheide in ganz Nordrhein-Westfalen Bestandskraft. Der erhoffte Zentralisierungseffekt bei komplexen Leistungen ist durch eindeutige und in den bisherigen Eilrechtsverfahren durch die Verwaltungsgerichte ganz überwiegend bestätigte Auswahlentscheidungen der zuständigen Behörden nachweislich eingetreten. (Abb. 1, online nicht verfügbar)
Diese Erfahrung und Ergebnisse haben unsere Auffassung und die Einschätzung weiterer Organisationen wie z. B. der Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW), der Landesärztekammer Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (MAGS NRW) bestätigt, dass eine differenzierte, transparente und rechtssichere Krankenhausplanung unter Einbindung der Kompetenzen der regional Beteiligten erfolgreich umsetzbar ist. Sie stellt den notwendigen ersten Schritt zu einer Reform der stationären Versorgung dar, die für die Sicherung der solidarisch finanzierten Qualitätsversorgung in Deutschland unerlässlich ist.
Wir kommentieren hiermit in Ergänzung zur Stellungnahme des AOK-Bundesverbandes den Referentenentwurf des Krankenhausreform-Anpassungsgesetzes (KHAG) und die sich daraus ergebende Krankenhausreform aus der Anwenderperspektive einer direkt betroffenen Einzelkasse sowie eines direkt betroffenen Landesverbands. Denn die Aspekte der praktischen Umsetzbarkeit im Land und vor Ort sind in der bisherigen Diskussion seit der Veröffentlichung der 3. Stellungnahme der Regierungskommission am 06.12.2022 aus unserer Sicht durchgehend zu kurz gekommen.
Das Ziel muss eine funktionale und wirkmächtige Krankenhausreform sein, die für alle Beteiligten spürbare Anreize für die Ausrichtung der Behandlungsstrukturen und der Versorgungsprozesse am Bedarf der Menschen setzt. Dabei ist darauf zu achten, dass die neu gesetzten Anreize für die Krankenhäuser transparent und fair ausgestaltet sind, sonst können sie keine positive Wirkung für die Patientinnen und
Patienten entfalten.
Der durch das KHVVG und das KHAG vorgegebene Reformweg führt in erster Linie zu einer lähmenden Überregulierung mit Überforderung der Selbstverwaltung, der Landesebene und der Ortsebene. Die Komplexität in der Krankenhausplanung und -finanzierung nimmt weiter zu, sodass Steuerbarkeit, Transparenz und Rechtssicherheit nochmals reduziert werden. Die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen, die durch zahlreiche unglückliche gesetzliche Regelungen z. B. zum Fixkostendegressionsabschlag, zum Pflegebudget und lückenhaft ausgestaltete Ausgleichs- und Fördersystematiken schon jetzt stark belastet ist, wird durch die komplizierten und intransparenten Instrumente zusätzlich erschwert.
Um die Krankenhausreform erfolgreich auf den Weg zu bringen, ist eine Reduktion und Konzentration auf ihren funktionalen Kern notwendig. Dieser Kern umfasst die Einführung einer differenzierten Krankenhausplanung über Leistungsgruppen und eine Vorhaltefinanzierung auf der Basis von Planfallzahlen. Damit wird die Relevanz der Krankenhausplanung erhöht, die Krankenhauserlöse
krisenfest verstetigt und Fehlanreize zur Bedarfsüberschreitung reduziert. Der Ansatz ist im KHVVG vollständig angelegt, er wird aber überwuchert und beschädigt von dysfunktionalen Kontrollmechanismen, mit denen die Compliance der Länder bei der Krankenhausplanung sichergestellt werden soll. Es handelt sich zwar um eine positive Absicht, diese Kontrollmechanismen bringen aber in der Realität keinen Nutzen, weil die Reform ohne die Kooperation der Länder sowieso nicht funktionieren wird. Es gibt keine Alternative dazu, auf eine starke Krankenhausplanung durch die Länder unter den neuen Anreizen zu setzen und zu vertrauen. Das, was in NRW erfolgreich gelungen ist, sollte auch von anderen Bundesländern erwartet werden.
