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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Ausstrahlung
Ausstrahlung
Normen
§§ 4, 6 SGB IV
Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer
Kurzinfo
Eine Ausstrahlung i.S.v. § 4 SGB IV liegt vor,
bei Entsendung in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs des SGB,
im Rahmen eines in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses,
wenn sie im Voraus befristet ist, und zwar infolge der Eigenart der Beschäftigung oder aufgrund eines Vertrags.
Voraussetzung ist weiterhin, dass auf die Entsendung weder über- noch zwischenstaatliches Recht anzuwenden ist (vgl. § 6 SGB IV, Entsendung). Ist auf die Entsendung teilweise zwischenstaatliches Recht anzuwenden, gilt § 4 SGB IV für die nicht vom zwischenstaatlichen Abkommen erfassten Sozialversicherungszweige.
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
Information
1. Grundlegendes
Neben den in § 4 SGB IV getroffenen Regelungen sind zur Beurteilung einer Ausstrahlung die Ausführungen der "Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer" vom 18.03.2020 zu berücksichtigen.
Die Gemeinsame Verlautbarung fasst die gemeinsamen Auffassungen der Spitzenverbände der gesetzlichen Sozialversicherungen sowie zahlreiche Urteile des Bundessozialgerichts zu dieser Thematik zusammen.
Hierin werden z.B. Aussagen dazu getroffen
- was Indizien für das Vorliegen eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses sind,
- wann eine vertraglich im Voraus zeitlich befristete Beschäftigung nicht mehr vorliegt,
- wann eine Entsendung unterbrochen wird und
- wann sie ggf. außerplanmäßig endet.
Eine Entsendung i.S.d. Ausstrahlung nach § 4 SGB IV liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. u.a. BSG, 07.11.1996 - 12 RK 79/94, - 12 RK 48/96, - 12 RK 50/96 und - 12 RK 52/96) bei verbundenen Unternehmen (z.B. Mutter-/Tochtergesellschaft) insbesondere dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber in Deutschland das Entgelt oder den überwiegenden Teil des Entgelts an das Beschäftigungsunternehmen im Ausland weiterbelastet.
Konzernentsendung
In den Fällen einer Konzernentsendung hat das Entsendeunternehmen in Deutschland das Entgelt als Betriebsausgabe zu buchen und in der Lohnbuchhaltung so auszuweisen, wie für einen Arbeitnehmer in Deutschland. Erfolgt dies nicht, z.B. weil das Entgelt oder der überwiegende Teil dessen an das ausländische Unternehmen weiterbelastet wurde, liegt keine Entsendung i.S.d. Ausstrahlung vor. Dies gilt auch, wenn der wirtschaftliche Wert der vom entsandten Arbeitnehmer geleisteten Arbeit dem ausländischen verbundenen Unternehmen zugutekommt, die Weiterbelastung der Kosten aber z.B. mit Blick auf die finanzielle Situation dieses Unternehmens unterbleibt.
Bei Auslandseinsätzen in verbundenen Unternehmen ist daher insbesondere zu prüfen, ob das entsendende Unternehmen das Arbeitsentgelt des entsandten Arbeitnehmers wirtschaftlich trägt. In der Regel wird das entsendende Unternehmen berechtigt sein das Arbeitsentgelt des entsandten Arbeitnehmers steuerlich in Deutschland als Betriebsausgabe geltend zu machen. Selbst jedoch, wenn ein Betriebsausgabenabzug nicht in Betracht kommen sollte, (z.B., weil durch die Auslandsbeschäftigung eine sog. steuerliche Betriebsstätte im Ausland entsteht) schließt dieser Umstand eine Entsendung i.S.d. Ausstrahlung nicht aus (vgl. Pkt. 3.1.1 zu c) arbeitsrechtlicher Entgeltanspruch der "Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer" vom 18.03.2020).
