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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Heimarbeit - Allgemeiner Schutz
Heimarbeit - Allgemeiner Schutz
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Schutz von in Heimarbeit Beschäftigten ist nur dann wirksam angelegt, wenn diese Beschäftigungsform möglichst transparent ist. Die in Heimarbeit Beschäftigten müssen für die Kontrollbehörden erkennbar sein. Das verlangt eine lückenlose Listenführung und setzt zudem nachhaltige Informations- und Mitteilungspflichten voraus (s. dazu Gliederungspunkte 2. und 3.). Über Entgeltverzeichnisse und Entgeltbelege muss schließlich auch die Vergütung überprüfbar gemacht werden (s. dazu Gliederungspunkt 4.).
Praxistipp:
Heimarbeit vollzieht sich oft im Verborgenen. Heimarbeitsverhältnisse sind daher besonders anfällig für Missbrauch. Ein Grund mit, warum der Gesetzgeber zugunsten der in Heimarbeit Beschäftigten besondere Pflichten im HAG verankert hat.
Durchführungsvorschriften zu den allgemeinen Schutzvorschriften des HAG stehen in den §§ 9 bis 13 der Ersten Rechtsverordnung zur Durchführung des Heimarbeitsgesetzes (HAGDV). In § 9 HAGDV ist die Listenführung geregelt, in § 10 HAGDV das Führen von Entgeltbüchern. § 11 HAGDV sieht besondere Genehmigungsvoraussetzungen für Entgelt- und Arbeitszettel vor, § 12 HAGDV bestimmt, welche Form und welchen Inhalt Entgeltbelege haben müssen. § 13 HAGDV schließlich schreibt für die Entgeltbelege eine besondere Aufbewahrungsfrist - und eine Vorlagepflicht - vor. Von Zeit zu Zeit beschäftigt sich auch die Rechtspechung mit Heimarbeit (s. dazu Gliederungspunkt 5.).
2. Listenführung
Wer Heimarbeit
aus- oder
weitergibt,
hat jeden,
den er mit Heimarbeit beschäftigt oder
dessen er sich zur Weitergabe von Heimarbeit bedient,
in Listen auszuweisen (§ 6 Satz 1 HAG). Diese Listen sind in den Ausgaberäumen an gut sichtbarer Stelle auszuhängen (§ 6 Satz 2 HAG). Je drei Abschriften sind halbjährlich der obersten Arbeitsbehörde des Landes oder der von ihr bestimmten Stelle einzusenden (§ 6 Satz 3 HAG). Die Oberste Arbeitsbehörde des Landes oder die von ihr bestimmte Stelle hat
der zuständigen Gewerkschaft
und der zuständigen Vereinigung von Arbeitgebern
auf Verlangen jederzeit Abschriften zu übersenden (§ 6 Satz 4 HAG).
3. Mitteilungs- und Unterrichtungspflicht
Wer zum ersten Mal Personen mit Heimarbeit beschäftigen will, hat dies der obersten Arbeitsbehörde des Landes oder der von ihr bestimmten Stelle mitzuteilen (§ 7 Satz 1 HAG). "Will" heißt: Die Mitteilung muss erfolgen, bevor mit der Heimarbeit angefangen wird.
Beispiel:
Raumausstatter R liefert maßgefertigte Gardinen. Nachdem seine Näherin schon mehrere Monate krank ist und er mit Arbeitnehmerinnen von Zeitarbeitsfirmen schlechte Erfahrungen gemacht hat, entschließt R sich, seine Gardinen in Heimarbeit nähen zu lassen. Bevor er diesen Entschluss in die Tat umsetzt, muss er die nach § 7 HAG erforderliche Mitteilung machen.
"Erstmalig" i.S.d. § 7 Satz 1 HAG wird Heimarbeit auch dann vergeben, wenn sich ein Auftraggeber nach längerer Unterbrechung entschließt, wieder Heimarbeit zu vergeben. Bei typischer Saison-Heimarbeit reicht eine einmalige Anzeige - wobei man die Verwaltungsbehörde darauf hinweisen sollte, dass Heimarbeit von nun an saisonmäßig in Auftrag gegeben wird.
Wer vorsätzlich oder fahrlässig die Mitteilung von Heimarbeit unterlässt, handelt ordnungswidrig (§ 32a Abs. 2 Nr. 1 HAG). Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 2.500 EUR geahndet werden (§ 32a Abs. 3 HAG).
Wer Heimarbeit aus- oder weitergibt, hat die Personen, die die Arbeit entgegennehmen, vor Aufnahme der Beschäftigung
über die Art und Weise der zu verrichtenden Arbeit,
die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen diese bei der Beschäftigung ausgesetzt sind,
sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren
zu unterrichten (§ 7a Satz 1 HAG). Der Auftraggeber hat sich von der Person, die von ihm Arbeit entgegennimmt, schriftlich bestätigen zu lassen, dass sie entsprechend dieser Vorschrift unterrichtet ist (§ 7a Satz 2 HAG).
