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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Familienpflegezeit - Allgemeines
Familienpflegezeit - Allgemeines
Inhaltsübersicht
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Information
1. Ziel
Mit dem Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) soll Arbeitnehmern die Möglichkeit gegeben werden, längerfristig und mit finanzieller Absicherung ihre Arbeitszeit für die Pflege von Angehörigen zu reduzieren. Ziel ist es, die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege zu verbessern. Die Kosten müssen allerdings die Beschäftigten selbst tragen. In der Regel besteht ein Rechtsanspruch auf die Freistellung. Die betroffenen Mitarbeiter haben die Möglichkeit, ein staatliches, zinsloses Darlehn zur Sicherung des Lebensunterhalts in Anspruch zu nehmen.
2. Gesetzliche Voraussetzungen
Das Gesetz gilt für alle Beschäftigten, das sind Arbeitnehmer, Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Personen (§ 2 Abs. 3 FPfZG i.V.m. § 7 Abs. 1 PflegeZG). Durch die Einfügung von § 92a BBG wurde das Familienpflegezeitgesetz wirkungsgleich auch auf die Bundesbeamten übertragen.
Voraussetzung für die teilweise Freistellung ist die Pflege naher Angehöriger in deren häuslicher Umgebung (§ 2 Abs. 1 FPfZG). Der Anspruch besteht darüber hinaus auch, wenn sich Eltern oder sonstige Berechtigte freistellen lassen, um einen minderjährigen, pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause oder außerhalb des Haushalts in einer Einrichtung (z.B. als Begleitung bei einem sehr langen Krankenhausaufenthalt oder in einem Hospiz) zu betreuen (§ 2 Abs. 5 FPfZG).
Nach der aufgrund des § 2 Abs. 3 FPfZG. anwendbaren Definition des Pflegezeitgesetzes gehören zu den nahen Angehörigen:
Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern
Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister,
Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner
Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder; die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners; Schwiegerkinder und Enkelkinder.
Es muss Pflegebedürftigkeit i.S.d. Pflegeversicherung vorliegen. Maßgebend ist die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und die Einstufung in einen Pflegegrad nach §§ 14, 15 SGB XI. Da im Rahmen der Pflegestärkungsgesetze die Pflegebedürftigkeit von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade umgestellt wurde, aber keine Folgeänderungen in das FPfZG aufgenommen wurden, ist es für den Anspruch auf Pflegezeit ausreichend, wenn mindestens Pflegegrad 1 festgestellt wurde bzw. voraussichtlich erreicht wird. Dies ist durch eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes nachzuweisen. Bei Versicherten der privaten Pflegeversicherung ist ein entsprechender, geeigneter Nachweis zu erbringen. Ausreichend ist es auch, wenn Pflegebedürftigkeit voraussichtlich vorliegt (§ 2 Abs. 3 FPfZG i.V.m. § 7 Abs. 4 PflegeZG).
Das Gesetz gilt grundsätzlich für alle Arbeitgeber § 2 Abs. 3 FPfZG i.V.m. § 7 Abs. 2 PflegeZG. Bei arbeitnehmerähnlichen Personen, wie z.B. Heimarbeitern, tritt an ihre Stelle der Auftraggeber oder der Zwischenmeister. Ein Rechtsanspruch auf die Freistellung besteht jedoch nur, wenn der Arbeitgeber mehr als 25 Arbeitnehmer, ausschließlich der Mitarbeiter zur Berufsbildung, beschäftigt. Für die Feststellung, ob dies zutrifft, sind folgende Punkte wichtig:
"Arbeitgeber" ist derjenige, der Partner des Arbeitsvertrages ist. Nach dem durch gesetzliche Verweisung anwendbaren § 7 Abs. 2 PflegeZG sind Arbeitgeber natürliche oder juristische Personen oder rechtsfähige Personengesellschaften. Das Gesetz stellt ausdrücklich nicht auf die im Unternehmen oder im Betrieb tätigen Beschäftigten ab: Hat ein Arbeitgeber mehrere Betriebe, werden die Beschäftigten zusammengerechnet. Dies gilt allerdings nur, soweit die Unternehmen in der gleichen Rechtsform betrieben werden.
"Beschäftigte" sind nach der Legaldefinition in § 7 Abs. 1 PflegeZG neben den Arbeitnehmern auch Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; dazu zählen auch Beschäftigte in Heimarbeit und ihnen Gleichgestellte.
