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Zu § 39 SGB XI Tit. 1 RdSchr. vom 01.12.2021, Allgemeines
Zu § 39 SGB XI Tit. 1 RdSchr. vom 01.12.2021
Gemeinsames Rundschreiben zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI
Zu § 39 SGB XI – Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson
Zu § 39 SGB XI Tit. 1 RdSchr. vom 01.12.2021 – Allgemeines
(1) Ist eine Pflegeperson an der Pflege gehindert, hat ein Pflegebedürftiger ab dem Pflegegrad 2 für die Dauer von bis zu sechs Wochen (42 Kalendertage) je Kalenderjahr Anspruch auf Verhinderungspflege.
An der Pflege gehinderte Pflegepersonen sind Angehörige, der Lebenspartner, Nachbarn, Bekannte oder sonstige Personen, die einen Pflegebedürftigen nicht erwerbsmäßig in der Häuslichkeit pflegen (i. S. des § 19 SGB XI). Pflegekräfte einer zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtung nach § 72 SGB XI und Pflegekräfte mit denen die Pflegekasse einen Einzelvertrag nach § 77 SGB XI geschlossen hat sowie Betreiber und Pflegekräfte ambulant betreuter Wohngruppen, sind keine an der Pflege gehinderte Pflegepersonen i. S. d. § 39 SGB XI.
(2) Für die Verhinderungspflege kann die Pflegekasse im Einzelfall bis zu 1.612,00 EUR im Kalenderjahr übernehmen; die Zahlung bezieht sich dabei auf das Kalenderjahr und nicht auf die Pflegeperson(en). Ergänzend kann der Leistungsbetrag um bis zu 806,00 EUR aus noch nicht in Anspruch genommenen Mitteln der Kurzzeitpflege nach § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB XI auf insgesamt 2.418,00 EUR im Kalenderjahr erhöht werden (vgl. Ziffer 2.7). Wird die Verhinderungspflege durch Pflegepersonen sichergestellt, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grade verwandt oder verschwägert sind oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, gilt dies nur insoweit, als im Zusammenhang mit der Verhinderungspflege weitere notwendige Aufwendungen nachgewiesen werden (vgl. § 39 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB XI). Wird die Verhinderungspflege durch Pflegepersonen durchgeführt, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grade verwandt oder verschwägert sind oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, sind die Aufwendungen der Pflegekasse grundsätzlich auf die Höhe des 1,5-fachen in dem jeweiligen Pflegegrad festgelegten Pflegegeldbetrages nach § 37 Abs. 1 SGB XI für bis zu sechs Wochen (42 Tage) beschränkt.
Eine Begrenzung des Leistungsanspruchs entsprechend der Kürzungsvorschrift des Pflegegeldes nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB XI (vgl. Ziffer 2.2.1 zu § 37 SGB XI) auf einen Tagessatz von 1/42 für die tatsächlichen Tage, an denen die Verhinderungspflege durchgeführt wurde, erfolgt nicht (Urteil des BSG vom 12.07.2012; Az.: B 3 P 6/11 R). Inwieweit die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen angemessen ist, ist stets im Einzelfall zu prüfen. Dabei sind die konkreten und persönlichen Verhältnisse des Pflegebedürftigen und der Ersatzpflegeperson zu berücksichtigen, wie z. B. der Umfang und Inhalt der pflegebedingten Aufwendungen, Art und Schwere der Beeinträchtigungen des Pflegebedürftigen, Wohnortentfernung der Ersatzpflegeperson, (zeitlicher) Organsiationsaufwand der Ersatzpflegeperson (insbesondere bei kurzfristig erforderlicher Verhinderungspflege).
Insgesamt ist der Anspruch auf Verhinderungspflege in zweifacher Hinsicht - von der Dauer her und auf einen Höchstbetrag - begrenzt. Für die Leistungsgewährung der Verhinderungspflege hat der Pflegebedürftige die entstandenen Kosten nachzuweisen (z. B. über Quittung, Rechnung, Kontoauszug).
Sofern die Leistungen der Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI hinsichtlich der Dauer ausgeschöpft sind, kann ein eventuell noch verbleibender Leistungsbetrag bis maximal 806,00 EUR ebenfalls für die Verhinderungspflege verwendet werden.
(3) Im Rahmen der Verhinderungspflege ist zwischen einer nicht erwerbsmäßigen und einer erwerbsmäßigen Verhinderungspflege zu unterscheiden. So kann die Verhinderungspflege zum einen durch eine private, nicht erwerbsmäßig pflegende Person (z. B. Angehörige, Lebenspartner, Nachbarn, Bekannte) und zum anderen durch eine zugelassene Pflegeeinrichtung nach § 72 SGB XI (z. B. ambulante Pflegedienste, Familienentlastende Dienste) sowie andere nicht zugelassene Dienste, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit die Verhinderungspflege durchführen (z. B. Dorfhelfer-/innen, Betriebshilfsdienste), erbracht werden.
