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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Mobbing - Gegenmaßnahmen der Arbeitnehmer
Mobbing - Gegenmaßnahmen der Arbeitnehmer
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
- 5.
- 6.
- 7.Schadenersatzansprüche
- 7.1
- 7.2
- 7.3
- 7.4
- 7.5
- 7.6
- 7.7
- 7.8
- 7.9
- 7.10
- 8.
Information
1. Allgemeines
Viele Mobbingopfer tun sich schwer, etwas gegen den psychischen Druck zu unternehmen. Ohne Gegenwehr wird sich die missliebige Situation jedoch meist nicht bessern. Experten raten Betroffenen dazu, nicht lange in der Rolle des Opfers zu verharren. Dabei kann es helfen, Probleme und Belastungen im privaten Bereich, mit Angehörigen und Freunden zu besprechen. Mobbingvorwürfe gegen einen Vorgesetzten – auch wenn sie zu Unrecht erfolgt sind – sind kein Pflichtverstoß und berechtigen i.d.R. den Arbeitgeber nicht zu einer Kündigung. Etwas anderes gilt lediglich, wenn es sich bei den Vorwürfen um unsachliche Schmähkritik handelt oder wenn der Arbeitnehmer wissentlich oder leichtfertig unwahre, die Ehre verletzende Behauptungen erhoben hat (ArbG Freiburg, 19.11.2020 – 2 Ca 167/20).
Der Beitrag beschreibt, welche arbeitsrechtlichen Möglichkeiten für die Betroffenen bestehen.
Praxistipp:
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hält verschiedene Publikationen für Beschäftigte, Arbeitgeber und Betriebsräte bereit (www.antidiskriminierungsstelle.de).
Durch das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vom 18.04.2019 (BGBl. I Nr. 13 S. 466) sind Geschäftsgeheimnisse vor rechtswidrigem Erwerb sowie vor rechtwidriger Nutzung und Offenlegung geschützt. § 5 des Gesetzes regelt Ausnahmen. Gerechtfertigt ist die Offenbarung, um eine rechtswidrige Handlung oder ein berufliches oder sonstiges Fehlverhalten aufzudecken. Voraussetzung ist, dass die das Geschäftsgeheimnis aufdeckende Person in der Absicht gehandelt hat, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Die Vorschrift dient dem Schutz der so genannten Whistleblower und stellt klar, dass auch die Erlangung, die Nutzung und die Offenlegung von Informationen über rechtswidrige Handlungen und ein berufliches oder sonstiges Fehlverhalten unter den genannten Voraussetzungen gerechtfertigt sind (BT-Drs. 19/4724 S. 29). Damit sind auch Repressalien gegenüber dem Whistleblower unzulässig und als Mobbing anzusehen.
2. Beschwerde
Der betroffene Arbeitnehmer hat ein förmliches Beschwerderecht bei der zuständigen Stelle des Betriebes. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) stellt dem Arbeitnehmer zwei Beschwerdeverfahren zur Verfügung:
das unmittelbare Beschwerderecht bei dem Arbeitgeber (§ 84 BetrVG) und
das Beschwerderecht über den Betriebsrat (§ 85 BetrVG; siehe auch § 68 Abs. 1 BPersVG).
Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf eine angemessene Reaktion des Arbeitgebers bzw. des Betriebsrates. Jedoch steht es dem Arbeitgeber frei, auf welche Weise er die Mobbinghandlungen abstellt (siehe LAG Mecklenburg-Vorpommern, 30.07.2019 – 5 Sa 233/18). Grundsätzlich kann bei Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber die Einigungsstelle angerufen werden. Kein Raum für das Einigungsstellenverfahren ist, wenn der Arbeitgeber bereits Abhilfemaßnahmen ergriffen hat (LAG Hessen, 17.12.2019 – 4 TaBV 136/19).
Aufgrund von § 13 AGG kann sich der Arbeitnehmer außerdem bei der zuständigen Stelle des Betriebes beschweren, wenn er sich durch den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder anderen Beschäftigten wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes (wie Rasse, Geschlecht oder Behinderung) benachteiligt fühlt. Unter das Beschwerderecht fallen auch Handlungen z.B. in Pausen oder bei Betriebsausflügen bzw. -feiern. Die dafür zuständige Stelle kann der Arbeitgeber im Rahmen seiner Organisationshoheit festlegen.
3. Kündigungsrecht
3.1 Außerordentliche Kündigung
Das Mobbing-Opfer kann den Arbeitsvertrag - als letzten Ausweg - selbst außerordentlich (fristlos) kündigen, wenn der Arbeitgeber nicht bereit oder in der Lage ist, den "Psychoterror am Arbeitsplatz" abzustellen. Allerdings besteht grundsätzlich die Verpflichtung, den Arbeitgeber vor einer außerordentlichen Kündigung abzumahnen (LAG Sachsen-Anhalt, 28.04.2010 – 5 Sa 7/09). Eine Arbeitnehmerin ist zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn es zu Konflikten kommt und sich dadurch bei Weiterbeschäftigung ihr Gesundheitszustand verschlechtern würde (BAG, 22.03.2018 – 8 AZR 190/17).
Eine auf angebliches Mobbing durch Vorgesetzte gestützte fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer ist bereits wegen Nichteinhaltung der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam, wenn die behaupteten Pflichtverletzungen des Vorgesetzten mehr als zwei Wochen zurückliegen (LAG Düsseldorf, 15.02.2018 – 13 Sa 833/17).
