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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Außertarifliche Zulagen - Änderung
Außertarifliche Zulagen - Änderung
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
- 5.Rechtsprechungs-ABC
- 5.1
- 5.2
- 5.3
- 5.4
- 5.5
- 5.6
- 5.7
- 5.8
- 5.9
- 5.10
- 5.11
- 5.12
- 5.13
- 5.14
- 5.15
- 5.16
- 5.17
- 5.18
- 5.19
- 5.20
- 5.21
- 5.22
- 5.23
- 5.24
Information
1. Allgemeines
Individualrechtlich vereinbarte übertarifliche Zulagen können durch vertragliche Gestaltungsmittel geändert werden. Die Korrektur kollektivrechtlich vereinbarter außertariflicher Vergütungsbestandteile setzt eine Änderung oder Kündigung der Betriebsvereinbarung voraus.
2. Einvernehmliche Änderung außertariflicher Zulagen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer können ihre Vertragsbedingungen im Rahmen des arbeitsrechtlich Zulässigen jederzeit neu gestalten und ändern. Das ist das Ergebnis der Privatautonomie. Die Vertragspartner können zum Beispiel vereinbaren, dass eine außertarifliche Zulage ab einem bestimmten Zeitpunkt entfällt, angerechnet oder nur noch in einer geringeren Höhe gezahlt wird. Vertragliche Abmachungen setzen allerdings voraus, dass beide Seiten mit der Neuregelung einverstanden sind. Sie heben einvernehmlich die ursprüngliche Vereinbarung auf und ersetzen sie durch ein neue. Diese neue Vereinbarung kann dann sogar dazu führen, dass die außertariflichen Gehaltsbestandteile komplett wegfallen. Die Vertragspartner müssen dabei nicht gleich den ganzen Arbeitsvertrag aufheben. Es reicht aus, wenn sie nur den Punkt "außertarifliche Zulagen" ändern.
3. Einseitige Änderung außertariflicher Zulagen ohne vertragliche Basis
Vergütungsvereinbarungen sind Bestandteil des Arbeitsvertrages. Dieser Arbeitsvertrag kann vom Arbeitgeber nicht mehr ohne Weiteres geändert werden. Enthält der Vertrag keine Änderungsklausel, muss der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen. In mitbestimmten Betrieben ist zudem vor Ausspruch der Änderungskündigung die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG erforderlich.
In Kleinbetrieben, in denen das Kündigungsschutzgesetz nicht anzuwenden ist, braucht die Änderungskündigung eigentlich bloß unter Einhaltung der maßgeblichen Fristen ausgesprochen zu werden (Kündigungsfristen 2010). Darüber hinaus sind natürlich besondere Kündigungsschutzbestimmungen (Mutterschutz - Allgemeines, Schwerbeh. Menschen - Allgemeines etc.) zu beachten.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann keine Änderungskündigung mit dem Ziel rechtfertigen, eine über dem betrieblichen Niveau liegende Vergütung abzusenken. Er dient der Begründung von Rechten, nicht ihrer Einschränkung. Bloßer Geldmangel reicht ebenfalls nicht. Ein schwer wiegender Eingriff in das Lohn- und Leistungsgefüge ist nur begründet, wenn bei Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen würden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zur Schließung des Betriebes führen (BAG, 16.05.2002 - 2 AZR 292/01 - mit dem Hinweis, dass ein vertraglich nicht vorbehaltener Widerruf auch nicht mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage begründet werden kann).
In Betrieben, in denen die Vorschriften des KSchG einzuhalten sind, ist die Korrektur außertariflicher Entgeltbestandteile grundsätzlich nur über eine Änderungskündigung möglich. Diese Änderungskündigung muss nach dem KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sein.
