FAKTOR 2/2025> Effizienz statt Kosmetik
Steigende Kosten, wachsende Versorgungsnachfrage und strukturelle Defizite bringen Kranken- und Pflegeversicherung zunehmend an ihre Grenzen. Bringt der Herbst der Reformen die Wende?

Die Großwetterlage ist bekannt: Die Rücklagen sind aufgezehrt, Einnahmen und Ausgaben driften auseinander, weitere Beitragserhöhungen zeichnen sich ab. Die im Bundeshaushalt eingeplanten Darlehen für Kranken- und Pflegekassen sind nichts als Camouflage und kaschieren bestenfalls das Ausmaß der Finanzmisere. Um die Zeit bis zur Umsetzung der angekündigten Reformen sinnvoll zu nutzen, sind jetzt schnell wirksame Ausgabenbegrenzungen notwendig. Vorschläge dafür liegen längst auf dem Tisch. Doch statt damit zu beginnen, wartet Berlin auf neue Erkenntnisse einer Expertenkommission.
„Wer Beitragsstabilität will, muss sich um mehr Effizienz kümmern, und zwar in allen Versorgungsbereichen.“

Vorstandsvorsitzender der AOK NordWest
Derweil wird die Krankehausreform nachgeschliffen. Längere Fristen und Abstriche bei den Qualitätsanforderungen sollen den Ländern die Umsetzung erleichtern, bremsen aber die überfällige Leistungskonzentration empfindlich aus. Zugleich bleiben gravierende Konstruktionsfehler unangetastet: Vorsorgepauschalen nach Ist-Fallzahlen zu bemessen ist der falsche Ansatz. Sie müssen sich am Versorgungsbedarf ausrichten. Hier muss im parlamentarischen Verfahren dringend noch einmal Hand angelegt werden. Bleibt zu hoffen, dass die Notfallversorgung konsequenter angegangen wird, steht sie doch exemplarisch für ineffiziente Strukturen. Eine klare Steuerung der Hilfesuchenden über Integrierte Leitstellen und Integrierte Notfallzentren könnten das Chaos beenden. Auch in der ambulanten Versorgung ist mehr Koordination vonnöten. Nicht jeder Routinefall braucht einen hochspezialisierten Mediziner. Eine gute Primärversorgung muss Digitalisierung konstequent nutzen, andere Gesundheitsberufe teamorientiert einbinden und fachmedizinische Expertise gezielter einsetzen.
Die Wahrheit ist unbequem: Ohne klare Strukturentscheidung bleibt jede Reform Kosmetik. Wer Beitragsstabilität will, muss sich um mehr Effizienz kümmern, und zwar in allen Versorgungsbereichen. Der Herbst der Reformen braucht klare Konturen, keine neuen Deckschichten.