Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Tit. 8.2.2 RdSchr. 19j, Ermessensentscheidung
Tit. 8.2.2 RdSchr. 19j
Gemeinsames Rundschreiben zum Krankengeld nach § 44 SGB V und zum Verletztengeld nach § 45 SGB VII
Tit. 8 – Wegfall des Krankengeldes, Antrag auf Leistungen zur Teilhabe → Tit. 8.2 – Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Tit. 8.2.2 RdSchr. 19j – Ermessensentscheidung
(1) Die gesetzliche Formulierung in § 51 SGB V "die Krankenkasse kann" signalisiert, dass es sich bei der Aufforderung des Versicherten zur Antragstellung um eine Ermessensentscheidung der Krankenkasse handelt. Die Krankenkasse ist in ihrer Entscheidung über diesen Antrag jedoch nicht völlig frei, sondern hat ihre Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen.
(2) Hintergrund des Ermessens ist, dass bei einer solchen Aufforderung nach ständiger Rechtsprechung gilt, dass ein Versicherter, der aufgrund eines entsprechenden Verlangens einen Reha- oder Renten-Antrag gestellt hat, diesen nur noch mit Zustimmung der Krankenkasse wirksam zurücknehmen oder beschränken kann (siehe 8.2.3 "Einschränkung des Dispositionsrechts").
(3) Im Rahmen der Ermessensprüfung ist daher durch die Krankenkasse abzuklären, ob der Versicherte ein "berechtigtes" Interesse geltend machen kann, das die Belange der Krankenkasse überwiegt. Kommt die Krankenkasse zur Auffassung, dass ein berechtigtes Interesse des Versicherten vorliegt, muss sie demnach von einer Aufforderung zur Antragstellung absehen.
(4) Als berechtigtes Interesse der Versicherten werden im Rahmen der Rechtsprechung allgemein nur solche Gründe anerkannt, die nicht in erster Linie darauf ausgerichtet sind, die der Krankenkasse zustehenden Befugnisse zu schmälern. So stellen z.B. angestrebte Anrechnungszeiten wegen krankheitsbedingter AU oder Beitragszeiten wegen des Krankengeldanspruchs um höhere Rentenleistungen kein berechtigtes Interesse des Versicherten dar, weil aus dem Bezug des Krankengeldes sich unmittelbar Vorteile bei der Rentenhöhe ergeben, welche nicht dazu führen sollen, dass Krankengeld entgegen dem Zweck des § 51 SGB V auch bei gegebenem Rentenanspruch weiterbezogen wird.
(5) Als berechtigtes Interesse des Versicherten kommt hingegen im Sinne der Rechtsprechung vor allem in Betracht, wenn eine "erhebliche" Verbesserung des Rentenanspruches erreicht werden kann, z.B. durch eine eventuell noch mögliche Erfüllung der Voraussetzungen für eine Erhöhung der Rentenbemessungsgrundlage (BSG-Urteil vom 07. Dezember 2004 - B 1 KR 6/03 R). Ein berechtigtes Interesse des Versicherten ist daher jeweils individuell zu prüfen und kann z. B. in folgenden Fällen gegeben sein:
Rentenantrag würde aufgrund tarifvertraglicher Regelungen automatisch zum Arbeitsplatzverlust führen,
Anspruch auf Betriebsrente ginge durch frühzeitigen Rentenbeginn verloren,
qualifizierte Wartezeit nach § 50 Abs. 2-4 SGB VI kann noch erreicht werden,
Mitgliedschaft in der KVdR kann noch erreicht werden,
Wunsch nach Ausschöpfung von betrieblichen oder tariflichen Leistungen, z. B. Überbrückungsgeldzahlungen.