Der bloße Entschluss, Lohnkosten zu senken, ist keine das Gericht bindende unternehmerische Entscheidung. Eine Änderungskündigung kann aber gerechtfertigt sein, wenn die schlechte Geschäftslage einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegensteht. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Unrentabilität des Betriebes - auch ohne weitere Rationalisierungsmaßnahmen - Anlass dafür ist, durch Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebes oder die Reduzierung der Belegschaft zu verhindern (BAG, 20.03.1986 - 2 AZR 294/85). Eine Änderung der Arbeitsbedingungen wegen schlechter Ertragslage kommt, soweit eine Vertragsänderung vorgenommen werden soll, nur in Betracht, wenn die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind (BAG, a.a.O.). Eine Änderungskündigung darf nicht den Zweck haben, tarifwidrige Regelungen durchzusetzen (BAG, 10.02.1999 - 2 AZR 422/98).
4. Einseitige Änderung außertariflicher Zulagen mit vertraglicher Basis
Wird in Arbeitsverträgen eine Anrechnungs-, Kürzungs- oder Widerrufsklausel verwendet, kann eine Änderung der Vertragsbedingungen einseitig ohne Beachtung der Vorschriften des KSchG vorgenommen werden.
Auf der anderen Seite hat die Rechtsprechung einem Widerruf von Leistungszulagen nach freiem Ermessen eine eindeutige Absage erteilt (BAG, 13.05.1987 - 5 AZR 125/86). Es ist dem Arbeitgeber daher nicht gestattet, Vergütungsbestandteile nach Belieben zu ändern und so das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung unkontrolliert zu verändern. Es muss ein sachlicher Grund für eine Änderung vorliegen. D.h. die Leistungsänderung entspricht nur dann billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat (BAG, a.a.O.). Selbst in den Grenzen dieses billigen Ermessens kann ein Widerrufsrecht nur begründet werden, wenn darin keine Umgehung kündigungsrechtlicher Schutzvorschriften zu sehen ist.
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass Tariflohnerhöhungen auf eine außertarifliche Zulage angerechnet werden können, rechtfertigt das nicht, den Lohnausgleich für eine tarifliche Arbeitszeitverkürzung auf diese Zulage anzurechnen (BAG, 15.03.2000 - 5 AZR 557/98 - Stundenlohn, zugleich Fortführung von BAG, 03.06.1998 - 5 AZR 616/97 - Wochenlohn). Hier handelt es sich nämlich nicht um eine Tariflohnerhöhung, sondern um die Sicherung des Status Quo: ohne Ausgleich würde es zu einer Einkommensminderung im Umfang der weggefallenen Arbeitszeit kommen. Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart, dass zur Vermeidung einer zusätzlichen Überversorgung eine neu gewährte übertarifliche Zulage abweichend von der Versorgungsordnung nicht zum ruhegeldfähigen Gehalt zählt, steht das Anpassungsrecht dem Arbeitgeber nur noch wegen der verbleibenden Überversorgung zu (BAG, 09.11.1999 - 3 AZR 502/98). Baut er dann später die Überversorgung durch Absenkung der Gesamtversorgungsobergrenze vollständig ab und lässt er bei der Festsetzung der neuen Prozentsätze die bereits vereinbarte Eindämmung der Überversorgung unberücksichtigt, muss er auch die übertarifliche Zulage wieder zum pensionsfähigen Gehalt rechnen (BAG, a.a.O.).
Eine bei den Entgelt-Tarifverhandlungen ausgemachte tarifliche Einmalzahlung ist eine pauschalierte Lohnerhöhung, die bei einer entsprechenden vertraglichen Abmachung als "Tariferhöhung" auf übertarifliche Zulagen angerechnet werden kann (BAG, 16.04.2002 - 1 AZR 363/01 - hier: zu § 2 Nr. 4 LTV der bayrischen Bekleidungsindustrie). Der Einmalzahlungscharakter steht der Anrechenbarkeit nicht grundsätzlich entgegen (BAG, 25.06.2002 - 3 AZR 167/01 - im Anschluss an BAG, 14.08.2001 - 1 AZR 744/00 - mit dem Hinweis, dass das Effektivgehalt ohne besondere Vereinbarung bei einer Tariflohnerhöhung nicht erhöht werden muss, wenn das neue Tarifgehalt immer noch unter dem tatsächlich vereinbarten Entgelt liegt.).
