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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Arbeitnehmer - Äußeres Erscheinungsbild
Arbeitnehmer - Äußeres Erscheinungsbild
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der erste Eindruck von einem Mitarbeiter auf den Kunden ist die Visitenkarte des Unternehmens und kann die weitere Geschäftsbeziehung entscheidend beeinflussen. Daher legen insbesondere Dienstleistungsunternehmen großen Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Doch was kann ein Unternehmen in dieser Hinsicht von seinen Arbeitnehmern verlangen? Inwieweit darf das äußere Erscheinungsbild dazu führen, dass ansonsten geeignete Bewerber aussortiert werden? Unser Beitrag gibt Ihnen alle notwendigen Informationen. Ergänzend wird auf Aspekte des Bewerbungsverfahrens hingewiesen, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind.
2. Bewerbungsverfahren
2.1 Allgemeines, Vertragsfreiheit
Ein kluger Bewerber wird sein äußeres Erscheinungsbild so weit wie möglich den Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle anpassen. Wer sich also als Verkäufer in einem Autohaus oder Bankkaufmann bewirbt, wird mit Anzug und Krawatte erscheinen. Handelt es sich um eine Stelle als Hausmeister, können Jeans und Hemd ohne weiteres in Ordnung gehen. Kommt dagegen der potentielle Verkäufer in verwaschenen Jeans und T-Shirt, bringt er sich vielleicht selbst um seine Chancen. Was aber ist, wenn der Bewerber nicht zum Unternehmensleitbild passt, weil er gut sichtbare Tätowierungen hat oder Piercings trägt? Darf er deswegen "aussortiert" werden?
Grundsätzlich gilt im Rahmen des Bewerbungsverfahrens das Prinzip der Vertragsfreiheit. Der Arbeitgeber ist weitgehend frei darin, mit wem er einen Vertrag schließt und mit wem nicht. Die Motive spielen dabei grundsätzlich keine Rolle. Stört also das äußere Erscheinungsbild, kann die Bewerbung aus diesem Grund ohne Weiteres abgelehnt werden. Die Rechtsprechung erkennt die Befugnis des Arbeitgebers an, bei der Entscheidung über eine Stellenbesetzung auch solche Umstände zu berücksichtigen, die zwar für die Aufgabe nicht zwingend geboten sind, aber im eigenen, billigen Interesse liegen (ArbG Darmstadt, 12.06.2014 – 6 Ca 22/13).
2.2 Schutz vor Diskriminierung
Allerdings gilt auch bereits im Einstellungsverfahren der Schutz vor Diskriminierung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG). Die Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung oder der sexuellen Identität ist verboten (§ 1 AGG, § 7 AGG). So wäre es z.B. nicht zulässig, einen Bewerber wegen einer äußerlich sichtbaren Behinderung abzulehnen (siehe dazu auch LAG Baden-Württemberg, 03.11.2014 – 1 Sa 13/14).
Die Pflicht öffentlicher Arbeitgeber, fachlich geeignete Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (§ 165 Satz 3 SGB IX), verbietet nicht, Bewerber auszusortieren, die die formalen Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle nicht erfüllen (LAG Schleswig-Holstein, 18.03.2015 – 3 Sa 371/14 4). In diesem Fall liegt keine Diskriminierung wegen der Behinderung vor (siehe aber LAG Baden-Württemberg, 03.11.2014 – 1 Sa 13 /14 – abschreckende Einladung eines schwerbehinderten Bewerbers).
Fehlt offensichtlich die fachliche Eignung, kann von einer Einladung abgesehen werden; Zweifel an der Qualifikation reichen aber nicht aus (siehe BAG, 11.08.2016 – 8 AZR 375/15). Nach der Entscheidung trifft den öffentlichen Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Bewerber offensichtlich ungeeignet ist.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (18.12.2014 – C-354/13) kann Adipositas eine Behinderung sein – wenn sie eine solche Einschränkung mit sich bringt, dass der Betroffene nicht mehr voll am Berufsleben teilhaben kann und insoweit nicht mit anderen Arbeitnehmern gleichberechtigt ist. Dagegen ist Übergewicht unterhalb der Schwelle einer behandlungsbedürftigen Adipositas keine Behinderung (ArbG Darmstadt, 12.06.2014 – 6 Ca 22/13). Adipositas bringt im Sinne der EuGH – Rechtsprechung (a.a.O.) nicht zwangsläufig eine Einschränkung der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben mit sich. Lediglich, wenn eine tatsächliche Einschränkung vorhanden und diese von langer Dauer ist, liegt eine Behinderung i.S.d. AGG vor (EuGH a.a.O. und LAG Niedersachsen, 29.11.2016 – 10 Sa 216/16 – Revision zugelassen).
Problematisch ist es auch, wenn die Einstellung eines geeigneten Bewerbers an nicht beeinflussbaren Merkmalen, wie z.B. der Körpergröße scheitert. Selbst wenn es sachliche Gründe für eine Mindestgröße gibt, kann der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt sein, da Frauen im Durchschnitt kleiner sind als Männer (LAG Köln, 25.06.2014 – 5 Sa 75/14 – das Revisionsverfahren vor dem BAG – 8 AZR 638/14 endete lt. Pressemitteilung vom 18.02.2016 mit einem Vergleich). Ist als Kriterium für die Zulassung zu einer Polizeischule unabhängig vom Geschlecht eine Mindestgröße festgelegt, kann darin eine unerlaubte Diskriminierung von Frauen liegen (EuGH, 18.10.2017 – C-409/16). Nach der Entscheidung ist eine bestimmte Körpergröße nicht notwendig, um das ordnungsgemäße Funktionieren der Polizei zu gewährleisten. Eine Diskriminierung liegt nicht vor, wenn die Regelung hinsichtlich von körperlichen Merkmalen durch ein rechtmäßiges Ziel, wie das Bemühen, die Einsatzbereitschaft und das ordnungsgemäße Funktionieren der Polizei zu gewährleisten, sachlich gerechtfertigt ist und die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Dies haben die nationalen Gerichte zu entscheiden. Der EuGH hat deutlich gemacht, dass zwar bestimmte Tätigkeiten besondere Anforderungen an körperliche Fähigkeiten stellen, aber andere Polizeiaufgaben, wie die Verkehrsregelung oder der Beistand für die Bürger offensichtlich nicht. Es ging bei dem Rechtsstreit um griechisches Recht.
Da die Polizei in Deutschland Ländersache ist, gibt es zu den unterschiedlichen Rechtsgrundlagen der Länder naturgemäß eine große Zahl von gerichtlichen Entscheidungen. Bei Polizeibehörden des Bundes (Bundespolizei) ist dagegen Bundesrecht anzuwenden. Beispiele für Gerichtsentscheidungen sind in der folgenden Tabelle dargestellt.
Bundesland | Text | Urteil |
Berlin | Eine mindestens geforderte Körpergröße für Bewerber für den gehobenen Polizeidienst (weiblich 160, männlich 165 cm) im Land Berlin ist rechtmäßig. | VG Berlin, 01.06.2017 – 5 K 219.16 |
Bund | Die Festlegung einer Mindestgröße für die Einstellung im Polizeivollzugsdienst (hier: Bundespolizei) verstößt gegen das AGG. | VG Schleswig-Holstein, 26.03.2015 – 12 A 120/14 |
Hessen | Die geforderte Mindestgröße darf für weibliche Bewerber für den Polizeidienst nicht unterhalb dessen liegen, was polizeipraktisch zwingend erforderlich ist. Von daher ist eine Festlegung in Hessen auf eine einheitliche Mindestgröße von 160 cm mit dem der Verfassung und dem AGG vereinbar. | VGH Hessen, 25.08.2016 – 1 B 976/16 |
Nordrhein-Westfalen | Die Festlegung einer Mindestkörpergröße von 168 cm. für männliche Bewerber für den Polizeivollzugsdienst ist rechtswidrig. Der dem zugrunde liegende Erlass des Innenministeriums sei keine ausreichende Grundlage für die Festlegung der Mindestgröße; dies sei dem Gesetzgeber vorbehalten. Das Gericht hält eine –einheitliche - Mindestkörpergröße von 163 cm für angemessen. | OVG Nordrhein-Westfalen, 21.09.2017 – 6 A 916/16 |
Nordrhein-Westfalen | Die nunmehr einheitlich für Männer und Frauen festgelegte Mindestgröße ist rechtmäßig, sachgerecht und nachvollziehbar. Die Festlegung kann per Erlass erfolgen und muss nicht durch Gesetz geregelt werden. Durch den Erlass wird das Erfordernis der körperlichen Eignung lediglich konkretisiert wird und nicht in Grundrechte des Bewerbers eingegriffen. | VG Düsseldorf, 15.05.2018 – 2 K 766/18 |
Nordrhein-Westfalen | Entscheidung im Eilverfahren, dass eine Bewerberin für die Einstellung im gehobenen Polizeivollzugsdienst trotz fehlender Mindestgröße für Frauen von 163 cm zum weiteren Auswahlverfahren zuzulassen ist. Für das Jahr 2017 fehle es an einer plausiblen Begründung für die Mindestkörpergröße. | VG Aachen 31.01.2017 – 1 L 6/17 |
Nordrhein-Westfalen | Die einheitliche Mindestkörpergröße von 163 cm. ist keine verbotene Diskriminierung weiblicher Bewerber. Dass damit wegen der unterschiedlichen durchschnittlichen Körpergrößen mehr Frauen als Männer vom Polizeidienst ausgeschlossen werden, ist im Hinblick auf die sachgerechte Aufgabenwahrnehmung gerechtfertigt. | OVG Nordrhein-Westfalen, 28.06.2018 – 6 A 2014/17; 6 A 2015/17 u. 6 A 2016/17 |
Sachsen-Anhalt | Die in der Polizeilaufbahnverordnung für Sachsen-Anhalt festgelegte Mindestkörpergröße von 160 cm ist rechtlich nicht zu beanstanden. | OVG Magdeburg, 29.09.2017 – 1 M 92/17 |
Dass im Hinblick auf das AGG Stellenanzeigen geschlechtsneutral verfasst werden müssen, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Etwas anderes gilt nur, wenn nachvollziehbare, gewichtige sachliche Gründe Männer oder Frauen ausschließen.
