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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Arbeitsunfähigkeit - Allgemeines
Arbeitsunfähigkeit - Allgemeines
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
- 5.
- 6.Rechtsprechungs-ABC
- 6.1
- 6.2
- 6.3
- 6.4
- 6.5
- 6.6
- 6.7
- 6.8
- 6.9
- 6.10
- 6.11
- 6.12
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Information
1. Allgemeines
Der Arbeitnehmer bleibt vom Beginn seiner Tätigkeit bis zu seinem späteren Ausscheiden nicht durchgängig gesund. Die Möglichkeiten, sich im Verlauf des Erwerbslebens eine Erkrankung zuzuziehen, sind vielfältig. Das fängt mit einem harmlosen Schnupfen an, geht weiter über mehr oder weniger schmerzhafte Blessuren vom Sport und endet schließlich bei einer schweren, tödlich verlaufenden Erkrankung. Dabei müssen gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht immer Einfluss auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit von Mitarbeitern haben. Es gibt durchaus Krankheiten, die keine Arbeitsunfähigkeit verursachen (s. dazu Gliederungspunkt 2.).
Praxistipp:
Als Arbeitgeber oder Personaler kann man nicht selbst einschätzen oder entscheiden, ob ein erkrankter Mitarbeiter wegen seiner Erkrankung wirklich arbeitsunfähig ist. Man muss sich - wohl oder übel - auf die von ihm vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verlassen. Trotzdem gibt es Fälle, in den begründete Zweifel am Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit angebracht sind. Für diese Fälle sieht § 275 SGB V vor, dass der Arbeitgeber über die Krankenkasse des Mitarbeiters eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst veranlassen kann.
Es gibt viele Ursachen, die zu einer Störung des Arbeitsverhältnisses führen können. Eine der gravierendsten ist die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Das kann ein einzelner Tag, mehrere Tage, Wochen, Monate oder schließlich sogar eine Dauererkrankung über Jahre sein. Arbeitsunfähigkeit ist, will man den Begriff kurz auf den Punkt bringen, eine Arbeitsverhinderung infolge Krankheit (dazu mehr in Gliederungspunkt 4.). Wichtig ist aber immer: Die Krankheit muss Ursache der Arbeitsunfähigkeit sein. Zwischen ihr und der aufgehobenen bzw. eingeschränkten Arbeitsfähigkeit muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Besonderheiten in puncto Arbeitsunfähigkeit gibt es bei Beziehern SGB III-Arbeitslosengeld und SGB II-Grundsicherung (s. Gliederungspunkt 5.). Einzelfragen werden im Rechtsprechungs-ABC - Gliederungspunkt 6. - beantwortet.
2. Abgrenzung: Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit
Eine Krankheit ist nicht immer mit Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen. So kann es beispielsweise passieren, dass ein Mitarbeiter zwar krank, aber eben nicht arbeitsunfähig ist.
Beispiele:
Kellnerin Olga K hat ein Handteller großes Ekzem auf dem linken Schulterblatt. Sie ist ohne Frage krank. Das Ekzem behindert sie allerdings nicht in ihrer Tätigkeit als Kellnerin. Es ist abgedeckt, wird ärztlich versorgt und führt zu keinerlei Beschwerden.
Musicalstar Sascha H hat sich bei einem Open Air-Konzert erkältet. Eine fürchterliche Bronchitis ist die Folge. Sascha ist krank. Wenn er am nächsten Wochenende bei einem weiteren Open Air-Konzert auftreten soll, aber vor lauter Husten keinen Ton herausbekommt, dann ist er nicht bloß krank. Dann ist er arbeitsunfähig krank.
Krankheit im herkömmlichen Sinne ist eigentlich nur ein regelwidriger Gesundheitszustand. Und wie die voraufgehenden Beispiele zeigen, führt Krankheit nicht stets zur Arbeitsunfähigkeit. Da muss noch etwas Entscheidendes hinzukommen.
3. Arbeitsunfähigkeit: Die Definition
§ 3 Abs. 1 Satz EFZG gewährt nur dann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn ein Arbeitnehmer "durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert" wird. Eine gesetzliche Definition dieser "Arbeitsunfähigkeit" gibt es nicht.
In der BAG-Rechtsprechung wird Arbeitsunfähigkeit in etwa als regelwidriger Körper- oder Geisteszustand bezeichnet, der den Arbeitnehmer daran hindert, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, oder ihn in Gefahr bringt, sie nur unter Verschlechterung seines Gesundheitszustandes erbringen zu können (BAG, 26.07.1989 - 5 AZR 301/ 88).
Ob ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert ist, ist nach objektiven medizinischen Kriterien zu beurteilen. Die subjektive Beurteilung der Arbeitsvertragsparteien ist dafür nicht maßgeblich. Es kommt für das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit auch nicht auf die Kenntnis der Arbeitsvertragsparteien an.
Beispiel:
Kaufhausdetektiv Friedel Ä wacht morgens mit einem undefinierbaren Schmerz in der Herzgegend auf. Er sieht sofort einen Herzinfarkt auf sich zukommen und lässt sich über seine Frau krankmelden. Tatsächlich handelt es sich um einfache Blähungen, die nach kurzer Zeit wieder verschwinden. "Sicherheitshalber" nimmt Friedel Ä den ganzen Tag frei. Ein Arzt käme zu dem Ergebnis, dass Friedel nicht einmal krank, geschweige denn arbeitsunfähig gewesen wäre.
Der unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 3 Abs. 1 EFZG steht eine Arbeitsverhinderung gleich, die infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft eintritt, § 3 Abs. 2 Satz 1 EFZG. Zur Notlagenindikation s. § 3 Abs. 2 Satz 2 EFZG.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V die so genannten Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien beschlossen. Sie werden mehr oder weniger ständig ergänzt und geben eine wertvolle Hilfe bei der Bestimmung von Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 3 EFZG. So gibt § 2 Abs. 1 Satz 2 AU-Richtlinie beispielsweise den feststellenden Ärzten mit auf den Weg: "Bei der Beurteilung ist darauf abzustellen, welche Bedingungen die bisherige Tätigkeit konkret geprägt haben."