Der Arbeitnehmer kann bei außerordentlicher Kündigung gem. § 628 Abs. 2 BGB Schadensersatz wegen Auflösungsverschuldens geltend machen. Löst der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung, tritt nach § 159 Abs. 1 SGB III eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, es sei denn, es liegt ein wichtiger Grund für die Eigenkündigung vor. Mobbing kann ein wichtiger Grund i.S.d. Vorschrift sein (LSG Bayern, 22.04.2005 – L 8 AL 117/04). Nach Auffassung des SG Wiesbaden begründet Mobbing einen wichtigen Grund i.S.d. § 159 Abs. 1 SGB III für die Aufgabe einer Beschäftigung nur dann, wenn es sich für den betroffenen Arbeitnehmer um Nachteile von besonderem Gewicht handelt (SG Wiesbaden, 15.10.1998 - S 11 AL 499/98).
3.2 Kein Sonderkündigungsschutz
Mobbinghandlungen begründen keinen Sonderkündigungsschutz für deren Opfer innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses. Mobbinghandlungen können aber zur Treu- oder Sittenwidrigkeit einer Kündigung in der Probezeit führen, wenn der Arbeitgeber sie sich zu Eigen macht und die Kündigung aus willkürlichen oder verwerflichen Motiven ausspricht (LAG Frankfurt am Main, 21.02.2003 - 12 Sa 561/02).
3.3 Kein Anspruch auf Kündigung des Mobbers
Dagegen besteht kein Anspruch des sich gemobbt fühlenden Arbeitnehmers auf – i.d.R. verhaltensbedingte - Kündigung seines (mobbenden) Vorgesetzten oder Kollegen, da es grundsätzlich dem Arbeitgeber überlassen bleibt, durch welche geeigneten Maßnahmen er auf betriebliche Konfliktsituationen reagieren will (LAG Hamm, 06.03.2006 - 16 Sa 76/05; LAG Mecklenburg-Vorpommern, 30.07.2019 – 5 Sa 233/18). Darüber hinaus muss der Arbeitgeber das Ultima-ratio-Prinzip sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, d.h. insbesondere prüfen, ob die Vertragsstörung nicht durch mildere Maßnahmen, wie Umsetzung oder Abmahnung beseitigt werden kann (BAG, 25.10.2007 – 8 AZR 593/06).
Auch wenn der Gemobbte keinen Anspruch auf eine Kündigung des Mobbers hat, kann der Arbeitgeber diese aussprechen. Eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten liegt vor, wenn der Tatbestand einer sexuellen Belästigung i.S.v. § 3 Abs. 4 AGG gegeben ist. Eine außerordentliche Kündigung seitens des Arbeitgebers kann trotzdem unverhältnismäßig sein, wenn zu erwarten ist, dass nach einer Abmahnung keine Wiederholungsgefahr des Fehlverhaltens besteht und darüber hinaus die Pflichtverletzung des Gekündigten nicht derart schwerwiegend erscheint, dass selbst deren einmalige Hinnahme des Arbeitgebers nach objektiven Maßstäben unzumutbar ist (LAG Rheinland-Pfalz, 23.03.2018 – 1 Sa 507/17).
4. Zurückbehaltung der Arbeitsleistung
Gem. § 273 Abs. 1 BGB kann der "gemobbte" Arbeitnehmer ein Zurückbehaltungsrecht an seiner persönlichen Arbeitsleistung geltend machen, wenn der Arbeitgeber trotz Kenntnis der Sachlage keine Maßnahmen zur Abstellung des Psychoterrors ergreift. Die Regelung enthält den Grundgedanken, dass ein Schuldner, der selbst nicht leisten will, arglistig handelt, wenn er den Gegenanspruch einfordert.
Ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung nach § 273 Abs. 1 BGB kann einem Arbeitnehmer insbesondere zustehen, wenn der Arbeitgeber seine aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt. Deshalb kann ein Arbeitnehmer berechtigt sein, seine Arbeitsleistung zu verweigern, wenn der Arbeitgeber oder einer seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) seine Gesundheit oder sein Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise verletzt und mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist. Dies gilt auch im Hinblick auf die vertraglich geschuldete Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB(BAG, 13.03.2008 -2 AZR 88/07).
Damit ein Klageantrag auf Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts Erfolg haben kann, ist es erforderlich, dass der Arbeitnehmer konkret die Tatsachen angibt, aus denen er die "Mobbing-Situation" ableitet. Erforderlich ist also die Angabe der konkreten Umstände der Arbeit und welche Handlungen oder Äußerungen von Vorgesetzten oder Arbeitskollegen als "Mobbing" betrachtet werden (BAG, 23.01.2007 - 9 AZR 557/06). Auch der Arbeitgeber wird erst dadurch in die Lage versetzt, den Vorwurf des Mobbings zu prüfen und es ggf. abzustellen (BAG, 13.03.2008 – 2 AZR 88/07). Kein Mobbing und keine Persönlichkeitsverletzung liegen vor bei arbeitsrechtlicher Sanktion von Fehlverhalten des Arbeitnehmers, auch wenn sich diese im Lauf der Zeit häufen und sie letztlich vom Arbeitgeber zurückgenommen werden müssen (LAG Köln, 10.07.2020 – 4 Sa 118/20).