Praxistipp:
Um sich nicht angreifbar zu machen, wird empfohlen, bei der Absage die Ablehnungsgründe entweder nicht oder in eher allgemeiner Formulierung zu nennen. Außerdem ist bei evtl. persönlichen Kontakten eine neutrale Haltung zu empfehlen.
Fügt eine Frau einer Bewerbung um einen Ausbildungsplatz bei einer Steuerkanzlei ein Foto bei, das sie mit einem muslimischen Kopftuch zeigt und wird mit der Ablehnung der Tipp für die Zukunft gegeben, bei künftigen Bewerbungen auf den "Kopfschmuck" zu verzichten, liegt darin ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 AGG. Daher besteht ein Anspruch auf Entschädigung (LAG Rheinland-Pfalz, 16.12.2019 – 3 Sa 132/19).
2.3 Schadenersatzanspruch des Bewerbers
Bewerber, die i.S.d. AGG durch die Ablehnung diskriminiert werden, können Schadenersatz beanspruchen (§ 15 AGG). Allerdings müssen sie die Benachteiligung beweisen. Nach der Rechtsprechung haben abgelehnte Bewerber keinen Anspruch darauf, die Bewerbungsunterlagen ihrer Konkurrenten einzusehen oder die Gründe der Ablehnung zu erfahren (EuGH, 19.04.2012 – C-415/10). Dies gilt selbst dann, wenn sie die Voraussetzungen für die Besetzung der Stelle erfüllen. § 22 AGG erleichtert aber die Beweisführung: Beweist der abgelehnte Bewerber Indizien, die eine Benachteiligung vermuten lassen, muss der Arbeitgeber seinerseits beweisen, dass kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorgelegen hat. Nach der Rechtsprechung des EuGH (a.a.O.) kann ein konsequentes Schweigen des Arbeitgebers hinsichtlich der Ablehnungsgründe diese Umkehr der Beweislast auslösen.
Praxistipp:
Soweit der Betrieb bei seiner Entscheidung einen Tarifvertrag angewandt hat, besteht ein Anspruch auf Entschädigung nur, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat (§ 15 Abs. 3 AGG).
2.4 Besonderheiten öffentlicher/kirchlicher Dienst
Bei öffentlichen Arbeitgebern ist das Prinzip der Vertragsfreiheit weiter eingeschränkt. Sie müssen neben dem AGG auch die Grundrechte der Bewerber beachten.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass eine Regelung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamten des Bundes einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung bedarf, weil damit in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit eingegriffen werde (BVerwG, 17.11.2017 – 2 C 25/17). Den Anforderungen an das äußere Erscheinungsbild der Beamten wurde dementsprechend durch eine neue gesetzliche Regelung Rechnung getragen (Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 28.06.2021 (BGBl. I Nr. 39 S. 2250). § 61 Abs. 2 BBG legt nunmehr fest: "Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können von der obersten Dienstbehörde eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen". Einzelheiten können durch Rechtsverordnung geregelt werden.
So können nach Meinung des VG Aachen (VG Aachen, 31.07.2012 – 1 L 277/12) auffällige Tätowierungen an beiden Unterarmen Ausdruck des in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein; sie dürfen jedenfalls nicht zum Ausschluss eines Bewerbers vom weiteren Einstellungsverfahren führen. Im gleichen Sinne hat das VG Düsseldorf in einem Eilverfahren entschieden. Danach darf ein Bewerber von dem Einstellungsverfahren im Polizeidienst nicht ausgeschlossen werden, weil er auf der Innenseite seines linken Unterarms einen Löwenkopf (20x14 cm) tätowiert hat. Für einen Eignungsmangel reiche es nicht aus, dass Teile der Bevölkerung großflächige Tätowierungen für unpassend oder unästhetisch hielten (VG Düsseldorf, 24.08.2017 – 2 L 3279/17 [im einstweiligen Rechtsschutz] und 08.05.2018, 2 K 15637/17 [in der Hauptsache]). Das OVG Nordrhein-Westfalen kam zum gleichen Ergebnis und wies die Berufung zurück (OVG Nordrhein-Westfalen, 12.09.2018 – 6 A 2272/18). Insbesondere fehle es an einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage für die Reglementierung zulässiger Tätowierungen. Da hierdurch in das grundgesetzlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht eigegriffen werde, müsse der Gesetzgeber die erforderlichen Regelungen selbst treffen; Verwaltungsvorschriften seien keine ausreichende Rechtsgrundlage. Damit hat sich das OVG der Rechtsprechung des BVerwG angeschlossen, wonach die Regelung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamten, jedenfalls soweit deren Inhalt nicht zugleich einen Verstoß gegen andere beamtenrechtlichen Pflichten darstellt, einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung bedarf (BVerwG, 17.11.2017 – 2 C 25.17). In einem weiteren Fall, bei dem es ebenfalls um eine großflächige Tätowierung eines Löwenkopfes – auf der linken Brust – ging, kam das OVG Nordrhein-Westfalen zum gleichen Ergebnis. Danach können berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung gegeben sein, wenn Art und Inhalt eines Körperschmucks auf eine innere Einstellung oder Gesinnung des Bewerbers schließen lassen, die mit den Grundpflichten eines Beamten nicht mehr vereinbar ist. Das sei insbesondere der Fall, wenn der Bewerber nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Die Löwenkopftätowierung des Antragstellers lasse jedoch für sich genommen keinen Schluss auf eine in diesem Sinne bedenkliche Einstellung zu. Angesichts der Intensität des mit der Ablehnung verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit bedürfe es weiterer Anhaltspunkte, um aufgrund des vom Antragsteller gewählten Motivs Zweifel an seiner Eignung zu begründen. Allein aufgrund der Tätowierung könne auf eine solche Einstellung nicht geschlossen werden (OVG Nordrhein-Westfalen, 12.05.2020 – 6 B 212/20). In einer früheren Entscheidung hat das OVG Nordrhein-Westfalen noch eine andere Auffassung vertreten: Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen, wonach der Dienstherr berechtigt ist, die Einstellung eines Bewerbers, der im sichtbaren Bereich eine großflächige Tätowierung hat, ablehnen darf, sind danach nicht unverhältnismäßig (OVG Nordrhein-Westfalen, 26.09.2014 – 6 B 1064/14). Zu diesem Ergebnis kam das Gericht auch, weil Tätowierungen nicht grundsätzlich verboten sind. Großflächige Tätowierungen seien nach den Verwaltungsvorschriften in dem von der Sommeruniform verdeckten Bereich ebenso wie Tätowierungen minderer Größe im sichtbaren Bereich zulässig.
Auch das OVG Berlin-Brandenburg vertritt die Auffassung, dass die Ablehnung eines Bewerbers für den mittleren Dienst bei der Polizei aufgrund einer sichtbaren, aber inhaltlich nicht zu beanstandender Tätowierung nur erfolgen darf, wenn eine gesetzliche Grundlage dafür besteht (OVG Berlin-Brandenburg, 28.08.2018 – OVG 4 S 36.18). Die Zulassung zum Bewerbungsverfahren darf nur abgelehnt werden, wenn aufgrund der Tätowierungen Zweifel bestehen, ob der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung und die dort geregelten Menschenrechte eintritt oder wenn die Tätowierungen gegen Strafgesetze verstoßen (OVG Berlin-Brandenburg, 01.02.2019 – 4 S 52.18). Das Land Berlin darf einen Bewerber für eine Stelle im Objektschutz der Polizei wegen sichtbarer Tätowierungen ablehnen, wenn sie Zweifel an seiner Verfassungstreue aufkommen lassen. Dazu zählen nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg Totenköpfe, Revolverpatronen und das Wort "omerta" (LAG Berlin-Brandenburg, 25.04.2019 – 5 Ta 730/19). Omerta bezeichnet die Schweigepflicht der Mafia-Mitglieder und ähnlicher krimineller Organisationen gegenüber Außenstehenden.
Das VG Berlin hat im vorläufigen Rechtsschutz entschieden, dass Bewerber für den mittleren Dienst der Schutzpolizei im Land Berlin auch mit sichtbaren, großflächigen Tätowierungen nicht abgelehnt werden dürfen, weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt (VG Berlin, 23.07.2018 – 5 L 248.18). Inhaltlich waren die Tätowierungen im Hinblick auf die Eignung des Bewerbers unproblematisch; sie zeigten Fußballmotive und hatten familiäre Bezüge.
Das VG Meinigen kam zum Ergebnis, dass der Freistaat Thüringen einen Bewerber für den Polizeivollzugsdienst vom Auswahlverfahren ausschließen darf, wenn er großflächige Tätowierungen auch im sichtbaren Bereich trägt. Zwar sei grundsätzlich dafür eine gesetzliche Grundlage erforderlich. Im vorliegenden Fall würden die Tätowierungen jedoch inhaltlich die Eignung für den Polizeidienst, insbesondere die Verfassungstreue, in Frage stellen, Denn sie legten den Schluss einer rechtsextremen Gesinnung nahe (VG Meiningen, 21.06.2018 – 1 K 457/18 Me).