4. Kausalität zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Wie oben angesprochen, reicht es nicht aus, einfach "bloß" krank zu sein. Das Gesetz verlangt, dass die Krankheit zu einer Arbeitsunfähigkeit führt. Und das muss nicht immer und in jedem Fall so sein.
Beispiel:
Als Oberkellner ist Leopold W eigentlich nur dafür zuständig, den Arbeitseinsatz seiner Mitarbeiter, zu denen auch Olga K aus dem Beispiel in Ziffer 1. gehört, zu organisieren. Pia Novorth ist die Begleitmusikerin von Sascha H aus dem zweiten Beispiel, der große Konzertflügel ihr Instrument. Leopold und Pia folgen einer Einladung zum Bowling. Und wie es das Schicksal will, brechen sie sich beim Hantieren mit der "Bowl" den Mittelfinger der linken Hand.
Die ärztliche Versorgung ist in beiden Fällen recht zügig abgeschlossen. Den Rest muss der Körper selbst heilen. Was bedeutet das jetzt für Herrn R und Frau N? Der Oberkellner Leopold ist nicht mit vollen Tabletts im Einsatz, er organisiert nur. Das kann er auch mit einem geschienten Mittelfinger tun. Pia ist Pianistin. Da muss jeder Ton sitzen und jede Taste auf Anhieb getroffen werden. Das geht mit einem geschienten Mittelfinger nicht. Leopold ist krank, aber nach Abschluss der ärztlichen Heilbehandlung nicht mehr arbeitsunfähig. Pia ist krank und arbeitsunfähig, und das so lange, bis sie wieder unbehindert in die Tasten greifen kann.
Die Krankheit muss zudem die einzige Ursache dafür sein, dass der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann (BAG, 05.07.1995 - 5 AZR 135/94).
Beispiel:
Jockel W ist Außendienstler der Ruinosa VersicherungsAG. Der Job ist hart und für ihn ohne Alkohol nicht mehr zu schaffen. Jockel wird alkoholisiert von der Polizei aufgegriffen, sein Führerschein sofort sichergestellt. Ein mehrmonatiges Fahrverbot ist die Folge. Jockel kann seinen Beruf im Außendienst nicht mehr ausüben. Wenn er bei der Heimkehr noch eine Treppenstufe übersieht, zu Fall kommt und sich dabei ein Bein bricht, ist nicht die Krankheit "Beinbruch" für die Arbeitsverhinderung ursächlich, sondern das Fahrverbot.
Praxistipp:
Will man ganz sicher feststellen, ob die Arbeitsverhinderung durch eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ausgelöst wurde, muss man die Frage "Wäre die Arbeitsleistung auch dann erbracht worden, wenn der Arbeitnehmer nicht krank gewesen wäre?" mit "Ja!" beantworten.
Bei Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sind
körperlicher,
geistiger und
seelischer
Zustand des Arbeitnehmers gleichermaßen zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AU-Richtlinie). Deshalb - so § 4 Abs. 1 Satz 2 AU-Richtlinie - darf die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nur auf Grund einer unmittelbaren persönlichen ärztlichen Untersuchung erfolgen. § 4 Abs. 5 AU-Richtlinie erlaubt unter gewissen Voraussetzungen die mittelbar persönliche Feststellung im Rahmen von Videosprechstunden.
5. Bezieher von Arbeitslosengeld 1 und 2
Die Definition der Arbeitsunfähigkeit, wie sie für den Bereich der Entgeltfortzahlung des Arbeitsrechts gilt, findet beim Leistungsbezug
Arbeitslosengeld 1
Arbeitslosengeld 2 ("Hartz IV")
keine Anwendung. Hier gilt:
"Versicherte, die arbeitslos sind, ausgenommen Arbeitslose bzw. erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach Abs. 3a, sind arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt haben (§ 2 Abs. 3 Satz 1 AU-Richtlinien). Und das gilt unabhängig davon, "welcher Tätigkeit die oder der Versicherte vor der Arbeitslosigkeit nachging" (§ 2 Abs. 3 Satz 2 AU-Richtlinien).
"Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende - 'Hartz IV') beantragt haben oder beziehen, sind arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten oder an einer Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen" (§ 2 Abs. 3a AU-Richtlinien).
Die Regelung in § 2 Abs. 3 AU-Richtlinien erfasst nun auch Versicherte, die arbeitslos sind, aber keine Leistungen der Bundesagentur beziehen, weil gegen sie eine Sperrzeit (§ 159 SGB III) verhängt wurde.
6. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einigeder interessantesten Entscheidungen zum Thema Arbeitsunfähigkeit - Allgemeines nach Stichwörtern geordnet in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt:
6.1 Abgrenzung: Behinderung
"1. Der Begriff 'Behinderung' i.S.d. Richtlinie 2000/78/EG (...) ist dahin auszulegen, dass er einen Zustand einschließt, der durch eine ärztlich diagnostizierte heilbare oder unheilbare Krankheit verursacht wird, wenn diese Krankheit eine Einschränkung mit sich bringt, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können, und wenn diese Einschränkung von langer Dauer ist. Für Frage, ob der Gesundheitszustand einer Person unter diesen Begriff fällt, kommt es nicht auf die Art der Maßnahmen an, die der Arbeitgeber ergreifen muss" (EuGH, 11.04.2013 - C-335/11 und C-337/11 - 1. Leitsatz - Dänemark).