5. Unterlassungsanspruch
Der Arbeitnehmer hat gegen denjenigen, der ihn mobbt, einen Anspruch auf Unterlassung aufgrund analoger Anwendung des § 1004 Abs. 1 i.V.m. § 823 BGB, der auch gerichtlich durchsetzbar ist. Die Wiederholungsgefahr (objektiv begründete ernstliche Befürchtung weiterer Störungen) ergibt sich bereits aus der Natur des Phänomens Belästigung am Arbeitsplatz. Für evtl. Rechtsstreite sind auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses die Arbeitsgerichte zuständig, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen der unerlaubten Handlung und dem Arbeitsverhältnis besteht (siehe LAG Niedersachsen, 26.02.2020 – 13 Ta 59/20).
6. Strafanzeige
Liegt ein Straftatbestand, wie Beleidigung, üble Nachrede, Körperverletzung, Verstoß gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder Verleumdung vor, kann auch eine Strafanzeige gegen den Täter gestellt werden.
Allerdings muss der Arbeitnehmer zunächst versuchen, Missstände innerbetrieblich abzustellen. Dies ergibt sich aus der Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB. Soweit er dem nicht Rechnung trägt und sich die Vorwürfe letztlich als haltlos herausstellen, kann ein Grund zu einer außerordentlichen Kündigung gegeben sein (LAG Köln, 17.02.2010 – 9 Sa 1056/09).
7. Schadenersatzansprüche
7.1 Allgemeines
Schadenersatzansprüche können sich auf eine Ersatzleistung wegen materieller Schäden und auf Schmerzensgeld richten. Bei Gesundheitsschäden werden in der Regel die erlittenen Nachteile (also z.B. Verdienstausfälle bei einer durch das Mobbing ausgelösten Arbeitsunfähigkeit) durch Zahlung eines Geldbetrages ausgeglichen. Allein die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer wegen der Situation an seinem Arbeitsplatz in ärztlicher Behandlung ist, reicht nicht aus, um den ursächlichen Zusammenhang zwischen Gesundheitsschaden und Mobbinghandlung nachzuweisen (LAG Köln, 10.07.2020 – 4 Sa 118/20). Daneben besteht bei Gesundheitsverletzungen auch ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens (§ 253 Abs. 2 BGB; LAG Rheinland-Pfalz, 30.10.2008 – 10 Sa 340/08). Bei einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts richtet sich der Anspruch in der Regel nur auf den immateriellen Schaden, d.h. auf Schmerzensgeld; nur ausnahmsweise besteht bei Verletzung dieses Rechtsgutes auch Anspruch auf Ersatz eines materiellen Schadens (BAG, 16.05.2007 – 8 AZR 709/06). Dabei lösen nur schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen Schadenersatzansprüche aus, wenn die Verletzung nicht auf andere Weise aufgefangen werden kann. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (BAG 15.09.2016 - 8 AZR 351/15). Schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen können in nicht nachvollziehbaren Kommunikations- und Beteiligungsverboten für Mitarbeiter liegen (LAG Berlin-Brandenburg, 24.10.2019 – 10 Sa 704/19). Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sog. Ehrenschutz, der auf den Schutz gegen unwahre Behauptungen und gegen herabsetzende, entwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist (LAG Köln, 16.11.2020 - 2 Sa 112/20).
Im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, auch wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, sind nicht geeignet, derartige Tatbestände zu erfüllen, weshalb es gilt, sogenanntes folgenloses bzw. sozial- und rechtsadäquates Verhalten aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise, das heißt ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers, von der rechtlichen Bewertung auszunehmen. Bei der Zusammenarbeit im Rahmen von Arbeitsverhältnissen kommt es typischerweise zu Konflikten und Meinungsverschiedenheiten, ohne dass die dabei zutage tretenden Verhaltensweisen des Arbeitgebers oder der Vorgesetzten bzw. Kollegen zwangsläufig zu einer widerrechtlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers führen oder einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht bedeuten (LAG Rheinland-Pfalz, 11.09.2019 - 7 Sa 56/19 m.w.N.; siehe auch LAG Köln, 10.07.2020 – 4 Sa 118/20).
Macht der Arbeitnehmer Ansprüche aufgrund von Mobbing geltend, muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch genommene arbeitsrechtliche Pflichten (siehe 7.2), ein absolutes Recht des Arbeitnehmers oder ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB verletzt hat (siehe 7.4) oder eine sittenwidrige Schädigung begangen hat (siehe 7.5 – LAG Rheinland-Pfalz, 16.02.2018 – 1 Sa 259/17).
Soweit sich die Ansprüche gegen mehrere Schädiger richten (z.B. gegen den Arbeitgeber und einen mobbenden Arbeitskollegen) haften diese gesamtschuldnerisch (§ 421 BGB – ArbG Eisenach, 30.08.2005 – 3 Ca 1226/03).
Ist rechtskräftig durch Urteil festgestellt, dass der Arbeitgeber im Rahmen von Mobbingvorwürfen nicht haftet, ist diese Sachentscheidung auch bindend für eine später angestrengte Klage auf Schadenersatz und Schmerzensgeld (LAG Rheinland-Pfalz, 23.02.2018 – 1 Sa 366/17).
