Hintergrund

AOK-Forum live in Schwerin: System am Limit. Ansätze für eine effizientere Gesundheitsversorgung.

Mit den Chancen der Primärversorgung und den Potenzialen der Künstlichen Intelligenz standen beim AOK-Forum live am 27. November 2025 genau solche Ansätze im Mittelpunkt. Rund 60 interessierte Gäste aus Politik, Versorgung und Wissenschaft konnten wir in der IHK im vorweihnachtlichen Schwerin begrüßen.

Die Kosten steigen, Strukturreformen kommen kaum voran und die Zufriedenheit sinkt – die Gesundheitsversorgung steht vor riesigen Herausforderungen. Umso wichtiger sind Impulse und Lösungen für eine gute, effiziente und auch in Zukunft noch verlässliche Versorgung. Mit den Chancen der Primärversorgung Unter Primärversorgung wird die gesundheitliche Grundversorgung und Beratung verstanden, in der auch… und den Potenzialen der Künstlichen Intelligenz standen beim AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Forum live am 27. November 2025 genau solche Ansätze im Mittelpunkt. Rund 60 interessierte Gäste aus Politik, Versorgung und Wissenschaft konnten wir in der IHK im vorweihnachtlichen Schwerin begrüßen.

Primärversorgung als Game Changer?

Dieser Frage widmeten sich die Gäste zu Beginn. Unsere Vorständin Daniela Teichert sieht großes Potenzial: „Wir haben eine Überkomplexität im System“, sagt sie zur derzeitigen Situation. Wichtig sei ein teambasierter, interprofessioneller Ansatz, der auch nichtärztliche Gesundheitsberufe Im deutschen Gesundheitswesen waren 2020 insgesamt rund 5,8 Millionen Menschen beschäftigt. Neben… einbeziehe, bundesweiten Mindeststandards genüge und zugleich regionale Gestaltungsmöglichkeiten zulasse. Die AOK-Vorschläge dafür sehen zudem vor, dass ab einem gewissen Marktanteil alle Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… das Modell übernehmen müssen, um die Ansätze in die Regelversorgung zu bringen. Notwendig seien neue Planungsgremien, um übergreifend den präventiven, ambulanten, stationären und pflegerischen Bedarf einzubeziehen. 

Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Simone Borchardt, MdB, machte in ihrer Keynote deutlich, dass die Politik große Erwartungen mit der Einführung einer Primärversorgung verbindet. „Wir haben viel Geld im System und unheimlich viele Ressourcen, aber keinerlei Steuerung“, betont sie. Anfang des nächsten Jahres soll ein Aufschlag für die gesetzliche Regelung Primärversorgung kommen, die die gesamte Versorgungskette in den Blick nimmt. Für die Bundestagsabgeordnete nehmen auch Apotheken eine wichtige Rolle im Versorgungsgeschehen ein. „Wir müssen uns da besser vernetzen und gerade im ländlichen Bereich alle Versorger mitdenken“, ist sie überzeugt. Beispielsweise könnten sie älteren und nicht digital affinen Menschen helfen, die strukturierte Ersteinschätzung vorzunehmen, mit der die Menschen künftig die richtige Versorgung im System finden. 

„Das löst nicht die Probleme, die wir haben“, gibt Dr. med. Tilo Schneider, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern zu bedenken. Die Arbeitsbelastung der Hausärzte sei immer komplexer geworden. Neue Berufsbilder wie die der Community Health Nurse seien nur ein möglicher Weg. Für ihn ist die Teamarztpraxis der richtige Weg. Aus seiner Sicht sind die Praxen mit ihrem nichtärztlichen Personal aber bereits gut aufgestellt. Wichtig sei, die Verantwortlichkeit für medizinische Entscheidungen klar zu regeln.

Wie Primärversorgung gelingen kann, untersucht Dr. Patricia Hänel: Im Innovationsfonds Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2015 gibt dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) den… -Projekt NAVIGATION - Nachhaltig versorgt im gemeindenahen Gesundheitszentrum – wird über drei Jahre eine interprofessionelle ambulante Primärversorgung erprobt. Ein niedrigschwelliger Zugang und die unkomplizierte Vernetzung zwischen den Professionen sind wesentliche Merkmale des Ansatzes, berichtet die Ärztin, die im Stadtteil-Gesundheits-Zentrum in Berlin-Neukölln einen Prototypen der Primärversorgung auf die Beine gestellt hat. Zugleich würden motivierende Arbeitsplätze für alle beteiligten Gesundheitsfachkräfte geschaffen, berichtet sie.