6.2 Abgrenzung: Krankheit/Unfall
Auch wenn es in der hier vorgestellten Entscheidung eigentlich um die AGB-Kontrolle einer vom Arbeitgeber erteilten Versorgungszusage ging, hat das Bundesarbeitsgericht doch zwei griffige Definitionen für die beiden Risiken Krankheit und Unfall gebracht: "Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet" (s. dazu BGH, 28.01.2009 – IV ZR 6/08 – für die Unfallversicherung). "Krankheit im medizinischen Sinne ist jeder regelwidrige körperliche oder geistige Zustand, der einer Heilbehandlung bedarf" (ständige BAG-Rechtsprechung, u. a. schon in BAG, 29.02.1984 - 5AZR 455/81). "Damit werden regelmäßig zB auch Selbsttötungen, die auf einer … Krankheit beruhen, erfasst. Dabei ist bei der Beweiswürdigung der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass bei einer Selbsttötung die Freiheit der Willensbestimmung zumindest partiell erheblich eingeschränkt ist" (BAG, 02.12.2021 – 3 AZR 254/21 – mit Hinweis auf BAG, 28.02.1979 – 5 AZR 611/77 – und BVerfG, 26.02.2020 – 2 BvR 2347/15).
6.3 Arbeitsunfähigkeit - Erwerbsminderung
Arbeitgeber denken häufig daran, ein Arbeitsverhältnis personenbedingt wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit zu kündigen, weil ein Arbeitnehmer eine (befristete) Rente wegen Erwerbsminderung bezieht. Dabei hat er jedoch auf Folgendes zu achten: Aus dem bloßen Umstand der Rentenbewilligung allein kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der Leistungsempfänger arbeitsunfähig ist. Der Rentenbezug begründet ohne Weiteres auch kein Indiz und keine Vermutung für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit während des bewilligten Rentenbezugs. Das hat damit zu tun, dass die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und die sozialrechtlichen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung nicht die gleichen sind (s. dazu BAG, 29.09.2004 - 5 AZR 558/03). So kann ein erwerbsgeminderter Rentenbezieher durchaus noch arbeitsfähig sein. Selbst eine Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt nicht zwingend voraus, dass der Arbeitnehmer seine bisher vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann (s. dazu LAG Hamm, 09.07.2003 - 18 Sa 215/03 und BAG, 29.09.2004 - 5 AZR 558/03). "Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Bedingungen am bisherigen Arbeitsplatz können jedoch von denen des allgemeinen Arbeitsmarkts abweichen. So steht einer Erwerbsminderung eine vom Regelfall abweichende günstige Arbeitsgelegenheit nicht entgegen" (BAG, 13.05.2015 - 2 AZR 565/14).
6.4 Außerordentliche Eigenkündigung
Der vereinfachte Fall: Arbeitnehmerin A war seit 1999 als hauswirtschaftliche Helferin in Arbeitgeber G's Seniorenzentrum beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag sah eine Gegenseitigkeitsregelung für verlängerte Kündigungsfristen vor. Danach hätte sie bei ihrer Kündigung im Jahr 2015 eine 6-monatige Kündigungsfrist einhalten müssen. A kündigte am 24.03.2015 außerordentlich fristlos. Begründung: Sie sei wegen einer Konfliktsituation am Arbeitsplatz einer nachhaltigen psychischen Belastung (neurasthenische Erschöpfungsreaktion und reaktive depressive Entwicklung) ausgesetzt und ihr Gesundheitszustand mache es ihr unzumutbar, die 6-monatige Kündigungsfrist einzuhalten.
Das BAG hat A's außerordentliche Eigenkündigung nicht beanstandet und den wichtigen Grund für ihre Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB bejaht. Im Wesentlichen hat es die Rechtmäßigkeit der Kündigung mit folgenden Argumenten begründet: Der von A behauptete Kündigungssachverhalt ist zunächst an sich geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zu liefern. A war es nach den Einzelfallumständen auch nicht zumutbar, ihr Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der 6-monatigen Kündigungsfrist fortzusetzen. Nach Aussage der behandelnden Ärztin habe sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert und es war ein "Abrutschen" in die Psychiatrie zu befürchten. A konnte ihre Genesung nur durch die außerordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses beschleunigen. Auf Seiten G's gab es dagegen nur ein geringes Interesse an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses. Sein Verhalten hatte den Konflikt sogar noch verstärkt (BAG, 22.03.2018 - 8 AZR 190/17).
6.5 Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG wird der "Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts .. nicht dadurch berührt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt." Der Begriff "aus Anlass" ist dabei weit auszulegen. So reicht es schon, wenn die objektive Ursache und die wesentliche Bedingung der Kündigung in der Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters liegen und sie den maßgeblichen Anstoß für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers gegeben haben (s. dazu BAG, 17.04.2002 - 5 AZR 2/01 – und LAG Rheinland-Pfalz, 20.05.2015 - 7 Sa 694/14). "Innerhalb der Ursachenkette muss sich die Arbeitsunfähigkeit allerdings als eine die Kündigung wesentlich mitbestimmende Bedingung darstellen; sie muss den entscheidenden Anstoß für den Entschluss des Arbeitgebers zum Ausspruch der Kündigung gegeben haben" (LAG Rheinland-Pfalz, 22.07.2021 – 5 Sa 93/21 – mit Hinweis auf BAG, 05.02.1998 - 2 AZR 270/97).
6.6 Begriff
Der Begriff "arbeitsunfähig" in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. nimmt auf die zu § 3 Abs. 1 EFZG ergangene Begriffsbestimmung Bezug. Er schafft keinen eigenen Begriff (s. dazu BAG, 13.03.2012 - 1 ABR 78/10). Die EFZG-Definition deckt sich mit der Begriffsbestimmung in der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. "Nach § 2 Abs. 1 der Richtlinie liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn Versicherte aufgrund von Krankheit ihre zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen können. Bei der Beurteilung ist darauf abzustellen, welche Bedingungen die bisherige Tätigkeit konkret geprägt haben. Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn aufgrund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen" (BAG, 21.11.2018 - 7 AZR 394/17).