Eine Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Berufskrankheit i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB VII scheidet aus, weil weder Mobbing noch die aus ihm resultierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen in der Anlage der Berufskrankheitenverordnung aufgeführt sind (LSG Berlin, 15.07.2003 - L U 2 145/01). Auch eine Anerkennung als so genannte "Wie-Berufskrankheit" scheidet aus. Dies setzt insbesondere voraus, dass bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen können. Die notwendige Abgrenzung ist aber bei Mobbing nicht möglich (LSG Bayern, 12.05.2021 – L 3 U 11/20).
7.2 Schadenersatz nach § 280 Abs. 1 BGB
Verletzt der Schuldner (hier der Arbeitgeber) eine vertragliche Pflicht, kann der Gläubiger (hier der Arbeitnehmer) Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verlangen (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB). Nach § 241 Abs. 2 BGB erwachsen jeder Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, ihn vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, zu schützen und ihn keinem Verhalten auszusetzen, das bezweckt oder bewirkt, dass seine Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Schützt der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter nicht vor Mobbing, verletzt er seine vertraglichen Pflichten und ist zum Schadenersatz verpflichtet, soweit dadurch ein geschütztes Rechtsgut (wie das Persönlichkeitsrecht oder die Gesundheit) beeinträchtigt werden (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 06.12.2016 – 2 Sa 157/16). Die Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB bestehen auch bereits im Rahmen der Aufnahme von Vertragsverhandlungen, bei der Anbahnung eines Vertrages sowie für ähnliche geschäftliche Kontakte (§ 311 Abs. 2 BGB). § 7 Abs. 3 AGG stellt klar, dass jede verbotene Diskriminierung i.S.d. AGG auch eine Vertragsverletzung ist. Dabei wird die Vertragsverletzung ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Regelungen des Arbeitsvertrages fingiert.
Durch den Ausspruch einer - auch rechtsunwirksamen - Kündigung verletzt ein Arbeitgeber nicht seine gegenüber dem Arbeitnehmer bestehenden Rücksichtnahmepflichten. Im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen sind grundsätzlich nicht geeignet, die Tatbestandsvoraussetzungen einer Vertragspflichtverletzung oder einer unerlaubten Handlung zu erfüllen (BAG, 16.05.2007 - 8 AZR 709/06; siehe auch LAG Köln, 10.07.2020 – 4 Sa 118/20). Allenfalls, wenn die Kündigung den Arbeitnehmer über die Lösung vom Arbeitsvertrag hinaus in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt und dies vom Arbeitgeber auch so gewollt ist, könnte eine Vertragsverletzung vorliegen (BAG, 24.04.2008, 8 AZR 347/07 u. LAG Rheinland-Pfalz, 16.02.2018 – VZR 201/16).
Gegen den mobbenden Arbeitskollegen kann Schadenersatz nach § 280 Abs. 1 BGB nicht geltend gemacht werden, da die Arbeitskollegen untereinander nicht in einem Schuldverhältnis, also einem Vertrag stehen.
7.3 Schadenersatz nach § 628 Abs. 2 BGB
Schadensersatzansprüche nach § 628 Abs. 2 BGB kommen in Betracht, wenn der Arbeitnehmer wegen Mobbings sein Arbeitsverhältnis gekündigt hat. Dabei muss die Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten werden (LAG Hessen, 23.03.2001 - 9/2 Sa 761/00); die außerordentliche Kündigung muss also rechtswirksam sein (LAG Rheinland-Pfalz, 19.03.2012 – 5 Sa 701/11; LAG Rheinland-Pfalz, 19.03.2012 – 5 Sa 701/11; 11.09.2019 – 7 Sa 56/19). § 628 Abs. 2 BGB findet über den Wortlaut hinaus in allen Fällen Anwendung, in denen das Arbeitsverhältnis beendet worden ist, sofern der andere Vertragsteil durch ein schuldhaftes vertragswidriges Verhalten den Anlass zu der Beendigung gegeben hat. § 628 Abs. 2 BGB ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes. Der Schadensersatzanspruch setzt eine Vertragsverletzung des Arbeitgebers, z.B. durch fortgesetztes, vom Arbeitgeber nicht beseitigtes Mobbing, voraus. Erforderlich ist ein Auflösungsverschulden mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB (LAG Thüringen, 25.01.2022 - 1 Sa 269/20).
Kann ein pflichtwidriges Verhalten einer Vertragspartei nicht mehr zum Anlass einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses genommen werden, liegen die Voraussetzungen für den Schadenersatzanspruch gemäß § 628 Abs. 2 BGB nicht mehr vor. Dabei kommt es für die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB entscheidend auf die Kenntnis desjenigen Ereignisses an, das das letzte, den Kündigungsentschluss auslösende Glied in der Kette vorangegangener weiterer, in Fortsetzungszusammenhang stehender Pflichtverletzungen bildet (LAG Rheinland-Pfalz, 19.03.2012 – 5 Sa 701/11).
Außerdem hat auch der Arbeitnehmer vor einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses den Arbeitgeber abzumahnen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine solche Abmahnung zu einer - auch subjektiv gesehen - deutlichen Verbesserung seiner Arbeitssituation geführt hätte (BAG, 26.07.2007 – 8 AZR 817/06). Unterlässt er dies, ist die von ihm ausgesprochene Kündigung unwirksam mit der Folge, dass ihm weder Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber nach§ 628 Abs. 2 BGB noch eine Abfindung entsprechend §§ 13 Abs. 1 Satz 3, 10 KSchG zustehen. Etwas anderes gilt nur, wenn feststeht, dass auch eine Abmahnung den Arbeitgeber nicht zur Abkehr von seinem vertragswidrigen Verhalten veranlasst hätte (BAG, 26.07.2007 a.a.O.).