Das VG Magdeburg hat entschieden, dass ein Bewerber für den Polizeivollzugsdienst wegen einer großflächigen Tätowierung einer vermummten Gestalt mit dem Logo des 1. FC Magdeburg am Wadenbein nicht abgelehnt werden darf. Dafür fehle es in Sachsen-Anhalt an einer ausreichenden Rechtsgrundlage (VG Magdeburg, 20.09.2018 – 5 A 54/18 MD). Das beklagte Land hatte zu der Frage, ob aus dem Motiv der Tätowierung möglicherweise Zweifel an der Verfassungstreue und der ggf. dadurch fehlenden charakterlichen Eignung für den Polizeidienst nichts in das Verfahren eingebracht.
Das VG Trier hat die Entscheidung des Landes Rheinland-Pfalz bestätigt, dass ein die Begriffe Loyalty, Honor, Respect, Family abbildendes Tattoo auf dem oberen Rücken zu Zweifeln an der charakterlichen Eignung eines Bewerbers für den Polizeidienst berechtigt. Einstellungen für ein öffentliches Amt seien nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen, wobei dem Dienstherren ein Beurteilungsspielraum zustehe, der nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliege. Insbesondere die Voranstellung der Begriffe "Loyalty" und "Honor" könnten bei einem unbefangenen Betrachter den Schluss nahelegen, damit werde ein archaisches und überkommenes Wertesystem vertreten. Eine solche persönliche Einstellung sei jedoch mit der Pflicht eines Polizeibeamten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten unvereinbar (VG Trier, 27.09.2022 – 7 L 2837/22 TR).
Ein kleines Tattoo am Handgelenk ist, wenn die Darstellung nicht als Symbol der rechtsextremen Szene zu werten ist, kein Grund für die Ablehnung einer Bewerberin (VG Berlin, 22.04.2015 – VG 36 L 83/15). Dagegen hat das VG Darmstadt (27.05.2014 – 1 L 528/14) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt, mit der eine Bewerberin für den gehobenen Polizeidienst bei der Bundespolizei die Aufhebung der Entscheidung, sie wegen einer großflächigen Tätowierung eines Unterarms nicht zur Ausbildung zuzulassen, erreichen wollte. Der Argumentation des Gerichts ist jedoch zu entnehmen, dass im Hinblick auf geänderte gesellschaftliche Anschauungen heute nicht mehr jedwede, dezente und inhaltlich unverfängliche Tätowierung als Eignungsmangel für Tätigkeiten im öffentlichen Dienst angesehen werden kann. Ein Bewerber für den Zentralen Objektschutz der Berliner Polizei darf aufgrund einer Tätowierung am Unterarm, das die Göttin Diana mit entblößten Brüsten zeigt, abgelehnt werden (ArbG Berlin, 03.04.2018 – 58 Ga 4429/18). Das Gericht wies auf den Beurteilungsspielraum des Dienstherren hin und hat keinen Fehler erkannt. Da Motiv könne in der Öffentlichkeit als sexistisch wahrgenommen werden.
Die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes durch eine kosmetische Operation (hier: maßvolle Vergrößerung der weiblichen Brust) ist i.d.R. kein Hinderungsgrund, in den mittleren Dienst der Polizei aufgenommen zu werden (OVG Berlin-Brandenburg, 28.03.2018 – 4 B 19.14).
Die Einführung einer Dienstpflicht, die es Beamten verbietet, in ihrem äußeren Erscheinungsbild ihre Religionszugehörigkeit erkennbar zu machen, bedarf nach der Rechtsprechung einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (BVerfG, 24.09.2003 – 1 BvR 1436/02). Mit einer weiteren Entscheidung wurde dies insoweit eingeschränkt, als ein generelles Kopftuchverbot für Lehrerinnen auch auf gesetzlicher Grundlage nicht zulässig ist. Nur bei einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden kann ein Verbot zulässig sein (BVerfG, 27.01.2015 - 1 Bv 471/10 u. 1 Bv 1181/10). So darf eine Bewerberin um ein Dienstverhältnis als Beamtin auf Probe im allgemeinen Verwaltungsdienst in Nordrhein-Westfalen nicht abgelehnt werden, weil sie als Muslima beabsichtigt, im Dienst ein Kopftuch zu tragen (VG Düsseldorf, 8.11.2013 – 26 K 5907/12). Zum gleichen Ergebnis kam das OVG Niedersachsen und sprach der aus diesem Grund abgelehnten Bewerberin um eine Stelle als Lehrerin ein Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu (OVG Niedersachsen, 24.04.2020 – 5 LB 129/18). Das "Berliner Neutralitätsgesetz" untersagt u.a. den Lehrkräften an öffentlichen Schulen das Tragen religiös oder weltanschaulich geprägter Kleidungsstücke. Das BAG hat jedoch einer Lehrerin, deren Bewerbung nach ihrer Erklärung, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen, abgelehnt wurde, eine Entschädigung zugesprochen. Die Regelung in § 2 Berliner Neutralitätsgesetz verbietet das Tragen eines islamischen Kopftuches durch eine Lehrkraft in einer öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule ohne Weiteres, d.h. schon wegen der bloß abstrakten Eignung zur Begründung einer Gefahr für den Schulfrieden oder der staatlichen Neutralität (siehe dazu auch 3.1.2). Dies führt nach dem Urteil entsprechend der vom BVerfG aufgestellten Grundsätze zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG, sofern das Tragen des Kopftuches nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist. Die Regelung sei in diesen Fällen daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Verbot des Kopftuchtragens nur im Fall einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität gelte (BAG, 27.08.2020 – 8 AZR 62/19). In Hinblick auf entsprechende, mündliche Äußerungen, sei ein Indiz i.S.v. § 22 AGG für eine religionsbedingte Benachteiligung.
Ebenso hat das VG Augsburg (Urteil vom 30.06.2016 - Au 2 K 15.457) entschieden, dass einer Rechtsreferendarin im juristischen Vorbereitungsdienst bei der Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes sowie bei der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen das Tragen des muslimischen Kopftuches nicht untersagt werden darf. Im Freistaat Bayern bestand zu dieser Zeit kein formelles Gesetz, welches Rechtsreferendare zu einer weltanschaulich-religiösen Neutralität verpflichtet. Eine Rechtsverordnung reichte nach Ansicht des Gerichts als Grundlage für einen solchen Eingriff in die Religions- und Ausbildungsfreiheit nicht aus. Die Entscheidung des VG Augsburg wurde allerdings in der Berufung wegen Unzulässigkeit aufgehoben (BayVGH, 07.06.2018 – 3 BV 16.2040). Nach den Gründen greift eine einem Rechtsreferendar auferlegte Pflicht, bei Tätigkeiten, bei denen er als Repräsentant des Staates wahrgenommen wird oder als solcher wahrgenommen werden könnte, die eigene Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft nicht durch das Befolgen von religiös begründeten Bekleidungsregeln sichtbar werden zu lassen, in die von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürgte individuelle Glaubensfreiheit ein. Der Eingriff sei jedoch nicht schwerwiegend, wenn die Auflage sich nur an einem Tag für kurze Zeit ausgewirkt hat. Das BVerwG hat das Berufungsurteil aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil, nach dem die Klägerin obsiegte, wieder hergestellt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, weil die damalige "Kopftuch-Auflage" einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstellte, der sich typischerweise zu kurzfristig erledigt, um Rechtsschutz in der Hauptsache zu erlangen (BVerwG, 12.11.2020 – 2 C 5/19). Zwischenzeitlich gilt in Bayern ein neues Richter- und Staatsanwaltsgesetz, nach dem für die Amtstracht ein Neutralitätsgebot gilt.
Für Kirchen und Religionsgemeinschaften gelten im Arbeitsrecht ebenfalls Besonderheiten (§ 118 BetrVG). Dies folgt daraus, dass nach den verfassungsrechtlichen Regelungen der Staat die Eigenständigkeit der kirchlichen Rechtsordnung respektieren muss. Die Kirchen dürfen daher – im Gegensatz zu den Regelungen des AGG - die Religionszugehörigkeit der Mitarbeiter als Ausgangspunkt für eine unterschiedliche Behandlung nehmen. Sie können auch im Sinne ihres Selbstverständnisses und des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts von ihren Mitarbeitern ein loyales und aufrichtiges Verhalten verlangen, solange dies nicht im Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlich garantierten Rechten der Arbeitnehmer und den konkreten Regelungen des Arbeitsvertrages steht. Arbeits- und Kündigungsschutzgesetze sind im Sinne der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten der kirchlichen Selbstbestimmung auszulegen; andererseits darf das nicht dazu führen, dass Schutzpflichten des Staates gegenüber den Arbeitnehmern und die Sicherheit des Rechtsverkehrs beeinträchtigt werden (BVerfG, 22.10.2014 – 2 BvR 661/12). Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind auch alle ihr zugeordneten Organisationen, die berufen sind, Auftrag und Sendung der Kirchen wahrzunehmen. Dies gilt auch wenn sich der Träger privatrechtlicher Organisationsformen bedient, soweit die Einrichtungen nicht ganz überwiegend der Gewinnerzielung dienen (BVerfG, 22.10.2014 – a.a.O.). Die Gerichte differenzieren dabei in der jüngsten Zeit mehr und mehr danach, ob es sich bei der Tätigkeit um verkündungsnahe oder -ferne Aufgaben handelt. Es kommt daher darauf an, ob die Verkündung des Glaubens zu den Aufgaben der ausgeschriebenen Stelle gehört. In den verkündungsfernen Bereichen wird den Kirchen weniger Spielraum für religiös motivierte Stellenanforderungen eingeräumt (siehe aber LAG Berlin-Brandenburg, 28.05.2014 – 4 Sa 157/14, 4 Sa 238/14 – Revision zugelassen).
