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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Pflegezeit - Teilweise Freistellung
Pflegezeit - Teilweise Freistellung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Beschäftigte (§ 7 Abs. 1 PflegeZG) haben Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung bis zu sechs Monaten, um einen Angehörigen zu Hause zu pflegen (§§ 3 und 4 PflegeZG). Außerdem besteht ein Anspruch auf Freistellung auch, wenn der Arbeitnehmer einen pflegebedürftigen minderjährigen nahen Angehörigen in häuslicher oder außerhäuslicher Umgebung betreut. Das Gleiche gilt, wenn ein naher Angehöriger betreut wird, der aufgrund einer schweren, unheilbaren Krankheit eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten hat. Der Beitrag informiert Sie über die Aspekte, die im Zusammenhang mit einer teilweisen Freistellung wichtig sind.
Ein Anspruch auf teilweise Freistellung besteht auch nach § 2 Familienpflegezeitgesetz (FPfZG - siehe auch die Stichwörter unter Familienpflegezeitgesetz). Im Zweifel ist der Anspruch auf Pflegezeit vorrangig (§ 2a Abs. 1 S. 3 FPfZG).
Nach § 9a TzBfG haben Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht, einen Rechtsanspruch auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit. Der Anspruch besteht jedoch nicht gegenüber Arbeitgebern, die in der Regel nicht mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigen; für Betriebe bis 200 Arbeitnehmer gilt eine Überforderungsklausel. Die Verringerung der Arbeitszeit muss mindestens ein Jahr und darf höchstens fünf Jahre betragen. Ein besonderer Grund für die Reduzierung der Arbeitszeit ist nicht erforderlich. Die Brückenteilzeit kann auch für die Pflege eines Angehörigen in Anspruch genommen werden. Ggf. kann die Freistellung nach dieser Regelung auch im Anschluss an Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch genommen werden.
2. Schriftliche Ankündigung
Die Inanspruchnahme der Pflegezeit muss der Beschäftigte spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn schriftlich ankündigen (§ 3 Abs. 3 S. 46 PflegeZG). Dabei ist neben dem gewünschten Zeitraum auch anzugeben, in welchem Umfang die Freistellung in Anspruch genommen werden soll. Bei teilweiser Freistellung ist auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit mitzuteilen.
Durch § 9 Abs. 3 PflegeZG ist es im Hinblick auf die Corona-Pandemie ausreichend, wenn die Ankündigung in Textform, also auch durch Fax, E-Mail oder SMS erfolgt. Mit diesen Regelungen soll einerseits eine schnelle Reaktion auf Umstände möglich sein, die sich infolge der Corona-Pandemie ergaben; andererseits sollte die Inanspruchnahme durch den Verzicht auf die Schriftform erleichtert werden (vgl. BT-Drs. 19/19216 S. 108).
Nimmt der Beschäftigte im Anschluss an Familienpflegezeit die Pflegezeit in Anspruch, muss sich diese unmittelbar an die Familienpflegezeit anschließen (§ 3 Abs. 3 S. 46 PflegeZG). Durch § 9 Abs. 4 PflegeZG besteht auch nach einer Unterbrechung Anspruch auf Pflegezeit, wenn die Familienpflegezeit spätestens mit Ablauf des 30.04.2023 endet, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Dies gilt entsprechend auch im umgekehrten Fall, dass sich die Pflegezeit an die Familienpflegezeit anschließt (§ 9 Abs. 5 PflegeZG). Die Ankündigung muss spätestens zehn Tage vor Beginn der Pflegezeit in Textform erfolgen (§ 9 Abs. 4 und 5 PflegeZG). Weitere Sonderregelungen enthalten § 4a Abs. 2 und Abs. 3 PflegeZG. Wird die Freistellung auf Grundlage der Sonderregelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie in Anspruch genommen, muss sich die Familienpflegezeit nicht unmittelbar an die Pflegezeit anschließen. Die Zustimmung des Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Die Sonderregelung gilt sinngemäß auch, wenn sich die Pflegezeit im Anschluss an die Familienpflegezeit genommen werden soll.
3. Schriftliche Vereinbarung
Bei teilweiser Freistellung haben Arbeitgeber und Beschäftigte eine schriftliche Vereinbarung über die Verringerung und die Verteilung der Arbeitszeit zu treffen. Zur vorgeschriebenen Schriftform vgl. §§ 126, 126a BGB. Wird die Formvorschrift nicht eingehalten, ist die Vereinbarung nach § 125 S. 1 BGB nichtig. Im Regelfall ist den Wünschen des Mitarbeiters zu entsprechen (§ 3 Abs. 4 PflegeZG). Der Arbeitnehmer kann aber keine ihm genehme Verteilung der Arbeitszeit erzwingen.