Für einen Schadensersatzanspruch wegen Mobbings muss erkennbar sein, dass Maßnahmen des Arbeitgebers aus Anlass einer Betriebsänderung gegen die Person des Arbeitnehmers gerichtet waren und nicht bloß den Inhalt oder den Bestand des Arbeitsverhältnisses betrafen. Dafür genügt die Wahrnehmung vermeintlicher Rechte nicht, wenn aus dabei gemachten Fehlern nicht zu schließen ist, dass der Arbeitnehmer damit gezielt zermürbt werden sollte (LAG Berlin, 17.01.2003 - 6 Sa 1735/02).
Der Schadenersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB setzt grundsätzlich sowohl eine wirksame außerordentliche Kündigung, die ihren Grund in dem schuldhaften vertragswidrigen Verhalten des anderen Vertragsteils hat, als auch dadurch verursachten Schaden voraus.
7.4 Schadenersatz nach § 823 BGB
Der betroffene Arbeitnehmer kann auch Schadensersatzanspruch (einschließlich Schmerzensgeld) aus unerlaubter Handlung geltend machen (§ 823 Abs. 1 BGB). Unter den Schutz der Vorschrift fallen die Gesundheit und – als "sonstiges Recht" - auch das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (BAG, 15.09.2016 – 8 AZR 351/15). Mobbing am Arbeitsplatz geschieht immer schuldhaft und vorsätzlich i.S.d. Vorschrift. Allerdings ist zu beachten, dass die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wegen seiner Eigenart als Rahmenrecht nicht absolut festliegt, sondern grundsätzlich erst durch eine Abwägung der widerstreitenden, grundrechtlich geschützten Belange, bestimmt werden muss. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist deshalb nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 06.12.2016 – 2 Sa 157/16). Darüber hinaus muss die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schwerwiegend sein und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden können (LAG Köln, 07.05.2018 – 4 Sa 482/13). Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sog. Ehrenschutz, der auf den Schutz gegen unwahre Behauptungen und gegen herabsetzende, entwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist (LAG Köln, 16.11.2020 - 2 Sa 112/20). Die Besprechung von Vorwürfen, die Dritte erheben, mit dem betroffenen Mitarbeiter stellt ein sozial- und rechtsadäquates Verhalten eines Vorsetzten dar, auch wenn das Gespräch nicht in einem angenehmen Tonfall geführt wird.
Übliche Konfliktsituationen im Betrieb sind nicht geeignet, den Tatbestand der unerlaubten Handlung zu erfüllen (LAG Hessen, 22.02.2016 – 16 Sa 889/15; LAG Köln, 10.07.2020 – 4 Sa 118/20).
Eine Verpflichtung zum Schadenersatz besteht nach § 823 Abs. 2 BGB auch, wenn ein Verstoß gegen ein den Schutz eines anderen (also hier des gemobbten Arbeitnehmers) bezweckendes Gesetz vorliegt und dadurch eines der genannten Rechtsgüter (wie Gesundheit, allgemeines Persönlichkeitsrecht) verletzt wird (LAG Rheinland-Pfalz, 16.02.2018 – 1 Sa 259/17). Zu den Schutzgesetzen gehören z. B. Regelungen des BDSG, des JArbSchG und des StGB. Den Schutz eines anderen bezweckt eine Norm, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen, bei Ge- und Verboten müssen das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend bestimmt sein (BGH, 27.11.1963 – V ZR 201/61 – Palandt/Sprau, 75. Aufl., § 823 Rn. 58). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muss im Einzelfall aufgrund der konkreten Rechtsnorm geprüft werden.
Für Schäden, die dadurch entstehen, dass ein Beamter im Rahmen gemeinsamer Dienstausübung durch seinen Vorgesetzten systematisch und fortgesetzt schikaniert und beleidigt wird, haftet der Dienstherr des Schädigers nach Amtshaftungsgrundsätzen (BGH, 01.08.2002 - III ZR 277/01).
Auch soweit Mobbing durch wahrheitswidrige Angaben geschieht, kommen Schadenersatzansprüche in Betracht; etwa dann, wenn diese Angaben zur Entlassung des betroffenen Arbeitnehmers führen. Der Schadensersatzanspruch ist dabei gerichtet auf den Ersatz des Verdienstausfalls und sonstiger Schäden. Der Arbeitnehmer muss bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Mobbings den konkreten Sachverhalt substanziiert darlegen und beweisen. Mit dem alleinigen und pauschalen Vortrag "Mobbing-Aktionen" verbunden mit der Angabe des ungefähren Zeitraums genügt der Arbeitnehmer diesen Anforderungen nicht (LAG Rheinland-Pfalz, 28.08.2001 - 5 Sa 521/01). Nur zeitlich konkretisierte Vorfälle können bei gerichtlichen Auseinandersetzungen Grundlage einer rechtlichen Bewertung sein, auch wenn nicht generell in jedem Einzelfall die Mitteilung eines genauen Datums erforderlich ist. Der Arbeitnehmer hat jedoch zumindest die konkrete Situationen mit ungefährer Zeitangabe darzulegen (LAG Rheinland-Pfalz, 04.06.2009 – 11 Sa 66/09). Daher sind pauschale Hinweise auf ein dauerhaftes Herabwürdigen ohne eine konkrete Darstellung des Sachverhalts nicht ausreichend, um vor Gericht das Mobbing, bzw. die Persönlichkeitsverletzung zu beweisen (LAG Rheinland-Pfalz, 10.09.2020 – 2 Sa 309/19). Entgegen der Ansicht der Klägerin war das Arbeitsgericht in dem zugrunde liegenden Verfahren auch unter Berücksichtigung der von ihr angeführten Beweisnot nicht verpflichtet, sie im Rahmen einer Parteivernehmung bzw. Anhörung zu vernehmen. Eine Parteivernehmung bzw. Anhörung zum Zwecke einer Beweisführung setzt die Erfüllung der dem Anspruchsteller obliegenden Darlegungslast voraus. Aufgrund des im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatzes ist es nicht Aufgabe des Gerichts, den zur Anspruchsbegründung notwendigen Sachverhalt selbst zu ermitteln.
