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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Kündigung - betriebsbedingt: Prüfungsschema
Kündigung - betriebsbedingt: Prüfungsschema
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber kämpft bei einer betriebsbedingten Kündigung mit den Tücken des Kündigungsschutzgesetzes und der Rechtsprechung (s. dazu auch die Stichwörter Kündigung - betriebsbedingt: Allgemeines und Kündigung - betriebsbedingt: Rechtsprechung). Die Messlatte für eine erfolgreiche betriebsbedingte Kündigung liegt hoch. Das fängt bei dem betrieblichen Erfordernis, das die Kündigung rechtfertigen soll, an (s. dazu das Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Ursachen) und endet schließlich bei der Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Ein verbindliches Prüfungsschema, das unterm Strich stets zu einer erfolgreichen betriebsbedingten Kündigung führt, gibt es nicht. In der Praxis empfiehlt sich eine fünfstufige Prüfung. Dabei müssen die richtigen Antworten auf folgende 5 Fragen gefunden werden:
- 1. Stufe:
Welcher außer- oder innerbetriebliche äußere Ursache soll eine Kündigung rechtfertigen (Kündigung - betriebsbedingt: Ursachen)?
- 2. Stufe:
Wie ist die Reaktion des Arbeitgebers auf diese außer- oder innbetriebliche Ursache (Kündigung - betriebsbedingt: Arbeitgeberreaktion)?
- 3. Stufe:
Wie ist die Auswirkung dieser Reaktion auf die vorhandenen Arbeitsplätze (Kündigung - betriebsbedingt: Dringlichkeit)?
- 4. Stufe:
Besteht für eine Kündigung ein dringendes betriebliches Erfordernis (Kündigung - betriebsbedingt: Dringlichkeit)?
- 5. Stufe:
Welcher Arbeitnehmer ist nach der zu treffenden Sozialauswahl vor einer betriebsbedingten Kündigung geschützt?
Will man eine erfolgreiche betriebsbedingte Kündigung durchsetzen, sollte man das 5-Stufen-Prinzip am besten mit dem Springreiten im Pferdesport vergleichen: Wer aufs Siegertreppchen will, braucht nicht nur das eine oder andere Hindernis fehlerfrei zu überspringen. Wer siegen will, muss alle Hindernisse fehlerfrei nehmen. So reicht es auch bei einer betriebsbedingten Kündigung nicht aus, bloß einige der oben genannten Stufen zu meistern. Alle fünf Stufen müssen im Sinn der Rechtsprechung abgearbeitet und erfolgreich gemeistert werden. Da gibt es keine Ausnahme. Selbst wenn das betriebliche Erfordernis noch so dringend ist: Eine betriebsbedingte Kündigung ist unwirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten im letzten Prüfungsschritt für den falschen Arbeitnehmer entschieden hat.
2. 1. Prüfungsstufe: die außer- oder innerbetriebliche Ursache
Die erste Prüfungsstufe beginnt mit der Suche nach der Ursache, die eine Kündigung rechtfertigen soll (s. dazu das Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Ursachen).
Beispiele:
- (1)
Arbeitgeber A betreibt ein Fachgeschäft für Tapeten. In A's Nähe siedelt sich ein großflächiger Baumarkt an, dessen Tapetensortiment das des A bei Weitem übertrifft. Der Baumarkt tritt sehr preisaggressiv auf und A stellt schon nach wenigen Wochen einen rapiden Umsatzrückgang und eine stetig niedriger werdende Kundenfrequenz fest. Damit wird auch die anfallende Arbeit geringer. Die Ansiedlung des Baumarkts hat eine negative Auswirkung auf A's Fachgeschäft. Sie führt als äußere Ursache dazu, dass sein Umsatz und die Kundenfrequenz fallen und das Volumen der von ihm zu gebenden Arbeit geringer wird. Das wiederum wirkt sich unmittelbar auf A's Betrieb und seine Mitarbeiter aus. Zurückgehender Umsatz, rückläufige Kundenfrequenz und ein reduziertes Arbeitsvolumen sind hier die äußeren Ursachen, die eine Kündigung rechtfertigen können.
