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    BAG 19.12.2024 - 6 AZR 160/23

    Vorinstanz

    vorgehend ArbG Düsseldorf, 4. Mai 2022, Az: 15 Ca 168/22, Urteil
    vorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 10. Januar 2023, Az: 8 Sa 420/22, Urteil

    Tenor

    1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Januar 2023 - 8 Sa 420/22 - wird zurückgewiesen.

    2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

    Tatbestand

    1

    Die Parteien streiten über die (Be-)Förderung des Klägers zum Kapitän und die dabei anzuwendenden tarifvertraglichen Senioritätsregelungen. Nach der Seniorität, einer branchenspezifischen Art der Betriebszugehörigkeit, richtet sich in Luftverkehrsunternehmen typischerweise die Reihenfolge bei der Besetzung ausgeschriebener Schulungen zum Kapitän (sog. Förderung bzw. Upgrading), aber auch - neben weiteren Kriterien - bei der Berücksichtigung von Urlaubsanträgen sowie der Vergabe bestimmter freier Tage.

    2

    Der Kläger ist im Anschluss an seine Tätigkeit als First Officer (Co-Pilot) bei der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden Air Berlin) nunmehr bei der Beklagten, die durch formwechselnde Umwandlung aus der Eurowings Luftverkehrs AG entstand, in gleicher Funktion in Teilzeit beschäftigt. Seinen ersten kommerziellen Flug für die Beklagte erbrachte er am 2. Februar 2018.

    3

    In dem nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwendenden „Tarifvertrag Karriere … für das Cockpitpersonal der Eurowings“ (im Folgenden TV Karriere) finden sich ua. Regelungen für die Förderung zum Kapitän. Dieser Tarifvertrag trat ausweislich seines § 10 Abs. 1 mit seiner Unterzeichnung am 22. September 2021 in Kraft und ersetzte nahtlos den bis dahin geltenden „Tarifvertrag Wechsel und Förderung für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings Luftverkehrs AG“ vom 29. April 2008 (im Folgenden TV WeFö). Daneben galt der „Tarifvertrag Wachstum für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings GmbH“ vom 18. Dezember 2017 (im Folgenden TV Wachstum). Dieser enthielt ua. besondere Auswahlverfahrens-, Eingruppierungs- sowie Einstufungsregelungen für im Zeitraum Herbst 2017 bis Dezember 2018 eingestellte Beschäftigte des Cockpitpersonals. Die Beklagte stellte im vorgenannten Zeitraum ca. 300 Cockpitmitarbeiter von der ehemaligen Air Berlin nach den Maßgaben des TV Wachstum ein. Wegen des Inhalts der im vorliegenden Verfahren relevanten Bestimmungen dieser drei Tarifverträge nimmt der Senat Bezug auf deren Wiedergabe im führenden Parallelverfahren - 6 AZR 131/23 - Rn. 3 ff.

    4

    Noch auf Grundlage des TV WeFö erstellte die Beklagte am 1. Juli 2021 eine endgültige Senioritätsliste, auf der sich der Kläger auf Listenplatz 290 befand. Am 3. Dezember 2021 veröffentlichte die Beklagte eine auf Grundlage des TV Karriere erstellte vorläufige und am 9. März 2022 eine endgültige Senioritätsliste. Diese wiesen den Kläger auf Listenplatz 501 bzw. 510 aus.

    5

    Bereits am 29. November 2021 bewarb sich der Kläger auf die von der Beklagten am gleichen Tag veröffentlichte innerbetriebliche Stellenausschreibung 70/21, der zufolge sie zwölf Co-Piloten für das Upgrading zum Kapitän mit Ausbildungsbeginn 3. Januar 2022 suchte. Mit den am 6. bzw. 13. Dezember 2021 veröffentlichten innerbetrieblichen Stellenausschreibungen 75/21, 76/21 und 77/21 suchte die Beklagte nach weiteren jeweils zwölf Co-Piloten für das Upgrading zum Kapitän. Darin führte sie aus, dass erfolglose Bewerbungen von Mitarbeitern auf die Stellenausschreibung 70/21 mitberücksichtigt würden. Der Kläger erfüllte die in den Stellenausschreibungen jeweils benannten sonstigen Anforderungen.