Die in Heimarbeit Beschäftigten haben für die Zeit, in denen der Auftraggeber seine Verpflichtungen aus § 7a Satz 1 HAG nicht erfüllt, ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 273 BGB. Sie dürfen ihre Leistung so lange zurückhalten, bis der Auftraggeber sie pflichtgemäß unterrichtet hat. § 7a Satz 1 HAG vermittelt einen Unterrichtungsanspruch, der eingeklagt werden kann. Solange die Arbeitsleistung berechtigterweise zurückgehalten wird, verlieren die in Heimarbeit Beschäftigten ihren Anspruch auf die Gegenleistung nicht. Der Auftraggeber ist in Annahmeverzug.
Wer gegen § 7a HAG verstößt, begeht nach § 32a Abs. 2 Nr. 1 HAG ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit. Auch diese Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 2.500 EUR geahndet werden (§ 32a Abs. 3 HAG).
4. Entgeltverzeichnisse und Entgeltbelege
Heimarbeit ist eine Beschäftigungsart, die sehr missbrauchsanfällig ist. Sie spielt sich bisweilen im wahrsten Sinn des Wortes im Verborgenen ab und öffnet so die Tür für Ausbeutung und Rechtsverstöße. Damit das - zumindest juristisch - nicht passiert, hat der Gesetzgeber die §§ 8 und 9 HAG geschaffen, die Vorschriften über Entgeltverzeichnisse und Entgeltbelege.
4.1 Entgeltverzeichnisse
Wer Heimarbeit ausgibt oder abnimmt, hat in den Räumen der Ausgabe und Abnahme
Entgeltverzeichnisse
und Nachweise über die sonstigen Vertragsbedingungen
offen auszulegen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 HAG). Finden Musterbücher Verwendung, sind sie den Entgeltverzeichnissen beizufügen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 HAG). Wird die Heimarbeit den Beschäftigten in die Wohnung oder Betriebsstätte gebracht, so hat der Auftraggeber dafür zu sorgen, dass das Entgeltverzeichnis zur Einsichtnahme vorgelegt wird (§ 8 Abs. 1 Satz 3 HAG). Kalkuliert der Auftraggeber die Entgelte neu, kann er sich auf ein neues Entgeltverzeichnis erst berufen, wenn er es § 8 HAG entsprechend offen ausgelegt hat. Werden die Entgelte nicht für Einzelstücke aufgeführt, hat der Auftraggeber eine zuverlässige und klare Berechnungsgrundlage in das Entgeltverzeichnis einzutragen. Die Heimarbeiter sollen damit vor einer Verschleierung der Berechnung ihrer Entgelte geschützt werden (BAG, 05.11.2002 - 9 AZR 409/01).
Die Entgeltverzeichnisse müssen die Entgelte für jedes einzelne Arbeitsstück enthalten (§ 8 Abs. 2 Satz 1 HAG). Die Preise der mitzuliefernden Roh- und Hilfsstoffe sind besonders auszuweisen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 HAG). Können die Entgelte für das einzelne Arbeitsstück nicht aufgeführt werden, ist eine zuverlässige und klare Berechnungsgrundlage einzutragen (§ 8 Abs. 2 Satz 3 HAG). Gibt es eine Entgeltregelung nach den §§ 17 bis 19 HAG, ist diese Entgeltregelung auszulegen (§ 8 Abs. 3 Satz 1 HAG). Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist dafür zu sorgen, dass nur der Teil der Entgeltregelung ausgelegt wird, der für die Beschäftigung in Betracht kommt (§ 8 Abs. 3 Satz 2 HAG). § 8 Abs. 1 bis Abs. 3 HAG gilt nicht für neue Muster, die als Einzelstücke erst auszuarbeiten sind (§ 8 Abs. 4 HAG).
§ 8 HAG verschafft Heimarbeitern und Gleichgestellten die Möglichkeit einer sicheren Unterrichtung über die zu erwartenden Entgelte und ihrer Berechnung. Zudem sollen die Entgeltverzeichnisse einen Schutz vor Verschleierung der Berechnungsmethoden gewährleisten.
Ein Verstoß gegen § 8 HAG ist eine Ordnungswidrigkeit (§ 32a Abs. 2 Nr. 1 HAG), die mit einer Geldbuße bis zu 2.500 EUR geahndet werden kann (§ 32a Abs. 3 HAG).
