FAKTOR 1/2025> Kein Sofortprogramm in Sicht

Die Bundesregierung will die Finanzsituation der Kranken- und Pflegeversicherung stabilisieren. Doch Ideen dafür sind im Koalitionsvertrag nicht zu finden.
Die Feststellung der Koalitionäre ist richtig: „Hohe Defizite prägen derzeit die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung. Die Einnahmeentwicklung bleibt deutlich hinter der Entwicklung der Ausgaben zurück.“ Genauso richtig ist ihr Ziel, weitere Belastungen für die Beitragszahlenden zu vermeiden. Und dass tiefgreifende Strukturreformen erforderlich sind, um Einnahmen- und Ausgabenentwicklung nachhaltig ins Gleichgewicht zu bringen, ist nicht zu bestreiten. Je eher, desto besser. Denn bis strukturelle Reformen umgesetzt sind und eine finanzielle Wirkung entfalten können, vergeht viel teure Zeit.
Dabei gibt es erhebliche Potenziale, um die Beitragslast kurzfristig zu senken. Konkrete Vorschläge dazu hatten fast alle gesetzlichen Krankenkassen und ihre Verbände in den letzten Wochen vorgelegt. Deren gemeinsamer Tenor: Wir brauchen ein schnell wirksames Maßnahmenbündel und eine Rückbesinnung auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Allein die Anregungen der AOK-Gemeinschaft für ein Sofortprogramm zeigen ein Entlastungspotenzial von bis zu 35 Milliarden Euro auf - ohne die Leistungen für die Versicherten einzuschränken. Dass einige Vorschläge politisch anschlussfähig wären, spiegeln die Ergebnisse der Koalitions-Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ wider. Diese hatte die Rohfassung für das gleichnamige Kapitel im Koalitionsvertrag erarbeitet. Darin fanden sich auch einige Kernforderungen der Krankenkassen, insbesondere deren Entlastung von versicherungsfremden Ausgaben. Neben kostendeckenden Beiträgen für Bürgergeldbeziehende – rund zehn Milliarden Euro pro Jahr – hatte die Expertengruppe auch eine regelhafte Dynamisierung des Bundeszuschusses für versicherungsfremde Leistungen vorgesehen.
Ebenso sollte die soziale Pflegeversicherung entlastet werden: Um rund 4 Milliarden Euro jährlich durch die Finanzierung der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige aus Steuermitteln. Außerdem sollten die von der Pflegeversicherung verauslagten Pandemiekosten in Höhe von 5,2 Milliarden Euro erstattet werden. Trotz der Einigkeit in der Arbeitsgruppe wurde kein einziger dieser Punkte verbindlich im Koalitionsvertrag verankert. Auch die konkret bezifferten Vorschläge der Kassen zur sofortigen Senkung der Ausgaben in Milliardenhöhe wurden bisher nicht aufgegriffen. Stattdessen sollen nun weitere Kommissionen Vorschläge zur Stabilisierung der Beiträge erarbeiten. Für die Pflegeversicherung noch in diesem Jahr, Zeitziel für die Krankenversicherung: Frühjahr 2027!