Die in diesem Zusammenhang aufgetretenen Probleme wurden entschärft durch die von der katholischen Bischofskonferenz beschlossene "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" i.d.F. vom 27.04.2015. Hierdurch wurden u.a. die Konsequenzen aus dem Verhalten insbesondere in der Privatsphäre deutlich abgemildert. Generell ist bei Verstößen gegen die Grundordnung vor einer Kündigung eine Abwägung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen.
Verstöße gegen die Loyalitätspflicht von kirchlichen Mitarbeitern können einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 BGB darstellen. Eine Krankenpflegerin muslimischen Glaubens, die in einem Krankenhaus in evangelischer Trägerschaft tätig ist und trotz wiederholter Abmahnung darauf beharrt, ihren Dienst kopftuchtragend zu versehen, verletzt ihre Neutralitätspflicht gegenüber der Kirche. Das kann den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen (LAG Hamm, 25.03.2021 - 18 Sa 1197/20).
Diese Grundsätze gelten auch für das Bewerbungsverfahren. Allerdings ist es umstritten, welche Voraussetzungen die jeweilige Religionsgemeinschaft ihrer Auswahlentscheidung konkret zugrunde legen darf. Weist ein Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft die Bewerbung eines Krankenpflegers allein mit der Begründung zurück, er sei nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft, stellt dies eine Diskriminierung im Sinne des AGG dar und löst einen Anspruch auf Schadenersatz aus (Arbeitsgericht Aachen, 13.12.2012 – 2 Ca 4226/11). Nach Auffassung des Gerichts darf die Kirche nur bei der Besetzung von Stellen im pastoralen, katechetischen sowie in der Regel im erzieherischen Bereich und bei leitenden Aufgaben die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche verlangen. Bei allen übrigen Stellen reiche es aus, dass der Bewerber sicherstelle, den besonderen Auftrag glaubwürdig zu erfüllen. Nach Meinung des LAG Berlin-Brandenburg (28.05.2014 - 4 Sa 157/14 u. 4 Sa 238/14) darf ein diakonischer Arbeitgeber für Referentenstellen eine Identifikation mit dem Christentum fordern.
Die Forderung nach einer Religionszugehörigkeit ist rechtmäßig, wenn ein objektiv überprüfbarer direkter Zusammenhang zwischen der vom Arbeitgeber aufgestellten beruflichen Anforderung und der fraglichen Tätigkeit besteht. Wann das der Fall ist, kann grundsätzlich die jeweilige Kirche oder Organisation selbst bestimmen. Der Zusammenhang kann sich aus der Art der Tätigkeit oder den Umständen der Ausübung ergeben (EuGH, 17.04.2018 – Rs. C-414/16).
3. Laufendes Arbeitsverhältnis
3.1 Regelungen zum Erscheinungsbild
3.1.1 Allgemeines
Bekleidung, Frisur und Barttracht gehören zur Privatsphäre des Arbeitnehmers. Grundsätzlich ist er in diesem Bereich durch die Verfassung geschützt: Art. 2 Abs. 1 GG gibt jedem das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Andererseits unterwirft sich der Mitarbeiter durch Abschluss seines Arbeitsvertrages dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Er muss darüber hinaus als Nebenpflicht die Interessen des Betriebes wahren. Dazu kann auch ein bestimmtes Erscheinungsbild gehören. Dabei ist der zulässige Umfang der Vorgaben auch durch die Aufgabe, die der jeweilige Mitarbeiter im Unternehmen hat geprägt. Steht er z.B. im Kundenkontakt, sind weitergehende Anforderungen an das Erscheinungsbild zulässig als z.B. im Produktionsbereich.
Vorgaben hinsichtlich der äußeren Erscheinung werden meist in Betriebsvereinbarungen geregelt, die für alle betroffenen Mitarbeiter verbindlich sind. Teilweise enthalten auch Tarifverträge einschlägige Klauseln. Darüber hinaus können die relevanten Fragen auch in Arbeitsverträgen vereinbart oder durch Einzelanweisung geregelt werden. Dienstanweisungen zum äußeren Erscheinungsbild der Mitarbeiter unterliegen als Regelung zu Fragen der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb der Mitbestimmung der Personalvertretung (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG; BAG, 08.08.1989 – 1 ABR 65/88).
Für die Beamten des Bundes hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 61 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz und des § 34 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlagen zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamten geschaffen (Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 28.06.2021, BGBl. I Nr. 39 S. 2250). Wesentliche Fragen des Eingriffs in die Grundrechte sollen damit in einer Leitentscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers geregelt werden. Einzelheiten können durch Rechtsverordnung bestimmt werden.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (14.03.2017 – C 157/15) können Arbeitgeber das Tragen sichtbarer religiöser, politischer und philosophischer Zeichen am Arbeitsplatz generell untersagen, wenn sie mit einem solchen allgemeinen Bekenntnisverbot das legitime Ziel der religiösen und weltanschaulichen Neutralität verfolgen (siehe hierzu auch den Schlussantrag der Generalanwältin vom 31.05.2016). Die Religion sei für viele Menschen ein Teil der persönlichen Identität. Der Arbeitnehmer könne sein Geschlecht oder seine Hautfarbe nicht an der Garderobe abgeben. Sobald er die Räumlichkeiten seines Arbeitgebers betrete, könne ihm bezüglich seiner Religionsausübung am Arbeitsplatz aber eine gewisse Zurückhaltung zugemutet werden. Das Maß an Zurückhaltung, das zumutbar ist, sei von einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände des Einzelfalles abhängig. In einer solchen generellen Anordnung des Arbeitgebers liege in der Regel keine unmittelbare Benachteiligung muslimischer Mitarbeiterinnen, die ein Kopftuch tragen wollen.
Die Frage einer mittelbaren Benachteiligung (die vorliegen kann, wenn eine dem Anschein nach neutrale Regelung faktisch zu einer Benachteiligung von Personen führt, die einer bestimmten Religion angehören oder eine bestimmte Weltanschauung haben) ist von den nationalen Gerichten zu prüfen. Eine mittelbare Diskriminierung ist ausgeschlossen, wenn der Betrieb mit der Regelung ein rechtmäßiges Ziel - wie das der religiösen Neutralität - verfolgt. Ggf. hat der Arbeitgeber im Einzelfall die Verpflichtung, zu prüfen, ob das Problem durch Versetzung auf einen Arbeitsplatz ohne Kundenkontakt gelöst werden kann. Eine Differenzierung der Neutralität des äußeren Erscheinungsbildes nach Mitarbeitern mit und ohne Kundenkontakt ist nach dem Urteil des EuGH (a.a.O.) europarechtlich zulässig.
In einem weiteren Verfahren hat der EuGH entschieden, dass es mit Europarecht vereinbar ist, wenn der Arbeitgeber nach einer Regel den Arbeitnehmern das Tragen jedes sichtbaren Zeichens politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen am Arbeitsplatz verbietet. Daraus ergibt sich keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, wenn diese Regel unterschiedslos und ohne Differenzierung nach der Religion angewandt wird. Sie kann durch den Willen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein,
wenn diese Politik dem wirklichen Bedürfnis des Arbeitgebers nach politischer, weltanschaulicher und religiöser Neutralität gegenüber seinen Kunden entspricht,
das Neutralitätsgebot konsequent eingehalten wird und
das Verbot auf das beschränkt ist, was im Hinblick auf den tatsächlichen Umfang und die tatsächliche Schwere der nachteiligen Konsequenzen, denen der Arbeitgeber durch ein solches Verbot zu entgehen sucht, unbedingt erforderlich ist (EuGH, 15.07.2021 - C-804/18 u. 341/19).
In seiner Entscheidung betont der EuGH aber, dass das Tragen von Zeichen oder Kleidungsstücken zur Bekundung der eigenen Religion oder Weltanschauung grundsätzlich unter die durch Art. 10 EU-Grundrechtscharta geschützte Gewissens- und Religionsfreiheit fällt.
In einem weiteren Urteil hat der EuGH erneut betont: Besteht in einem Unternehmen eine interne Regelung, die alle Mitarbeiter zur Neutralität hinsichtlich des Tragens religiöser Zeichen aufruft und so ein allgemeines, ausnahmsloses Verbot für alle Arbeitnehmer statuiert, liegt darin keine Diskriminierung wegen der Religion (EuGH, 13.10.2022 – C-344/20). Dies setzt aber voraus, dass die Regelung ausnahmslos auf alle Mitarbeiter angewandt wird. Der EuGH räumt dennoch der Religionsfreiheit bzw. der Freiheit der Weltanschauung einen hohen Stellenwert ein. Ob im Einzelfall eine mittelbare Diskriminierung vorliegt, ist auch nach diesem Urteil im Einzelfall von den nationalen Gerichten zu entscheiden (siehe oben). Sie können der Religionsfreiheit einen höheren Stellenwert einräumen als der unternehmerischen Freiheit.
3.1.2 Islamisches Kopftuch
Siehe zur Frage der Diskriminierung wegen der Religion auch 3.1.1.