Gerechnet wird über Köpfe, d.h. außer den Beschäftigten zur Berufsbildung werden alle Mitarbeiter mitgezählt, auch geringfügig Beschäftigte, Teilzeitmitarbeiter und Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ruht (z.B. wegen Arbeitsunfähigkeit oder unbezahltem Urlaub). Für Beschäftigte in Elternzeit ist § 21 Abs. 7 BEEG zu beachten.
Mitarbeiter in Betrieben, die in der Regel nicht mehr als 25 Beschäftigte haben, können ebenfalls die Familienpflegezeit in Anspruch nehmen. Dafür ist allerdings – wie nach dem bis zum 31.12.2014 geltenden Recht - eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber erforderlich (siehe dazu jedoch auch § 9a TzBfG).
3. Umfang der Freistellung
Die Reduzierung der Arbeitszeit kommt für die Dauer von maximal 24 Monaten in Betracht. Diese Grenze gilt auch im Zusammenspiel mit den nach wie vor bestehenden Ansprüchen nach dem Pflegezeitgesetz. Der Mitarbeiter kann wählen, ob er die Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegezeitgesetz in Anspruch nimmt. Ist sein Antrag in dieser Hinsicht unklar, gilt seine Erklärung als Ankündigung von Pflegezeit. Die gesamte Dauer der Freistellung nach beiden Gesetzen darf jedoch 24 Monate nicht übersteigen. Nimmt der Arbeitnehmer die Familienpflegezeit für einen kürzeren Zeitraum in Anspruch, kann die Freistellung verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt (§ 2a Abs. 3 FPfZG). Durch Art. 8 des Gesetzes für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser (Krankenhauszukunftsgesetz – KHZG) vom 23.10.2020 (BGBl. I Nr. 48 S. 2208) können Beschäftigte davon abweichend einmalig nach einer beendeten Familienpflegezeit die Freistellung erneut, maximal aber bis zur Höchstdauer von 24 Monaten in Anspruch nehmen. Voraussetzung ist, dass dies auf der Grundlage der Sonderregelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie in § 16 FPfZG (n.F.) erfolgte (§§ 2b Abs. 1, 16 Abs. 6 FPfZG). Die Zustimmung des Arbeitgebers war dadurch – wenn die Familienpflegezeit spätestens mit dem 31.12.2020 endete - nicht erforderlich. Die Regelung wird nach Art. 9 i.V.m. Art. 13 Abs. 4 des KHZG zum 01.01.2021 aufgehoben.
Die verringerte Arbeitszeit muss wöchentlich mindestens 15 Stunden betragen; unter dieser Voraussetzung sind grundsätzlich auch Teilzeitkräfte berechtigt, die Freistellung in Anspruch zu nehmen. Bei schwankenden wöchentlichen Arbeitsstunden darf der Durchschnitt innerhalb von maximal einem Jahr die Grenze von 15 Stunden wöchentlich nicht unterschreiten (§ 2 Abs. 1 FPfZG).
Durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wurde § 16 FPfZG eingefügt. Danach darf die wöchentliche Mindestarbeitszeit von 15 Stunden vorübergehend unterschritten werden, längstens jedoch für einen Monat. Damit ist auch eine vollständige Freistellung möglich. Die Regelung zielt darauf ab, vorübergehende Engpässe in der Versorgung, die vermehrt durch die Corona-Pandemie auftreten, zu kompensieren. Die Regelung trat am 30.09.2020 außer Kraft. Eine Verlängerung der Regelung bis 31.12.2020 erfolgte durch Art. 8 und 9 des Gesetzes für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser (Krankenhauszukunftsgesetz – KHZG) vom 23.10.2020 (BGBl. I Nr. 48 S. 2208).
4. Finanzielle Absicherung
Die wirtschaftlichen Folgen für den Mitarbeiter werden abgefedert, indem er einen Anspruch auf ein zinsloses Darlehn hat. Zuständig für die Antragstellung und Auszahlung ist das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Das Darlehn gleicht maximal die Hälfte der Differenz zwischen der Nettovergütung vor und während der Freistellung aus. Es muss von dem Arbeitnehmer mit entsprechenden Nachweisen beantragt werden.
Praxistipp:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben den Arbeitsumfang und das Arbeitsentgelt vor der Freistellung zu bescheinigen, soweit dies erforderlich ist. Davon ist nach der Gesetzesbegründung im Regelfall nicht auszugehen, da der Arbeitnehmer den Verdienstausfall durch die geänderte Lohnabrechnung nachweisen kann.