(4) Bei Empfängern von Pflegegeld besteht neben dem Anspruch auf Verhinderungspflege zusätzlich ein Anspruch auf Fortzahlung des Pflegegeldes in Höhe der Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes für bis zu sechs Wochen im Kalenderjahr. Abweichend davon wird für den ersten und letzten Tag der Verhinderungspflege das Pflegegeld in voller Höhe gezahlt (vgl. Ziffer 2.2.3 zu § 37 SGB XI).
(5) Bei stundenweiser Leistungserbringung ist auch eine Inanspruchnahme von Verhinderungspflege möglich. Ist in diesen Fällen die Pflegeperson weniger als 8 Stunden am Tag verhindert, so erfolgt ausschließlich eine Anrechnung auf den Höchstbetrag von 1.612,00 EUR, nicht aber auf die Höchstdauer von 42 Tagen. Entscheidend für die Anrechnung auf die Höchstdauer ist der tatsächliche Verhinderungszeitraum der Pflegeperson und nicht die Dauer der Inanspruchnahme der Ersatzpflegeperson (oder des Pflegedienstes, des familienentlastenden Dienstes etc.). Ist die Pflegeperson beispielsweise an 8 Stunden verhindert und wird die Verhinderungspflege nur an zwei Stunden in Anspruch genommen, erfolgt sowohl eine Anrechnung auf den Höchstbetrag als auch eine Anrechnung auf die Höchstdauer von 42 Tagen.
Bei einer stundenweisen Verhinderung der Pflegeperson von weniger als 8 Stunden besteht wie bisher ein Anspruch auf das volle Pflegegeld. Erfolgt eine stundenweise Leistungserbringung durch eine nicht erwerbsmäßig pflegende Person, sollte eine entsprechende Beratung durch die Pflegekasse erfolgen. Wird die stundenweise Verhinderungspflege durch nicht erwerbsmäßig pflegende Ersatzpflegepersonen erbracht, die nicht mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sind, wie beispielsweise Nachbarn, besteht der Anspruch der Verhinderungspflege in Höhe des Leistungsbetrags nach § 39 Abs. 1 SGB XI. Wird die Ersatzpflege hingegen durch Ersatzpflegepersonen erbracht, die mit dem Pflegebedürftigen gemeinsam im Haushalt leben oder mit ihm bis zum 2. Grade verwandt oder verschwägert sind, ist der Anspruch auf Verhinderungspflege nach § 39 Abs. 3 Satz 1 SGB XI auf die Höhe des Pflegegeldes begrenzt (vgl. auch Ziffer 2.2). Da es bei einer stundenweisen Verhinderung zu keiner Kürzung des Pflegegeldes kommt, kann es für den Pflegebedürftigen günstiger sein, keine Verhinderungspflege zu beantragen, da der Anspruch auf Verhinderungspflege sowieso auf die Höhe des Pflegegeldes begrenzt ist und bei einem Verzicht auf Beantragung der Verhinderungspflege der Gesamtanspruch in Höhe von 1.612,00 EUR durch die stundenweise Verhinderung der Pflegeperson nicht geschmälert wird.
Beispiel 1
Die Pflegeperson eines Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2 ist vom 04.04. bis 09.04. (6 Kalendertage) in der Zeit von 08.00 Uhr bis 17.00 Uhr (9 Stunden) verhindert. Die Verhinderungspflege wird von der nicht mit dem Pflegebedürftigen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Tochter in der Zeit von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr (7 Stunden) erbracht. Es werden Kosten in Höhe von 120,00 EUR nachgewiesen.
Kostenübernahme für die Verhinderungspflege | = 120,00 EUR |
Berechnung der Pflegegeldansprüche: | |
für den 04.04. und 09.04. | |
volles Pflegegeld (316,00 EUR x 2 : 30) | = 21,07 EUR |
vom 05.04. bis 08.04. | |
hälftiges Pflegegeld (158,00 EUR x 4 : 30) | = 21,07 EUR |
Ergebnis:
Da es sich bei der Tochter um eine Verwandte bis zum zweiten Grade handelt, ist eine Kostenübernahme bis zur Höhe des 1,5-fachen Betrags des Pflegegeldes (474,00 EUR) möglich. Da dieser Betrag nicht überschritten wird, können die nachgewiesenen Kosten in Höhe von 120,00 EUR übernommen werden.
Im laufenden Kalenderjahr besteht noch ein Restanspruch auf Verhinderungspflege in Höhe von 1.492,00 EUR (1.612,00 EUR - 120,00 EUR). Da die Pflegeperson täglich 9 Stunden verhindert ist, erfolgt ebenfalls eine Anrechnung auf die Höchstdauer von 42 Tagen, so dass noch ein Restanspruch von 36 Kalendertagen besteht.