Kirchen dürfen von ihren Mitarbeitern hinsichtlich des von ihnen vertretenen Bekenntnisses ein neutrales Verhalten verlangen. Daher darf einer Krankenschwester in einem Krankenhaus, das unter Trägerschaft einer christlichen Kirche steht, das Tragen eines islamischen Kopftuches untersagt werden (BAG, 24.09.2014 – 5 AZR 611/12). Die einer Arbeitnehmerin auferlegte Pflicht, das Tragen eines Kopftuches während der Arbeitszeit in einem evangelischen Krankenhaus zu unterlassen, ist zur Gewährleistung des aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht resultierenden Neutralitätsgebotes geeignet, erforderlich und angemessen (LAG Hamm, 08.11.2018 – 18 Sa 639/18). Verstöße gegen die Loyalitätspflicht von kirchlichen Mitarbeitern können einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 BGB darstellen. Eine Krankenpflegerin muslimischen Glaubens, die in einem Krankenhaus in evangelischer Trägerschaft tätig ist und trotz wiederholter Abmahnung darauf beharrt, ihren Dienst kopftuchtragend zu versehen, verletzt ihre Neutralitätspflicht gegenüber der Kirche. Das kann den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen (LAG Hamm, 25.03.2021 - 18 Sa 1197/20).
Das Landesrecht in Bayern verbietet es Richtern, Staatsanwälten und Landesanwälten, in Verhandlungen religiös oder weltanschaulich geprägte Symbole oder Kleidungsstücke zu tragen. Die entsprechende Regelung in Art. 11 Abs. 2 BayRiStAG ist mit der bayrischen Verfassung vereinbar (VerfGH Bayern, 14.03.2019 – Vf. 3-VII-18).
Ein pauschales Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen an öffentlichen Schulen ist mit deren Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht vereinbar. Die entsprechende Vorschrift im Schulrecht von Nordrhein-Westfalen war daher verfassungskonform einzuschränken: Ein Verbot kann nur gerechtfertigt sein, wenn von dem Tragen des Kopftuches nicht nur eine abstrakte, sondern eine konkrete Gefahr für die Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität ausgeht (BVerfG, 27.01.2015 – 1 BvR 471/10 u. 1 BvR 1181/10). Der Rechtsstreit wurde an das LAG Düsseldorf zurückverwiesen. Aufgrund der Erklärung des Landes Nordrhein-Westfalen, die Abmahnung nicht aufrecht zu erhalten, wurde das Verfahren von beiden Parteien für erledigt erklärt (LAG Düsseldorf, 01.06.2015 – 5 Sa 307/15). Zwei Lehrerinnen klagten gegen das Land Nordrhein-Westfalen, weil sie wegen des – vom BVerfG für verfassungswidrig erklärten – pauschalen Kopftuchverbots nicht ins Beamtenverhältnis übernommen worden seien. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat beide Klagen zurückgewiesen. In einem Fall, weil sich die Benachteiligungshandlung vor Inkrafttreten des AGG ereignet hatte, in dem anderen Fall, weil nicht anzunehmen war, dass die Bewerbung wegen des Kopftuchs erfolglos geblieben war (OVG, 07.10.2019 – 6 A 2170/16 u. 6 A 2628/16).
Entsprechend der Grundsatzentscheidung des BVerfG (27.01.2015 – a.a.O.) hat das LAG Berlin-Brandenburg entschieden, dass § 2 des Berliner Neutralitätsgesetzes verfassungskonform ausgelegt werden muss. Es muss also für ein Kopftuchverbot eine konkrete Gefährdung bzw. Störung des Schulfriedens vorliegen. Ist das nicht der Fall, liegt eine Diskriminierung aus Gründen der Religion vor (LAG Berlin-Brandenburg, 09.02.2017 – 14 Sa 1038/16 – Revision zugelassen). Das ArbG Berlin hat die Entschädigungsklage einer Lehrerin nach dem AGG abgewiesen. Die Lehrerin sah sich wegen ihrer Religion benachteiligt, weil eine Einstellung wegen des Kopftuchverbotes nicht erfolgte. Das Land berief sich auf das Berliner Neutralitätsgesetz – zu Recht, wie das Gericht entschied (ArbG Berlin, 24.05.2018 – 58 Ca 7193/17). Im Rahmen der Berufung hat das LAG Berlin-Brandenburg das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und auf sein Urteil vom 09.02.2017 (14 Sa 1038/16) verwiesen. Danach könne sich das Land Berlin nicht auf das Berliner Neutralitätsgesetz berufen. Denn dieses sei verfassungsgemäß auszulegen. Da durch das Tragen des Kopftuches eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität nicht eintrete, wurde der Klägerin eine Entschädigung nach dem AGG zugesprochen (LAG Berlin-Brandenburg, 27.11.2018 – 7 Sa 963/18). Das BAG hat sich dieser Auffassung angeschlossen (BAG, 27.08.2020 – 8 AZR 62/19).
§ 7 Abs. 8 des Kindertagesbetreuungsgesetzes (KiTaG) Baden-Württemberg untersagt es den Mitarbeitern, politische, religiöse, weltanschauliche oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Trägers gegenüber Kindern und Eltern zu gefährden oder zu stören. Nach dem Urteil des BAG vom 12.08.2010 (2 AZR 593/09) kann in dem Tragen eines islamischen Kopftuches durch eine Erzieherin muslimischen Glaubens in einer kommunalen Kinderbetreuungseinrichtung die Kundgabe einer religiösen Überzeugung liegen. Es gelten danach die gleichen Grundsätze wie für Schulen, für die eine ausreichende Rechtsgrundlage für ein Verbot erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch entschieden, dass die Arbeitsgerichte bei der Anwendung der genannten Vorschrift des KiTaG bzw. der inhaltsgleichen Vorgängervorschrift die Bedeutung der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) unrichtig eingeschätzt haben; BVerfG, 18.10.2016 – 1 BvR 354/11). Die Vorschrift bedürfe einer einschränkenden verfassungskonformen Auslegung. Für ein Kopftuchverbot sei eine konkrete Gefahr erforderlich. Eine solche liege im Kindergarten im Regelfall nicht vor; vom Tragen einer solchen Kopfbedeckung gehe für sich genommen noch kein werbender oder missionierender Effekt aus. Dagegen könne eine bloß abstrakte Gefährdung des Einrichtungsfriedens oder der Neutralität staatlicher Kindergartenträger bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung nicht genügen, um das Bekundungsverbot nach der genannten Vorschrift des KiTaG auszulösen, wenn die äußere Bekundung durch das Kopftuch auf ein als verpflichtend empfundenes religiöses Gebot zurückzuführen ist. Hierdurch würde ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Personals in Kindertageseinrichtungen liegen, der in dieser Allgemeinheit unverhältnismäßig sei und daher verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden könne. Das Bundesverfassungsgericht sieht außerdem einen Unterschied zu den Schulen, da der Besuch einer Kindertagesstätte nicht verpflichtend ist. Eine Verletzung der Grundrechte der Kinder und der Eltern durch das Tragen des Kopftuches wurde mit eingehender Begründung verneint.
Nach einer Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (23.05.2017 – 1 B 1056/17) im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes darf eine Rechtsreferendarin islamischen Glaubens, die ein Kopftuch trägt, keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie von Bürgern als Repräsentantin der Justiz oder des Staates wahrgenommen wird. Der Referendarin wurde es seitens des Landes z.B. untersagt, mit Kopftuch auf der Richterbank zu sitzen; sie müsse dann im Zuschauerraum Platz nehmen. Das BVerfG hat die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt und entschieden, dass das Verbot für die Rechtsreferendarinnen, bei bestimmten dienstlichen Tätigkeiten ein Kopftuch zu tragen, verfassungsgemäß ist. Der mit dem Verbot verbundene Eingriff in die Glaubensfreiheit und andere Grundrechte sei gerechtfertigt insbesondere im Hinblick auf die Grundsätze der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates, der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege sowie die negative Religionsfreiheit Dritter. Für die Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Vorschriften des hessischen Rechts spricht auch, dass sich das Kopftuchverbot nur auf wenige einzelne Tätigkeiten beschränkt (BVerfG, 14.01.2020 – 2 BvR 1333/17).
Nach § 31a des Niedersächsischen Justizgesetzes, dürfen Richter und Staatsanwälte keine sichtbaren Symbole oder Kleidungsstücke tragen, die eine religiöse, weltanschauliche oder politische Überzeugung zum Ausdruck bringen, soweit bei Verhandlungen und Amtshandlungen justizfremde Personen anwesend sind. Dies gilt für Symbole aller Religionen.
Eine als Sachbearbeiterin in einem städtischen Jugendamt tätige Beamtin darf während des Dienstes ein muslimisches Kopftuch tragen (VG Kassel, 28.02.2018 – 1 K 2514/17.KS). Nach § 45 des Hessischen Beamtengesetzes haben sich Beamtinnen und Beamte im Dienst politisch, weltanschaulich und religiös neutral zu verhalten. Insbesondere dürfen sie Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale nicht tragen oder verwenden, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden zu gefährden. Das Verbot, ein Kopftuch während des Dienstes zu tragen, greift nach der Entscheidung in die grundgesetzlich garantierte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit ein. § 45 HBG sei einschränkend auszulegen; für das Verbot müsse eine hinreichende Gefahr für das Schutzgut der staatlichen Neutralität oder der Grundrechte Dritter vorliegen. Da es hieran fehle, seit der Eingriff in die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit unverhältnismäßig und daher nicht gerechtfertigt.