Diskutiert wurde auch die Rolle von Daten, Transparenz und Qualitätsorientierung in der Primärversorgung. Daniela Teichert betont, dass Qualität ist ein zentrales Versorgungsziel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Im Rahmen der… „besprechbar“ gemacht werden müsse, „ohne mit dem Finger aufeinander zu zeigen“. Versorgungsprojekte müssten am Ende einen Effekt bringen. Auch die Patientinnen und Patienten sollten verpflichtend beteiligt werden, fordert Dr. med. Tilo Schneider. Ergebnisqualität hänge von vielen Faktoren ab, betont er. „Wir sollten Daten nutzen, um daraus zu lernen“, stellt Dr. Patricia Hänel in den Mittelpunkt. Die Evaluation des Modellprojekts Navigation sei komplex und nicht immer sind kausale Zusammenhänge nachzuweisen.

Alle Augen auf Künstliche Intelligenz

Kaum einer Entwicklung werden so große Veränderungspotenziale zugeschrieben, wie der Künstlichen Intelligenz. Doch ihr Einsatz ist mit Unsicherheiten behaftet und über ihre Rolle in der Gesundheitsversorgung wird heftig debattiert. 

In seiner Keynote stellte Prof. Dr. Dirk Heckmann als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats für Digitale Transformation der AOK Nordost die Inhalte des neuen KI-Kompass 2025 vor. Er soll den Akteuren im Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… als Orientierung helfen. Die Autorinnen und Autoren folgen der „Vision eines menschenzentrierten Fortschritts im Gesundheitswesen mit Hilfe von KI“, betont er. „KI kann keine Verantwortung tragen“, aber „helfen, Versorgung besser und ressourcenschonender zu organisieren“.

Auch Prof. Dr. Wilfried Bernhardt gehört dem Wissenschaftlichen Beirat an. Er erläuterte in Kürze die wesentlichen Regelungen für die Nutzung von KI in der Gesundheitsversorgung. Anonymisierung und Pseudonymisierung sind wichtige Voraussetzungen für den Datenschutz Der Datenschutz ist in der Sozialversicherung von besonderer Bedeutung, da ihre Träger auf eine… , betont er. „Aber man muss immer die Balance wahren zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und auf der anderen Seite den Möglichkeiten der Datennutzung“. Die Anforderungen entwickelten sich jedoch fortlaufend weiter und es seien Veränderungen in Aussicht, die die KI-Nutzung erleichtern könnten.

Daniela Teichert reflektierte die Thematik aus Sicht der AOK Nordost: „Wir müssen uns auf veränderte Versichertenanforderungen einstellen und die Mitarbeitenden dafür fit machen“, betont sie. Schwerpunkt der AOK Nordost sei aktuell, den Mitarbeitenden Grundwissen zu vermitteln und – datenschutzkonform - Erprobungsraum zu geben. Alle Kolleginnen und Kollegen könnten KI nutzen. Wichtig sei, prozessintegrativ zu denken und die guten und nutzbringenden Anwendungen herauszufiltern mit dem Ziel, zügig in die Breite zu kommen und Effizienz zu erzeugen.

Unsere Moderatorin Inga Bergen gehört selbst dem Wissenschaftlichen Beirat an. Ihre Einschätzung ist, dass KI wissensbasierte Anteile an der Gesundheitsversorgung ersetzen könnte, aber nicht die menschlichen, zuwendungsbasierten Tätigkeiten. „Entscheiden muss der Mensch“, betont auch Prof. Dr. Wilfried Bernhardt, und bezieht sich dabei auf den EU-AI-Act. Die KI werde helfen bei der Entscheidungsfindung, aber sie nicht ersetzen. Alle Entscheidungsträger müssten sich jedoch weiterbilden.

Am Ende des Abends ist klar: Die Herausforderungen der Gesundheitsversorgung können wir nur mit großen Lösungen bewältigen. Die Chancen einer steuernden Primärversorgung und die riesigen Potenziale der Künstlichen Intelligenz gehören eindeutig dazu – vorausgesetzt, sie werden partnerschaftlich, gerecht und patientenorientiert gedacht und gestaltet. Dazu braucht es Akteure, die Verantwortung übernehmen, dranbleiben und ihre Kraft für die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung einsetzen. Mit vielen neuen Ideen, Argumenten und Perspektiven setzten die Gäste ihre Gespräche beim anschließenden Buffet fort.

Wir danken allen Beteiligten und Gästen, die mit ihren wertvollen Impulsen den Austausch bereichert haben und Inga Bergen für die großartige Moderation unserer Veranstaltung!