6.7 Betriebsruhe
Um einen Entgeltfortzahlungsanspruch auszulösen, muss die Arbeitsunfähigkeit alleinige Ursache für den Arbeitsausfall sein. Haben die Betriebspartner für einen bestimmten Zeitraum eine Betriebsruhe vereinbart, besteht für diese Zeit kein Entgeltfortzahlungsanspruch. Bekommt der arbeitsunfähige Arbeitnehmer während der Betriebsruhe das verstetigte Arbeitsentgelt weiter, darf der Arbeitgeber ihm die ausfallenden Arbeitsstunden als Minusstunden ins Arbeitszeitkonto stellen (BAG, 28.01.2004 - 5 AZR 58/03).
6.8 Dauer der Arbeitsunfähigkeit
"Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Verhinderungsfalls ist die Entscheidung des Arztes. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass dann, wenn die ärztliche Bescheinigung lediglich einen Kalendertag angibt, in der Regel Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der (betriebs-)üblichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers an diesem Kalendertag bescheinigt werde [es folgt ein Hinweis auf BAG, 12.07.1989 - 5 AZR 377/88]. Möglich sei danach aber auch die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende eines (auch arbeitsfreien) Kalendertags oder die Feststellung der Arbeitsfähigkeit zu einem näher bestimmten anderen Zeitpunkt" (BAG, 10.09.2014 - 10 AZR 651/12).
6.9 Freigestelltes Betriebsratsmitglied - 1
Wenn ein Mitglied des Betriebsrats ausscheidet, rückt ein Ersatzmitglied nach (§ 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Das Gleiche gilt für die Stellvertretung eines Mitglieds, das zeitweilig verhindert ist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Nun sind nicht alle Mitglieder eines Betriebsrats immer aktive Arbeitnehmer. In größeren Betrieben sind Betriebsratsmitglieder nach der in § 38 BetrVG vorgesehenen Staffelung von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen. Wie aktive Arbeitnehmer kann auch ein freigestelltes Mitglied des Betriebsrats arbeitsunfähig krank werden. Und dann? Darf es dann trotzdem an einer Beschlussfassung mitwirken? Nun, das Bundesarbeitsgericht meint dazu: "Während der Dauer einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit ist ein nach § 38 Abs. 1 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied an der Wahrnehmung seines Amts verhindert" (BAG, 28.07.2020 – 1 ABR 5/19 – Leitsatz).
6.10 Freigestelltes Betriebsratsmitglied - 2
Bei einem von seiner beruflichen Tätigkeit vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied beurteilt sich dessen Arbeitsunfähigkeit nach der von ihm auszuübenden Betriebsratstätigkeit. Gemäß § 2 Abs. 1 der "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V" – AU-Richtlinie – ist entscheidend, ob der "Versicherte auf Grund von Krankheit" seine "zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen" kann. Das bedeutet: "Attestiert ein Arzt einem vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied arbeitsunfähig erkrankt zu sein, steht damit fest, dass diesem eine Erfüllung der ihm während seiner Freistellung nach § 38 Abs. 1 BetrVG obliegenden Pflichten krankheitsbedingt nicht möglich und es an der Wahrnehmung seiner Betriebsratstätigkeit gehindert ist" (BAG, 28.07.2020 – 1 ABR 5/19 – mit dem Hinweis, dass es insoweit unerheblich ist, dass das Betriebsratsamt ein Ehrenamt ist).
6.11 Freigestelltes Betriebsratsmitglied - 3
Auch wenn der Arzt einem freigestellten Mitglied des Betriebsrats, das er arbeitsunfähig krank geschrieben hat, erlaubt, bis zu 45 Minuten an Erörterungen des Betriebsrats teilzunehmen, bleibt das Betriebsratsmitglied arbeitsunfähig krank. Es gibt keine Teilarbeitsunfähigkeit. Bei einem vollständig von der beruflichen Tätigkeit freigestellten Betriebsratsmitglied gibt es keine partielle Unmöglichkeit, Betriebsratsaufgaben auszuüben. Das erfordern schon Praktikabilität und Rechtssicherheit. Würde man den Verhinderungsfall eines arbeitsunfähig erkrankten Betriebsratsmitglieds an Einzelfallumstände knüpfen, würde das die Feststellung einer Verhinderung erheblich schwerer machen und damit die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats beeinträchtigen. Hier entstünde dann die Gefahr, dass die während der partiellen Arbeitsunfähigkeit des Betriebsratsmitglieds gefassten Beschlüsse möglicherweise unwirksam sind (BAG, 28.07.2020 – 1 ABR 5/19).
6.12 Freistellung
Wird ein Arbeitnehmer in einem Prozessvergleich unter Vergütungsfortzahlung unwiderruflich von der Arbeitspflicht freigestellt, wird damit kein selbstständiger Vergütungsanspruch festgelegt, der über den gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruch hinausgeht. Endet die EFZG Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach dem, hat der Arbeitnehmer keinen weiter gehenden Anspruch aus der Freistellungsvereinbarung. Der Arbeitgeber soll hier nicht zugunsten der Sozialversicherungsträger mit Entgeltansprüchen belastet werden (BAG, 29.09.2004 - 5 AZR 99/04).
6.13 Genesungswidriges Verhalten
Arbeitgeber denken häufig an eine Kündigung, wenn sich ihr Arbeitnehmer während einer mitgeteilten Arbeitsunfähigkeit gesundheits- oder genesungswidrig verhält. Genesungswidrig kann sich allerdings nur ein Arbeitnehmer verhalten, der tatsächlich arbeitsunfähig krank ist. Hat der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter in Verdacht, dass er seine Arbeitsunfähigkeit nur vortäuscht, kommt es dabei gar nicht darauf an, ob sich der Arbeitnehmer gesundheits- oder genesungswidrig verhält. Entscheidend ist, "ob er sich vorsätzlich so verhalten hat, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung der Schluss gezogen werden muss, er sei nicht arbeitsunfähig" (BAG, 26.09.2013 - 8 AZR 1026/12).