In einem weiteren Verfahren beim EuGH (Urteil vom 14.03.2017 - C–188/15) ging es um die Frage, ob ein Unternehmen in Frankreich einer Muslimin vorschreiben darf, bei Besuchen von Kunden auf das Tragen des Kopftuches zu verzichten. Da die Arbeitnehmerin dies ablehnte, wurde sie entlassen. Nach der Entscheidung und dem Schlussantrag der Generalanwältin stellt dies eine unmittelbare Diskriminierung dar. Sie sei nur gerechtfertigt, wenn sie in angemessenem Verhältnis zur Verfolgung eines rechtmäßigen Zweckes stehe, wozu auch die geschäftlichen Interessen eines Arbeitgebers gehörten. Diese Ausnahme sei eng auszulegen. Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekennen, falle als integraler Bestandteil der Religionsfreiheit unter den Schutz der EU-Richtlinie 2000/78/EG und Kundenwünsche oder der Wille des Arbeitgebers sei keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung i.S.d. Richtlinie. Potentielle finanzielle Nachteile des Arbeitgebers könnten eine unmittelbare Diskriminierung nicht rechtfertigen. Voraussetzung für die Rechtsmäßigkeit eines Kopftuchverbots ist, dass im Betrieb eine Richtlinie oder Anordnung existiert, die allen Arbeitnehmern das Tragen sämtlicher religiöser Symbole verbietet.
Eine Drogeriemarktkette darf nach einer Entscheidung des LAG Nürnberg einer Kassiererin nicht verbieten, am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen. Eine solche Weisung diskriminiert nach Ansicht des Gerichts die Mitarbeiterin aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses mittelbar und kann durch Entscheidungen des Betriebes nicht gerechtfertigt werden (LAG Nürnberg, 27.03.2018 – 7 Sa 304/17). Das Gericht setzte sich auch mit den EuGH-Verfahren vom 14.03.2017 (siehe oben) auseinander und ging von einer anderen Ausgangslage im Einzelhandel aus. Im Rahmen des Revisionsverfahrens hat das BAG noch Klärungsbedarf hinsichtlich der Vereinbarkeit von unternehmensinternen Verboten mit Vorgaben des europäischen Rechts und dessen Verhältnis zu nationalem deutschen Recht gesehen und daher beim EuGH eine Vorabentscheidung dazu beantragt (BAG, 30.01.2019 – 10 AZR 299/18 [A]). Nach der Entscheidung des EuGH stellt das Verbot des Tragens jeglicher sichtbarer Zeichen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen am Arbeitsplatz, das sich aus einer internen Regel des privaten Unternehmens ergibt, keine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Weltanschauung dar und verstößt daher nicht gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG. Voraussetzung ist, dass diese Regel allgemein und unterschiedslos angewandt wird und jede sichtbare Ausdrucksform politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen erfasst. Eine solche interne Regel kann mit dem Willen des Arbeitgebers gerechtfertigt werden, eine Politik politischer, weltanschaulicher und religiöser Neutralität gegenüber seinen Kunden oder Nutzern zu verfolgen. Der EuGH hat dafür folgende Voraussetzungen formuliert:
Diese Politik muss einem wirklichen Bedürfnis des Arbeitgebers entsprechen. Dabei sind insbesondere die berechtigten Erwartungen der Kunden oder Nutzer und der nachteiligen Konsequenzen, die der Arbeitgeber ohne eine solche Politik zu tragen hätte, zu berücksichtigen. Diese nachteiligen Folgen sind ggf. nachzuweisen.
Das Verbot muss geeignet sein, die ordnungsgemäße Anwendung des Neutralitätsgebots zu gewährleisten, was voraussetzt, dass diese Politik konsequent und systematisch befolgt wird.
Das Verbot muss auf das beschränkt sein, was im Hinblick auf den tatsächlichen Umfang und die tatsächliche Schwere der nachteiligen Konsequenzen, denen der Arbeitgeber durch ein solches Verbot zu entgehen sucht, unbedingt erforderlich ist (EuGH, 15.07.2021 - C-804/18 u. C-341/19).
Nach den Schlussanträgen des zuständigen Generalanwalts könne der Arbeitgeber im Rahmen seiner Neutralitätspolitik aber auch das Tragen von kleinen religiösen Zeichen, die nicht auf den ersten Blick bemerkt werden, durch seine Arbeitnehmer erlauben. Das islamische Kopftuch sei aber kein kleines religiöses Zeichen i.d.S.
Das nationale Gericht darf bei der Frage, ob eine Regelung des Arbeitgebers mit der Gleichbehandlungsrichtlinie der EU vereinbar ist, die nationalen verfassungsrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Religionsfreiheit anwenden. Diese Bestimmungen dürfen aber nicht gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung i.S.d. Richtlinie verstoßen (EuGH, 15.07.2021 - C-804/18 u. C-341/19).
3.1.3 Tätowierungen
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass eine Regelung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamten des Bundes einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung bedarf, weil damit in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit eingegriffen werde (BVerwG, 17.11.2017 – 2 C 25.17). Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Entscheidung hat der Gesetzgeber nunmehr den erforderlichen gesetzlichen Rahmen geschaffen (Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbildes von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 28.06.2021 (BGBl. I Nr. 39 S. 2250). Die Neufassung des § 61 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz und des § 34 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz soll hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlagen zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamten realisieren. Wesentliche Fragen des Eingriffs in die Grundrechte werden damit in einer Leitentscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers geregelt. Einzelheiten können durch Rechtsverordnung geregelt werden.
Auch in der Rechtsprechung auf Ebene des Landesrechts spiegeln sich kontroverse Auffassungen des äußeren Erscheinungsbildes wider: Bestimmungen zum äußeren Erscheinungsbild von Polizeibeamten greifen in deren Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein und bedürfen deshalb einer gesetzlichen Grundlage (VGH Baden-Württemberg, 27.10.2015 – 4 S 1914/15). Die Leitlinien des Innenministeriums Baden-Württemberg zur Dienst- und Zivilkleidung sowie zum äußeren Erscheinungsbild der Polizei Baden-Württemberg sagen aus, dass Tätowierungen, die einen vertrauensunwürdigen Eindruck erwecken und im Dienst sichtbar sind, nach der Entscheidung mit höherrangigem Recht vereinbar und nicht unverhältnismäßig sind. Nach Art. 75 Abs. 2 des Bayrischen Beamtengesetzes kann die oberste Dienstbehörde nähere Bestimmungen über das Tragen von Dienstkleidung und das während des Dienstes zu wahrende äußere Erscheinungsbild der Beamten und Beamtinnen treffen. Dazu zählen auch Haar- und Barttracht sowie sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale. Aufgrund dieser gesetzlichen Grundlage ist ein Polizeipräsidium berechtigt, einem Polizeibeamten eine beantragte Genehmigung für eine Tätowierung am Unterarm zu versagen (Bayrischer VGH, 14.11.2018 – 3 BV 16.2072). Im Revisionsverfahren hat das BVerwG die Entscheidung bestätigt. Danach ist in Art. 75 Abs. 2 des Bayrischen Beamtengesetzes eine ausreichende rechtliche Grundlage vorhanden, um bei Polizeivollzugsbeamten Tätowierungen im sichtbaren Bereich zu untersagen, weil dies mit ihrer Neutralitäts- und Repräsentationsfunktion unvereinbar ist. Durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte individuelle Interessen der Polizeivollzugsbeamten an einer Tätowierung müssen für den - bezogen auf den Gesamtkörper beim Tragen der Dienstkleidung kleinen - sichtbaren Bereich gegenüber der Notwendigkeit eines einheitlichen und neutralen Erscheinungsbildes zurücktreten (BVerwG, 14.05.2020 – 2 C 13.19). Dagegen entschied das BVerfG, dass sich aus Art. 75 Abs. 2 S. 2 des Bayrischen Beamtengesetzes kein Verbot für Polizeibeamte ableiten lasse, sich im sichtbaren Bereich tätowieren zu lassen. Die Entscheidung des BVerwG verletze den Polizisten in seinem Grundrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. Das Verfahren wurde daher an das BVerwG zurückverwiesen (BVerfG, 18.05.2022 – 2 BvR 1667/20).
Ein Lehrer, der im Schulumfeld rechtsextremistische Tattoos trägt und zeigt, begeht eine Pflichtverletzung, die abgemahnt werden kann. Eine Kündigung ohne Abmahnung ist jedoch nicht zulässig, da aufgrund des steuerbaren Verhaltens eine Besserung nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (LAG Berlin-Brandenburg, 11.12.2019 – 15 Sa 1496/19). Eine Kündigung kann aber aus personenbedingten Gründen (mangelnde Eignung für den Beruf aufgrund nationalsozialistischer Gesinnung) in Frage kommen. Auch angestellten Lehrern obliegt nach den jeweiligen Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst auf Landesebene eine Pflicht zur Verfassungstreue. Die Tätowierung der Losung "Meine Ehre heißt Treue" stellt einen Verstoß gegen diese Pflicht zur Verfassungstreue dar, aus der eine fehlende Eignung für die Tätigkeit als Lehrkraft resultieren kann (LAG Berlin-Brandenburg, 11.05.2021 – 8 Sa 1655/20).
