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Gehirn & Nerven

Morbus Menière – wenn Schwindel das Leben aus dem Gleichgewicht bringt

Veröffentlicht am:22.09.2023

5 Minuten Lesedauer

Morbus Menière ist eine Erkrankung des Innenohrs, bei der es zu plötzlichen Attacken von Drehschwindel kommt. Die Ursachen der Krankheit sind nicht geklärt. Was Betroffenen hilft und die Symptome lindern kann.

Eine junge Frau stützt sich mit links an der Wand ab, während sie sich mit rechts an die Schläfe fasst.

© iStock / AndreyPopov

Was ist Morbus Menière?

Plötzlich auftretende Drehschwindelattacken sind das Hauptsymptom von Morbus Menière, auch Menière-Krankheit genannt. Die Erkrankung heißt so, weil sie der französische Arzt Prosper Menière 1861 erstmals beschrieben hat. Zu dem typischen Drehschwindel kommen häufig Ohrgeräusche wie Tinnitus und eine Verschlechterung des Hörvermögens. Manchmal verspüren Betroffene auch einen Druck im Ohr.Vermutlich löst zu viel Flüssigkeit im Innenohr die Beschwerden aus. Das Innenohr ist außer für unser Hören auch für den Gleichgewichtssinn von zentraler Bedeutung.

Im Innenohr befinden sich die Hörschnecke und das Gleichgewichtsorgan. Das Gleichgewichtsorgan enthält die Lymphflüssigkeit (Endolymphe), die Hörschnecke außer der Endolymphe auch die sogenannte Perilymphe. Wenn wir uns bewegen, kommt auch die Endolymphe im Gleichgewichtsorgan in Bewegung. Sinneszellen verarbeiten diese Bewegung zu Nervensignalen, die ans Gehirn weitergeleitet werden. Diese Informationen sind entscheidend dafür, damit wir uns sicher bewegen und uns nicht schwindelig wird.

Falschmeldungen ans Gehirn lösen Schwindel aus

Beim Morbus Menière wird vermutlich zu viel der Lymphflüssigkeit Endolymphe produziert oder sie fließt schlecht ab. Fachleute nennen das Endolymphhydrops oder endolymphatischen Hydrops. Im Innenohr entsteht ein Überdruck. Feine Membranen, die die Lymphflüssigkeiten im Innenohr voneinander trennen, reißen ein und Flüssigkeiten vermischen sich. Das führt bei den Sinneszellen im Gleichgewichtsorgan zu Messfehlern und Falschmeldungen ans Gehirn. Die Folge dieser Fehlinformationen: Gleichgewichtsstörungen, die sich als Schwindelattacken bemerkbar machen. Meist begleiten Ohrgeräusche und Schwerhörigkeit den Schwindel. Was die Störung bei der Produktion der Endolymphe auslöst, ist unbekannt. Möglicherweise haben Betroffene eine genetische Veranlagung zu einer Überproduktion von Endolymphe.

Morbus Menière: Die Ursachen sind nicht geklärt

Endolymphe spielt bei der Entstehung von Morbus Menière eine Rolle – das ist in der Forschung anerkannt. Ob dies aber die einzige Ursache ist, bleibt umstritten. Es gibt Menschen, die trotz eines Hydrops keine Morbus-Menière-Symptome entwickeln. Andere leiden unter Symptomen, ohne dass zu viel Lymphflüssigkeit produziert wird. Man geht daher davon aus, dass verschiedene Faktoren zu den Symptomen führen können. Forschende haben auch einen Zusammenhang von chronischer Mittelohrentzündung oder Migräne mit Morbus Menière entdeckt.

Welche Symptome haben Betroffene bei Morbus Menière?

Hauptsymptom von Morbus Menière ist der akut einsetzende Drehschwindel. Die Schwindelattacken dauern von 20 Minuten bis zu mehreren Stunden. Nur vereinzelt halten Anfälle länger als zwölf Stunden an. Die Abstände zwischen den Anfällen sind individuell unterschiedlich. Einige Betroffene verlieren die räumliche Orientierungsfähigkeit, sieschwanken beim Gehen oder stürzen sogar.

Diese Symptome können den Schwindel begleiten:

  • Ohrgeräusche (Tinnitus), die meist tief klingen
  • Schwerhörigkeit, die noch Stunden oder Tage nach dem Anfall anhalten kann
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Nystagmus (rhythmische, unwillkürliche Bewegungen des Augapfels)
  • Druckgefühl im Ohr

Die Beschwerden an den Ohren treten meist einseitig auf. Bei rund einem Drittel der an Morbus Menière Erkrankten sind beide Ohren betroffen. Während eines akuten Anfalls haben sie nur selten Beschwerden in beiden Ohren.

Rund 30 bis 40 Prozent der Betroffenen haben gleichzeitig oder im Anschluss an den Schwindelanfall Migräne. Migräne, die mit dem Gleichgewichtssinn zusammenhängt, wird vestibuläre Migräne genannt. Besonders länger anhaltende Schwindelperioden gehen oft mit Migräne einher. Manche Forschende vermuten, dass in diesen Fällen die Migräne die Ursache für den Schwindel ist.

Welche Folgeschäden sind möglich?