- (2)
Arbeitgeber B betreibt in der Nähe von A's Fachgeschäft einen Produktionsbetrieb für Fahrzeugteile. Die Ansiedlung des Baumarkts lässt ihn kalt. Er steht direkt mit den Autoherstellern in Kontakt und hat keine Geschäftsverbindungen zu Letztverbrauchern. Die Ansiedlung des Baumarkts hat für ihn überhaupt keine betrieblichen Auswirkungen. Wegen fehlender betrieblicher Auswirkungen kann B die Ansiedlung des Baumarkts nicht als Grundlage für betriebsbedingte Kündigungen nehmen. Sie kommt als kündigungsrelevante Ursache nicht in Betracht.
- (3)
Arbeitgeber C betreibt in der Nähe von A's Fachgeschäfts ein Schnellrestaurant. Seit der Baumarkt geöffnet hat, steigt bei ihm die Kundenfrequenz enorm an. Die Mitarbeiter des Baumarkts gehen bei ihm essen, viele Baumarktkunden ebenfalls. C macht seit der Ansiedlung des Baumarkts mehr Umsatz und hat eine täglich steigende Kundenfrequenz. Dadurch vergrößert sich bei ihm das Arbeitsvolumen. C hat erst recht keinen Grund, die Ansiedlung des Baumarkts und die dadurch entstandenen Auswirkungen auf seinen Betrieb als Ursache anzusehen, die eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen könnte. Im Gegenteil: Hier schafft die Ansiedlung des Baumarkts und die dadurch hervorgerufene höhere Kundenfrequenz mit Umsatzsteigerung eher Bedarf für Neueinstellungen.
Unterm Strich ist es natürlich immer eine Frage des Einzelfalls, ob und wie sich eine außer- oder innerbetriebliche Ursache auf den Betrieb eines Arbeitgebers auswirkt (s. dazu auch das Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Ursachen). Diese Beispiele sollen den Blick dafür schärfen, dass ein und dieselbe außer- oder innerbetriebliche Ursache eine unterschiedliche betriebliche Auswirkung haben kann. Ursachen, die keine Auswirkung auf den Betrieb haben, können keine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen.
3. 2. Prüfungsstufe: die Reaktion des Arbeitgebers auf die außer- oder innerbetriebliche Ursache
Der Arbeitgeber braucht bei einer bestimmten außer- oder innerbetrieblichen Ursache mit betrieblichen Auswirkungen nicht gleich an eine Kündigung zu denken. Er ist Unternehmer und hat alle unternehmerischen Reaktionsmittel, die ihm zur Verfügung stehen (s. dazu das Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Arbeitgeberreaktion).
Beispiele:
- (1)
Arbeitgeber A aus dem Beispielfall im ersten Gliederungspunkt sieht seine wirtschaftliche Existenz durch die übermächtige Konkurrenz des Baumarkts ernstlich gefährdet. Er entschließt sich dazu, einen Handwerksmeister einzustellen und zusätzliche handwerkliche Serviceleistungen anzubieten, die der Baumarkt nicht in seinem Angebot hat. Dadurch gelingt es A, die rückläufige Tendenz aufzufangen und seinen Betrieb wieder in die alten Umsatz- und Gewinnzonen zu fahren. Die Einstellung des Handwerksmeisters ist eine Reaktion auf außer- oder innerbetriebliche Ursachen.
- (2)
Arbeitgeber A aus dem Beispielfall im ersten Gliederungspunkt beauftragt einen Unternehmensberater mit der Rentabilitätsprüfung seines Unternehmens. Gleichzeitig soll der Unternehmensberater ein neues Konzept entwickeln, das A marktfähig hält. Dieses Konzept wird von A umgesetzt. A eröffnet sein Geschäft nach kurzer Umbauphase neu und bietet ein weit gefächertes Sortiment an exklusiven Tapeten, hochwertigen Haustextilien und edlen Deko-Stücken an, die sich deutlich vom Billigangebot des Baumarkts unterscheiden und eine neue, zahlungskräftige Käuferschicht erschließen. Die Umstellung des Sortiments ist eine weitere Reaktion auf außer- oder innerbetriebliche Ursachen.
- (3)
Arbeitgeber A aus dem Beispielfall im ersten Gliederungspunkt überprüft seine Kostensituation. Dabei stellt er fest, dass er eine viel zu hohe Miete zahlt und durch einen Anbieterwechsel erhebliche Einsparungen bei Strom, Wasser und Telekommunikation erzielen kann. Zudem bietet sich ihm die Möglichkeit, den Einkaufsverband zu wechseln. Dadurch erhält A günstigere Konditionen und eine wesentlich besser Gewinnspanne. Des Weiteren entschließt sich A, einen Teilfläche seines großen Parkplatzes an einen Imbissstand und eine nicht mehr genutzte Lagerhalle an einen Kurierdienst zu vermieten. Mit den Ersparnissen und den zusätzlichen Einkünften arbeitet A wieder in der Gewinnzone. Auch das sind Arbeitgeberreaktionen auf außer- oder innerbetriebliche Ursachen.