Zeigt ein angehender Lehrer im Referendariat bei einer Sportveranstaltung seinen nackten Oberkörper mit Tätowierungen rechtsextremen Inhalts, kann das Referendariat vorzeitig beendet werden. Eine vorherige Abmahnung ist nicht erforderlich. Es liegt eine grobe Verletzung der Ausbildungs- und Dienstpflichten vor; darüber hinaus fehlt das erforderliche Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung (OVG Berlin-Brandenburg, 25.02.2020 – OVG 4 S 65.19).
3.2 Dienstkleidung
In vielen Betrieben wird das Tragen von Dienstkleidung vorgeschrieben, damit der Kunde erkennen kann, wer zum Personal gehört. In manchen Berufen gibt es Uniformen, die zwingend getragen werden müssen, wie z.B. bei Polizei oder bei Fluggesellschaften. Sofern keine einschlägigen kollektivrechtlichen Regelungen bestehen, ist die Pflicht zum Tragen von Dienstkleidung durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt (ArbG Cottbus, 20.03.2012 – 6 Ca 1554/11), soweit sie aus Gründen das Arbeitsschutzes getragen werden muss. Will der Betrieb die Dienstkleidung aus anderen Gründen einführen, ist dies mitbestimmungspflichtig (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG; BAG, 17.01.2012 – 1 ABR 45/10). Zur Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Betriebsrat/ Gesamtbetriebsrat siehe LAG Rheinland-Pfalz, 21.10.2019 – 3 TaBV 1/19.
Wer die Kosten für die Dienstkleidung übernimmt, ergibt sich aus den evtl. einschlägigen Tarifverträgen bzw. Betriebsvereinbarungen. Ggf. kann diese Frage auch arbeitsvertraglich geregelt werden (siehe hierzu auch BAG, 13.02.2003 – 6 AZR 536/01, ArbG Cottbus a.a.O). Hygienekleidung ist in der Regel aufgrund rechtlicher Vorgaben zu tragen und vom Arbeitgeber zu stellen. Er hat auch die Kosten für die Reinigung zu übernehmen (BAG, 14.06.2016 – 9 AZR 181/15). Ob eine abweichende Vereinbarung zulässig ist, hat das Gericht offengelassen. Wird eine zulässige monatliche Kostenbeteiligung mit der Vergütung verrechnet, muss der Betrieb die Pfändungsgrenzen einhalten.
Schreibt der Arbeitgeber das Tragen von Dienstkleidung und das Umkleiden vor und nach der Arbeitsschicht vor, ist die für das Umkleiden erforderliche Zeit als Arbeitszeit zu werten (BAG, 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 u. 06.09.2017 – 5 AZR 382/16). Dies gilt in der Regel aber nur, wenn das Umkleiden im Betrieb erfolgt, dies im Interesse des Betriebes liegt und eine private Nutzung der Kleidungsstücke ausgeschlossen ist. Allein der Umstand, dass der Zeitaufwand auf der Weisung des Arbeitgebers zum Tragen einer bestimmten Kleidung beruht, begründet den ausschließlich fremdnützigen Charakter dieser Tätigkeit. Die zum An- und Ablegen der Dienstkleidung erforderliche Zeit ist auch dann zu vergüten, wenn die Kleidung nicht besonders auffällig ist (BAG, 15.07.2021 – 6 AZR 207/20).
Es kommt für den Anspruch auf Vergütung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber das Umkleiden im Betrieb angeordnet hat (LAG Düsseldorf, 10.01.2018 – 4 Sa 449/17). Ebenso vergütungspflichtig ist das Umkleiden und der Zeitaufwand für die damit verbundenen Wege, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt, die im Betrieb an- und abgelegt werden muss und er das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine getrennte Umkleidestelle einrichtet (BAG, 26.10.2016 – 5 AZR 168/16). Vergütungspflichtig ist aber nur die Zeit, die angemessener Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers für das Umkleiden und die damit verbundenen Wege erforderlich ist. Ggf. ist der dafür erforderliche Zeitaufwand zu schätzen (LAG Köln, 22.08.2018 – 11 Sa 666/17).
Das Gleiche gilt, wenn sich der Arbeitnehmer bei auffälliger Dienstkleidung zu Hause umzieht und ihm eine zumutbare betriebliche Möglichkeit zum Umkleiden durch den Arbeitgeber nicht zur Verfügung gestellt wird. Die dafür aufzuwendende Zeit hat der Arbeitgeber zu vergüten (LAG Berlin-Brandenburg, 21.08.2019 – 15 Sa 575/19 u. 12.11.2019 – 7 Sa 1794/18). Der Weg zur Arbeit und zurück wird aber dadurch nicht ausschließlich fremdnützig und ist daher nicht vergütungspflichtig. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer auf diesen Wegen betriebliche Arbeitsmittel mit sich führt oder Dienstkleidung trägt (BAG, 22.10.2019 – 1 ABR 11/18; offen gelassen für auffällige Dienstkleidung: LSG Berlin-Brandenburg, 20.05.2019 – 5 Sa 2060/18). Zieht sich der Arbeitnehmer freiwillig zu Hause um und trägt die Dienstkleidung auf den Wegen zur und von der Arbeit, besteht kein Anspruch auf Vergütung, soweit die Kleidung nicht besonders auffällig ist (BAG, 17.11.2015 – 1 ABR 76/13 u. 06.09.2017 – 5 AZR 382/16). Dies gilt aber nicht, wenn der Arbeitgeber es dem Mitarbeiter freistellt, ob er die vorgeschriebene Dienstkleidung im Betrieb oder zu Hause an- und ablegt. Entscheidend ist allein, dass der entstandene Zeitaufwand auf einer Weisung des Arbeitgebers beruht (BAG, 15.07.2021 – 6 AZR 207/20).
In Bezug auf das An- und Ablegen der Uniform und der persönlichen Schutzausrüstung nebst Dienstwaffe eines Wachpolizisten ist keine zu vergütende Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer eine dienstlich zur Verfügung gestellte Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeit nicht nutzt, sondern dies in seiner Wohnung tut (BAG, 13.10.2021 – 5 AZR 270/20 u. 5 AZR 291/20). Ebenfalls nicht vergütungspflichtig ist die für das Zurücklegen des Wegs zum Einsatzort und zurück aufgewandte Zeit; denn der Arbeitsweg zählt zur privaten Lebensführung (BAG, 13.10.2021 – 5 AZR 129/20). Dagegen ist die für einen Umweg zum Aufsuchen des dienstlichen Waffenschließfachs erforderliche Zeit zu vergüten, denn es handelt sich um eine fremdnützige Tätigkeit (BAG, 31.03.2021 – 5 AZR 148/20 u. 5 AZR 292/20). Insbesondere ist daher die Zeit, um die sich dadurch der direkte Weg zum Arbeits- oder Einsatzort verlängert, ist zu vergüten (BAG, 13.10.2021 – 5 AZR 55/20 u. 5 AZR 544/20).
Will der Betriebsrat eine Regelung zur Anrechnung von Umkleidezeiten auf die Arbeitszeit in Form einer Betriebsvereinbarung herbeiführen, kann er die Einrichtung einer Einigungsstelle gerichtlich erzwingen, soweit keine offensichtliche Unzuständigkeit besteht. Ihre Entscheidung ersetzt dann die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 87 Abs. 2 BetrVG – LAG Rheinland-Pfalz, 09.10.2018 – 8 TaBV 14/18).
Im Gegensatz dazu hat das OVG Nordrhein-Westfalen im Fall einer Zollbeamtin entschieden, die Weisung, dass zum Schichtbeginn die Dienstkleidung angelegt sein muss, begründe keinen Anspruch auf Arbeitszeitgutschrift. Das An- und Ablegen der Dienstkleidung stelle keinen Dienst dar (OVG Nordrhein-Westfalen, 30.10.2020 – 1A 2217/18). Das Gericht hat ausdrücklich auch auf die Möglichkeit hingewiesen, die Dienstkleidung bereits zu Hause anzulegen. Dies gilt nach dem Urteil nicht für das Auf- und Abrüsten der Einsatzmittel, wie z.B. der Dienstwaffe.
Für die Aufnahme und das Ablegen der Ausrüstung, wie Dienstwaffe, Mehrzweckstock etc., welches entgegen eines Erlasses außerhalb der Schichtzeit vorgenommen wird, können die Polizeibeamten in Nordrhein-Westfalen keinen Zeitausgleich erhalten (BVerwG, 20.09.2019 – 2 C 44.17; 2 C 45.17; 2 C 46.17 u. 2 C 47.17). Der Erlass sieht vor, dass die Ausrüstung innerhalb der Dienstzeit an- und abgelegt wird. Die maßgebende Arbeitszeitverordnung wurde zwischenzeitlich geändert.
Tarifvertragliche Regelungen können einen Anspruch auf Vergütung der Umkleidezeiten ausschließen. Allerdings muss die tarifvertragliche Regelung eindeutig sein (BAG, 25.04.2018 – 5 AZR 245/17). Wurde von den Tarifvertragsparteien eine ausdrückliche Regelung getroffen, nach der ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Anrechnung der Umkleidezeiten auf die Arbeitszeit nicht besteht, hat der Betriebsrat insoweit auch kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG(LAG Köln, 30.11.2018 – 9 TaBV 9/18). Wird im Tarifvertrag festgelegt, dass der Ausgleich der Umkleidezeiten in einer Betriebsvereinbarung zu regeln ist und erfolgt eine solche Festlegung nicht, besteht keine Vergütungspflicht (BAG, 12.12.2018 – 5 AZR 124/18). Die evtl. tarifvertragliche Klausel und die betriebliche Praxis müssen aber den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen, insbesondere dem Gleichbehandlungsgrundsatz, entsprechen (BAG, 13.12.2016 – 9 AZR 574/15). Die Vergütungspflicht kann auch durch den Arbeitsvertrag geregelt werden.