Zu Beginn der Erkrankung erleiden rund 40 Prozent der Betroffenen eine Störung des Hörvermögens. Hält die Krankheit länger an, kann die Schwerhörigkeit anhalten – bis hin zum vollständigen Hörverlust. Zwischen den Attacken bessert sich die Schwerhörigkeit, bleibt mit der Zeit jedoch immer länger bestehen. Zusätzlich kann es zu einer Schädigung des Gleichgewichtsorgans und andauernder Unsicherheit beim Gehen kommen. Regelmäßig wiederkehrende Schwindelanfälle sind für die Betroffenen eine große psychische Belastung. Das Gefühl des Ausgeliefertseins während der Attacken beeinträchtigt ihre Lebensqualität.

Wer ist besonders häufig betroffen?

Morbus Menière ist keine Krankheit, unter der Betroffene von Kindheit an leiden. Er tritt am häufigsten zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf. Wie oft die Krankheit in Deutschland vorkommt, kann nur geschätzt werden. laut Schätzungen gibt es pro Jahr zwischen 3.000 und 9.000 neue Erkrankungen. Ein Morbus Menière bleibt nicht immer bestehen – bei 50 Prozent der Fälle heilt die Krankheit innerhalb von 2 Jahren spontan ab. Die Ausprägung und die Häufigkeit der Schwindelattacken können über die Jahre hinweg abnehmen und die Anfälle vollständig ausbleiben.

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Wie wird die Diagnose bei Morbus Menière gestellt?

Eine sichere Diagnose ist möglich, wenn die drei Symptome akuter Drehschwindel, Tinnitus und Schwerhörigkeit gleichzeitig auftreten und wenn während oder nach einem Anfall ein Hörverlust feststellbar ist. Nicht immer treten alle Symptome gleichzeitig auf und können auch durch andere Erkrankungen bedingt sein. Diese müssen Ärztinnen und Ärzte ausschließen.

Falls Sie unter Schwindelattacken leiden, sollten Sie Ihren Hausarzt oder Ihre Hausärztin aufsuchen. Besprechen Sie mit ihm oder ihr Art, Dauer und Häufigkeit der Anfälle sowie Begleitsymptome. Eine körperliche Untersuchung und Tests zur Feststellung von Gleichgewichtsstörungen liefern weitere Hinweise. Wenn sich der Verdacht auf Morbus Menière erhärtet, überweist Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin Sie an eine HNO-Praxis. Dort stehen weitere Diagnoseverfahren zur Verfügung:

  • Audiometrie: Das Verfahren misst das Hörvermögen und zeichnet es in einem Audiogramm auf. Da sich das Hörvermögen nach einem Anfall schnell erholen kann, sollte die Audiometrie zeitnah zum Anfall stattfinden.
  • Thermische Prüfung: Der äußere Gehörgang wird bei einer bestimmten Lage der Untersuchten mit kaltem und warmem Wasser gespült, um die Funktionsfähigkeit des Gleichgewichtsorgans zu untersuchen.
  • Glyceroltest zum Nachweis eines Endolymphhydrops
  • Magnetresonanztomographie (MRT)

Wie kann Morbus Menière behandelt werden?

Die Behandlung soll die Symptome abmildern und die Häufigkeit der Anfälle reduzieren. Das gelingt mit den zur Verfügung stehenden Mitteln meist sehr gut. Betroffene sind dann über längere Zeiträume anfallsfrei.

Medikamentöse und operative Therapie von Morbus Menière

Am häufigsten werden eingesetzt:

  • Medikamente in Form von Tabletten oder Zäpfchen gegen Schwindel, Übelkeit und Erbrechen während des akuten Anfalls
  • Medikamente zur Vorbeugung von Schwindel (zum Beispiel Betahistin)
  • entwässernde Medikamente zur Reduzierung der Flüssigkeit im Innenohr

Wenn eine konservative Therapie mit Medikamenten nicht anschlägt:

  • Einspritzung kortisonhaltiger Präparate durch das Trommelfell direkt ins Innenohr

Eine Operation ist bei andauernden schweren Anfällen notwendig, oder wenn keine der anderen Maßnahmen die Anfälle reduzieren und Symptome nachhaltig lindern kann. Häufigste Operation ist die Sakkotomie: ein Eingriff in einem Bereich des Innenohrs, in dem sich Endolymphe sammelt. Ziel ist, den Abfluss der vermehrten Flüssigkeit zu ermöglichen und weitere Ansammlungen zu verhindern.

Eine ältere Frau mit kurzen grauen Haaren sitzt im Schneidersitz auf einer Yogamatte im Wohnzimmer und meditiert.

© iStock / JLco - Julia Amaral

Entspannungstechniken wie Mediation bauen Stress ab, und können die Häufigkeit von Anfällen reduzieren.

Unterstützende Maßnahmen

Schwindelanfälle sind eine große psychische Belastung. Deshalb hilft es vielen Betroffenen, ergänzende psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Um den Behandlungserfolg zu fördern, helfen außerdem diese Tipps:

  • Beenden Sie bei Schwindel Fahrrad- oder Autofahrten sofort.
  • Legen Sie sich bei einem Schwindelanfall hin.
  • Tragen Sie Ihre Medikamente immer bei sich.
  • Machen Sie bestimmte Aktivitäten – etwa Schwimmen – nicht allein. Anfälle treten plötzlich und ohne Vorwarnung auf.
  • Versuchen Sie, Stress zu vermeiden. Stress kann die Anfallhäufigkeit erhöhen und Symptome verstärken. Mögliche Methoden, um Stress vorzubeugen, sind Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung.
  • Streben sie einen gesunden Lebensstil an.

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