- (4)
Arbeitgeber A aus dem Beispielfall im ersten Gliederungspunkt sieht seine unternehmerische Chance darin, dass er sein Sortiment verkleinert und nur noch ein paar spezielle Anbieter führt, die in einem Baumarktsortiment nicht zu finden sind. Dadurch werden A's Umsätze zwar weiterhin schrumpfen. Nach einer internen Umstrukturierung, die mit dem Abbau von zwei Arbeitsplätzen verbunden ist, wird A seinen Betrieb aber wirtschaftlich wieder so aufgestellt haben, dass sein Auskommen und die Arbeitsplätze der übrig bleibenden Mitarbeiter gerettet sind. Diese Arbeitgeberreaktion auf außer- und innerbetriebliche Ursachen hat eine ganz konkrete Auswirkung auf den Mitarbeiterbedarf.
- (5)
Arbeitgeber A aus dem Beispielfall im ersten Gliederungspunkt sieht sich durch starke Konkurrenz des Baumarkts buchstäblich an die Wand gedrückt. A ist inzwischen Mitte 60, hat keinen Nachfolger und denkt ans Aufhören. Jeder Monat, den er sein Geschäft länger offen halten würde, würde ihn Geld kosten, das er nicht wieder hereinbekommt. A entschließt sich schweren Herzens dazu, sein Geschäft zu schließen, den Betrieb stillzulegen und die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter zu beenden. Auch das ist eine Reaktion auf außer- und innerbetriebliche Ursachen - die ultimative sogar.
Die Reaktion des Arbeitgebers auf außer- und innerbetriebliche Ursachen ist eine unternehmerische Entscheidung. Diese unternehmerische Entscheidung wird von den Gerichten für Arbeitssachen nicht auf ihre betriebswirtschaftliche und organisatorische Zweckmäßigkeit überprüft, sondern allein darauf, ob sie willkürlich ist oder sonst missbräuchlich erfolgt (BAG, 13.03.2008 - 2 AZR 1037/06). Das Arbeitsgericht setzt sich also nicht an die Stelle des Unternehmers, sondern führt nur eine Missbrauchskontrolle durch.
Wichtig:
Unternehmerische Entscheidung ist nicht die Kündigung, sondern die Maßnahme, die als Reaktion auf außer- und innerbetriebliche Ursachen zum Verlust von Arbeitsplätzen führt.
4. 3. Prüfungsstufe: die Auswirkung dieser Reaktion auf die Arbeitsplätze
So vielfältig wie die Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers auf außer- oder innerbetriebliche Ursachen sind, sind auch die Auswirkungen dieser Reaktionen auf die Arbeitsplätze (s. dazu auch das Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Dringlichkeit). Eine unternehmerische Entscheidung führt nicht zwingend zum Wegfall eines oder mehrerer Arbeitsplätze.
Beispiele:
- (1)
Wie (1) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: Ob sich das Angebot zusätzlicher Serviceleistungen und die Einstellung des Handwerksmeisters auf die vorhandenen Arbeitsplätze auswirken, ist eine Tatfrage. Wird das bisherige Arbeitsvolumen wieder erreicht, wirkt sich die unternehmerische Entscheidung gar nicht auf die Arbeitsplätze aus. Verlagert sich der Unternehmensschwerpunkt vom Tapetenhandel zum handwerklichen Service, kann das zum Abbau von Arbeitsplätzen führen, die wegen geänderter Anforderungsprofile nicht mehr benötigt werden.
- (2)
Wie (2) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: Das neue unternehmerische Konzept kann dazu führen, dass der Bestand an Arbeitsplätzen unverändert bleibt oder Arbeitsplätze abgebaut oder geändert werden müssen. Auch hier ist es eine Tatfrage, was mit den Arbeitsplätzen nach Änderung des Konzepts passiert. Können alle Mitarbeiter weiter beschäftigt werden, wirkt sich die unternehmerische Entscheidung nicht auf die Arbeitsplätze aus. Entfallen einige Stellen oder müssen bestimmte Stellen neu besetzt werden, weil die vorhandenen Mitarbeiter das neue Anforderungsprofil nicht erfüllen, wirkt sich die unternehmerische Entscheidung schon auf die Arbeitsplätze aus.