Die Nettovergütung wird dabei auf Basis des durchschnittlichen regelmäßigen Bruttoentgelts der letzten zwölf Monate nach der Verordnung über die pauschalierten Nettoentgelte für das Kurzarbeitergeld ermittelt. Die Auszahlung erfolgt während der Familienpflegezeit in monatlichen Raten. Ist die Freistellung abgelaufen, muss der Arbeitnehmer das Darlehn in monatlichen Raten zurückzahlen.
Alternativ ist es auch zulässig, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Aufstockung der während der Familienpflegezeit tatsächlich erarbeiteten Vergütung durch Entnahme aus einem Wertguthaben finanzieren.
Für die Bundesbeamten gilt die Beamten-Pflegezeitvorschuss-Verordnung vom 18.07.2013 (BGBl. I Nr. 41, S. 2573).
5. Beteiligung Personalvertretung
Die Inanspruchnahme der Familienpflegezeit erfolgt grundsätzlich im Rahmen einer Vereinbarung zwischen Betrieb und Arbeitnehmer. Dennoch haben Betriebs- bzw. Personalrat Mitbestimmungsrechte. So hat die Personalvertretung zu überwachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze eingehalten werden (§ 80 Abs. 1 BetrVG, § 68 Abs. 1 BPersVG). Dazu gehört auch das FPfZG. Beteiligungsrechte bestehen auch, wenn durch die Freistellung die Personalplanung tangiert wird (§ 92 BetrVG). Eine teilweise Freistellung betrifft auch die Arbeitszeit (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG). Damit der Betriebsrat seine Aufgaben erfüllen kann, ist er rechtzeitig und umfassend über relevante Sachverhalte zu informieren; dazu gehört auch die Inanspruchnahme von Familienpflegezeit (§ 80 Abs. 2 BetrVG, § 66 BPersVG).
6. Datenschutz
Die Inanspruchnahme der Familienpflegezeit ist mit der Erhebung zusätzlicher Daten von dem Arbeitnehmer verbunden. Der Beschäftigten-Datenschutz ergibt sich aufgrund der Öffnungsklausel des Art. 88 DSGVO aus § 26 BDSG. Aber auch bei Anwendung dieser Vorschrift sind die generellen Vorgaben der DSGVO und des BDSG zu beachten.
Die Verarbeitung (dazu gehören z.B. das Erheben, Erfassen, Organisieren, Speichern, Löschen und Vernichten) der Daten von Beschäftigten ist nach § 26 Abs. 1 BDSG u.a. zulässig, soweit die Informationen im Zusammenhang mit der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind. Wenn es aber um sehr sensible, z.B. gesundheitliche Informationen geht, ist die Erhebung solcher Daten nur unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 BDSG i.V.m. Art. 9 Abs. 1 DSGVO zulässig. Da die Freistellung mit der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen im Zusammenhang steht, ist diese Vorschrift zu berücksichtigen. § 26 Abs. 3 BDSG lässt die Verarbeitung solcher Daten zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht zu, wenn das schutzwürdige Interesse des Mitarbeiters an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt. Eine rechtliche Pflicht liegt vor, weil der Anspruch auf Freistellung geprüft werden muss. Da das schutzwürdige Interesse des Arbeitnehmers am Ausschluss der Verarbeitung abzuwägen ist und es daher im Streitfall zu einer anderen Würdigung der Umstände kommen kann, ist zu empfehlen, eine ausdrückliche Einwilligung des Mitarbeiters zur Verarbeitung dieser Daten einzuholen (§ 26 Abs. 2 BDSG, Art. 9 Abs. 2 Buchst. a DSGVO). Zu beachten ist dabei, dass die Einwilligung nur rechtswirksam ist, wenn sie auf freiwilliger Basis gegeben wird.
7. Sonderregelungen Corona
Durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.05.2020 (BGBl. I Nr. 23 S. 1081) und durch Art. 8 und 9 des Gesetzes für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser (Krankenhauszukunftsgesetz – KHZG) vom 23.10.2020 (BGBl. I Nr. 48 S. 2208) wurden im Hinblick auf die Corona-Pandemie befristet weitere Sonderregelungen für die Familienpflegezeit eingeführt (BT-Drs. 19/22126). Sie galten bis zum Jahresende 2020. Einzelheiten siehe § 2b und 16 FPfZG n.F. Es bleibt abzuwarten, ob die Regelungen im Hinblick auf den weiteren Verlauf der Pandemie verlängert werden.