5. Rechtsprechungs-ABC
Nachfolgend werden einige interessante Urteile zum Thema Außertarifliche Zulagen - Änderung nach Stichworten geordnet in alphabetischer Reihenfolge wiedergegeben:
5.1 Anhebung
Schließt der Arbeitgeber eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern bei Anhebung der Arbeitsentgelte generell aus, muss er die Gründe für die Differenzierung zwischen der begünstigten und der nicht begünstigten Gruppe offenlegen. Zudem muss er seine Gründe so substanziiert dartun, dass geprüft werden kann, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entspricht. Sie muss einem legitimen Zweck dienen und zur Erreichung des Ziels erforderlich und angemessen sein. Dabei gibt es weder eine materiell-rechtliche noch eine prozessuale Präklusion des Arbeitgebers mit Differenzierungsgründen. "Die unterschiedliche Leistungsgewährung bei der generellen Anhebung von Arbeitsentgelten durch eine betriebliche Einheitsregelung muss stets im Sinne materieller Gerechtigkeit sachgerecht sein" (BAG, 23.02.2011 - 5 AZR 84/10).
5.2 Anrechenbarkeit - 1
Die Frage, ob eine Tariflohnerhöhung individualrechtlich auf übertarifliche Vergütungsbestandteile angerechnet werden kann, hängt von der zugrunde liegenden Vergütungsabrede ab. Gibt es dazu zwischen den Vertragspartnern eine ausdrückliche Vereinbarung, gilt diese. Ansonsten muss aus den Umständen ermittelt werden, ob der Arbeitgeber eine Anrechnungsbefugnis hat. Grundsätzlich ist eine Anrechnung in allen Fällen möglich, in denen dem Arbeitnehmer vertraglich kein selbstständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist (BAG, 23.09.2009 - 5 AZR 941/08 - mit dem Hinweis, dass allein in der tatsächlichen Zahlung keine vertragliche Abrede zu erkennen ist, dass die Zulage auch nach einer Tariflohnerhöhung weiterhin als selbstständiger Vergütungsbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn gezahlt werden soll).
5.3 Anrechenbarkeit - 2
Zahlt der Arbeitgeber neben dem Tarifentgelt eine übertarifliche Zulage, greift er damit künftigen Tariferhöhungen vor. Es ist für ihn allerdings im Normalfall nicht absehbar, ob er bei weiteren Tariflohnerhöhungen noch in der Lage sein wird, die bis dahin gewährten Zulagen ganz oder zum Teil weiter zu zahlen. Das ist für den Mitarbeiter erkennbar und Grundlage einer so genannten freiwilligen übertariflichen Zulage. So ist der Anrechnungsvorbehalt schon mit der Vereinbarung einer übertariflichen Vergütung oder Zulage hinreichend klar ersichtlich. Wenn sich dann die tarifliche Vergütung erhöht, entspricht die Zulässigkeit der Anrechnung - wenn die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben - regelmäßig dem Parteiwillen - die Gesamtvergütung ändert sich ja nicht (BAG, 23.09.2009 - 5 AZR 973/08).
5.4 Anrechenbarkeit - 3
Ob eine Zulage anrechnungsfest ist, entscheidet sich nach den getroffenen Vereinbarungen und den Umständen des Einzelfalls. Wurde eine Gesamtvergütung in der Weise vereinbart, dass ein Entgelt nach einer bestimmten Gehaltsgruppe und eine "außertarifliche (freiwillige) Zulage" gezahlt wird, heißt das noch nicht, dass die Zulage immer oben auf das Basisgehalt draufkommt. "Wird ein Entgelt vereinbart, das sich aus einem Tarifentgelt und einer Zulage zusammensetzt, und erweist sich später dieses Tarifentgelt aus Rechtsgründen als zu niedrig angesetzt, besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Leistung der unverminderten Zulage neben dem erhöhten Tarifentgelt nur dann, wenn die Zulage als selbstständiger, anrechnunsfester Bestandteil der Gesamtvergütung vereinbart ist [was hier nicht der Fall war]" (BAG, 03.09.2014 - 5 AZR 109/13 - Leitsatz).