Sofern die tatsächlichen Personalkosten (Arbeitsentgelt einschließlich Überstundenvergütung, Reisekosten etc.) in Form eines kalkulatorisch ermittelten Pauschalpreises, in dem auch andere Kosten und ein Gewinnaufschlag enthalten sind, angesetzt werden (z.B. im Rahmen der Erfüllung einer Lieferungs- oder Werk-/Dienstleistungsverpflichtung), stellt dies keine unmittelbare Weiterbelastung des Arbeitsentgelts des entsandten Arbeitnehmers dar. Gleiches gilt, wenn die im Zusammenhang mit der Entsendung stehenden Kosten auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen den verbundenen Unternehmen zu Bedingungen abgerechnet werden, wie sie zwischen Fremdfirmen üblich sind.
In der Konsequenz ist das Vorliegen einer Entsendung im Sinne der Ausstrahlung dadurch nicht ausgeschlossen.
Bei kurzzeitigen Entsendungen zu im Ausland ansässigen verbundenen Unternehmen tritt die Bedeutung des wirtschaftlichen Arbeitgebers allerdings in den Hintergrund. Die steuerliche Geltendmachung des Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe durch das verbundene Unternehmen, zu dem der Arbeitnehmer entsandt wurde, ist für das Vorliegen einer Entsendung unschädlich, wenn
- der Arbeitnehmer nur für eine kurze Zeit zu dem im Ausland ansässigen verbundenen Unternehmen entsandt wurde; von kurzzeitiger Dauer ist ein Einsatz, der zwei Monate nicht überschreitet und
- sich der Arbeitsentgeltanspruch des Arbeitnehmers ausschließlich gegen den entsendenden Arbeitgeber richtet.
Bei dem erneuten kurzfristigen Einsatz des Arbeitnehmers in demselben Staat bei demselben verbundenen Unternehmen handelt es sich nur dann um eine Entsendung im Sinne der Ausstrahlung, wenn seit dem Ende der vorherigen vorübergehenden Beschäftigung dort mindestens zwei Monate vergangen sind.
Der für das Vorliegen einer Entsendung im Sinne der Ausstrahlung unschädliche kurzzeitige Arbeitseinsatz von längstens zwei Monaten muss nicht zwingend durchgehend verlaufen. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Regelung sind auch dann erfüllt, wenn der Arbeitseinsatz mit Unterbrechungen stattfindet, aber insgesamt der Zeitraum von zwei Monaten (von Beginn des ersten Tages der vorübergehenden Beschäftigung beim verbundenen Unternehmen im Ausland an) nicht überschritten wird. Insofern wird in diesem Rahmen nach einer Unterbrechung keine zweimonatige Abstandsfrist in Gang gesetzt.
Beispiel:
Sachverhalt:
Helga Hell wird von ihrem Arbeitgeber vom 01.10. bis 31.10. und danach erneut vom 01.12.-31.12. dieses Jahres in Thailand eingesetzt. Das Arbeitsentgelt für diese Zeit wird komplett an das Tochterunternehmen in Thailand weiterbelastet. Der arbeitsrechtliche Entgeltanspruch von Frau Hell richtet sich auch während des Einsatzes in Thailand ausschließlich gegen das entsendende Unternehmen in Deutschland.
Beurteilung:
Sowohl der erste als auch der zweite Einsatz in Thailand erfüllen die o.g. Voraussetzungen eines kurzzeitigen Einsatzes im verbundenen Unternehmen. Da der Einsatz nicht zusammenhängend verlaufen muss, bleibt die zwischen den Einsätzen liegende Unterbrechungsdauer, obwohl diese nicht mehr als zwei Monate umfasst, unberücksichtigt. Es liegen damit die Voraussetzungen einer Ausstrahlung im o.g. Sinne für beide Einsätze vor.
