Rückentraining
Für die ganze Familie: Rückenschmerzen in jedem Alter vorbeugen
Veröffentlicht am:30.09.2024
8 Minuten Lesedauer
Der Rücken funkt im Familienalltag gern mal dazwischen, denn Rückenschmerzen können alle Generationen treffen. Experten erklären, wie sie entstehen und empfehlen, wie Sie mehr Bewegung in Ihren Alltag bringen, um langfristig schmerzfrei zu bleiben.
In welchem Alter treten Rückenschmerzen auf?
„Rückenschmerzen sind eine universelle Erfahrung, die zum Menschsein dazugehört. Auch bei Kindern“, sagt Professor Jean-François Chenot, Direktor der Abteilung Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Greifswald. So bestätigt auch eine Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) aus dem Jahr 2020: Rund 60 Prozent der Deutschen wurden in einem Zeitraum von zwölf Monaten mindestens einmal von Rückenschmerzen geplagt. Damit handelt es sich um ein Volksleiden.
Es ist nicht selten, dass die ersten Beschwerden bereits im Jugendalter auftreten. In Befragungen des RKI zwischen 2014 und 2017 gaben knapp 20 Prozent der 11- bis 17-jährigen Jungen und 28 Prozent der Mädchen an, in den letzten drei Monaten unter Rückenschmerzen gelitten zu haben. Ein Grund zur Sorge? „Nein“, beruhigt Professorin Julia Glombiewski von der TU Kaiserslautern-Landau: „In den allermeisten Fällen steckt eine harmlose Ursache dahinter.“ Eigentlich müssten wir dem Rückenschmerz sogar danken, weil er ein Signal für mehr Selbstfürsorge ist, meint die Psychologin und ermutigt: „Wenn man ihm Aufmerksamkeit schenkt, verfliegt er in der Regel rasch wieder.“ Und: „Je früher im Leben man einen guten Umgang mit ihm erlernt, desto eher bleibt man im Erwachsenenalter von starken Beschwerden verschont.“
Rückenschmerzen: Was sind die Ursachen?
Die meisten Menschen, die mit Rückenschmerzen zum Arzt gehen, erhalten die Diagnose „nicht spezifischer Rückenschmerz“. Für die Beschwerden gibt es demnach keine konkrete körperliche Ursache wie eine Verletzung oder ein Problem mit den Bandscheiben. Verantwortlich ist vielmehr ein Mix aus biologischen, sozialen und psychischen Einflussfaktoren. Dazu gehören etwa Stress in der Schule oder im Beruf, belastende familiäre Situationen, dauernde einseitige Belastungen des Körpers und Bewegungsarmut.
Gerade was den Punkt körperlicher Ausgleich anbelangt, zeigt sich: Deutschland ist unterbewegt. Viele Heranwachsende sitzen erst in der Schule und danach zu Hause vor dem Bildschirm. Nur rund 22 Prozent der Mädchen und 29 Prozent der Jungen im Alter von drei bis 17 Jahren erreichen das von der WHO empfohlene tägliche Maß an Bewegung. Was in jungen Jahren beginnt, setzt sich im späteren Leben fort. Das Gros der Erwachsenen sitzt zu viel. 9,2 Stunden am Tag waren es 2022 bei Menschen in Deutschland durchschnittlich.
Was hilft gegen akute Rückenschmerzen?
Bei beginnenden Nacken- oder Kreuzbeschwerden kann man sich laut Allgemeinmediziner Chenot oft selbst helfen. Wichtig ist vor allem, im Alltag nicht in Bewegungsarmut zu verfallen. Denn Bewegung aktiviert die Heilkräfte im Körper. Gut sind zudem lokale Wärmeanwendungen sowie sanfte Mobilisations- und Dehnübungen. Auch frei verkäufliche Schmerzsalben können auf die schmerzenden Bereiche aufgetragen werden. „Wenn der Rücken sich meldet, ist das aber vor allem ein guter Anlass, über die eigene Lebensweise nachzudenken“, sagt der Experte.
Bewege ich mich genug? Bin ich überlastet oder habe ich private Sorgen? Oft seien Patientinnen und Patienten überrascht, wenn sie erfahren, wie groß der eigene Hebel ist, meint Chenot. Die Hausärztin oder der Hausarzt kann beratend unterstützen oder bei Bedarf eine Physiotherapie anordnen.
Wichtig: Ein rascher Arztbesuch ist notwendig bei Rückenschmerzen nach einem Unfall, extremen anhaltenden Schmerzen, Lähmungserscheinungen oder Kribbeln in Armen und Beinen sowie zusätzlichen Symptomen wie Gewichtsverlust und Fieber. In diesen Fällen könnten ernstere Ursachen vorliegen, die man abklären muss.
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Wie kann man den Alltag rückenfreundlich gestalten?