Der Anspruch auf Schadensersatz kann aber durch einen Aufhebungsvertrag ausgeschlossen sein. Die Regelung in einem Aufhebungsvertrag, wonach sämtliche Ansprüche des Arbeitnehmers aus seinem Rechtsverhältnis und aus Anlass von dessen Beendigung - gleich aus welchem Rechtsgrund - abgegolten sein sollen, kann auch etwaige Schadens- oder Entschädigungsansprüche wegen Mobbings erfassen (LAG Berlin, 26.08.2005 - 6 Sa 633/05).
Ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen mobbingbedingter Verletzungen besteht nicht, wenn und soweit andere Rechtsschutzmöglichkeiten zu Gebote stehen (z.B. Zurückbehaltungsrecht; LAG Sachsen, 17.02.2005 - 2 Sa 751/03).
Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen Mobbing scheiden aus, wenn eine eindeutige Täter-Opfer-Zuordnung nicht möglich ist, vielmehr beide Arbeitsvertragsparteien zugleich Täter und Opfer sind (LAG München, 21.07.2005 - 3 Sa 13/05).
Die Erleichterung der Beweislast nach § 22 AGG gilt ausschließlich dann, wenn eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes geltend gemacht wird. Wird ein Anspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf § 823 Abs. 1 BGB gestützt, kommt daher keine Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast in Betracht (LAG Thüringen, 25.01.2022 – 1 Sa 269/20).
Eine Haftung im Rahmen einer unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB kommt auch gegenüber dem mobbenden Kollegen bzw. Vorgesetzten in Betracht: Dies setzt voraus, dass der in Anspruch Genommene durch sein (Gesamt-)Verhalten eines der in § 253 Abs. 2 BGB benannten Rechtsgüter oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Arbeitnehmers verletzt hat. Auch wenn zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis besteht, d.h. der mobbende Kollege oder Vorgesetze in Anspruch genommen wird und deshalb vertragliche Ansprüche nicht in Betracht kommen, kann ein Schadensersatzanspruch wegen "Mobbings" als deliktischer Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB folgen. Dabei verbietet § 823 Abs. 1 BGB nicht nur eine widerrechtliche Verletzung der in dieser Bestimmung ausdrücklich aufgeführten, besonders geschützten Rechtsgüter, u.a. der Gesundheit. Auch das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als "sonstiges Recht" i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt (LAG Rheinland-Pfalz, 10.09.2020 - 2 Sa 309/19).
Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen Arbeitsunfähigkeit, die der Arbeitnehmer auf Mobbing zurückführt, können nur begründet sein, wenn der Arbeitnehmer zumindest Pflichtwidrigkeiten des Arbeitgebers oder ihm nach § 278 oder § 831 BGB zurechenbarer Arbeitskollegen belegen kann. Führt ein schuldhaftes dienstliches Verhalten eines Vorgesetzten dazu, dass ein ihm unterstellter Mitarbeiter psychisch erkrankt, so hat der Mitarbeiter gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn sich der Arbeitgeber des Vorgesetzten als Erfüllungsgehilfen bedient (BAG, 25.10.2007 - 8 AZR 593/06). Allein die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer wegen der Situation an seinem Arbeitsplatz in ärztlicher Behandlung ist, reicht aber nicht aus, den ursächlichen Zusammenhang zwischen Gesundheitsschaden und Mobbinghandlung nachzuweisen (LAG Köln, 10.07.2020 – 4 Sa 118/20).
Fehlerhafte Weisungen des Vorgesetzten, wie die Arbeitsleistung zu erbringen ist, stellen keine Pflichtwidrigkeiten dar. Der Arbeitgeber ist auch nicht aus Gründen der Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer gehalten, die sachliche Richtigkeit der Weisungen des Vorgesetzten zu überprüfen. Nimmt der Arbeitnehmer sich die fehlerhaften Weisungen so zu Herzen, dass er hiervon arbeitsunfähig wird, bestehen keine Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber. Befindet sich der Arbeitnehmer bereits im Stadium der Arbeitsunfähigkeit, so bedarf es besonderer Darlegungen dafür, dass weitere behauptete Pflichtwidrigkeiten des Arbeitgebers oder des Vorgesetzten kausal für das Weiterbestehen der psychischen und psychosomatischen Erkrankungen des Arbeitnehmers sind (LAG Nürnberg, 02.07.2002 - 6 (3) Sa 154/01).