    6

    Die Beklagte besetzte alle in den genannten vier Stellenausschreibungen ausgeschriebenen Stellen mit auf der Grundlage der vorläufigen Senioritätsliste vom 3. Dezember 2021 ausgewählten und nachfolgend über ca. zwei Monate mit erfolgreicher Prüfung ausgebildeten Bewerbern. Den Kläger berücksichtigte die Beklagte nicht. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wäre der Kläger bei Zugrundelegung der Senioritätsliste vom 1. Juli 2021 bei den Stellenausschreibungen berücksichtigt worden. Als Kapitän hätte der Kläger - nach seiner Angabe - monatlich ein um 785,21 Euro brutto höheres Grundgehalt und eine um 550,20 Euro brutto höhere Flugzulage erhalten.

    7

    Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe auf Grundlage der tariflichen Regelungen in Verbindung mit den Stellenausschreibungen einen Anspruch auf Ausbildung und Förderung zum Kapitän. Die Auswahl habe noch nach der gemäß dem TV WeFö erstellten endgültigen Senioritätsliste vom 1. Juli 2021 und nicht nach der vorläufigen Senioritätsliste vom 3. Dezember 2021 gemäß dem TV Karriere erfolgen müssen. Da die Beklagte dem nicht nachgekommen sei, habe sie ihm die ab April 2022 entgangene Vergütung im Wege des Schadensersatzes zu ersetzen. Jedenfalls habe die Senioritätsliste vom 1. Juli 2021 der Auswahlentscheidung deshalb zugrunde gelegt werden müssen, weil die Regelungen des TV Karriere gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Rückwirkungsverbot verstießen und dieser vollständig, jedenfalls aber teilweise unwirksam sei, so dass der TV WeFö weitergelte.

    8

    Der Kläger hat zuletzt beantragt,

            

    1.    

    a)    

    die Beklagte zu verurteilen, ihn aufgrund der innerbetrieblichen Stellenausschreibung 70/21 zum Kapitän A320 auszubilden;

                    

    hilfsweise,

                    

    b)    

    die Beklagte zu verurteilen, ihn aufgrund der innerbetrieblichen Stellenausschreibung 75/21 zum Kapitän A320 auszubilden;

                    

    hilfsweise,

                    

    c)    

    die Beklagte zu verurteilen, ihn aufgrund der innerbetrieblichen Stellenausschreibung 76/21 zum Kapitän A320 auszubilden;

                    

    hilfsweise,

                    

    d)    

    die Beklagte zu verurteilen, ihn aufgrund der innerbetrieblichen Stellenausschreibung 77/21 zum Kapitän A320 auszubilden;

            

    hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1.,

            

    2.    

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem Monat April 2022 monatlich zusätzlich ein Grundgehalt von 785,21 Euro brutto sowie zusätzlich eine Flugzulage von 550,20 Euro brutto jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweils Ersten des Folgemonats zu zahlen, bis die Beklagte ihn zum Kapitän befördert, längstens bis zur Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses;

            

    3.    

    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem Monat April 2022 bis zu seiner Beförderung zum Kapitän, längstens bis zur Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses, monatlich eine Vergütung als Kapitän gemäß dem jeweils einschlägigen Vergütungstarifvertrag für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings GmbH nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweils Ersten des Folgemonats zu zahlen, soweit der sich hieraus ergebende Betrag den Anspruch gemäß dem Klageantrag zu 2. übersteigt;

            

    hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1.,

            

    4.    

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem Monat April 2022 monatlich zusätzlich ein Grundgehalt von 785,21 Euro brutto sowie zusätzlich eine Flugzulage von 550,20 Euro brutto jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweils Ersten des Folgemonats bis zur Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses zu zahlen;

            

    5.    

