Defizit erreicht Rekordniveau
Die Krankenkassen haben das Jahr 2024 mit einem Minus von 6,2 Milliarden Euro abgeschlossen: Das zweithöchste in den vergangenen zehn Jahren.

Nur 2021 lag das Minus in der gesetzlichen Krankenversicherung mit 6,74 Milliarden in der vergangenen Dekade höher. Allerdings schlug damals mit der gesetzlich erzwungenen Abschmelzung der Finanzreserven der Kassen ein buchhalterischer Sondereffekt zu Buche, der zwar die Ausgaben damals deutlich erhöht hatte, aber die Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… zunächst nicht an die Grenzen der Liquidität brachte. Jetzt, wo das finanzielle Polster aufgebraucht ist, wirken sich die Ausgabensteigerungen der vergangenen Jahre in vollem Umfang aus.
Ein Blick auf die offiziellen Kennzahlen aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zeigt: Zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts (2012) verzeichnete die GKV noch ein Plus von 5,44 Milliarden Euro. Nach mehr oder weniger ausgeglichenen Jahren mit leichten Ausschlägen mal in die eine, mal in die andere Richtung hat sich die Situation komplett gedreht. Standen 2012 Einnahmen von knapp 189,7 Milliarden Euro noch Ausgaben von lediglich rund 184,3 Milliarden Euro gegenüber, stiegen die Einnahmen ausweislich der vorläufigen Finanzergebnisse (KV 45) für 2024 zwar auch kontinuierlich auf 320,6 Milliarden Euro. Noch stärker wuchsen jedoch die Ausgaben auf inzwischen auf gut 326,8 Milliarden Euro.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht die Verantwortung in erster Linie bei seinen Vorgängern. „Das hohe Defizit der Krankenkassen in 2024 und der starke Anstieg der Zusatzbeiträge zu Jahresbeginn sind nicht nur Ergebnis eines inflationsbedingt hohen Anstiegs der Ausgaben für Personal und medizinische Leistungen. Sie sind auch darauf zurückzuführen, dass in den vergangenen Legislaturperioden versäumt wurde, das Gesundheitssystem zu modernisieren und die Strukturen für die Zukunft fit zu machen“, erklärte der SPD-Politiker.
Die Krankenkassen sehen das durchaus anders. So nannte die Vorstandsvorsitzende des AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Bundesverbandes Lauterbach ob seiner kostenintensiven Reformpolitik bereits im August 2023 den teuersten Gesundheitsminister aller Zeiten. „Kassendefizite und Ausgabendynamik sind mittlerweile besorgniserregend, der Anstieg der Zusatzbeiträge innerhalb dieser Legislatur ist einmalig“, kritiserte die Verbandschfin seinerzeit. Statt auf die Ausgabenbremse zu treten, damit die Sozialbeiträge nicht weiter aus dem Ruder liefen, wolle der Minister das Geld der Beitragszahlenden weiter mit vollen Händen ausgeben. „Inzwischen räumt er offen ein, dass alleine die anstehende Krankenhausreform zu höheren Beitragssätzen für die GKV-Versicherten führen wird“, so Reimann damals.
Jetzt, ein halbes Jahr später, steht die GKV mit 6,2 Milliarden Euro im Minus und die Beitragssätze der Krankenkassen auf Rekordniveau. Um 0,8 Punkte auf mittlerweile 2,5 Prozent hatte der Bundesgesundheitsminister im November nach dem Votum des GKV-Schätzerkreises den durchschnittlichen Zusatzbeitrag Seit 2009 erhalten die gesetzlichen Krankenkassen zur Deckung ihrer Ausgaben Zuweisungen aus dem… anheben müssen. Die kassenindividuellen Zusatzbeiträge, die die Beitragszahler am Ende zu schultern haben, liegen nicht selten noch höher.
Das vorläufige Finanzergebnis 2024 nach Kassenarten
- AOK: - 1,6 Milliarden Euro
- Ersatzkassen Ersatzkassen waren ursprünglich privatrechtlich organisierte Versicherungsvereine auf… : - 2,5 Milliarden Euro
- Betriebskrankenkassen Der Arbeitgeber kann für einen oder mehrere Betriebe eine Betriebskrankenkasse (BKK) errichten, wenn… : - 1,4 Milliarden Euro
- Innungskrankenkassen Eine oder mehrere Handwerksinnungen können für die Betriebe der Mitglieder, die in einer… : - 662 Millionen Euro
- Knappschaft Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See fungiert als Renten-, Kranken- und… -Bahn-See: - 99 Millionen Euro
- Landwirtschaftliche Krankenversicherung (außerhalb RSA): - 22 Millionen Euro
Die Leistungsausgaben stiegen nach Ministeriumsangaben im Jahesvergleich um 8,1 Prozent. Im Jahr davor waren es demnach nur 5,0 Prozent. Die Kosten für Klinikbehandlungen wuchsen überdurchschnittlich um 8,7 Prozent (+8,1 Milliarden Euro). Bezogen nur auf das vierte Quartal 2024 waren es sogar 11,1 Prozent. Die Pflegepersonalkosten legten laut BMG um 13,1 Prozent zu (2,6 Milliarden Euro). Die GKV-Arzneimittelausgaben lagen mit einem Plus von 9,9 Prozent (+5,0 Milliarden Euro) ebenfalls deutlich über dem Schnitt. Hierfür sei insbesondere die in 2024 ausgelaufene einmalige Anhebung des Herstellerrabattes in 2023 verantwortlich, teilte das Ministerium mit.
Das Defizit des Gesundheitsfonds Der Gesundheitsfonds wurde durch das 2007 verabschiedete GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz eingeführt.… sank saisonbedingt von 6,3 Milliarden auf 3,7 Milliarden Euro. Grund dafür sind die oft im letzten Quartal eines Jahres gezahlten Sonderzahleungen wie das Weihnachstgeld, die für zusätzliche Einnahmen führen.
Ausgaben der GKV 2024 in ausgewählten Bereichen
Ausgaben in Milliarden Euro | Veränderungsrate GKV* | Veränderungsrate AOK* | |
Ärztliche Behandlung | 50,127 | 6,0 | 4,8 |
Zahnärztliche Behandlung | 14,060 | 2,7 | 3,2 |
Zahnersatz | 4,176 | 3,4 | 3,6 |
Arzneimittel | 55,247 | 9,5 | 8,5 |
Hilfsmittel | 11,736 | 5,1 | 5,8 |
Heilmittel | 13,286 | 10,1 | 10,0 |
Krankenhaus | 101,680 | 8,3 | 6,6 |
Krankengeld | 20,546 | 7,2 | 9,5 |
Fahrkosten | 9,559 | 9,2 | 5,5 |
Vorsorge- und Reha-Maßnahmen | 4,650 | 10,4 | 11,7 |
Schutzimpfungen | 3,203 | 10,5 | 12,3 |
Schwangerschaft/Mutterschaft ohne stationäre Entbindung | 1,530 | 2,6 | 2,7 |
Häusliche Krankenpflege | 10,612 | 12,3 | 11,9 |
Nettoverwaltungskosten | 12,763 | –0,9 | –1,3 |
*Veränderungsrate je Versicherter gegenüber 2023
Quelle: BMG, KV45-Zahlen, 07.03.25