- (3)
Wie (3) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: A's Ersparnisse und neue Erwerbsquellen sichern zunächst den Fortbestand des Betriebs. Das heißt aber nicht, dass damit gleichzeitig auch die Arbeitsplätze gesichert sind. Stellt A fest, dass trotz wirtschaftlicher Sicherung seines Unternehmens für die noch anfallende Arbeit zu viel Mitarbeiter da sind, wird er wegen dieses Personalüberhangs aktiv werden müssen. In diesem Fall kann er die unternehmerische Entscheidung treffen, seinen Personalbestand an das noch vorhandene Arbeitsvolumen anzupassen.
- (4)
Wie (4) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: Die interne Umstrukturierung führt dazu, dass weniger Arbeit da ist. Dass weniger Arbeit da ist führt dazu, dass ein Überhang von zwei Arbeitsplätzen besteht. Die unternehmerische Entscheidung Umstrukturierung führt hier ganz konkret zu einem geringeren Arbeitsvolumen und damit zu einem geringeren Mitarbeiterbedarf. Sie hat eine direkte Auswirkung auf die vorhandenen Arbeitsplätze.
- (5)
Wie (5) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: A's unternehmerische Entscheidung, seinen Betrieb stillzulegen, ist die endgültige Reaktion auf einen betrieblichen Anlass. Nach der Stilllegung gibt es keinen Betrieb mehr, in dem Arbeitnehmer beschäftigt werden können. Hier führt die unternehmerische Entscheidung geradewegs zum Abbau aller vorhandenen Arbeitsplätze.
Auch die Auswirkung der Arbeitgeberreaktion auf die Arbeitsplätze ist eine Tatfrage des Einzelfalls. So kann die Reaktion des Arbeitgebers in einem Fall zum Verlust von Arbeitsplätzen führen, in einem anderen wiederum nicht oder sogar neue Arbeitsplätze entstehen lassen. Für die betriebsbedingte Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist eben Voraussetzung, dass die Reaktion des Arbeitgebers den Wegfall eines oder mehrer Arbeitsplätze bedingt (s. dazu auch das Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Dringlichkeit).
5. 4. Prüfungsstufe: die Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses
Eine außer- oder innerbetriebliche Ursache ist nur dann geeignet, die betriebsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers zu rechtfertigen, wenn diese Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG - mehr dazu im Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Dringlichkeit).
Beispiel:
- (1)
Wie (4) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: Wegen der unternehmerischen Entscheidung Umstrukturierung fallen zwei Arbeitsplätze weg. Vom Abbau der Arbeitsplätze ist auch Mitarbeiter M betroffen. Seine Stelle wird wegrationalisiert. Das könnte seine Kündigung rechtfertigen. Aber: Könnten bei anderen Mitarbeitern Überstunden abgebaut und M mit dem frei werdenden Arbeitsvolumen beschäftigt werden, lägen keine dringenden betrieblichen Erfordernisse für seine betriebsbedingte Kündigung vor. Es ist ja noch Arbeit da. Zwar fällt der bisher von M ausgefüllte Arbeitsplatz weg. Er kann aber weiter beschäftigt werden. A kann sein Arbeitsverhältnis daher nicht wegen dringender betrieblicher Erfordernisse kündigen, die einer Weiterbeschäftigung des M in seinem Betrieb entgegenstehen.
- (2)
Wie (4) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: Bei A fällt ein Arbeitsvolumen für zwei der bisherigen Arbeitsplätze weg. A braucht bei den beiden betroffenen Mitarbeitern nicht gleich zwei betriebsbedingte Beendigungskündigungen auszusprechen. Er kann auch versuchen, das reduzierte Arbeitsvolumen dadurch aufzufangen, dass er die bisherigen Vollzeitstellen umwandelt und mit einem neuen unternehmerischen Konzept Teilzeit arbeiten lässt. A müsste dann betriebsbedingte Änderungskündigungen aussprechen und den Vollzeitmitarbeitern damit die Fortsetzung ihrer Arbeitsverhältnisse zu geänderten Arbeitsbedingungen, nämlich mit kürzerer Arbeitszeit und reduziertem Gehalt, anbieten.
