Immer mehr Hochbetagte im Krankenhaus: Ohne Strukturreformen drohen Überlastung der Kliniken und massive Ausgabensteigerungen
Krankenhaus-Report 2025: Demografische Herausforderung macht bessere ambulante Versorgung hochaltriger Menschen notwendig

Die Krankenhäuser in Deutschland müssen in den kommenden Jahren mit weniger Personal eine deutlich steigende Zahl hochaltriger Patientinnen und Patienten versorgen. Auf diese doppelte demografische Herausforderung sind die Kliniken bisher nur unzureichend vorbereitet. Das zeigt der aktuelle Krankenhaus Krankenhäuser sind Einrichtungen der stationären Versorgung, deren Kern die Akut- beziehungsweise… -Report 2025 zum Thema „Versorgung Hochbetagter“. Ein Schlüssel zur Lösung des Problems und zur Verbesserung der Behandlung Hochaltriger liegt aus Sicht der Autoren in einer besseren ambulanten Versorgung pflegebedürftiger Patientinnen und Patienten: Dadurch könnten nach einer Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… (WIdO Das WIdO (Wissenschaftliches Institut der AOK) liefert als Forschungs- und Beratungsinstitut der… ) rund 1,4 Millionen Krankenhaus-Aufenthalte pro Jahr vermieden werden. Nach dem Vorbild anderer europäischer Länder sollte zudem die vor- und nachklinische Versorgung hochaltriger Menschen verbessert werden.
Laut Krankenhaus-Report ist der Anteil der Menschen über 80 Jahren an allen Krankenhausfällen in den letzten knapp zwanzig Jahren kontinuierlich gestiegen – von 13 Prozent im Jahr 2005 auf 22 Prozent im Jahr 2023. Bei den Hochaltrigen liegen meist mehrere Erkrankungen gleichzeitig vor. Zudem haben sie beispielsweise infolge von Demenz oder starker Gebrechlichkeit oft einen besonders hohen medizinischen und pflegerischen Bedarf, auf den die Kliniken in vielen Fällen nur unzureichend vorbereitet sind. „Insgesamt sehen wir bei diesen Patientinnen und Patienten ein hohes Risiko für Komplikationen, Versorgungslücken oder Brüche in der Versorgung“, betonte Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, bei der Vorstellung des Reports.
Die Besonderheiten der Versorgung Hochaltriger spiegeln sich auch in der ökonomischen Betrachtung dieser Fälle wider: Die Krankenhaus-Verweildauer Als Verweildauer wird bei einer Krankenhausbehandlung die Zeitspanne zwischen dem Aufnahme- und dem… ist bei den Hochbetagten über 80 Jahren mit durchschnittlich 8,1 Tagen fast doppelt so hoch wie bei den Menschen unter 60. Die durchschnittlichen Krankenhaus-Kosten waren bei den über 80-Jährigen mit 3.351 Euro im Jahr 2023 fast sieben Mal so hoch wie bei den unter 60-Jährigen mit 470 Euro. „Mit dem Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter werden die Herausforderungen durch die Versorgung Hochaltriger im Krankenhaus in den nächsten Jahren noch wachsen“, warnte Reimann.
Hohe regionale Varianz bei Krankenhaus-Aufenthalten Hochaltriger
Gleichzeitig machen die Analysen des Krankenhaus-Reports deutlich, dass sich die Versorgungsmuster bei den hochaltrigen Patientinnen und Patienten in den vergangenen zehn Jahren kaum verändert haben: Nach wie vor entfällt über die Hälfte der Ausgaben für die Versorgung hochbetagter Menschen auf den Krankenhausbereich. Der regionale Vergleich zeigt große Unterschiede bei der Häufigkeit von Krankenhaus-Aufenthalten der über 80-Jährigen: Während 2023 im Land NRW mit der höchsten Krankenhausdichte im Schnitt 68 Krankenhaus-Aufenthalte Hochbetagter je 100 Einwohner zu verzeichnen waren, waren es in Baden-Württemberg nur 50 Klinikbehandlungen je 100 Einwohner. „Überspitzt könnte man sagen: Wo es besonders viele Krankenhäuser gibt, landen auch besonders viele Hochbetagte in der Klinik“, sagte Dr. David Scheller-Kreinsen, stellvertretender WIdO-Geschäftsführer und Mitherausgeber des Reports.
Der Krankenhaus-Report zeigt verschiedene Ansätze auf, wie die Versorgungsstrukturen verbessert werden können, um eine Überforderung der Kliniken und massive Ausgabensteigerungen in den nächsten Jahren zu verhindern. Dazu gehört aus Sicht der Expertinnen und Experten vor allem die Verhinderung stationärer Behandlungen durch Stärkung der vor- und nachklinischen Versorgung: „Wir müssen dafür sorgen, dass nur die Menschen im Krankenhaus behandelt werden, deren stationäre Behandlung nicht vermieden werden kann“, so Scheller-Kreinsen. Eine Stärkung der ambulanten Versorgung sei für die Betroffenen in der Regel medizinisch sinnvoller, ökonomisch günstiger und könne helfen, die kostbaren Krankenhaus-Ressourcen „sparsam und zukunftsfest“ einzusetzen.