Rumpfarbeitsverhältnisse
Besteht mit dem Entsendeunternehmen in Deutschland nur noch ein sog. Rumpfarbeitsverhältnis (bei dem die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit dem entsendenden Unternehmen für die Dauer der Entsendung ruhen), kann eine Entsendung i.S.d. § 4 SGB IV ebenfalls nicht vorliegen. Hiervon abweichend steht der Abschluss eines zusätzlichen lokalen Arbeitsvertrages (z.B. um ein Arbeitsvisum zu erhalten) einer Entsendung innerhalb verbundener Unternehmen dann nicht entgegen, wenn die üblichen wechselseitigen Hauptpflichten aus dem lokalen Arbeitsvertrag faktisch suspendiert sind, das heißt, die Ausgestaltung der Weisungsverhältnisse weiterhin allein bei dem entsendenden Unternehmen liegt und allein das entsendende Unternehmen das Arbeitsentgelt wirtschaftlich trägt.
Beispiel:
Sachverhalt:
Hugo Hiller wird von seinem Arbeitgeber vom 01.10. dieses Jahres bis 31.10. des kommenden Jahres in Mexiko bei einem Tochterunternehmen eingesetzt. Das mexikanische Recht sieht vor, dass eine Tätigkeit in Mexiko nur dann ausgeübt werden kann, wenn (auch) mit einem inländischen Unternehmen ein Arbeitsvertrag besteht. Herr Hiller erhält daher neben dem deutschen Arbeitsvertrag auch einen mexikanischen Arbeitsvertrag. Zwischen den beiden Unternehmen und Herrn Hiller wird vereinbart, dass Herr Hiller während des Einsatzes ausschließlich dem Weisungsrecht der deutschen Muttergesellschaft unterstellt bleibt und diese auch die Gehaltskosten von Herrn Hiller tragen wird.
Beurteilung:
Der mexikanische Arbeitsvertrag dient faktisch nur der Erlangung der Arbeitserlaubnis für den Einsatz von Herrn Hiller in Mexiko. Er steht daher unter den o.g. Bedingungen einer Entsendung nicht entgegen.
Entsendungen ohne vorherige Beschäftigung in Deutschland
Eine Entsendung im Sinne der Ausstrahlung kann auch dann vorliegen, wenn eine Person, die zuvor nicht bei dem in Deutschland ansässigen Arbeitgeber beschäftigt war, im Hinblick auf eine Entsendung eingestellt und direkt mit Beschäftigungsbeginn vorübergehend ins Ausland entsandt wird, wenn eine anschließende Weiterbeschäftigung bei dem entsendenden Unternehmen in Deutschland vorgesehen ist. Der Arbeitnehmer muss aber vor der Entsendung entweder in Deutschland beschäftigt gewesen sein oder wenigstens dort seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben (vgl. Urteil des BSG vom 27.05.1986 - 2 RU 12/85). Dementsprechend können selbst Personen, die unmittelbar vor der vorübergehenden Auslandsbeschäftigung in Deutschland gelebt, aber noch nicht im Erwerbsleben gestanden haben (z.B. Schüler, Studenten, Erwerbslose), i.S.d. Vorschriften über die Ausstrahlung entsandt werden (vgl. Beispiel 6.4 - Arbeitnehmer G und Beispiel 6.6 - Arbeitnehmer J und K der "Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer" vom 18.03.2020).
Wird dagegen eine ohne vorhergehende Beschäftigung in Deutschland und außerhalb Deutschlands wohnende Person von einem in Deutschland ansässigen Unternehmen eingestellt und unmittelbar in einen Drittstaat entsandt, so handelt es sich nicht um eine Entsendung im Sinne des § 4 Abs. 1 SGB IV. Das heißt, die betreffende Person unterliegt grundsätzlich nicht den deutschen Rechtsvorschriften. Eine andere Beurteilung kann sich im Ausnahmefall dann ergeben, wenn der Arbeitnehmer (mit Wohnsitz außerhalb Deutschlands) unmittelbar vor der Einstellung zur Entsendung in einen anderen Staat den deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit unterlag. Das Gleiche gilt, falls der Arbeitnehmer nicht unmittelbar zuvor den deutschen Rechtsvorschriften unterlag aber bereits eine hinreichende Beziehung zur deutschen Sozialversicherung (z.B. durch den Nachweis über rentenrechtliche Zeiten im Versicherungsverlauf der Rentenversicherung) vorweisen kann (vgl. Beispiel 6.7 der "Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer" vom 18.03.2020).