„Das A und O für einen gesunden Rücken ist Abwechslung“, sagt Professor Hans-Raimund Casser, ärztlicher Direktor am DRK Schmerz-Zentrum Mainz und Facharzt für Sportmedizin. „Vor allem ist es wichtig, einseitige Haltungs- und Bewegungsmuster zu durchbrechen.“ Sonst ruht die Last des Oberkörpers auf den immer gleichen Muskeln, die irgendwann müde werden. Sie beginnen zu verhärten, werden schlechter durchblutet und der Stoffwechsel lahmt. Verspannungen sind die Folge. Verhindern lässt sich das durch Routinen, die den überanstrengten Körperpartien Pausen gönnen. Vielsitzer sollten ihre Haltung immer wieder ändern und jede Stunde eine fünfminütige Aktivpause einlegen. „In der Zeit kann man sich dehnen oder eine Treppe rauf- und runterlaufen“, meint der Experte.
Auch wer viel im Stehen arbeitet oder mit schweren Lasten hantiert, sollte monotone Bewegungsabläufe möglichst oft durchbrechen. Ganz nach dem Motto: Die beste Position ist stets die nächste. An stressigen Tagen hilft es außerdem, immer mal wieder bewusst Schultern und Kiefer zu entspannen. Das beugt Nackenschmerzen vor.
Wenn Kinder über Rückenprobleme klagen, sollten Eltern ärztlichen Rat einholen und versuchen, das Kind im Alltag zu unterstützen. Hat es momentan Kummer, bei dem man helfen kann? Auch zahlt es sich langfristig aus, dem Nachwuchs im Alltag so viel Bewegung wie möglich anzubieten – etwa indem man gemeinsam zur Schule radelt, statt mit dem Auto zu fahren. Oder das Kind unterschiedliche Sportangebote ausprobieren lässt, bis es ein passendes gefunden hat. In vielen Familien spielt außerdem ein zu hoher Medienkonsum eine Rolle.
Tipp: Durch voreingestellte Bildschirmzeiten können Erziehungsberechtigte gegensteuern. Maximal 30 bis 45 Minuten sollten Kinder ab sechs Jahren in ihrer Freizeit am Handy oder dem PC verbringen. Eine eigene Konsole empfiehlt sich frühestens ab dem neunten Lebensjahr.
Bewegungsempfehlungen der WHO
Drei Bausteine für die Trainingswoche von Kindern:
- Täglich 60 Minuten Ausdauer fördernde Aktivitäten mit mäßiger bis starker Intensität (z. B. Radfahren und Toben).
- An zwei Tagen Ausdauersport mit hoher Intensität (z. B. Rennen und Fußball spielen).
- An zwei Tagen kraftfördernde Tätigkeiten (z. B. Turnen).
Drei Bausteine für die Trainingswoche von Erwachsenen:
- 75 bis 150 Minuten pro Woche Ausdaueraktivität mit hoher Intensität (z. B. Joggen).
- Oder 150 bis 300 Minuten pro Woche Ausdaueraktivität mit moderater Intensität (z. B. Walking).
- Und an zwei Tagen Krafttraining und begleitende Mobilisations- und Dehnungsübungen.
Quelle: WHO-Bewegungsempfehlungen 2020
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Prävention: Wie kann man dem Schmerz langfristig vorbeugen?
Ein schmerzresistenter Rücken braucht widerstandsfähige Strukturen: kräftige Muskeln, stabile Knochen, elastische Bandscheiben und ein geschmeidiges Bindegewebe. Eintönige körperliche Aktivitäten führen hingegen dazu, dass einzelne Bestandteile an Kraft und Struktur verlieren. „Die beste Vorsorge ist also ein ganzheitliches Programm, das den gesamten Rücken einbezieht“, erklärt Casser. Es umfasst die Komponenten Ausdauer, um die Durchblutung anzukurbeln, und Beweglichkeit – sowie Krafttraining für alle großen Muskelgruppen in den Beinen, Armen, Schultern, der Brust, dem Rücken und Bauch.
Ein besonderer Fokus sollte auf der tiefen Rückenmuskulatur liegen. Sie verläuft entlang der Wirbelsäule und stabilisiert die einzelnen Wirbel. Außerdem neigen viele Menschen dazu, so der Sportarzt, die Bauchmuskeln zu vernachlässigen. „Dabei sind sie für den unteren Rücken genauso wichtig wie eine starke Rückenmuskulatur“, meint Casser. Vollendet wird das Sportprogramm mit regelmäßigen Mobilisations- und Dehnübungen. Bei all der Optimierung darf eine Sache aber nicht vergessen werden, betont der Facharzt: „Der Rücken braucht ein Leben lang Aufmerksamkeit. Welche Art der Bewegung man wählt, hängt also vor allem davon ab, wie sehr sie dazu motiviert, dranzubleiben.“ Neben regelmäßigen Sporteinheiten bedeutet das vor allem, so viel Aktivität in den Alltag zu integrieren wie möglich. Jeder Familienausflug mit dem Rad und jeder Verzicht auf den Aufzug beugt Beschwerden vor und reduziert das Risiko, dass beginnende Schmerzen chronisch werden.