5.5 Auswärtszulage
Nr. 13 Abs. 1 lit. e der "Sonderregelungen für die Besatzung von Binnen- und Seefahrzeugen (Schiffen) und von schwimmendem Gerät im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung nach § 2 Abs. 1 Abschn. A Buchst. b (SR 2b zum MTArb" sah eine "Entschädigung bei Dienstreisen, Abordnungen und Dienstgängen" - eine so genannte Auswärtszulage - vor. Diese Auswärtszulage ist infolge des Inkrafttretens des TVöD mit dem 01.10.2005 weggefallen. Die Tarifpartner sind im Rahmen ihrer Tarifautonomie berechtigt, bestehende tarifliche Ansprüche auch zu Lasten der tarifgebundenen Mitarbeiter zu ändern (BAG, 27.10.2010 - 10 AZR 410/09).
5.6 Filialbetrieb
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung von Arbeitnehmern gegenüber Kollegen in vergleichbarer Lage (hier: überwiegend einheitliche 2,1-prozentige Lohnerhöhung in einem Filialbetrieb, von der eine bestimmte Filiale ausgenommen blieb). Will ein Arbeitgeber unterschiedliche Maßstäbe anwenden, sind ein unterschiedliches Lohn-Ausgangsniveau, unterschiedliche Leistungsanforderungen und unterschiedliche betriebswirtschaftliche Ergebnisse durchaus geeignet, in einzelnen Betrieben eine unterschiedliche Behandlung bei Lohnerhöhungen zu rechtfertigen. Dabei ist allerdings ein unternehmensweiter Vergleich aller Betriebe unter Einbeziehung der Gründe für die bestehenden Unterschiede vorzunehmen (BAG, 03.12.2008 - 5 AZR 74/08 - mit dem Hinweis, dass die Ausübung von Mitbestimmungsrechten durch den Betriebsrat und eine damit verbundene Einschränkung flexibler Arbeitszeiten kein sachliches Differenzierungskriterium darstellt).
5.7 Formularmäßige Anrechnungsklausel
Wird in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Formulararbeitsvertrags ein Zulage unter dem Vorbehalt der Anrechnung gewährt, ohne dass die Anrechnungsgründe näher bestimmt sind, führt das nicht zur Unwirksamkeit der Klausel nach § 308 Nr. 4 BGB - Änderungsvorbehalt. Diese Klausel verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (BAG, 01.03.2006 - 5 AZR 363/05 - mit dem Hinweis, dass die Anrechnung mitbestimmungsfrei ist, wenn die Tariferhöhung vollständig und gleichmäßig auf die übertarifliche Vergütung aller Mitarbeiter angerechnet wird).
5.8 Formularmäßige Widerrufsklausel - 1
Die formularmäßige Vereinbarung einer Widerrufsklausel ist an den Bestimmungen des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch unklare und unverständliche Bestimmungen) und des § 308 Nr. 4 BGB (Unwirksamkeit eines Änderungsvorbehalts in AGB mit Wertungsmöglichkeit) zu messen. Die Besonderheiten des Arbeitsrechts - § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB - rechtfertigen keine Ausnahme. Eine Vertragsklausel ist daher insbesondere dann unwirksam, wenn sie die Voraussetzungen und den Umfang eines Widerrufs oder einer Kürzung nicht hinreichend konkretisiert (LAG Hamm, 11.05.2004 - 19 Sa 2132/03).