- (3)
Wie (4) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: Die zwei abzubauenden Arbeitsplätze setzen zwei Mitarbeiter frei. Entschließt sich A, sein Sortiment zu ändern und schafft er damit wieder Arbeit, fallen die beiden Arbeitsplätze nicht wirklich weg. Sind die beiden Arbeitnehmer, denen A sonst kündigen müsste, in der Lage, die Anforderungen der neuen Arbeitsplätze zu erfüllen, können sie auf diesen Arbeitsplätzen weiter beschäftigt werden. In diesem Fall würde es dann auch keine dringenden betrieblichen Erfordernisse geben, die ihrer Weiterbeschäftigung in A's Betrieb entgegenstehen. A könnte nicht betriebsbedingt kündigen.
- (4)
Wie (4) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: A prüft alle Möglichkeiten durch, die ihm sein Betrieb lässt. Er kann weder Mehrarbeit abbauen noch kann er Vollzeitstellen in Teilzeitarbeitsplätze umwandeln. Eine Sortimentsänderung kommt wegen des Standorts nicht in Frage - alle Faktoren stehen der Weiterbeschäftigung zweier Arbeitnehmer im Betrieb des A entgegen. Er hat keine Möglichkeit, die Kündigung dieser beiden Arbeitnehmer zu verhindern. Damit ist nun ist der Weg für eine betriebsbedingte Kündigung geöffnet.
- (5)
Wie (5) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: A's Entscheidung, seinen Betrieb stillzulegen, führt dazu, dass alle Arbeitsplätze in Zukunft wegfallen. Ein dringenderes betriebliches Erfordernis als der völlige Wegfall jeglicher Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf Grund der unternehmerischen Entscheidung Betriebsstilllegung gibt es nicht. A bleibt in diesem Fall keine Möglichkeit, weiter Arbeit zu geben - er hat einfach keine mehr. A darf deswegen betriebsbedingt kündigen. Hier ist das betriebliche Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung aller Arbeitnehmer im Betrieb des A entgegensteht, am dringendsten.
Auch die Dringlichkeitsprüfung ist immer eine Frage des Einzelfalls. Bei Kündigungen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Es gilt das so genannte Ultima-Ratio-Prinzip. Solange noch ein milderes Mittel in Betracht kommt, auf eine außer- oder innerbetriebliche Ursache anders als durch eine Kündigung zu reagieren, muss dieses mildere Mittel gewählt werden (s. dazu das Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Dringlichkeit).
6. 5. Prüfungsstufe: die richtige Sozialauswahl
Letztlich entscheidet die Frage, ob der Arbeitgeber für seine betriebsbedingte Kündigung den richtigen Mitarbeiter ausgewählt hat. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sagt nämlich, dass die betriebsbedingte Kündigung eines Mitarbeiters trotz der dringenden betrieblichen Erfordernisse, die seiner Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, sozial ungerechtfertigt ist, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers
die Dauer der Betriebszugehörigkeit,
das Lebensalter,
die Unterhaltspflichten und
die Schwerbehinderung
des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.
Beispiele:
- (1)
Wie (4) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: A beschäftigt eine Vielzahl von Arbeitnehmern, die unterschiedlich lange bei ihm sind. Mitarbeiter M1 und M2 haben schon das 25-jährige Arbeitsjubiläum gefeiert, Mitarbeiter M3 bis M5 sind ungefähr zwanzig Jahre in A's Geschäft, Mitarbeiter M6 bis M11 zwischen zehn und zwanzig Jahren, Mitarbeiter M12 bis M18 zwischen fünf und zehn Jahren, alle anderen Arbeitnehmer unter fünf Jahre. Neben M1 und M2 kommen auch etliche Mitarbeiter für eine Kündigung in Betracht, die weniger lange bei A beschäftigt sind. Wenn er nun die Arbeitsverhältnisse von M1 und M2 beenden würde, wäre seine Sozialauswahl falsch, seine betriebsbedingte Kündigung trotz der dringenden betrieblichen Erfordernisse sozial ungerechtfertigt.
- (2)
Wie (4) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: Der Arbeitsplatzabbau wirkt sich auf insgesamt fünf Arbeitnehmer aus, deren Arbeitsverhältnisse A wegen der dringenden betrieblichen Erfordernisse beenden könnte. Alle fünf Arbeitnehmer haben ungefähr die gleiche Betriebszugehörigkeit, aber unterschiedliche Lebensalter. Für zwei von ihnen muss sich A entscheiden. Will er den beiden ältesten der in Frage kommenden Mitarbeiter kündigen, würde er bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer das Lebensalter nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt. In diesem Fall wäre seine betriebsbedingte Kündigung trotz der dringenden betrieblichen Erfordernisse ebenfalls sozial ungerechtfertigt.