6.14 Kontaktaufnahme
Ist ein Mitarbeiter arbeitsunfähig krank, darf der Arbeitgeber mit ihm während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit "aus Gründen der Rücksichtnahme auf dessen Genesungsprozess" nur eingeschränkt Kontakt aufnehmen (s. dazu auch BAG, 02.11.2016 - 10 AZR 596/15). Der Arbeitgeber hat gegenüber seinen Arbeitnehmern eine in § 241 Abs. 2 BGB verankerte Pflicht, auf deren Erkrankung Rücksicht zu nehmen und alles zu unterlassen, "was dem Genesungsprozess abträglich" ist "oder gegebenenfalls sogar eine Verschlechterung des Zustands herbeiführen" kann (s. dazu BAG, 27.06.2017 – 2 ABR 2/19). Diese Pflicht zur Rücksichtnahme verlangt es, dass der Arbeitgeber "die Erteilung von Weisungen auf dringende betriebliche Anlässe" beschränkt "und sich bezüglich der Art und Weise, der Häufigkeit und der Dauer der Inanspruchnahme! nach dem "wohlverstandenen Interesse des Arbeitnehmers" richtet (BAG, 11.06.2020 – 2 AZR 442/19 – mit Hinweis auf BAG, 02.11.2016 - 10 AZR 596/15).
6.15 Krankheit - 1
Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit liegt nicht allein deswegen vor, weil der Arbeitnehmer wegen seine Gesundheit Medikamente einnehmen muss, die ihn daran hindern, weiter Nachtdienste zu leisten. Eine Krankheit i.S.d. EFZG-Bestimmungen ist "jeder regelwidrige Körper- oder Geisteszustand." Die Frage, was regelwidrig ist, wird nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft beurteilt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Heilbehandlung erforderlich ist. Entscheidend ist, ob "ein regelwidriger Körperzustand in Betracht [kommt], der nur durch ständige Behandlung einschließlich Mediaktion zu beherrschen ist" (BAG, 09.04.2014 - 10 AZR 637/13).
6.16 Krankheit - 2
Die Annahme einer Krankheit i.S.d. § 3 EFZG setzt voraus, dass ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand vorliegt. Von einer Regelwidrigkeit ist auszugehen, wenn der körperliche oder geistige Zustand "nach allgemeiner Erfahrung unter Berücksichtigung eines natürlichen Verlaufs des Lebensgangs nicht bei jedem anderen Menschen gleichen Alters und Geschlechts zu erwarten ist" (so: BAG, 07.12.2005 - 5 AZR 228/05). Von einer Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 3 EFZG ist auszugehen, wenn der Mitarbeiter wegen der bei ihm bestehenden Krankheit "seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder objektiv nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose hierdurch verhindert oder verzögert würde" (s. dazu BAG, 23.01.2008 - 5 AZR 393/07 - und BAG, 09.04.2014 - 10 AZR 637/13). Das ist aber noch nicht alles. Arbeitsunfähigkeit kann auch dann angenommen werden, "wenn erst eine zur Behebung einer Krankheit erforderliche Heilbehandlung dazu führt, dass der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen kann" (BAG, 26.10.2016 - 5 AZR 167/16).
6.17 Krankheitsbedingte Fehlzeiten
"Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgrund gerechtfertigter, aber wiederkehrender Abwesenheiten vom Arbeitsplatz auch dann entlassen darf, wenn die Fehlzeiten die Folge von Krankheiten sind, die auf eine Behinderung des Arbeitnehmers [hier: Adipositas mit einem Einzel-GdB von 32 %, keine Schwerbehinderung i.S.d. nationalen SGB IX, Anm. d. Verf.] zurückzuführen sind, es sei denn, diese Regelung geht unter Verfolgung des legitimen Ziels der Bekämpfung von Absentismus nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinaus; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts" (EuGH, 18.01.2018 - C-270/16 - Leitsatz - Spanien).
6.18 Kündigung = Maßregel?
Dass ein Arbeitgeber in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) kündigt, ist nicht in jedem Fall eine verbotene Maßregelung i.S.d. § 612a BGB - wobei im Ergebnis offen bleiben kann, ob das Fernbleiben von der Arbeit unter Vorlage einer AUB überhaupt "Rechtsausübung" ist (s. dazu BAG, 20.05.2021 - 2 AZR 560/20). § 612a BGB kann ohnehin nur dann verletzt werden, wenn der Arbeitgeber mit der Kündigung gerade das zulässige Fernbleiben von der Arbeit ahnden will (s. dazu BAG, 20.05.2021 - 2 AZR 560/20). Das "bloße zeitliche Zusammentreffen von Arbeitsunfähigkeit und Kündigung" sagt "nichts über ein unzulässiges maßregelndes Motiv für die Kündigung", "zumal Arbeitsunfähigkeit sogar ein Grund für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung iSv § 1 Abs. 2 KSchG sein kann" (BAG, 18.11.2021 - 2 AZR 229/21).
6.19 Leistungsmängel - 1
Zweifel an der Arbeitsfähigkeit eines Arbeitnehmers werden in der Regel nicht durch seine bloße Minder- oder Schlechtleistung begründet (s. dazu BVerwG, 10.04.2014 - 2 B 80.13). Auch wenn seine Arbeitsergebnisse erheblich von dem zu erwartenden Maß abweichen, ist nicht auszuschließen, dass dieses Abweichen auf "eine mangelnde Anspannung der persönlichen Leistungsfähigkeit oder Mängel in der Qualifikation des Arbeitnehmers zurückzuführen" ist. Will man aus Minder- und Schlechtleistung den Schluss auf eine Arbeitsunfähigkeit ziehen, müssen nach den Umständen des Einzelfalls zunächst "andere als gesundheitliche Ursachen fernliegen." Darüber hinaus muss nach den Einzelfallumständen die Annahme berechtigt sein, dass sich der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers bei Fortsetzen seiner Tätigkeit weiter verschlechtert oder sich sein Heilungsprozess verzögert (BAG, 25.01.2018 - 2 AZR 382/17 - mit dem Hinweis, dass es sonst nur Anhaltspunkte für eine gesundheitsbedingte Leistungsminderung gibt).