Ohne eine der Auslandsbeschäftigung unmittelbar vorhergehende Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers bei dem entsendenden Unternehmen in Deutschland liegt eine Entsendung im Rahmen eines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses allerdings nur vor, wenn eine Vereinbarung über oder eine hinreichend verlässliche Perspektive für eine anschließende Weiterbeschäftigung des entsandten Arbeitnehmers bei dem entsendenden Unternehmen in Deutschland besteht. Von einer Weiterbeschäftigung beim entsendenden Arbeitgeber in Deutschland ist dann auszugehen, wenn nach dem Ende der Auslandsbeschäftigung weiterhin Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis in Deutschland erbracht werden sollen. Tätigkeiten, die lediglich zur Abwicklung des vorübergehend im Ausland ausgeübten Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind (z.B. Herausgabe von Unterlagen oder Anfertigung von Berichten), stellen üblicherweise keine Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar (vgl. Urteil des BSG, 19.12.2013 - B 2 U 14/12 R). In derartigen Fällen ist mithin nicht von einer Weiterbeschäftigung in Deutschland auszugehen und die vorherige Auslandsbeschäftigung nicht als Entsendung im Sinne der Ausstrahlung anzusehen.
Zeitgrenze der Entsendung
Für die zeitliche Befristung ist im § 4 SGB IV keine Höchstgrenze festgelegt. Dennoch ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass eine Entsendung i.S.d. § 4 SGB IV bei einer fehlenden Inlandsintegration grundsätzlich nicht mehr vorliegt. Schließlich soll durch § 4 SGB IV nicht die Möglichkeit geschaffen werden, dass ein nur kurze Zeit in Deutschland Beschäftigter einen wesentlichen Teil seiner Lebensarbeitszeit im Ausland bei weitergeltendem Versicherungsschutz in Deutschland verbringt. Vielmehr dient § 4 SGB IV dazu, einen grundsätzlich in Deutschland bestehenden Sozialversicherungsschutz nicht durch einen befristeten Auslandseinsatz zu verlieren. Wann eine Inlandsintegration nicht mehr besteht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
An einer Inlandsintegration im o.g. Sinne fehlt es immer auch dann, wenn der zum Zwecke der Entsendung eingestellte Arbeitnehmer bisher im Ausland versichert war und das entsendende Unternehmen nicht beabsichtigt, ihn nach Ablauf der Entsendung weiter im Inland zu beschäftigten.
Beispiel:
Sachverhalt:
Heinz Hinterseher war zuletzt in Österreich versichert, davor jedoch in Deutschland. Am 01.02.2021 wurde er von einem in Deutschland ansässigen Unternehmen eingestellt, um sofort in Shanghai für drei Jahre eingesetzt zu werden. Das Beschäftigungsverhältnis von Herrn Hinterseher ist auf den Zeitraum seines Einsatzes in Shanghai befristet. Eine anschließende Weiterbeschäftigung in Deutschland ist derzeit nicht geplant.
Beurteilung:
Es liegt keine Entsendung vor, da es an einer Weiterbeschäftigung in Deutschland im Anschluss an den Auslandseinsatz mangelt. Für das Beschäftigungsverhältnis von Herrn Hinterseher gelten daher seit dem 01.02.2021 die Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit Shanghais. Würde das Unternehmen beabsichtigen, Herrn Hinterseher im Anschluss an seinen Einsatz in Shanghai in Deutschland weiter zu beschäftigen, würde, aufgrund des in der Vergangenheit bestehenden Bezugs zur deutschen Sozialversicherung der befristete Einsatz in Shanghai einer Ausstrahlung nicht entgegenstehen (vgl. auch Punkt 3.1.2 der "Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer" vom 18.11.2015).