    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem Monat April 2022 bis zur Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses monatlich eine Vergütung als Kapitän gemäß dem jeweils einschlägigen Vergütungstarifvertrag für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings GmbH nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweils Ersten des Folgemonats zu zahlen, soweit der sich hieraus ergebende Betrag den Anspruch gemäß dem Klageantrag zu 4. übersteigt;

            

    äußerst hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 4. und 5.,

            

    6.    

    die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, eine Senioritätsliste auf Grundlage des Tarifvertrags Karriere vom 22. September 2021 in Bezug auf den Kläger anzuwenden;

            

    hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1.,

                    
            

    7.    

    die Beklagte zu verurteilen, ihn aufgrund ihrer nächsten innerbetrieblichen Stellenausschreibung für ein Upgrading vom First Officer/Copiloten zum Kapitän A320 zu berücksichtigen und auszubilden.

    9

    Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

    10

    Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

    Entscheidungsgründe

    11

    Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

    12

    I. Die vom Kläger mit seinen Anträgen zu 1 a bis 1 d begehrte Ausbildung und Förderung zum Kapitän A320 aufgrund der Stellenausschreibung 70/21, hilfsweise der Ausschreibungen 75/21, 76/21 bzw. 77/21 steht ihm nicht zu. Die Beklagte musste den Kläger nicht (be-)fördern und hat ihre Auswahlentscheidungen zutreffend nicht anhand der Senioritätsliste vom 1. Juli 2021, sondern anhand der auf den Senioritätsregelungen des rechtswirksamen TV Karriere beruhenden vorläufigen Senioritätsliste vom 3. Dezember 2021 getroffen. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen in dem führenden Parallelverfahren - 6 AZR 131/23 - Rn. 23 ff.

    13

    II. Die nur für den Fall des Obsiegens gestellten Anträge zu 2. und 3. fallen mangels Bedingungseintritt nicht zur Entscheidung an.

    14

    III. Die für den Fall des Unterliegens gestellten Anträge zu 4. und 5. sind jedenfalls unbegründet. Da der Kläger nicht zu befördern war, stehen ihm auch die mit diesen Anträgen verfolgten, einen Anspruch auf Förderung voraussetzenden Zahlungsansprüche nicht zu.

    15

    IV. Auch der Eventualantrag zu 6. ist unbegründet. Die Beklagte hat die Anwendung einer auf Grundlage des TV Karriere erstellten Senioritätsliste nicht zu unterlassen. Der TV Karriere ist aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden. Seine Regelungen sind wirksam und beeinträchtigen den Kläger nicht in unzulässiger Weise. Das hat der Senat in dem führenden Parallelverfahren - 6 AZR 131/23 - Rn. 33 ff. ausführlich begründet und nimmt darauf Bezug. Damit ist für den Kläger die nach den Vorgaben des TV Karriere erstellte, jeweils aktuelle Senioritätsliste maßgeblich.

    16

    V. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch, aufgrund der nächsten innerbetrieblichen Stellenausschreibung für ein Upgrading vom First Officer zum Kapitän A320 berücksichtigt und ausgebildet zu werden (Hilfsantrag zu 7.). Es ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht behauptet, dass er bei einer solchen Stellenausschreibung auf Grundlage der derzeit gültigen Senioritätsliste nach dem TV Karriere auszuwählen wäre. Unabhängig davon ist offen, wann die Beklagte die nächste Kapitänsstelle A320 ausschreibt, welche Listenposition der Kläger zu diesem Zeitpunkt innehat und ob er die von der Beklagten dann noch festzulegenden weiteren Anforderungen wie zum Beispiel Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses oder Mindestflugstunden erfüllt.

    17

    VI. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

            

        Spelge    

            

        Volk    

            

        Heinkel    

            

            

            

        M. Geyer    

            

        Claudia Nienaber    

                    


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