Praxistipp:
Obwohl das Gesetz eindeutig den Wünschen des Beschäftigten Vorrang einräumt, bietet die erforderliche schriftliche Vereinbarung die Möglichkeit, die betrieblichen Belange mit dem Mitarbeiter zu besprechen und eine für beide Seiten tragbare Lösung zu finden.
Durch § 9 Abs. 6 PflegeZG ist es im Hinblick auf die Corona-Pandemie ausreichend, wenn die Vereinbarung in Textform getroffen wird.
4. Dringende betriebliche Gründe
Den Wünschen des Mitarbeiters ist grundsätzlich Rechnung zu tragen. Die Interessen des Unternehmens sind nur ausnahmsweise vorrangig, wenn dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. Dies kann sich sowohl auf den Umfang der Verringerung wie auch auf die Lage der Arbeitszeit beziehen.
Die entgegenstehenden Gründe des Betriebes müssen im Hinblick auf die Formulierung im Gesetz schwerwiegend sein. Ob solche vorrangigen betrieblichen Gründe vorliegen, ist im Rahmen einer Güterabwägung zu entscheiden. Ausreichend sind nicht betriebliche Gründe jeder Art, sondern sie müssen dringend sein und es muss sich daraus eine Überforderung ergeben. Diese liegt vor, wenn die Wünsche des Mitarbeiters zu erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Belange führen würden. Das Merkmal "dringend" steigert die zu erfüllenden Anforderungen und kann mit den Worten "nahezu zwingend" oder "unabweisbar" umschrieben werden (BT-Drs. 18/3086 S. 12). Insbesondere ist zu bedenken, dass eine vollzeitige Freistellung ohne Einschränkung hingenommen werden muss. Daher müssen dringende Belange des Unternehmens gerade der reduzierten Arbeitsleistung oder der gewünschten Verteilung der Arbeitszeit entgegenstehen. Solche dringenden Gründe könnten z.B. vorliegen, wenn auf dem relevanten Arbeitsplatz Teilzeitarbeit nicht durchführbar ist.
Nach der Gesetzesbegründung ist das PflegeZG in diesem Punkt dem BEEG nachgebildet, sodass die Rechtsprechung zu § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG für die Auslegung sinngemäß herangezogen werden kann. Danach muss es sich um betriebliche Belange handeln, die gegenüber den Interessen an der häuslichen Pflege gewichtiger sind (vgl. BAG, 18.03.2003 - 9 AZR 126/02).
Durch die Wünsche des Beschäftigten müssen sich erhebliche Belastungen für den Arbeitgeber ergeben. Diese Belastungen können z.B. finanzieller, organisatorischer oder sicherheitstechnischer Art sein (vgl. BAG, 19.04.2005 - 9 AZR 233/04). Sie müssen sich als zwingende Hindernisse für die beantragte Verkürzung der Arbeitszeit darstellen (vgl. BAG, 05.06.2007 - 9 AZR 82/07). Dass dringende betriebliche Gründe den Wünschen des Mitarbeiters entgegenstehen, muss der Arbeitgeber bei gerichtlichen Auseinandersetzungen beweisen.
Praxistipp:
Soweit Sie die teilweise Freistellung aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen, sollten Sie in einem internen Vermerk die Gründe dafür festhalten, um diese für evtl. spätere Auseinandersetzungen greifbar zu haben.
5. Beendigung der Pflegezeit
Nach Ende der Pflegezeit leben die gegenseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag wieder auf. Bei teilweiser Freistellung im Rahmen der Pflegezeit hat der Beschäftigte einen Rechtsanspruch auf die früheren Arbeitsbedingungen, insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeit.
Siehe auch
Familienpflegezeit – AllgemeinesFamilienpflegezeit – Auswirkungen Arbeitnehmer und ArbeitgeberPflegezeit - Arbeitgeber mit mehr als 15 BeschäftigtenPflegezeit - Beschäftigung von ErsatzkräftenPflegezeit - KündigungsschutzPflegezeit - Kurzzeitige Freistellung: Umfang und AuswirkungenPflegezeit - Kurzzeitige Freistellung: VoraussetzungenPflegezeit - Meldungen und Beiträge zur SozialversicherungPflegezeit - Sozialversicherung während FreistellungPflegezeit - Vorzeitige Beendigung