Sofern sich die Begrenzung nicht aus der Eigenart der Beschäftigung oder durch vertragliche Abreden ergibt, stellt allein ein Recht des Arbeitgebers, den Beschäftigten jederzeit aus dem Ausland zurückzurufen und ihm einen Arbeitsplatz in Deutschland zuzuweisen, für sich betrachtet keine zeitliche Begrenzung der Entsendung im Voraus dar. In diesem Falle steht nicht bereits zu Beginn der Entsendung fest, ob und ggf. wann der Arbeitgeber von seinem Rückrufrecht Gebrauch machen wird.
Dagegen gilt eine zunächst im Voraus vertraglich zeitlich begrenzte Entsendung, die nach dem Vertrag für einen weiteren begrenzten Zeitraum fortgesetzt werden kann, grundsätzlich auch für die Verlängerungszeit als im Voraus zeitlich begrenzt (vgl. Beispiel 6.16 der "Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer" vom 18.03.2020).
Weitere Indizien für eine "Ausstrahlung" ergeben sich aus der folgenden Übersicht:
Beendet ist eine Ausstrahlung auch ab dem Zeitpunkt, ab dem
der ausländische Beschäftigungsort zwar derselbe bleibt, aber der inländische Arbeitgeber gewechselt wird (aber: Erfolgt ein Wechsel des Arbeitgebers lediglich dadurch, dass das Unternehmen des bisherigen Arbeitgebers durch ein anderes inländisches Unternehmen übernommen wird - Betriebsübergang nach § 613a BGB -, ist dieser Wechsel unbeachtlich) oder
der Arbeitgeber derselbe bleibt, jedoch der Beschäftigungsort vorübergehend vom Ausland ins Inland verlegt wird (gilt jedoch nur, wenn die Beschäftigung im Inland über die Dauer von zwei Monaten hinausgeht) oder
eine befristete Entsendung in eine unbefristete Auslandsbeschäftigung umgewandelt wird oder
der arbeitsrechtliche Entgeltanspruch auf den ausländischen Arbeitgeber übergeht.
1.1 Vorübergehende Rückkehr nach Deutschland
Ein vorübergehender Aufenthalt in Deutschland während der Entsendung für nicht mehr als zwei Monate, etwa aus Urlaubsgründen, zur Berichterstattung, zur Unterrichtung über neue Techniken, Geschäftsgrundsätze usw., unterbricht - im Unterschied zur vorübergehenden Verlegung des Beschäftigungsortes - die Entsendung nicht. In diesem Fall ist von einer einheitlichen Entsendung auszugehen. Geht der vorübergehende Aufenthalt in Deutschland über den Zeitraum von zwei Monaten hinaus, endet die Entsendung mit der Rückkehr nach Deutschland. Siehe auch Hinweise unter Punkt 1 "Grundsätzliches". Bei der Fortsetzung der Beschäftigung im Ausland ist zu prüfen, ob es sich um eine neue Entsendung i.S.d. Ausstrahlung handelt (vgl. Beispiel 6.18 der "Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer" vom 18.03.2020 - Arbeitnehmer X).
1.2 Prüfung der Voraussetzungen einer Entsendung
Ob die Voraussetzungen einer Entsendung vorliegen, hat der Arbeitgeber im Rahmen seiner ihm obliegenden Melde- und Beitragspflichten vor Beginn des Auslandseinsatzes zu prüfen. Er kann, insbesondere in Zweifelsfällen, von der zuständigen Einzugsstelle verlangen, dass diese eine Feststellung darüber trifft, ob es sich in dem zu entscheidenden Fall um eine Entsendung i.S.d. Ausstrahlung handelt oder nicht. Für die entsprechende Anfrage kann ein Antrag mit dem als Anlage der "Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer" vom 18.03.2020 beiliegenden Muster gestellt werden. Diese Sachverhalte werden - entgegen denen innerhalb der EU, des EWRs und der Schweiz (A1-Verfahren) - ab 01.01.2018 nicht von dem elektronischen Antrags- und Bescheinigungsverfahren nach § 106 SGB IV erfasst. Bitte verwenden Sie daher bis auf Weiteres für die Überprüfung durch die zuständige Einzugsstelle weiterhin die kassenspezifischen Fragebögen, bzw. - sofern solche nicht vorliegen - den als Anlage zu der o.g. Gemeinsamen Verlautbarung veröffentlichten (inhaltlich identischen) Fragebogen. Da weder die Krankenkasse noch der Rentenversicherungsträger Einzugsstelle für die Beiträge zur Unfallversicherung ist, ist im Bedarfsfall vom Unfallversicherungsträger eine eigene Prüfung vorzunehmen. Wir empfehlen in Zweifelsfällen dem Unfallversicherungsträger das Ergebnis der Einzugsstelle mitzuteilen und anzufragen, ob dieser die Auffassung der Einzugsstelle teilt.
