Pressemitteilung

Verhütung mit Risiko

18.08.2025 AOK Hessen

65 Jahre „Pille": Anteil risikoreicher Kontrazeptiva wieder gestiegen

Foto zeigt eine Frau im Anschnitt, die ein Blister mit Antibabypillen in der Hand hält

Vor genau 65 Jahren, am 18. August 1960, kam die erste Pille zur Verhütung in den USA auf den Markt. Ein Jahr später war sie auch in Deutschland erhältlich. Eine Erfolgsgeschichte! Bekannt ist jedoch auch: Bestimmte Präparate haben ein etwas höheres Risiko für tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenembolien als andere. Gleichwohl werden in Hessen nach wie vor viele dieser risikoreicheren Kontrazeptiva verordnet. Im Jahr 2024 lag ihr Verordnungsanteil bei 45,8 Prozent und damit wieder 0,5 Prozentpunkte über dem Wert des Vorjahres. Zur Einordnung jedoch auch wichtig: Im Jahr 2014 betrug er noch 63,7 Prozent.

Das zeigt eine aktuelle Analyse der GKV-Verordnungsdaten, die dem Wissenschaftlichen Institut der AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… (WIdO Das WIdO (Wissenschaftliches Institut der AOK) liefert als Forschungs- und Beratungsinstitut der… ) vorliegen. „45,8 Prozent sind immer noch  zu viel. Grundsätzlich sieht die entsprechende Leitlinie der medizinischen Fachgesellschaften vor, zunächst immer ein Präparat mit niedrigerem Thromboserisiko zu wählen. Sie enthalten unter anderem die Gestagene Levonorgestrel, Norethisteron und Norgestimat. Die risikoreicheren Kontrazeptiva sollten nicht routinemäßig als erste Wahl eingesetzt werden – sondern nur dann, wenn es im Einzelfall gut begründbar ist“, betont Dr. Christoph-Gérard Stein aus dem Medizinischen Kompetenz-Center der AOK Hessen.

Genaue Anamnese nötig

„Die so genannte S3-Leitlinie empfiehlt grundsätzlich, vor Beginn der Einnahme oraler Empfängnisverhütungsmittel Angaben zu Lebensalter, Body-Mass-Index, Rauchverhalten, bestehender oder absehbarer Immobilität, Eigen- und Familienanamnese für venöse Thromboembolien sowie bekannten Thrombophilieparametern in der Familie zu erheben“, erklärt Stein. Ein Verzicht auf hormonelle Empfängnisverhütung soll demnach insbesondere bei einem BMI über 35, bei Raucherinnen, bei gleichzeitiger Kombination von zwei Risikofaktoren (aus Alter über 35 Jahre, BMI über 35 und Tabakkonsum), sowie bei positiver Eigenanamnese für venöse Thromboembolien erwogen werden. Grundsätzlich gelte jedoch: „Das absolute Risiko ist für gesunde, junge Nichtraucherinnen insgesamt sehr gering, und für die meisten Frauen überwiegt der Nutzen einer gut gewählten, individuell angepassten Pille deutlich gegenüber den Risiken.“

Wie kommt es zum höheren Risiko?

Das höhere Risiko bestimmter Pillenpräparate für tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenembolien beruht auf ihrem Einfluss auf das Blutgerinnungssystem: Das in nahezu allen Kombinationspillen enthaltene Östrogen, meist in Form von Ethinylestradiol, verändert die Balance zwischen gerinnungsfördernden und gerinnungshemmenden Faktoren im Blut zugunsten einer schnelleren Gerinnung. Bestimmte Gestagene, wie sie in Pillen der 3. und 4. Generation vorkommen (z. B. Desogestrel, Gestoden, Drospirenon), verstärken diesen prothrombotischen Effekt stärker als ältere Gestagene wie Levonorgestrel. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Blutgerinnsel in den tiefen Venen der Beine bilden, die sich lösen und in die Lunge wandern können – was im schlimmsten Fall zu einer lebensbedrohlichen Embolie führt.

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Pressesprecher

Stephan Gill

AOK Hessen