Die vorliegende Krankenhausreform zielt in ihren Grundprinzipien in die richtige Richtung. Das Ziel der „Entökonomisierung“ ist der Schlüssel zum Erfolg. Alle Äußerungen aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) weisen klar darauf hin, dass nicht die Überwindung des ökonomischen Prinzips gemeint ist, das im SGB V über das Minimumprinzip realisiert ist. Es geht um die Entkopplung der Versorgungsentscheidungen von ökonomischen Anreizen, damit die Mittel der Solidargemeinschaft zur Deckung des Bedarfs eingesetzt werden und nicht für einen Mengenwettbewerb. Eine differenzierte Landeskrankenhausplanung und eine fallunabhängig ausgestaltete Vorhaltefinanzierung sind wirksame Instrumente, dieses Ziel zu erreichen. Die Reform sollte auf eine möglichst unbürokratische und rechtssichere Einführung dieser Instrumente reduziert werden, damit die gemeinsame Umsetzung gelingt.
„Um die Krankenhausreform erfolgreich auf den Weg zu bringen, ist eine Reduktion und Konzentration auf ihren funktionalen Kern notwendig.“
2. Einteilung der Leistungsgruppen
Die Einführung einer bundeseinheitlichen „Planungssprache“ in Form von Leistungsgruppen ist die Grundlage der Reform. Allerdings werden mit KHVVG und KHAG aktuell gerade keine bundeseinheitlichen Leistungsgruppen eingeführt. Nach § 135e Abs. 2 S. 2 SGB V wird die Einteilung der Leistungsgruppen durch eine Rechtsverordnung vorgenommen. Wenn es keine Rechtsverordnung gibt, dann gilt nach § 135e Abs. 4 SGB V die Anlage 1 des KHVVG. Es existiert bisher weder eine Rechtsverordnung noch eine Einteilung von Leistungsgruppen in der mit dem KHAG aktualisierten Anlage 1 zu § 135e SGB V. Folglich gibt es auch keine einheitlichen Leistungsgruppen. Es gibt zwar Namen sowie Qualitätsanforderungen für sie, die Fallzuordnung ist aber ungeregelt. Daran ändert auch der Leistungsgruppengrouper des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) nichts, da über den Grouper keine für die Länder relevanten Zuordnungskriterien festgelegt werden.
Es gibt gesetzlich keinen Rückkopplungsmechanismus vom Grouper in Richtung Planung, was im vorliegenden Reformansatz zu einer Divergenz von Versorgungsauftrag und Abrechnungsfähigkeit führen wird. Ein Beispiel: Wenn ein Land über die eigenen Rahmenvorgaben festlegt, dass die Schlittenprothese des Knies zum Versorgungsauftrag „Allgemeine Chirurgie“ gehört, dann wird sich als Groupingergebnis zwar die Knieendoprothetik ergeben, aber eine Klinik ohne diese Leistungsgruppe wird dennoch einen Vergütungsanspruch haben.
Vorschlag: Zur Schaffung von Rechtssicherheit und einer sicheren Kongruenz von Versorgungsauftrag,
Feststellungsbescheid und Leistungsgruppenzuordnung ist entweder
- über das KHAG die Anlage 1 um die Leistungsgruppenspezifikationen zu ergänzen
- oder aber die entsprechende Rechtsverordnung mit den umfassenden Definitionen zu verabschieden.
„Die Einführung einer bundeseinheitlichen „Planungssprache“ in Form von Leistungsgruppen ist die Grundlage der Reform. Allerdings werden mit KHVVG und KHAG aktuell gerade keine bundeseinheitlichen Leistungsgruppen eingeführt.“
3. Leistungsgruppengrouper weiterentwickeln
Aus dem vorangegangenen Punkt folgt auch die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung des Leistungsgruppengroupers. Wie oben dargestellt, führt der Leistungsgruppengrouper zu einer systematischen Entkopplung der Leistungsgruppen vom zugewiesenen Versorgungsauftrag, der wiederum für die Abrechnungsfähigkeit entscheidend ist. Der aktuelle Grouper ist damit für den im Koalitionsvertrag festgelegten Zweck der Abrechnung ungeeignet. Auch die Bundesärztekammer (BÄK), das MAGS NRW und die KGNW weisen u.a. darauf hin, dass der Leistungsgruppengrouper ohne grundlegende Anpassungen zu relevanten Verwerfungen im Versorgungssystem führen.