Um vergütungspflichtige Arbeit handelt es auch sich bei dem An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung. An der Offenlegung der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse. Besonders auffällig ist Dienstkleidung, wenn der Arbeitnehmer einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche zugeordnet werden kann. Das ist auch bei rein weißer Kleidung der Fall, da der Träger damit in der Öffentlichkeit als Mitarbeiter eines Heilberufs gekennzeichnet wird (BAG, 06.09.2017 – 5 AZR 382/16). Ebenso ist eine Dienstkleidung, die aus einem Polo-Shirt mit auffälligem Firmenlogo und Sicherheitsschuhen als "besonders auffällig" einzustufen (BAG, 25.04.2018 – 5 AZR 245/17). Die Zeiten für das Zurücklegen selbstbestimmter außerbetrieblicher Wege zur und von der Arbeit gehören auch dann nicht zur täglichen Arbeitszeit i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, wenn die Arbeitnehmer auf diesen Wegen notwendige betriebliche Mittel bei sich führen oder Dienstkleidung tragen (BAG, 22.10.2019 - 1 ABR 11/18).
Eine als Leiterin Public Relations/Pressesprecherin bei einem im Premium-Segment tätigen Bekleidungsunternehmen tätige Arbeitnehmerin kann bei Fehlen anderweitiger Anhaltspunkte gem. § 670 BGB analog davon ausgehen, dass die Kosten für die Änderung eines eigens für ein Event angeschafften Kleides vom Arbeitgeber übernommen werden. Nach § 670 BGB ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet, wenn der Beauftragte zum Zweck der Ausführung des Auftrags Aufwendungen macht, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf. § 670 BGB kann auf Arbeitsverhältnisse entsprechend angewendet werden (siehe hierzu LAG Rheinland-Pfalz, 06.06.2018 - 7 Sa 59/18). Der Mitarbeiterin wurden für den Erwerb von Kleidung des Arbeitgebers finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt und die Änderung war erforderlich. Die Betreuung des Events zählte zu den arbeitsvertraglichen Aufgaben der Arbeitnehmerin (LAG Baden-Württemberg, 08.08.2019 - 3 Sa 6/19).
Ist das Tragen von Schutzkleidung aus Gründen des Arbeitsschutzes erforderlich, sind die Umkleide- und Wegezeiten ebenfalls vergütungspflichtig (siehe auch § 3 Abs. 3 ArbSchG; BAG, 21.07.2021 - 5 AZR 572/20). Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann aber eine abweichende Regelung getroffen und ggf. auch die Vergütung ausgeschlossen werden. Aber auch in diesem Fall gehen die Kosten für die Schutzausrüstung selbst zu Lasten des Arbeitgebers (vgl. § 3 Abs. 3 ArbSchG). Dazu gehört auch die Benutzung eines Spindes zum Aufbewahren der Privatkleidung (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 16.01.2018 – 2 Sa 69/17).
Oft schreibt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern auch vor, im Dienst Namensschilder zu tragen. Das ist durch das Weisungsrecht gedeckt, wenn der Betrieb ein berechtigtes Interesse daran hat. Dies gilt auch für die Verpflichtung der Polizeivollzugsbediensteten im Land Brandenburg, an der Uniform Namensschilder zu tragen. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Polizeigesetz des Landes. Im Hinblick auf die Ziele, größere Transparenz und Bürgernähe der Polizei zu schaffen und eine schnellere und bessere Aufklärung von Pflichtverletzungen zu ermöglichen, ist das OVG Berlin-Brandenburg zu dem Ergebnis gekommen, dass das Tragen der Namensschilder zumutbar ist (OVG Berlin-Brandenburg, 05.09.2018 – OVG 4 B 3.17 u. OVG 4 B 4.17).
3.3 Outfit
Über die Kleidervorschriften hinaus werden mitunter auch Anforderungen an das sonstige Outfit definiert – wie Haar- und Barttracht, Fingernägel und Piercings. Da solche Regelungen den Mitarbeiter auch außerhalb der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers in seiner Privatsphäre beeinträchtigen können, muss in diesen Fällen eine sorgfältige Interessenabwägung vorgenommen werden. Das zulässige Ausmaß einer Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Mitarbeiter bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insbesondere unter Berücksichtigung der Frage, inwieweit sie sich auch auf die Privatsphäre auswirkt. Die jeweilige Regelung muss geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen (LAG Köln, 18.08.2010 – 3 TaBV 15/10). Äußere Merkmale können insbesondere dann einzuhalten sein, wenn sie für die Erbringung der Arbeitsleistung zwingend erforderlich sind (wie z.B. angemessene Länge der Fingernägel bei Pflegefachkräften). Eine Weisung des Arbeitgebers in einem Seniorenheim, wonach die Nägel des gesamten Personals kurz geschnitten und unlackiert sein müssen, ist zulässig. Sie entspricht den einschlägigen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts. Bei der notwendigen Abwägung ist dem Gesundheitsschutz der Senioren der Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter einzuräumen (ArbG Aachen, 21.02.2019 – 1 CA 1909/18). Darunter fallen nach der Entscheidung auch Betreuerinnen, die keine unmittelbaren Pflegeaufgaben wahrnehmen, jedoch täglich Kontakt und Umgang mit den Bewohnern haben.
Nach dem geplanten Gesetz zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung dürfen Beamte des Bundes bei Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ihr Gesicht nicht verhüllen, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies. Die Regelung gilt auch für Soldaten, wobei die Verhüllung bei ihnen auch in der Freizeit verboten ist, wenn sie sich in dienstlichen Unterkünften und Anlagen aufhalten (siehe auch BT-Drs. 18/11180).
Der Haar- und Barterlass der Bundeswehr ist keine ausreichende Grundlage dafür, dass männliche Soldaten die Haare kurz geschnitten tragen müssen. Der Erlass gestattet es weiblichen Soldaten, lange Haare auf dem Rücken zusammengebunden zu tragen. Nach einer Entscheidung des BVerwG bedürfen Regelungen, die die Freiheit des Einzelnen, sein Äußeres individuell zu gestalten und die damit in die verfassungsrechtlich garantierte allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) eingreifen, einer gesetzlichen Grundlage. Diese ist bisher nicht vorhanden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass solche Regelungen sich auch auf das Aussehen außerhalb des Dienstes auswirken. Der bisherige Haar- und Barterlass darf bis zu einer gesetzlichen Neuregelung vorläufig weiter angewandt werden (BVerwG, 31.01.2019 – BVerwG 1 WB 28.17). Einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot durch die unterschiedliche Behandlung von Frauen und Männern sah das BVerwG jedoch nicht.
3.4 Diskriminierungsverbot
Weisungen hinsichtlich der äußeren Erscheinung und der Dienstkleidung dürfen nicht diskriminierend im Sinne des AGG sein, insbesondere nicht gegen die Gleichbehandlung der Geschlechter verstoßen. Dabei dürfen Dienstuniformen für Männer und Frauen durchaus unterschiedlich sein. Darin liegt keine Diskriminierung, soweit die Ausgestaltung der Dienstkleidungsvorschriften keine unterschiedliche Wertschätzung der Geschlechter erkennen lässt (LAG Köln, 29.10.2012 – 5 Sa 549/11). Eine solche Differenzierung muss aber entsprechend dem Regelungszweck sachlich gerechtfertigt sein (BAG, 30.09.2014 – 1 AZR 1083/12). Das BAG entschied – anders als das LAG Köln in dem angeführten Urteil – dass Fluggesellschaften ihre Piloten nicht verpflichten können, während des Dienstes eine Cockpitmütze zu tragen, wenn dies nicht gleichzeitig auch für Pilotinnen gilt. Die Frage der Diskriminierung ließ das BAG offen. Eine verbotene Ungleichbehandlung kann auch verneint werden, wenn in einzelnen Abteilungen oder Funktionen das Tragen von Dienstkleidung vorgeschrieben wird, in anderen dagegen nicht. Beispiel dafür sind Fluggesellschaften, bei denen für das fliegende Personal und im Schalterbereich Dienstuniformen vorgeschrieben sind, in anderen Funktionsbereichen dagegen nicht.
3.5 Weigerung des Arbeitnehmers
Hält sich der Arbeitnehmer nicht an die (zulässigerweise) erteilte Weisung zum äußeren Erscheinungsbild, begeht er damit eine Pflichtverletzung.
Praxistipp:
Der erste Schritt sollte in solchen Fällen immer ein Gespräch, evtl. in Verbindung mit einer Ermahnung sein. Kernpunkt muss dabei die Erläuterung der Hintergründe sein.
Ändert der Mitarbeiter sein Verhalten nicht, kann der nächste Schritt eine Abmahnung sein. Fruchtet auch dies nicht, kann – ggf. nach einer weiteren Abmahnung - eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht gezogen werden. Voraussetzung dafür ist,
dass der Arbeitnehmer durch sein Verhalten eine Vertragspflicht erheblich verletzt,
das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird,
eine zumutbare Möglichkeit anderer Beschäftigung nicht besteht und
die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragspartner billig und angemessen erscheint (ständige Rechtsprechung, siehe BAG, 23.06.2009 – 2 AZR 283/08).
Widersetzt sich der Arbeitnehmer beharrlich einer zulässigen Weisung, kann dies im Einzelfall auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen (BAG, 23.06.2009 – 2 AZR 283/08).
Siehe auch