6.20 Leistungsmängel - 2
Zweifel an der Arbeitsfähigkeit eines schwerbehinderten Arbeitnehmers werden für sich genommen erst recht nicht durch bloße Minder- oder Schlechtleistung begründet. Bei schwerbehinderten Mitarbeitern kann eine Minder- oder Schlechtleistung auch auf deren bereits bestehende behinderungsbedingte Einschränkungen zurückzuführen sein - sie muss nicht auf eine Arbeitsunfähigkeit hindeuten. Auch hier muss die Annahme gerechtfertigt sein, dass sich der Gesundheitszustand des schwerbehinderten Mitarbeiters weiter verschlechtert, wenn er seine Tätigkeit weiter ausübt. "Dies mag ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn die Leistungsdefizite ein besonders augenfälliges Ausmaß angenommen haben und/oder weitere Anzeichen für eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit sprechen" (BAG, 25.01.2018 - 2 AZR 382/17).
6.21 Nachtdienstuntauglichkeit
Wenn ein Arbeitnehmer (hier: eine Krankenschwester) bei seinem Arbeitgeber aus gesundheitlichen Gründen wegen Einnahme von Medikamenten keine Nachtschichten mehr arbeiten kann, heißt das nicht gleichzeitig, dass er arbeitsunfähig krank ist. Dem Arbeitnehmer ist die - grundsätzliche - Leistung der geschuldeten Arbeit auch weiterhin möglich. Er kann weiter arbeiten - nur eben nicht in einer Nachtschicht. Das führt dazu, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Beschäftigung hat, ohne dazu von seinem Arbeitgeber zur Nachtschicht eingeteilt zu werden. Der Arbeitgeber darf den Mitarbeiter daher nicht wegen "Nachtdienstuntauglichkeit" als arbeitsunfähig nach Hause schicken (BAG, 09.04.2014 - 10 AZR 637/13).
6.22 Personalgespräch
"Während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur dann anweisen, zu einem Personalgespräch in den Betrieb zu kommen, wenn hierfür ein dringender betrieblicher Anlass besteht, der einen Aufschub der Weisung auf einen Zeitpunkt nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit nicht gestattet, und die persönliche Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb dringend erforderlich ist und ihm zugemutet werden kann" (BAG, 02.11.2016 - 10 AZR 596/15 - Leitsatz).
6.23 Pflicht, Untersuchung zu dulden - 1
Die tarifvertraglich verankerte Pflicht eines Arbeitnehmers, eine ärztliche Untersuchung durch den Medizinischen Dienst oder das Gesundheitsamt zu dulden und daran mitzuwirken (hier: § 5 Abs. 2 BAT/AOK-Neu), verstößt grundsätzlich nicht gegen höherrangiges Recht (s. dazu BAG, 06.11.1997 - 2 AZR 801/96). Sicher: Die ärztliche Untersuchung und die Weitergabe der personenbezogenen Daten in puncto Arbeitsfähigkeit durch den Arzt an den Arbeitgeber stellen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters nach Art. 2 Abs. 1 GG dar (s. dazu BAG, 12.08.1999 - 2 AZR 55/99 und BAG, 06.11.1997 - 2 AZR 801/96). Nur: die Duldungspflicht verletzt dieses Recht nicht übermäßig. "Der Arbeitgeber kann die Mitwirkung des Arbeitnehmers nur aus gegebener Veranlassung, also nur bei berechtigten Zweifeln an der Arbeitsfähigkeit des Beschäftigten verlangen" (BAG, 25.01.2018 - 2 AZR 382/17 - mit Hinweis auf BAG, 27.09.2012 - 2 AZR 811/11).
6.24 Pflicht, Untersuchung zu dulden - 2
Der Arbeitgeber hat bei Zweifeln an der Arbeitsfähigkeit seines Mitarbeiters ein berechtigtes Interesse an der Untersuchung des Arbeitnehmers (hier: tariflich verankert in § 5 Abs. 2 BAT/AOK-Neu), weil ein arbeitsunfähiger Mitarbeiter nicht in der Lage ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeit zu leisten. Dessen Mitwirkungspflicht ist die Kehrseite der Arbeitgeber-Rücksichtnahmepflicht: Der darf seine Leute nämlich nicht überfordern. "In Abwägung hiermit sind die gegenläufigen Interessen des Arbeitnehmers, selbst über die Vornahme einer ärztlichen Untersuchung und Offenlegung von Befunden über seinen Gesundheitszustand zu entscheiden, ausreichend durch die dem untersuchenden Arzt obliegende Schweigepflicht geschützt" (BAG, 25.01.2018 - 2 AZR 382/17 - mit Hinweis auf BAG, 06.11.1997 - 2 AZR 801/96 - und seine Entscheidungen zur Untersuchung durch einen vom Arbeitgeber frei bestimmten Arzt: BAG, 27.09.2012 - 2 AZR 811/11 u. BAG, 07.11.2002 - 2 AZR 475/01).
6.25 Selbstverletzung
§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG knüpft die Entgeltfortzahlung u.a. daran, dass der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht arbeiten kann, "ohne dass ihn ein Verschulden trifft." Hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit verschuldet, ist die Entgeltfortzahlung ausgeschlossen. Aber: selbst eine mutwillige Selbstverletzung führt nicht gleich zum Verlust des Anspruchs aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Der Verschuldensbegriff im Recht der Entgeltfortzahlung deckt sich nicht mit dem allgemeinen zivilrechtlichen Begriff. Verschulden i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG verlangt einen groben Verstoß gegen das eigene Interesse eines verständigen Menschen - das heißt ein besonders leichtfertiges, grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten gegen sich selbst (LAG Hessen, 23.07.2013 - 4 Sa 617/13 - mit dem Ergebnis, dass die Selbstverletzung infolge eines unkontrollierten Wutausbruchs hier nicht reichte, Entgeltfortzahlungsansprüche auszuschließen).