- (3)
Wie (4) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: A hat für seine betriebsbedingte Kündigung drei Arbeitnehmer in die engere Wahl gezogen. Mitarbeiter M12 ist fünf Jahre bei A, 30 Jahre alt, unverheiratet und kinderlos. M12 hat keine Unterhaltspflichten. Mitarbeiter M14 ist 32 Jahre alt, sechs Jahre bei A tätig, verheiratet und Vater von drei minderjährigen Kindern. Mitarbeiter M17 ist 27 Jahre alt, seit 8 Jahren bei A beschäftigt, geschieden und Vater einer minderjährigen Tochter, die bei seiner geschiedenen Frau lebt. A kann sich wegen dringender betrieblicher Erfordernisse von zwei Mitarbeitern trennen. Allein auf Grund der Unterhaltspflichten müssten das M12 (0) und M17 (2) sein. M14 hat drei unterhalteberechtigte Kinder zu versorgen. Würde A sich von M14 und M17 trennen und den "flexiblen" Junggesellen M12 behalten, wäre seine Sozialauswahl falsch, seine betriebsbedingte Kündigung von M14 sozial ungerechtfertigt.
- (4)
Wie (4) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: Wieder stehen A drei von ihrem Arbeitsplatz her vergleichbare Arbeitnehmer zu Auswahl, die auch nahezu identische Sozialdaten haben. Mitarbeiter M 21 ist jedoch schwerbehindert. Entscheidet sich A dazu, sein Arbeitsverhältnis zu beenden und das eines vergleichbaren nicht schwerbehinderten Kollegen nicht, könnte die Kündigung des M21 sozial ungerechtfertigt sein, obwohl dafür eigentlich dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die einer Weiterbeschäftigung des M21 im Betrieb des A entgegenstehen. Bei der Auswahl des M21 als zu kündigendem Arbeitnehmer wurde die Schwerbehinderung dieses Arbeitnehmer nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt.
- (5)
Wie (5) in den Beispielen des vorausgehenden Gliederungspunkts: A's unternehmerische Entscheidung, seinen Betrieb stillzulegen, führt zum Abbau aller Arbeitsplätze. Die Frage der richtigen Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer stellt sich hier nicht mehr. Alle Mitarbeiter des A sind von der Kündigung betroffen - da brauchen Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung nicht mehr berücksichtigt zu werden.
Auch bei der Sozialauswahl gibt es kein allgemein verbindliches Schema, das eine zutreffende Sozialauswahl garantiert. Der Arbeitgeber hat aber mittlerweile mit Zustimmung des BAG die Möglichkeit, seine Auswahlentscheidung nach einem Punktesystem zu treffen und mit diesem Punktesystem nach der jeweils erreichten Punktezahl eine Rangfolge der zu kündigenden Arbeitnehmer zu erstellen (BAG, 09.11.2006 - 2 AZR 812/05). Weitere Hinweise zur Sozialauswahl stehen in den Stichwörtern Kündigung - betriebsbedingt: Allgemeines und Kündigung - betriebsbedingt: Rechtsprechung.
7. Abschließende Betrachtung
Jede einzelne der fünf Prüfungsstufen setzt sich wiederum aus einer unterschiedlichen Anzahl von Zwischenstufen zusammen. Diese Zwischenstufen werden in weiteren Stichwörtern erörtert (Kündigung - betriebsbedingt: Ursachen, Kündigung - betriebsbedingt: Arbeitgeberreaktion, Kündigung - betriebsbedingt: Dringlichkeit und Kündigung - betriebsbedingt: Sozialauswahl, das noch nicht vorliegt). Zwischen den fünf großen Hürden - um im Sprachgebrauch der Einleitung zu bleiben - stehen noch viele kleinere Hindernisse, die natürlich ebenfalls fehlerfrei zu nehmen sind. Typische Fälle betriebsbedingter Kündigungen sind im Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Einzelfälle hinterlegt.
Siehe auch
Kündigung - betriebsbedingt: Allgemeines
Kündigung - betriebsbedingt: Arbeitgeberreaktion
Kündigung - betriebsbedingt: Dringlichkeit
Kündigung - betriebsbedingt: Einzelfälle
Kündigung - betriebsbedingt: Rechtsprechung