Vorschlag: Nach der erforderlichen Ergänzung bundesweit einheitlicher Leistungsgruppendefinitionen
in Anlage 1 oder in der Rechtsverordnung zu § 135e SGB V ist anschließend ein Grouper zu entwickeln, der die Fälle vollständig deckungsgleich mit diesen Leistungsgruppenspezifikationen gruppiert. Nur wenn alle Länder und der Leistungsgruppengrouper die Fallzuordnung zu Leistungsgruppen nach identischer Logik vornehmen, ist eine rechtssichere Basis für die Planungsreform, die Abrechnung, die Budgetverhandlung und die Vorhaltefinanzierung gewährleistet.
Die Weiterentwicklung des Leistungsgruppengroupers sollte in Form von Exklusivlisten erfolgen, wie sie auch in NRW zur Anwendung kommen und als Grundlage für die Abrechnungsprüfung gut handhabbar sind. Es handelt sich um flache Tabellen, in denen für jede spezifische Leistungsgruppe die Prozeduren und Diagnosen verzeichnet sind, die nur nach Zuweisung der entsprechenden Leistungsgruppe erbracht werden dürfen. In der Anwendung hätte das viele Vorteile. Flache Tabellen sind kompatibel zur bisherigen Struktur der Anlage 1 zu § 135e SGB V, wo bereits die Voraussetzungen für die noch nicht definierten Leistungsgruppen festgelegt sind. Die derzeit vor der Abrechnungsprüfung geplante Hierarchisierung könnte später im Prozess greifen und würde erst zur Kalkulation der Vorhaltefinanzierung vorgenommen, wo sie notwendig ist.
Für die Abrechnungsprüfung ist ein bereits hierarchisiertes Groupingergebnis nicht geeignet. Darüber hinaus ist eine fundierte Landeskrankenhausplanung nach den Regeln des Bundesverwaltungsgerichts (beginnend mit dem Planungszielbild, dann Krankenhausanalyse, dann Bedarfsprognose, dann Auswahlentscheidung) unter Anwendung des aktuellen Definitionshandbuchs nicht vorstellbar. Die Anbindung der Leistungsgruppen an die DRGs führt vor dem Hintergrund jährlicher Katalogwechsel außerdem zu unbestimmten Versorgungsaufträgen, die zu Konflikten führen können und schließlich vor Verwaltungsgerichten landen.
„Die Weiterentwicklung des Leistungsgruppengroupers sollte in Form von Exklusivlisten erfolgen, wie sie auch in NRW zur Anwendung kommen und als Grundlage für die Abrechnungsprüfung gut handhabbar sind. “
4. Flankierende Instrumente
Alle flankierenden Regelungsinstrumente, für die eine eindeutige und ermessensfreie Zuordnung des Einzelfalles zu einer Leistungsgruppe notwendig sind, sind für die Praxis aufgrund der entstehenden Rechtsunsicherheiten und Manipulationsanfälligkeiten nicht geeignet. Unabhängig von der verwendeten Gruppierungslogik kann der Grouper niemals robust und exakt genug arbeiten. Unter anderem deshalb, weil die Kliniken bei ca. 50 % der Fälle die Zuordnung zu einer Leistungsgruppe gezielt steuern können und diese Instrumente damit zu zufälligen und nicht vorhersehbaren Effekten auf Abrechnungsfähigkeit und Finanzierung führen. In diesem Sinne dysfunktionale Instrumente sind:
- die Ist-Fallzahlkorridore als Basis für die Vorhaltevergütung,
- die Mindestvorhaltezahlen sowie
- die onkochirurgische Verbotsliste.
Vorhaltefinanzierung auf der Basis von Ist-Fallzahlkorridoren
Wie die KGNW und BÄK teilen wir die Auffassung, dass durch die Verteilung der Vorhaltefinanzierung
auf der Basis von Ist-Fallzahlkorridoren noch mehr ökonomisch motivierte Behandlungsentscheidungen geben wird als bisher, da eine Fallzahlentwicklung auf knapp über 80 % bzw. knapp über 120% der bisherigen Leistungen stets den wirtschaftlichen Optimalfall für die Kliniken darstellt. Außerdem führt diese Regelung zu mehr Bürokratie.