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Rückenschmerzen im Alltag: Drei Erfahrungsberichte
Wie gehen Menschen unterschiedlichen Alters mit Rückenschmerzen im Alltag um? Wie beugen sie vor? Lesen Sie hier drei Erfahrungsberichte.
Theresa E. (33 Jahre) – Mutter von zwei Kindern
Ich habe einen sehr aktiven Alltag. Morgens bringe ich meine beiden kleinen Mädels zum Kindergarten. Dann geht es weiter zur Arbeit. Mit meinem Mann führe ich zwei Wohnkonzept-Stores. Dort laufe ich oft 18.000 Schritte am Tag. Früher trug ich dabei noch meine Tochter in einem Tuch mit mir herum. In meinem weiteren Umfeld leiden inzwischen einige Eltern unter Rückenschmerzen. Ich kenne das ehrlich gesagt nicht.
Schon von klein auf war ich immer in Bewegung und habe gelernt, mich um meinen Körper zu kümmern. Auch jetzt achte ich darauf, dass ich neben meinem Job genug Zeit für Sport habe. Ich gehe ins Fitnessstudio und trainiere gerade für einen Halbmarathon. Das macht riesigen Spaß – und meinem Rücken tut die Bewegung richtig gut.
Meine Top-Rücken-Maßnahmen:
- Bewegung im Alltag: Viele Strecken zu Fuß gehen und Treppen laufen
- Sport: Wöchentliches Training im Fitnessstudio und Joggen
- Bewusstsein: Das Selbstverständnis, gut auf den eigenen Körper zu achten
Cosmo T. (13 Jahre) – Schüler mit sportlichem Hobby
Morgens sitze ich in der Schule und nachmittags bei meinem Vater im Laden, um Hausaufgaben zu machen. Oft fühlt sich mein Rücken dann irgendwie „ausgerenkt“ an. Fürs Erste hilft es mir, zwischendrin aufzustehen und mich zu strecken. So richtig gut tut mir aber das Football-Training mehrmals die Woche. Besonders das Warmlaufen und Dehnen am Anfang. Gerade spiele ich in der Position Running Back. Sobald ich den Football bekomme, sprinte ich so schnell es geht über den Platz. Das powert richtig aus. Anschließend gehe ich nach Hause zu meiner Mutter und bin am Handy oder lese. Am Wochenende mache ich auch immer wieder mal Work-outs, um noch fitter zu werden.
Meine Top-Rücken-Maßnahmen:
- Sport: Mehrmals die Woche zum Football-Training gehen
- Mobilisieren: Nach Bedarf dehnen und vor dem Sport gut aufwärmen
Burcu H. (47 Jahre) – Mutter mit zwei Jobs
Sobald ich zur Ruhe komme, schmerzt mein Nacken, und auch mein unterer Rücken tut oft weh. Das liegt sicher an meinem stressigen Alltag. Ich habe zwei Jobs und arbeite oft 50 Stunden die Woche: als Vertrieblerin für eine Kosmetikfirma und bei einer Drogeriekette an der Kasse oder im Lager. Abends kümmere ich mich um meinen Teenager-Sohn, unseren Hund und den Haushalt. Mit Mitte 30 hatte ich einen Bandscheibenvorfall, und es ging erst mal gar nichts mehr. Das hat mich wachgerüttelt. Seitdem versuche ich, meinem Rücken bewusst Gutes zu tun, mache Yoga und spiele Tennis. Inzwischen geht es meinem Rücken besser.
Meine Top-Rücken-Maßnahmen:
- Sporteinheiten: Yoga machen, ins Fitnessstudio gehen und Tennis spielen
- Ergonomisches Arbeiten: Schwere Türen nicht mit dem Fuß aufstemmen
Auch Entspannung ist gut für den Rücken
„Auf keinen Fall dürfen wir Aktivitäten vergessen, die der Seele guttun“, sagt die Fachärztin für Psychologie Julia Glombiewski. Bei ihren Patientinnen und Patienten erlebt sie täglich, wie sehr psychische Belastungen die Schmerzdauer und -intensität beeinflussen. Um gerade in belastenden Lebensphasen vorzubeugen, empfiehlt die Expertin: „Sehr gezielt Momente einplanen, die einen in Bewegung und auf schöne Gedanken bringen.“ Egal, ob man abends eine gemeinsame Runde Gassi mit dem Hund geht, zusammen Yoga macht oder jeder für sich entspannt. Hauptsache, der Kopf kann abschalten, und der Rücken bekommt seinen Ausgleich. Auch Entspannungsübungen für Kinder oder Erwachsene können helfen, nach einem stressigen Alltag wieder runterzukommen und körperliche Verspannungen zu vermeiden.