7.5 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung
Nach § 826 BGB ist zum Schadenersatz verpflichtet, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich einen Schaden zufügt. Der Anspruch nach dieser Vorschrift besteht auch, wenn keines der in § 823 BGB genannten Rechtsgüter verletzt ist. Die Regelung ist eine Auffangklausel, die greift, wenn andere Vorschriften keinen Schutz bieten. Der Schaden muss vorsätzlich herbeigeführt worden sein. Vorsatz liegt vor, wenn der Schaden absichtlich, also gewollt herbeigeführt wird. § 826 BGB ist auch bei bedingtem Vorsatz (der Schaden ist zwar nicht gewollt, wird aber billigend in Kauf genommen) anzuwenden. Sittenwidrigkeit liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn Inhalt oder Gesamtcharakter der Handlung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen verstößt (Palandt/Sprau, 75. Aufl. 2016, § 826 BGB Rn. 4).
7.6 Schmerzensgeld
Nach § 253 BGB hat der Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit, den Arbeitgeber nicht nur auf Schadensersatz, sondern auch auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch zu nehmen. Voraussetzung ist eine schuldhafte Verletzung der arbeitgeberseitigen Verpflichtung, den Arbeitnehmer vor Rechtsverletzungen zu schützen. § 253 Abs. 2 BGB bestimmt, dass wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten ist. Auch wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden. Stützt der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf die Verletzung eines der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter, insbesondere der Gesundheit, kann nach dieser Regelung Schmerzensgeld gefordert werden.
Wird der Anspruch dagegen auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts gestützt, kann § 253 Abs. 1 BGB nicht angewandt werden, da dieses Rechtsgut dort nicht aufgeführt ist. In diesem Fall kann sich aber der Anspruch auf Schmerzensgeld aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 und 2 Abs. 1 GG unmittelbar ergeben (BAG, 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13). Da bei auf "Mobbing" gestützten Entschädigungsklagen nicht der vermögenswerte, sondern der ideelle Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, setzt der Anspruch allerdings voraus, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt und dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (BAG, 15.09.2016 – 8 AZR 351/15 m.w.N.).
Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich nicht nach dem Einkommen des Opfers, sondern nach dem Gewicht und der Schwere der Verletzung des Persönlichkeitsrechts, z.B. der Gesundheitsbeeinträchtigungen (LAG Rheinland-Pfalz, 16.08.2001 - 6 Sa 415/01).
Bei der Beurteilung, ob dem "gemobbten" Arbeitnehmer eine billige Entschädigung in Geld wegen eines immateriellen Schadens nach § 253 Abs. 2 BGB zu gewähren ist, kann auch eine bereits gezahlte, außergewöhnlich hohe Abfindung berücksichtigt werden (hier: Ausschluss einer weitergehenden Entschädigung – LAG Köln, 13.01.2005 – 6 Sa 1154/04).
Schmerzensgeld kommt auch in Betracht, wenn sich die Forderung gegen den mobbenden Kollegen richtet.
7.7 Schadenersatz und Entschädigung nach § 15 AGG
Mobbing kann auch eine Belästigung i.S.d. AGG sein. Dies ist der Fall, wenn unerwünschte Verhaltensweisen auftreten, die mit der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität im Zusammenhang stehen. Voraussetzung für Ansprüche sind Verhaltensweisen, die bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (§ 3 Abs. 3 und 4 AGG). Da dadurch eine verbotene Benachteiligung des Gemobbten i.S.v. § 7 AGG entsteht, bietet § 15 AGG die Rechtsgrundlage für Ansprüche auf Schadenersatz sowie Entschädigung (Schmerzensgeld). Der Anspruch richtet sich grundsätzlich gegen den Arbeitgeber (§ 15 Abs. 1 AGG; BAG, 23.01.2014 – 8 AZR 118/13). Kein Anspruch auf Entschädigung nach dem AGG besteht im Falle der Herabwürdigung eines Mitarbeiters wegen seiner ostdeutschen Herkunft. Menschen mit ostdeutscher Herkunft sind nicht Mitglieder einer ethnischen Gruppe oder Träger einer einheitlichen Weltanschauung i.S.d. AGG (ArbG Berlin, 15.08.2019 – 44 Ca 8580/18). Dabei ist § 22 AGG zu beachten, der für den Betroffenen eine Erleichterung der Beweislast vorsieht. Dies gilt aber ausschließlich dann, wenn eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes geltend gemacht wird. Wird ein Anspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf § 823 Abs. 1 BGB gestützt, gilt daher keine Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast (LAG Thüringen, 25.01.2022 – 1 Sa 269/20).
7.8 Haftung des Arbeitgebers für seine Mitarbeiter
Der Arbeitgeber haftet dem geschädigten Arbeitnehmer gegenüber gemäß § 278 Satz 1 BGB auch für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die für ihn als Erfüllungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter oder Vorgesetzte begehen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 05.07.2011 – 5 Sa 86/11). Dabei ist es jedoch erforderlich, dass die schuldhafte Handlung des als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers handelnden Mitarbeiters in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber ihm als Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat. Ein solcher Zusammenhang ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Erfüllungsgehilfe gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert oder wenn er ihm gegenüber Weisungsbefugnis besitzt. Die Haftung des Arbeitgebers tritt also in der Regel ein, wenn es sich um einen Vorgesetzten des gemobbten Mitarbeiters handelt.