5.9 Formularmäßige Widerrufsklausel - 2
Der Widerruf einer freiwillig und mit Widerrufsvorbehalt gezahlten Zulage als Allgemeine Geschäftsbedingung ist nicht allein deswegen unwirksam, weil der Arbeitgeber entgegen §§ 308 Nr. 4, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB in der Vertragsklausel keine Widerrufsgründe benannt hat. Hier gelten die Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 BGB). Das wiederum führt dazu, dass bei der Wirksamkeitsprüfung immer noch die bisherigen Grundsätze der BAG-Rechtsprechung anzuwenden sind (LAG Berlin, 30.03.2004 - 3 Sa 2206/03).
5.10 Formularmäßige Widerrufsklausel - 3
Die Vereinbarung eines Widerrufsrechts ist für einen Arbeitnehmer jedenfalls dann zumutbar und deshalb wirksam, wenn ihm die tarifliche oder mindestens die übliche Vergütung bleibt und der Schutz gegen Änderungskündigungen nicht umgangen wird. Das setzt voraus, dass der Widerruf höchstens 25 bis 30 % der Gesamtvergütung ausmacht. Darüber hinaus darf der Widerruf nicht ohne Grund erfolgen (BAG, 12.01.2005 - 5 AZR 364/04 - zum Widerruf von 12,99 EUR Fahrtkostenersatz und 227,72 EUR AT-Zulage wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation des Arbeitgebers - und zugleich Aufhebung von LAG Hamm, 11.05.2004 - 19 Sa 2132/03).
5.11 Formularmäßige Widerrufsklausel - 4
Eine Widerrufsklausel ist zulässig, wenn der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Teil des Gesamtverdiensts unter 25 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird. Sind weitere Zahlungen des Arbeitgebers, die keine unmittelbare Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung darstellen, sondern Aufwendungsersatz, widerruflich, erhöht sich der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung auf bis zu 30 % der Gesamtvergütung (BAG, 11.10.2006 - 5 AZR 721/05 - mit wichtigen Hinweisen zur Anwendung der §§ 307 ff. BGB auf Arbeitsverträge).
5.12 Formularmäßige Widerrufsklausel - 5
Will der Arbeitgeber eine Zulage widerrufen, muss er dafür einen Grund haben. Seine - möglichen - Widerrufsgründe muss er nach der Schuldrechtsreform ab dem 01.01.2002 in der Widerrufsklausel seines Arbeitsvertrags angeben. Eine Klausel, die keine Widerrufsgründe enthält, ist nach §§ 307, 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Für Vertragsklauseln, die vor dem 01.01.2002 vereinbart worden sind, kann die Vertragslücke noch im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden. Und dabei ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter bis zum 31.12.2002 in der gesetzlichen Übergangsfrist eine Anpassung der Klausel an den neuen - strengeren - Rechtszustand angeboten. hat (BAG, 20.04.2011 - 5 AZR 191/10).
5.13 Funktionszulage
Die Frage, ob ein Widerrufsvorbehalt unter Berücksichtigung des AGB-Rechts (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 308 Nr. 4 BGB, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) wirksam vereinbart wurde, braucht nicht entschieden zu werden, wenn ein Widerruf schon aus anderen Gründen unwirksam ist. Das kann er beispielsweise sein, weil der Personalrat vor dem Widerruf nicht beteiligt worden ist (BAG, 26.01.2005 - 10 AZR 331/04 - mit dem Hinweis, dass in diesem speziellen Fall - Tierpfleger an einer Universität - die Weiterzahlung der Funktionszulage über die Nachwirkung eines Tarifvertrages gesichert gewesen wäre).
5.14 Kommende Lohnerhöhungen
Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart, dass übertarifliche Zulagen auf "kommende" Lohnerhöhungen angerechnet werden können, ist das Anrechnungsrecht beschränkt auf den Zeitraum der erstmöglichen Umsetzung der Erhöhung (BAG, 17.09.2003 - 4 AZR 533/02).