4.2 Entgeltbelege
Wer Heimarbeit
aus- oder
weitergibt,
hat den Personen, welche die Arbeit entgegennehmen, auf seine Kosten Entgeltbücher für jeden Beschäftigten (§ 1 Abs. 1 u. Abs. 2 HAG) auszuhändigen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 HAG). In die Entgeltbücher, die bei den Beschäftigten verbleiben, sind bei
jeder Ausgabe und
jeder Abnahme
von Arbeit
ihre Art
und ihr Umfang
die Entgelte
und die Tage der Ausgabe und Lieferung
einzutragen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 HAG). Auch diese Vorschrift gilt nicht für neue Muster, die als Einzelstücke erst auszuarbeiten sind (§ 9 Abs. 1 Satz 3 HAG). Die Eintragungen erfolgen nach Entgegennahme und Ablieferung der Heimarbeit.
An die Stelle der Entgeltbücher nach § 9 Abs. 1 HAG können auch Entgelt- und Arbeitszettel mit den zu einer ordnungsgemäßen Sammlung geeigneten Heften ausgegeben werden, falls die oberste Arbeitsbehörde des Landes oder die von ihr bestimmte Stelle dies genehmigt hat (§ 9 Abs. 2 HAG). Die in Heimarbeit Beschäftigten selbst müssen für eine ordnungsgemäße Aufbewahrung der Entgeltbelege sorgen (§ 9 Abs. 3 Satz 1 HAG) und diese Entgeltbelege den zuständigen Behörden auf Verlangen vorlegen (§ 9 Abs. 3 Satz 2 HAG). Das Gleiche gilt für Auftraggeber, in deren Händen sich die Entgeltbelege befinden (§ 9 Abs. 3 Satz 3 HAG).
Ein Verstoß gegen § 9 HAG ist eine Ordnungswidrigkeit (§ 32a Abs. 2 Nr. 1 HAG), die mit einer Geldbuße bis zu 2.500 EUR geahndet werden kann (§ 32a Abs. 3 HAG).
5. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der wichtigsten Entscheidungen zum Thema Heimarbeit - Allgemeiner Schutz in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet vorgestellt:
5.1 Anhörungsrecht
Wenn der Heimarbeitsausschuss das Anhörungsrecht eines Auftraggebers im Verfahren bindender Festsetzung nach § 19 Abs. 1 HAG missachtet, ist das ein schwerer Verfahrensverstoß. Er kann dazu führen, dass die bindenden Festsetzungen für die Beschäftigungsverhältnisse des nicht angehörten Auftraggebers nicht anzuwenden sind. Der Verfahrensverstoß bleibt ohne Bedeutung, wenn der nicht ordnungsgemäß angehörte Auftraggeber nicht darlegen kann, dass der Heimarbeitsausschuss bei ordnungsgemäßer Anhörung einen Beschluss mit anderem Inhalt hätte fassen können (BAG, 05.05.1992 - 9 AZR 447/90).
5.2 Home-Office
Viele Arbeitnehmer arbeiten von zuhause aus und haben sich dafür einen Telearbeitsplatz - ein Home-Office - eingerichtet. Passiert ihnen dort ein Unfall, geschieht das jedoch mehr im privaten Bereich als in einer Räumlichkeit, für die der Arbeitgeber verantwortlich ist. Noch bevor es um die Beantwortung der Frage geht, ob das konkrete Ereignis (hier: Treppensturz auf dem Weg zur Küche, um Wasser zu holen) der versicherten Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. SGB VII zuzurechnen ist, kommt es darauf an, ob ein Home-Office überhaupt in den SGB VII-Schutzbereich fällt. Da weder Arbeitgeber noch Berufsgenossenschaft hier präventiv und gefahrenreduzierend eingreifen können, "ist es sachgerecht, das vom häuslichen und damit persönlichen Lebensbereich ausgehende Unfallrisiko den Versicherten und nicht der gesetzlichen Unfallversicherung, mit der die Unternehmerhaftung abgelöst werden soll, zuzurechnen" (BSG, 05.07.2016 - B 2 U 5/15 R Pressemitteilung).
5.3 Kompensation
"2. Der Auftraggeber darf dem Anspruch auf Mindestentgelt nach den bindenden Festsetzungen nicht entgegenhalten, es liege deswegen keine Unterschreitung der Mindestentgelte vor, weil dies durch erhöhte Vorgabezeiten kompensiert worden sei; es sei denn, die Vorgabezeiten ergeben sich eindeutig aus dem Entgeltverzeichnis. 3. Der Auftraggeber kann seine Mithaftung für die Entgelte der Heimarbeiter nach § 21 Abs. 2 HAG nur ausschließen, wenn er bei der Kalkulation der Vergütung des Zwischenmeisters die üblicherweise beim Zwischenmeister anfallenden Kosten berücksichtigt. Hierzu gehören sämtliche Kosten der Heimarbeit nach den jeweiligen bindenden Festsetzungen unter Einbeziehung aller gesetzlichen Abgaben sowie sonstige anfallende Kosten und ein Ertrag des Zwischenmeisters" (BAG, 05.11.2002 - 9 AZR 409/01 - Leitsätze 2. und 3.).