2. Abzug der Sozialversicherungsbeiträge
Soweit eine Person für eine im Ausland ausgeübte Beschäftigung weiterhin nach inländischem Recht zu versichern ist, gelten die allgemeinen Grundsätze für die Einbehaltung und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge. Die Beschäftigung ist versicherungspflichtig, soweit die gleiche Beschäftigung bei gleich hohem Arbeitsentgelt auch im Inland versicherungspflichtig wäre.
In der Krankenversicherung gilt § 4 SGB IV nur für krankenversicherungspflichtige Beschäftigte. Für freiwillig Krankenversicherte (JAE-Überschreiter) ist lediglich der Wohnsitz maßgebend (vgl. § 3 SGB IV).
Bitte berücksichtigen Sie, dass für die Bemessung der Insolvenzgeldumlage auch auf die Arbeitsentgelte der Arbeitnehmer zurückgegriffen wird, für die nach Maßgabe der §§ 4 und 5 SGB IV die deutschen Vorschriften über die Versicherungspflicht gelten (vgl. Abschnitt 2.2 der "Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer" vom 18.03.2020).
3. Ausstrahlung bei Sachverhalten, die teilweise von einem bilateralen Abkommen erfasst werden
Beispiel 1:
Sachverhalt:
Hans Heizer wird von seinem in Deutschland ansässigen Unternehmen für ein Jahr nach China entsandt. Die Voraussetzungen einer Entsendung i.S.d. deutsch-chinesischen Abkommens über Soziale Sicherheit sind ebenso wie die Voraussetzungen einer Entsendung i.S.d. Ausstrahlung nach § 4 SGB IV erfüllt.
Beurteilung:
Für die vom deutsch-chinesischen Abkommen über Soziale Sicherheit erfassten Sozialversicherungszweige der Renten- und Arbeitslosenversicherung gilt ausschließlich deutsches Recht. Für die übrigen Sozialversicherungszweige gelten ebenfalls die deutschen Rechtsvorschriften, da die Voraussetzungen einer Ausstrahlung nach § 4 SGB IV erfüllt sind. Allerdings kann für diese Sozialversicherungszweige nicht ausgeschlossen werden, dass es auch zu einer Sozialversicherungs- und damit auch zu einer Beitragspflicht in China kommt, da für diese Sozialversicherungszweige keine bilateralen Regelungen zur Vermeidung einer Doppelversicherung bestehen (vgl. auch Beispiel 6.3 der "Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer" vom 18.03.2020).
Beispiel 2:
Sachverhalt:
Tim Tänzer ist freiwilliges Mitglied einer deutschen gesetzlichen Krankenkasse. Er wird von seinem in Deutschland ansässigen Unternehmen für drei Jahre in der Türkei eingesetzt. In dieser Zeit ruht sein deutsches Arbeitsverhältnis. Seine Familie und sein Lebensmittelpunkt verbleiben in dieser Zeit in Deutschland. Da die Voraussetzungen einer Entsendung i.S.d. deutsch-türkischen Abkommens über Soziale Sicherheit nicht erfüllt sind, wurde beim GKV-Spitzenverband, DVKA eine Ausnahmevereinbarung beantragt. Diese kam - in Absprache mit der türkischen Seite - auch zustande. Für Herrn Tänzer gelten daher während seines Einsatzes in der Türkei in allen vom deutsch-türkischen Abkommen über Soziale Sicherheit erfassten Bereichen, also in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung ausschließlich die deutschen Rechtsvorschriften. Die Pflegeversicherung wird vom Abkommen nicht erfasst. Ihre Beurteilung richtet sich daher nach § 4 SGB IV.