6.26 Unterschiedliche Wiedereingliederungspläne
Der stark vereinfachte Fall: Der schwerbehinderter Arbeitnehmer S war lange Zeit arbeitsunfähig krank. Der Betriebsarzt von Arbeitgeber A empfahl eine Wiedereingliederung mit gewissen Einschränkungen. S legte A daraufhin einen Wiedereingliederungsplan seines behandelnden Arztes vor, der diese Einschränkungen nicht enthielt. A war das Ganze dann doch etwas zu risikobehaftet und er lehnte seine Mitwirkung bei der Wiedereingliederung ab. Daraufhin verklagte S den A auf Schadensersatz, weil ihm durch A's Weigerung wegen verspäteter Arbeitsaufnahme Arbeitsentgelt entgangen sei.
Das Wiedereingliederungsverfahren ist bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern eine freiwillige Sache. Der Arbeitgeber muss nicht mitmachen. Anders bei Schwerbehinderten. § 164 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX (= § 81 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX a. F.) gibt ihnen "gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruchauf .. Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können". Trotzdem war A nicht verpflichtet, bei der von S gewünschten Wiedereingliederung mitzuwirken. Er durfte zu Recht nach der Beurteilung seine Betriebsarztes Bedenken haben, ob S' Gesundheitszustand die Beschäftigung nach dem Wiedereingliederungsplan zulässt (BAG, 16.05.2019 - 8 AZR 530/17).
6.27 Urlaubsabgeltung - Schwerbehinderte Menschen
Die Vorschriften über die Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs sind auch auf den schwerbehinderten Mitarbeitern nach § 125 SGB IX zustehenden Zusatzurlaub anzuwenden. Das führt dazu, dass der Anspruch auf den Zusatzurlaub - wie der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub - erlischt, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer seinen (Zusatz)Urlaub nicht bis zum Ende des Kalenderjahres - oder, wenn die Voraussetzungen für eine Übertragung vorliegen - bis zum Ende des Übertragungszeitraums geltend macht. Trotz der neuen BAG-/EuGH-Rechtsprechung zum verlängerten Verfall von Urlaubsansprüchen bei Krankheit: "Diese Voraussetzungen erfüllen allein eine Schwerbehinderung und die ihr zugrunde liegende Erkrankung nicht. Eine Krankheit, die keine Arbeitsunfähigkeit begründet, hindert ... den Verfall des Urlaubs nicht, da eine solche Krankheit der Urlaubsgewährung nicht entgegensteht" (BAG, 04.11.2015 - 7 AZR 851/13).
6.28 Urlaubskürzung?
Das Bundesarbeitsgericht hat für Kurzarbeit "Null" entschieden, dass der Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern gekürzt werden kann, weil die wegen Kurzarbeit ausfallenden Arbeitstage zu einer Neuverteilung der Arbeitszeit führen und der Urlaubsanspruch sich dadurch entsprechend verringert. Lässt sich dieses Prinzip auch auf den Ausfall von Arbeit wegen Arbeitsunfähigkeit übertragen? Nach BAG-Auffassung ganz klar nicht. Ein arbeitsunfähig erkrankter Mitarbeiter ist nicht in der gleichen Situation wie ein Arbeitnehmer in Kurzarbeit (s. dazu EuGH, 08.11.2012 – C-229/11 und EuGH, 08.11.2012 - C-230/11). Die Situation, in der sich ein Kurzarbeiter befindet, ist eher mit der eines Mitarbeiters in Teilzeit vergleichbar (dazu ebenfalls EuGH, 08.11.2012 – C-229/11 und EuGH, 08.11.2012 - C-230/11). Damit ist die Anwendung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit sachlich gerechtfertigt, während der Urlaubsanspruch eines arbeitsunfähig erkrankten Mitarbeiters lediglich das Bestehen seines Arbeitsverhältnisses voraussetzt (BAG, 30.11.2021 - 9 AZR 225/21).
6.29 Verarbeitung von Gesunheitsdaten
Manche Rechtsfragen kann bzw. darf das BAG nicht selbst entscheiden. Vor allem solche Rechtsfragen nicht, die die Auslegung von EU-Recht betreffen. Da stößt das höchste nationale Arbeitsgericht schnell an seine Grenzen - zum Beispiel bei der Auslegung der EU-DSGVO in puncto "Gesundheitsdaten". Was macht das BAG dann in so einem Fall? Es legt dem EuGH die zielführenden Fragen zur Vorabentscheidung vor: "1. Ist Art. 9 Abs. 2 Buchstabe h der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden DSGVO) dahin auszulegen, dass es einem Medizinischen Dienst einer Krankenkasse untersagt ist, Gesundheitsdaten seines Arbeitnehmers, die Voraussetzung für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit dieses Arbeitnehmers sind, zu verarbeiten?"
"2. Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage zu 1. verneinen sollte mit der Folge, dass nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe h DSGVO eine Ausnahme von dem in Art. 9 Abs. 1 DSGVO bestimmten Verbot der Verarbeitung von Gesundheitsdaten in Betracht käme: Sind in einem Fall wie hier über die in Art. 9 Abs. 3 DSGVO bestimmten Maßgaben hinaus weitere, gegebenenfalls welche Datenschutzvorgaben zu beachten? 3. Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage zu 1. verneinen sollte mit der Folge, dass nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe h DSGVO eine Ausnahme von dem in Art. 9 Abs. 1 DSGVO bestimmten Verbot der Verarbeitung von Gesundheitsdaten in Betracht käme: Hängt in einem Fall wie hier die Zulässigkeit bzw. Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von Gesundheitsdaten zudem davon ab, dass mindestens eine der in Art. 6 Abs. 1 DSGVO genannten Voraussetzungen erfüllt ist?" (BAG, 26.08.2021 - 8 AZR 253/20 (A)).