1,4 Millionen pflegesensitive Krankenhausfälle pro Jahr vermeidbar
Laut einer Analyse des WIdO für den Report hätten bei einer besseren ambulanten Versorgung sogenannter „pflegesensitiver Fälle“ in der Arztpraxis, im Pflegeheim oder zuhause allein im Jahr 2022 rund 1,4 Millionen Krankenhausaufenthalte vermieden werden können. Das entspricht etwa 36 Prozent aller Krankenhausfälle pflegebedürftiger Personen. Als pflegesensitive Fälle bezeichnen die Experten Krankenhausfälle Pflegebedürftiger mit Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder Diabetes, die idealerweise von einem niedergelassenen Arzt Die ärztliche Berufsausübung, die Ausübung der Heilkunde, setzt nach der Bundesärzteordnung eine… oder im Pflegesetting versorgt werden sollten. Am höchsten ist das Potenzial vermeidbarer Krankenhaus-Aufenthalte in Bayern mit 295 Fällen je 1.000 Pflegebedürftige, am niedrigsten in Bremen mit 203 Fällen je 1.000 Pflegebedürftige.
„Bis zum Jahr 2050 wird die Anzahl der Hochaltrigen um mehr als 50 Prozent anwachsen. Gleichzeitig sinkt die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter deutlich. Eine Überlastung der Kliniken und eine Überdehnung der GKV-Finanzen durch die steigende Zahl dieser Fälle können wir nur durch grundlegende Strukturreformen und eine konsequente Ambulantisierung der Versorgung hochbetagter Menschen verhindern“, sagte AOK-Vorständin Carola Reimann. Die sogenannten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen, die mit der Krankenhausreform geschaffen werden sollen, seien in diesem Zusammenhang „ein richtiger Ansatz“, so Reimann. Aus Sicht der AOK sollten sie aber – anders, als bisher in der Krankenhausreform vorgesehen – nur im Ausnahmefall stationäre Leistungen erbringen. „Der Fokus sollte ganz klar auf der ambulanten Versorgung mit Übernachtungsmöglichkeit und auf der Anschlussversorgung nach einem Krankenhausaufenthalt liegen“, forderte die AOK-Vorständin. Gerade hochbetagte Menschen, die keine High-Tech-Medizin in einem Akut-Krankenhaus benötigen, sondern hauptsächlich eine grundlegende Diagnostik, gute pflegerische Betreuung und Überwachung, könnten dann von dieser Versorgungsform profitieren.
Lernen von europäischen Nachbarn bei prä- und poststationärer Versorgung
Eine strukturell andere Organisation der Versorgung Hochaltriger vor und nach einem Krankenhaus-Aufenthalt forderte auch Professor Dr. Clemens Becker, Leiter der „Unit Digitale Geriatrie“ am Geriatrischen Zentrum des Universitätsklinikums Heidelberg. Deutschland erziele bei deutlich höheren Kosten schlechtere Ergebnisse, beispielsweise bei der Lebenserwartung.
Der Experte plädierte dafür, aus den Erfahrungen im europäischen Ausland zu lernen und das Gesundheitssystem mit Blick auf die demografischen Herausforderungen neu zu fokussieren. „Wir müssen runter mit den Ausgaben für Arzneimittel Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel insbesondere Stoffe und… und die stationäre Versorgung und stattdessen mehr in die Allgemeinmedizin und die Prävention Prävention bezeichnet gesundheitspolitische Strategien und Maßnahmen, die darauf abzielen,… investieren. Das verbessert die Versorgung Hochaltriger und ist gleichzeitig günstiger“, sagte Becker. Dänemark und die Niederlande hätten bereits entsprechende Weichenstellungen vorgenommen und seien damit deutlich besser auf den demografischen Wandel eingestellt, so der Experte. Auch könne man von Projekten wie „Hospital@Home“ in der Schweiz lernen, mit denen stationäre Aufenthalte reduziert und die häusliche Versorgung gestärkt werden. Dabei spiele auch die Delegation ärztlicher Leistungen Zur ärztlichen Behandlung gehören auch Hilfeleistungen anderer Personen (Gesundheitsberufe,… eine wichtige Rolle, die zu einer deutlichen Stärkung der pflegerischen und therapeutischen Berufe beitragen könne. „Wenn eine deutliche Verkürzung der Verweildauern erreicht werden soll, muss im Gegenzug die Postakutversorgung besser organisiert werden“, betonte Becker. Hierzu gehörten ein flächendeckendes Angebot an geriatrischer Rehabilitation Die Weltgesundheitsorganisation versteht unter Rehabilitation alle Maßnahmen, die darauf abzielen,… und eine besser koordinierte Kurzzeitpflege Kann die häusliche Pflege zeitweise nicht, noch nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang… .
Krankenhaus-Report 2025 beleuchtet viele Aspekte der Versorgung Hochbetagter
Der diesjährige Krankenhaus-Report beleuchtet auf mehr als 500 Seiten verschiedene Aspekte der stationären Versorgung Hochbetagter. Er enthält Daten und Fakten zur aktuellen Versorgung dieser Gruppe und zur Abschätzung des künftigen Versorgungsbedarfs – auch im internationalen Vergleich. Zudem thematisiert er verschiedene Stationen im Versorgungspfad von der Notaufnahme über die intensivmedizinische Versorgung bis zur Geriatrie. Spezifische Versorgungsfragen und Managementherausforderungen, die mit der Behandlung dieser besonders vulnerablen Patientengruppe verbunden sind, werden im Report vertieft. Dazu gehören die Themen Fragilität, Demenz, postoperatives Delir, Polypharmazie oder der Einsatz digitaler Versorgungselemente sowie das Entlassmanagement Zur Krankenhausbehandlung gehört seit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2015 auch das… . Nicht zuletzt geht es in dem Report um Ansätze zur Vermeidung nicht notwendiger Krankenhaus-Aufenthalte Hochaltriger. In der Rubrik „Zur Diskussion“ befasst sich der Report zudem mit dem aktuellen Stand der Krankenhausreform und bietet eine Analyse zum Thema Krankenhaus-Insolvenzen.