Beurteilung:
Für Herrn Tänzer gelten nach dem deutsch-türkischen Abkommen über Soziale Sicherheit u.a. in der Krankenversicherung die deutschen Rechtsvorschriften. Nach § 3 Nr. 2 SGB V ist die Versicherung nur vom Wohnsitz in Deutschland abhängig. Da er seinen Wohnsitz in Deutschland beibehält, kann er auch seine freiwillige Krankenversicherung während seines Einsatzes in der Türkei beibehalten. Aufgrund der freiwilligen Krankenversicherung liegt Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 3 SGB XI vor.
Hinweis:
Wäre Herr Tänzer krankenversicherungspflichtig, wäre zwar über die Ausnahmevereinbarung die Krankenversicherung erfasst. Die Pflegeversicherung wäre aber nach § 4 SGB IV zu prüfen. Voraussetzung für die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung wäre eine Entsendung im Rahmen der Ausstrahlung aus einem in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnis. Diese liegt nicht vor. Herrn Tänzer bliebe daher nur die Weiterversicherung in der Pflegeversicherung nach § 26 Abs. 2 SGB XI. Weitere Details hierzu finden Sie im Fachbeitrag Pflegeversicherung - Ausland.
Hat Deutschland mit einem Staat ein bilaterales Abkommen über soziale Sicherheit geschlossen, betrifft dieses i.d.R. nur einige Sozialversicherungszweige. Für die nicht vom Abkommen erfassten Sozialversicherungszweige gelten die Regelungen des § 4 SGB IV zur Ausstrahlung.
Eine Übersicht über die einzelnen bilateralen Abkommen und die hiervon erfassten Sozialversicherungszweige finden Sie im Fachbeitrag Ausstrahlung - Überblick.
4. Ausstrahlung im Falle von Mehrfachbeschäftigungen
Arbeitnehmer, die sowohl für das in Deutschland ansässige, entsendende Unternehmen als auch für das im Ausland ansässige, aufnehmende Unternehmen im Ausland beschäftigt sind, können in zwei abgrenzbar voneinander zu beurteilenden Beschäftigungsverhältnissen (zum inländischen entsendenden Unternehmen einerseits und zum ausländischen aufnehmenden Unternehmen andererseits) stehen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Arbeitnehmer in beide Unternehmen eingegliedert ist, gegen beide Unternehmen ein Arbeitsentgeltanspruch besteht und beide Unternehmen als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen sind. In diesen Fällen gelten die deutschen Vorschriften über die Versicherungspflicht im Rahmen der Entsendung im Sinne der Ausstrahlung nur hinsichtlich der für das deutsche entsendende Unternehmen ausgeübten Beschäftigung (vgl. Beispiel 6.21 der "Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer" vom 18.03.2020). Die Beurteilung des auf das ausländische Unternehmen entfallenden Beschäftigungsverhältnisses erfolgt dann ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des dortigen Staates.
Stellt das ausländische aufnehmende Unternehmen dem Arbeitnehmer auf eigene Kosten lediglich Sachbezüge (z.B. Wohnung, PKW) zur Verfügung, ohne dass eine arbeitsvertragliche Grundlage hierfür besteht, liegt eine Mehrfachbeschäftigung in der Regel nicht vor (vgl. Beispiel 6.22 der "Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer" vom 18.03.2020). Die Sachbezüge haben für die Beurteilung der Versicherungs- und Beitragspflicht im Rahmen der Entsendung keine Bedeutung.
Siehe auch
Arbeitsunfähigkeit - Nachweis AuslandsaufenthaltAuslandsaufenthalt - BeschäftigungAusstrahlung - ÜberblickEntsendungEG-Verordnung Nr. 883-2004Pflegeversicherung - Ausland