6.30 Verschulden
Arbeitnehmer haben nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG einen maximal 6-wöchigen Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn sie infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert sind - "ohne dass" sie "ein Verschulden trifft". Verschuldet ist eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, wenn der Arbeitnehmer in einem erheblichen Maß gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Ist ein Arbeitnehmer alkoholkrank, fehlt es bei einem Rückfall in den Alkoholkonsum regelmäßig an einem Verschulden i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit (BAG, 18.03.2015 - 10 AZR 99/14 - mit dem Hinweis, dass wegen der 40- bis 50-prozentigen Abstinenzrate ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall nicht generell ausgeschlossen werden kann).
6.31 Vortäuschen einer Krankheit
Da hatte sich Auszubildender A krankschreiben lassen, um eine Nachprüfung zu schwänzen. Natürlich war A nicht krank, hielt seine Idee aber für ausgesprochen clever. A's Ausbilder und das Arbeitsgericht waren anderer Meinung. Die außerordentliche Künigung wegen Vortäuschens einer tatsächlich nicht vorhandenen Krankheit ging unbeanstandet durch. Keine clevere Idee, sondern eine schwere Verletzung der Pflichten aus dem Ausbildungsvertrag. A hatte sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur ausstellen lassen, damit er nicht an der Prüfung teilnehmen musste. Die von ihm behauptete "Spontangenesung" vor Ablauf der ärztlich bescheinigten Dauer der Arbeitsunfähigkeit glaubte ihm das Gericht nicht (ArbG Siegburg, 17.03.2022 - 5 Ca 1849/21 - mit dem Hinweis, dass kein Auszubildender erwarten könne, dass sein Ausbilder die Vorlage einer falschen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, mit der sich der Auszubildende vor einer Prüfung drücken möchte, hinnehmen werde).
6.32 Werbungskosten
In der Regel sind krankheitsbedingte Aufwendungen eines Arbeitnehmers für Heilmittel steuerlich nicht privilegiert und auch nicht abzugsfähig - sie gehören zu den Kosten der Lebensführung. In Betracht kommt insoweit lediglich die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Aber: "Aufwendungen zur Wiederherstellung der Gesundheit können dann betrieblich oder beruflich veranlasst sein, wenn es sich um eine typische Berufskrankheit handelt oder der Zusammenhang zwischen Erkrankung und dem Beruf eindeutig feststeht" (BFH, 11.07.2013 - VI R 37/12 - Leitsatz - hier: krankengymnastische Behandlungen einer als Geigerin tätigen Berufsmusikerin).
6.33 Wettbewerbsverbot
Arbeitgeber dürfen mit ihren Arbeitnehmern nach den §§ 74 HGB ein sogenanntes Wettbewerbsverbot vereinbaren. Als Folge eines wirksamen Wettbewerbsverbots muss sich der Arbeitnehmer in seiner beruflichen Tätigkeit zurückhalten und darf nur noch das tun, was ihm nicht verboten ist. Die Pflicht des Arbeitgebers, für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Karenzentschädigung zu zahlen, entfällt nicht allein deswegen, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist (BAG, 23.11.2004 - 9 AZR 595/03).
6.34 Wiedereingliederung
Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben gegen ihren Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Diese Anspruch besteht auch in Fällen, in denen der schwerbehinderte Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist und er nach ärztlicher Empfehlung wieder stufenweise in seine berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden kann (§ 74 SGB V, s. dazu auch das Stichwort Wiedereingliederungsverhältnis). Anspruchsvoraussetzung ist die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, die außer der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit auch einen Wiedereingliederungsplan über die aus ärztlicher Sicht zulässige Arbeit enthält (BAG, 13.06.2006 - 9 AZR 229/05).
6.35 Zurechnung als Tätigkeitsjahr?
Es gibt Tarifverträge, die Eingruppierung und Stufenaufstieg an "Tätigkeitsjahren" festmachen – in diesem Fall z.B. der Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie vom 18.07.1987 i.d.F. vom 30.09.2004 in § 8 Nr. 2 lit. b Alt. 4, Nr. 3 und § 9. Tarifnormen dieser Art stellen nicht bloß auf eine bestimmte Zeit seit Beginn von Beruf und/oder Tätigkeit ab, sie verlangen eine tatsächliche Tätigkeit (s. dazu BAG, 28.06.1994 – 3 AZR 988/93). Arbeitnehmer müssen daher in den betreffenden Zeiträumen wirklich etwas tun – und zwar in einer durch die Merkmale der betreffenden Entgeltgruppe näher ausgestalteten qualifizierten Art und Weise (so: BAG, 28.06.1994 – 3 AZR 988/93 u. BAG, 10.09.1980 – 4 AZR 719/78). Die Honorierung einer durch Ausübung von Tätigkeiten gewonnenen Erfahrung lässt sich nicht erreichen, wenn das Arbeitsverhältnis ruht – z.B. bei Elternzeit oder Wehrdienst. Das Gleiche gilt für die Zeit einer Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlung, in der der Zweck der tariflichen Regelung nicht erreicht werden kann (BAG, 18.11.2020 – 5 AZR 57/20 – mit Hinweis auf BAG, 25.09.2013 – 10 AZR 850/12).
Siehe auch
Arbeitsunfähigkeit - AnzeigepflichtArbeitsunfähigkeit - AuslandserkrankungArbeitsunfähigkeit - BeweisfragenArbeitsunfähigkeit - Bundesagentur für ArbeitArbeitsunfähigkeit - NachweispflichtArbeitsunfähigkeit - UrlaubKündigung - außerordentliche: Einzelfall-ABCKündigung - VerdachtskündigungKündigungsschutz - Beschäftigungsanspruch