5.15 Kürzungsautomatik
Es gibt auch Tarifverträge, die die Gewährung von Zulagen an bestimmte Tatbestandsmerkmale knüpfen. So ist beispielsweise die Gewährung einer tariflichen Zulage für eine stellvertretende Schulleiterin in Sachsen tatbestandlich an einer bestimmten Schülerzahl festgemacht. Bei einem Absinken der Schülerzahl entfällt die Zulage ohne Weiteres, wenn bei einer vergleichbaren beamteten Lehrkraft die besoldungsgesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf die Amtszulage nicht erfüllt sind (4 AZR 102/04 zu Lehrer-Richtlinien-O der Tarifgemeinschaft der Länder).
5.16 Mehrdeutigkeit
Soll eine Sonderzuwendung nach der Klausel im Formulararbeitsvertrag als "freiwillige, unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs stehende Leistung" gewährt werden, ist diese Klausel i.S. des § 305c BGB mehrdeutig. Es bleibt nämlich unklar, ob ein echter Freiwilligkeitsvorbehalt oder ein bloßer Widerrufsvorbehalt gemeint sein soll. Das hat - zumindest für nach dem 31.12.2001 geschlossene Arbeitsverträge zur Folge, dass der Vorbehalt komplett entfällt (LAG Brandenburg, 13.10.2005 - 9 Sa 141/05).
5.17 Rückwirkende Verrechnung
"Der Arbeitgeber kann eine übertarifliche Zulage mangels anderweitiger Abrede bei Tariflohnerhöhungen - auch rückwirkend verrechnen. Der damit verbundene - Vorbehalt einer nachträglichen Tilgungsbestimmung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB" (BAG, 27.08.2008 - 5 AZR 820/07 - zu §§ 2 Nr. 2, 3 Nr. 2 des Abkommens über die Tariflöhne in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens, die eine Einmalzahlung vorsehen, die der Arbeitgeber in diesem Fall mit einer zuvor geleisteten übertariflichen Zahlung verrechnen durfte und die insoweit nach § 362 Abs. 1 BGB als erfüllt galt).
5.18 Selbstständiger Entgeltbestandteil
Ob ein außertariflicher Entgeltbestandteil bei einer Tariflohnerhöhung angerechnet werden kann, hängt von der individuellen Vergütungsvereinbarung ab. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer der übertarifliche Gehaltsbestandteil nicht als selbstständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist. Erfolgt die Anrechnung bei allen Mitarbeitern in vollem Umfang ohne Verteilungsspielraum, scheidet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus (BAG, 27.01.2004 - 1 AZR 105/03).
5.19 Tarifliche Leistungszuschläge
Zulagen müssen nicht immer freiwillige Leistungen sein. Es gibt auch Tarifverträge, die Leistungszuschläge vorsehen. Soll der Arbeitgeber nach den maßgeblichen Tarifbestimmungen jährlich immer wieder neu über die Leistungsgewährung entscheiden, folgt daraus kein Rechtsanspruch auf die Zuschläge für die Zukunft. Darüber hinaus darf der Arbeitgeber eine tarifliche Widerrufsmöglichkeit nutzen (BAG, 21.07.2005 - 6 AZR 441/04 - zu § 4 Abs. 4 BZT-G/NRW).
5.20 Tarifliche Widerrufsklausel
§ 5 Abs. 1 des Bezirkslohntarifvertrags für Arbeiter und Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betrieb in Baden-Württemberg gibt Arbeitgebern die Möglichkeit, für besondere Leistungen Leistungszulagen zu gewähren. § 5 Abs. 2 des Tarifvertrags sagt: "Die Leistungszulage ist jederzeit widerruflich" - mehr nicht. Obwohl der Tarifvertrag keine Voraussetzungen für den Widerruf nennt, ist der tarifliche Widerrufsvorbehalt nicht unwirksam: "Ein tariflich geregelter Widerrufsvorbehalt unterliegt ebenso wie ein Widerrufsvorbehalt in einer Betriebsvereinbarung (...) gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGBnicht der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB" (BAG, 07.07.2011 - 6 AZR 151/10 - mit dem Ergebnis, dass eine tarifliche Widerrufsklausel nicht den formellen Anforderungen gerecht werden muss, die an eine arbeitsvertragliche zu stellen sind).