Im Rahmen der deliktischen Haftung kann sich der Schadenersatzanspruch ebenfalls gegen den Arbeitgeber richten, wenn ein anderer Mitarbeiter als sein Verrichtungsgehilfe i.S.v. § 831 Abs. 1 BGB tätig wird. Die Haftung des Arbeitgebers tritt ein, weil ihm Fehler bei der Auswahl des Verrichtungsgehilfen zugerechnet werden.
Eine Haftung des Arbeitgebers kommt ferner dann in Betracht, wenn dieser es unterlässt, den oder die Betroffenen vor entsprechenden Verletzungshandlungen anderer Mitarbeiter in Schutz zu nehmen, obwohl ihm der Mobbing-Tatbestand bekannt ist oder bekannt sein müsste (LAG Köln, 21.07.2011 – 7 Sa 1570/10).
7.9 Fristen für die Geltendmachung
Nach § 15 Abs. 4 AGG müssen Ansprüche auf Entschädigung wegen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot mit einer Ausschlussfrist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Tarifvertraglich kann eine abweichende Frist vereinbart werden. Diese Frist findet jedoch bei Ansprüchen, die wegen Mobbings geltend gemacht werden, weder eine unmittelbare noch eine analoge Anwendung (BAG, 18.05.2017 – 8 AZR 74/16).
Die Ausschlussfrist in § 15 Abs. 4 AGG gilt jedoch auch für Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die auf den gleichen Lebenssachverhalt wie Ansprüche nach § 15 Abs. 1 AGG gestützt werden. Darüber hinaus verdrängt der Schadenersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG als speziellere Regelung Ansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 Abs. 3 AGG (siehe oben, 6.2), soweit der Anspruch allein mit einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot begründet wird (BAG, 21.06.2012 – 8 AZR 188/11).
Evtl. anzuwendende sonstige Ausschlussfristen für die Entschädigungsansprüche wegen Mobbings beginnen regelmäßig mit dem letzten, von dem Betroffenen geschilderten Vorfall. Dies gilt auch für Verjährungsfristen (BAG, 11.12.2014 – 8 AZR 838/13).
Der Einwand der Verwirkung kann erhoben werden, wenn die Ausübung des Rechts wegen Verstoß gegen das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unzulässig ist. Dabei löst ein gewisser Zeitablauf allein noch nicht die Verwirkung aus. Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (BAG, 11.12.2014 – 8 AZR 838/13).
Mit der Geltendmachung eines Schmerzensgeldanspruches annähernd zwei Jahre nach der vom Arbeitnehmer behaupteten letzten Verletzungshandlung missachtet dieser in gegen Treu und Glauben verstoßender Weise die Interessen des Arbeitgebers, mit Schmerzensgeldansprüchen nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (LAG Nürnberg, 25.07.2013 – 5 Sa 525/11). Der Anspruch ist nach der Entscheidung dann verwirkt.
7.10 Beispiele aus der Rechtsprechung
Das LAG Rheinland-Pfalz hat einem ehemaligen Bankvorstand Schmerzensgeld gegen den Arbeitgeber in Höhe von 7.500 EUR zugesprochen, weil der Arbeitgeber die Schikanen durch den Vorgesetzten nicht verhindert hatte (LAG Rheinland-Pfalz, 16.08.2001 - 6 Sa 415/01);
Schmerzensgeld von 24.000 EUR für Depression nach erlittener Beleidigung (LAG Niedersachsen, 12.10.2005 - 6 Sa 2132/03);
Bei der Beurteilung, ob dem "gemobbten" Arbeitnehmer eine billige Entschädigung in Geld wegen des immateriellen Schadens nach § 253 Abs. 2 BGB zu gewähren ist, kann auch eine bereits gezahlte, außergewöhnliche hohe Abfindung berücksichtigt werden (LAG Köln, 13.1.2005 - 6 Sa 1154/04).
8. Ansprüche wegen Verletzung der Überwachungspflicht
§ 75 Abs. 2 BetrVG verpflichtet Arbeitgeber und Betriebsrat, die freie Entfaltung der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Diese Schutz- und Förderungspflicht ergänzt die in § 75 Abs. 1 BetrVG normierte Fürsorge- und Überwachungspflicht. § 75 BetrVG begründet betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtungen für Arbeitgeber und Betriebsrat, erzeugt jedoch keine individuellen Rechtsansprüche für den einzelnen Arbeitnehmer (BAG, 03.12.1985 – 4 ABR 60/85). Unbenommen bleibt es aber dem Arbeitnehmer, sich bei Diskriminierungen und Mobbing beim Betriebsrat zu beschweren oder sich gegenüber dem Arbeitgeber wegen Verletzung der Fürsorgepflicht zur Wehr zu setzen (Reichold in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 9. Aufl. 2020, § 75 BetrVG Rn. 5). Da § 75 BetrVG aber nur kollektivrechtlich wirkt, lassen sich unmittelbar daraus keine individualrechtlichen Ansprüche herleiten. Dessen ungeachtet wird aber die Auffassung vertreten, dass § 75 BetrVG ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB ist und daher bei schuldhafter Verletzung der Pflichten Schadenersatz aus deliktischer Haftung geltend gemacht werden kann (Zerbe in Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, Loseblattwerk 12. Lfg. 03.2021, 4 A Betriebsverfassungsrecht, Rn. 395).