Vor allem für Träger mit mehreren Standorten ist eine entsprechende Patientensteuerung möglich. Verstärkend wirken die umfassenden Manipulationsmöglichkeiten bei der Leistungsgruppeneinteilung (beliebige Verwendung von Fachabteilungscodes auf Einzelfallebene), die Kliniken die Fahlzahlverrechnung zwischen Leistungsgruppen ermöglicht. Mit der aktuellen Grouperlogik haben die Kliniken bei ca. 60 % der Fälle hinsichtlich der sich ergebenden Leistungsgruppe Wahlmöglichkeiten. Daraus resultiert eine massive Vergütungsungerechtigkeit zwischen den Kliniken. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Selbstverwaltung sich im Rahmen der aktuell laufenden Verhandlungen auf einen Fachabteilungsbegriff einigen sollte, weil der Ermessensspielraum auf Einzelfallebene aufgrund der großen Überschneidungen der Inhalte der ärztlichen Weiterbildungsordnungen schon in der Versorgungsrealität nicht wegzudefinieren ist.
Die Ausschüttung der Vorhaltefinanzierung über die Ist-Fallzahlkorridore führt zu einer dreifachen Fallabhängigkeit der Vergütungshöhe. Das Landesvorhaltevolumen wird über die Leistungsmenge im Bundesland definiert, der Anspruch der einzelnen Klinik hängt immer noch an der Fallzahl des Hauses und die Abzahlung des Vorhaltebudgets erfolgt ebenfalls über den Fall. Es ist daher unwahrscheinlich, dass mit einer solchen Lösung die Mengenfehlanreize reduziert werden können. Sie ist darüber hinaus intransparent und für das einzelne Haus schlecht prognostizierbar.
Vorschlag: Die vom Ist-Fallzahlkorridor abhängige Vorhaltefinanzierung sollte aus dem Gesetz gestrichen werden. Mit der Verteilung der Vorhaltefinanzierung über die Planfallzahlen ist eine gute Alternative im Gesetz bereits verankert. Das Verfahren setzt Anreize für die Länder, starke Planungsentscheidungen zu treffen, weil eine bedarfsgerechte Zentralisierung von Versorgungsaufträgen auch zu einer finanziellen Stabilisierung der Krankenhäuser beiträgt.
Die Verteilung über Planfallzahlen ist in der Diskussion zwischen Bund und Ländern bisher stiefmütterlich behandelt worden. Wichtige Details sind daher noch ungeklärt. Unter anderem ist festzulegen, welche Bedeutung die Planfallzahlen auf Budgetverhandlung (Einfluss des Versorgungsauftrags nach § 11 Abs. 1 KHEntgG) und Abrechnung (Einfluss des Versorgungsauftrags nach § 8 Abs. 1 KHEntgG) haben. Es ist bisher nicht erörtert worden, ob Kliniken in der Abrechnung und in der Budgetverhandlung auf die Planfallzahlen begrenzt sind oder ob es sich lediglich um eine kalkulatorische Hilfsgröße zur Ermittlung der Anzahl der notwendigen Standorte handelt.
Mindestvorhaltezahlen (§135f SGB V)
Bei den Mindestvorhaltezahlen ist das methodische Zusammenspiel mit der Krankenhausplanung unverändert sehr unglücklich ausgestaltet. Denn zuerst wird ein Versorgungsauftrag durch das Land vergeben und dann stellt sich später für das Krankenhaus heraus, dass es dafür systematisch keine vollständige Vergütung erhält. So wird die bereits erfolgte Krankenhauplanung konterkariert. KGNW und BÄK sehen dieses Risiko ebenfalls. Daraus werden sich zahllose Rechtsstreitigkeiten, unbillige Härtefälle und Krisengespräche vor Ort ergeben. In Leistungsbereichen, die durch mehrere Leistungsgruppen abgebildet werden, ergeben sich unvorhersehbare Schwierigkeiten in der ärztlichen Weiterbildung, weil die logbuchrelevanten Leistungen der Weiterbildungsordnung plötzlich und ungeplant entfallen.
Vorschlag: Eine einfache Alternative steht mit der Definition einer Mindestquantität bei der Verteilung eines Leistungsauftrags (also die Anwendung einer Mengenanforderung vor der Erteilung des Versorgungsauftrags) zur rechtssicheren Begrenzung der Anzahl der zu vergebenden Leistungsaufträge zur Verfügung. Auf diese Weise wird eine unangemessene Fragmentierung der Versorgung schon im Rahmen der Krankenhausplanung vermieden. Die begünstigten Kliniken haben anschließend Planungssicherheit und ihr Versorgungsangebot wird nicht regelhaft innerhalb zusammenhängender Leistungsbereiche zum Flickenteppich.