5.21 Vorgriff
Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer neben dem Tarifentgelt eine übertarifliche Zulage vereinbart, ist das ein Vorgriff auf zukünftige Tariflohnerhöhungen. Es ist für den Arbeitgeber regelmäßig allerdings nicht absehbar, ob er bei den Erhöhungen des Tarifentgelts in der Zukunft noch in der Lage sein wird, die bis dahin gewährte Zulage in gleich bleibende Höhe weiter zu zahlen. Das ist für den Mitarbeiter erkennbar und Grundlage einer sogenannten freiwilligen übertariflichen Vergütung oder Zulage. Der Anrechnungsvorbehalt ist demgemäß bereits mit der Vereinbarung einer übertariflichen Vergütung oder Zulage hinreichend klar ersichtlich (BAG, 23.09.2009 - 5 AZR 973/08 - mit dem Hinweis, dass die Zulässigkeit einer Anrechnung bei Tariferhöhung regelmäßig dem Parteiwillen entspricht, weil sich die Gesamtvergütung nicht verringert).
5.22 Widerruf - arbeitsvertragliche Regelung
"1. Ein Widerrufsvorbehalt in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung muss seit Inkrafttreten der §§ 305 ff. BGB den formellen Anforderungen von § 308 Nr. 4 BGB genügen. Der Verwender muss vorgeben, was ihn zum Widerruf berechtigen soll. 2. Fehlt die Angabe von Widerrufsgründen in einem vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossenen Arbeitsvertrag, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht" (Leitsätze 1. und 2.). Der Verwender konnte die neuen §§ 305 ff. BGB bei Vertragsschluss nicht berücksichtigen und die von ihm verwendete Klausel ist nur wegen der §§ 305 ff. BGB unwirksam - was dazu führt, dass die Lücke im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden muss (BAG, 20.04.2011 - 5 AZR 191/10).
5.23 Widerruf - tarifvertragliche Regelung
Sieht ein Tarifvertrag die Regelung "Die Leistungszulage ist jederzeit widerruflich vor", heißt das im Gegensatz zu einer arbeitsvertraglichen Regelung: Auch wenn die tarifliche Bestimmung keine Voraussetzung für den Widerruf nennt, führt das nicht dazu, dass diese Tarifbestimmung unwirksam ist. "Ein tariflich geregelter Widerrufsvorbehalt unterliegt ebenso wie ein Widerrufsvorbehalt in einer Betriebsvereinbarung gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle nach den§§ 305 ff. BGB. Ein dem Arbeitgeber in einem Tarifvertrag eingeräumtes Widerrufsrecht muss daher nicht den nach § 308 Nr. 4 BGB an einen Änderungsvorbehalt in einem Formulararbeitsvertrag zu stellenden formellen Anforderungen gerecht werden" (BAG, 07.07.2011 - 6 AZR 151/10 - zu § 5 des Bezirkslohntarifvertrags für Arbeiter und Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe in Baden-Württemberg).
5.24 Zusatzfunktion
Der entgeltwirksame Widerruf einer vertraglich übertragenen Zusatzfunktion ist ohne vereinbarte Änderungsmöglichkeit nicht möglich. § 308 Nr. 4 BGB - Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit bei Änderungsvorbehalt - ist auf Widerrufsvorbehalte in Betriebsvereinbarungen nicht anzuwenden. Die gerichtliche Ausübungskontrolle läuft über § 315 Abs. 3 BGB - die einseitige Leistungsbestimmung muss der Billigkeit entsprechen (BAG, 01.02.2006 - 5 AZR 187/05).