Onkochirurgisches Abrechnungsverbot (§136c SGB V)
Mit dem vorliegenden Referentenentwurf wird dieses Instrument noch komplexer und bürokratischer als zuvor, weil nun der G-BA mit der Festlegung individueller Perzentilgrenzen beauftragt wird. Für einige Tumorentitäten könnte es drei Mengenanforderungen mit jeweils unterschiedlicher Höhe und mit unterschiedlichen Sanktionen geben:
- Die G-BA Mindestmenge, die laut einer aktuellen Publikation eines unparteiischen Mitglieds des G-BA auch nicht wegen redundanter Regelungen im KHVVG widerrufen werden wird.
- Die Mindestvorhaltezahl der Leistungsgruppe.
- Das Abrechnungsverbot der noch zu bildenden onkochirurgischen Schattenleistungsgruppen.
Für nicht durch Mindestmengen geregelte Tumorentitäten gibt es zwar „nur“ zwei unterschiedliche Mindestmengen, aber das Schattenleistungsgruppensystem wirkt komplexitätserhöhend, weil jeder Fall nach zwei unterschiedlichen Groupern abgegrenzt werden muss. Die Planungssicherheit für die Krankenhäuser ist damit stark beeinträchtigt. Die Planung von Tumorzentren wird für die Länder zum Blindflug, weil die konservative onkologische Expertise der Kliniken bei der Anwendung dieser Fallzahlen unberücksichtigt bleibt.
Vorschlag: Onkochirurgische Leistungen weisen in der Umsetzung der Krankenhausreform in NRW ganz ohne flankierende Sonderregelungen die höchsten Konzentrationseffekte auf. Bei Ovarialkarzinomen, Rektumeingriffen und Leberresektionen haben etwa zwei Drittel der bisher versorgenden Standorte zum 01.04.2025 den Leistungsauftrag verloren. Das liegt daran, dass der Entfall komplexer onkochirurgischer Leistungen in der Regel weder die wirtschaftliche Existenz eines Standortes noch die Existenzberechtigung der betroffenen Fachabteilung in Frage stellt. Denn quantitativ stellen sie meist keinen kritischen Anteil der Leistungen dar. Daher fielen den Behörden die notwendigen Auswahlentscheidungen nicht schwer. Wenn man diesen Konzentrationseffekt für zusätzliche Entitäten herbeiführen möchte, wäre der naheliegende
Weg nicht die Bildung einer weiteren Gruppierungslogik, sondern die Bildung der passenden spezifischen onkochirurgischen Leistungsgruppen über die Rechtsverordnung nach § 135 e SGB V. Damit werden diese Leistungen der Planung zugänglich gemacht. Falls sich die positiven Erfahrungen aus NRW hinsichtlich einer massiven Konzentration großer Tumoreingriffe auf der Bundesebene nicht bestätigen sollten, könnte man notfalls später noch einmal die Einführung eines parallelen Systems erwägen.
„Die vom Ist-Fallzahlkorridor abhängige Vorhaltefinanzierung sollte aus dem Gesetz gestrichen werden. Mit der Verteilung der Vorhaltefinanzierung über die Planfallzahlen ist eine gute Alternative im Gesetz bereits verankert.“
5. Die vorgestellten Änderungsbedarfe auf einen Blick
- Ist bereits im Gesetz so vorgesehen, wurde aber noch nicht angegangen: Bundeseinheitliche Leistungsgruppendefinitionen als Anlage 1 nach § 135e SGB V verabschieden oder entsprechende Rechtsverordnung erlassen.
- Weiterentwicklung des Leistungsgruppengroupers auf eine transparente Exklusivlistenlogik, die Basis für eine rechtssichere Krankenhausplanung sein kann.
- Mindestvorhaltezahlen schon im Rahmen der Zuweisung der Leistungsaufträge im Sinne von Mindest-Planfallzahlen berücksichtigen.
- Methodik zur Zentralisierung in der Onkochirurgie anpassen: Leistungen als neue onkochirurgische Leistungsgruppen in Anlage 1 aufnehmen.
- Streichung der Vorhaltevergütung auf der Basis von Ist-Fallzahlkorridoren.
- Entwicklung eines gemeinsamen Zielbildes zwischen Bund und Ländern zur
- Umsetzung der Vorhaltefinanzierung auf der Basis von Planfallzahlen.
- Bedeutung von Planfallzahlen auf Budgetverhandlung und Abrechnung zur Stärkung der Rechtssicherheit klarstellen.