Aufgrund der Verhinderung der Pflegeperson von mehr als 8 Stunden wird für vier Tage (05.04. bis 08.04.) das Pflegegeld in Höhe der Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes fortgezahlt. Für den ersten und letzten Tag der Verhinderungspflege wird das volle Pflegegeld gezahlt.
Beispiel 2
Die Pflegeperson eines Pflegebedürftigen des Pflegerades 3 ist erstmalig vom 09.06. bis 10.06. (2 Kalendertage) in der Zeit von 09.00 Uhr bis 17.00 Uhr (8 Stunden) verhindert. Es werden Kosten in Höhe von 200,00 EUR geltend gemacht. Vom 16.06. bis 20.06. (5 Kalendertage) ist die Pflegeperson erneut verhindert. Dieses Mal in der Zeit von 09.00 Uhr bis 15.00 Uhr (6 Stunden). Hierfür werden Kosten in Höhe von 500,00 EUR nachgewiesen. Die Verhinderungspflege wird jeweils von der nicht mit dem Pflegebedürftigen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Tochter jeweils in der Zeit von 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr erbracht.
Verhinderungszeitraum vom 09.06. bis 10.06. | |
Kostenübernahme für die Verhinderungspflege | = 200,00 EUR |
Berechnung des Pflegegeldanspruches: | |
vom 09.06. bis 10.06. | |
volles Pflegegeld (545,00 EUR x 2 : 30) | = 36,33 EUR |
Verhinderungszeitraum vom 16.06. bis 20.06. | |
Kostenübernahme für die Verhinderungspflege | = 500,00 EUR |
Berechnung des Pflegegeldanspruches: | |
vom 16.06. bis 20.06. | |
volles Pflegegeld (545,00 EUR x 5 : 30) | = 90,83 EUR |
Ergebnis:
Da es sich bei der Tochter um eine Verwandte bis zum zweiten Grade handelt, ist eine Kostenübernahme bis zur Höhe des 1,5-fachen Betrags des Pflegegeldes (817,50 EUR) möglich. Da dieser Betrag nicht überschritten wird, können die nachgewiesenen Kosten in Höhe von 700,00 EUR (200,00 EUR + 500,00 EUR) erstattet werden. Im laufenden Kalenderjahr besteht noch ein Restanspruch auf Verhinderungspflege in Höhe von 912,00 EUR (1.612,00 EUR - 700,00 EUR). Da die Pflegeperson in dem Verhinderungszeitraum vom 09.06. bis 10.06. täglich an 8 Stunden verhindert ist, erfolgt eine Anrechnung auf die Höchstdauer von 42 Tagen, so dass noch ein Restanspruch auf 40 Kalendertage besteht. Das Pflegegeld wird für den ersten und letzten Tag der Verhinderungspflege in voller Höhe gezahlt (Verhinderungszeitraum 09.06. bis 10.06.).
Eine Anrechnung der Verhinderungstage vom 16.06. bis 20.06. auf die Höchstanspruchsdauer erfolgt nicht, da die Pflegeperson täglich nur 6 Stunden verhindert ist. Aus diesem Grund wird das Pflegegeld in voller Höhe weitergezahlt.
Sofern der Leistungsanspruch der Verhinderungspflege im laufenden Kalenderjahr der Dauer, nicht aber der Höhe nach bereits ausgeschöpft wurde, kann der nicht verbrauchte Leistungsbetrag der Verhinderungspflege für die stundenweise Verhinderungspflege von weniger als acht Stunden täglich in Anspruch genommen werden.
Die Kosten der Verhinderungspflege können bis zum Höchstbetrag von 1.612,00 EUR ohne anteilige Kürzung zusätzlich zur (ungekürzten) Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI erstattet werden. Dies kann im Einzelfall - bei einem Pflegebedürftigen des Pflegegrades 5 - dazu führen, dass in einem Monat bis zu 3.707,00 EUR von der Pflegekasse übernommen werden. Somit ist die üblicherweise anfallende Sachleistung auch im Falle der Verhinderung der Pflegeperson weiterhin als Sachleistung nach § 36 SGB XI abzurechnen.
(2) Auf die Dauer des Leistungsanspruchs nach § 39 SGB XI wird die Zeit einer Leistungsgewährung nach § 42 SGB XI nicht angerechnet.
Beispiel 3
Urlaub der Pflegeperson vom 01.03. bis 11.04. (42 Kalendertage) = Kostenübernahme für Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI.
Erkrankung der Pflegeperson vom 01.05. bis 28.05. (28 Kalendertage) = Gewährung von Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI.
(3) Der Anspruch auf Ersatzpflege entsteht mit jedem Kalenderjahr neu. Hieraus folgt, dass ein
am 31.12. eines Jahres bestehender oder an diesem Tag endender,
vor dem 31.12. eines Jahres abgelaufener
Leistungsanspruch nach § 39 SGB XI - bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen - ab 01.01. des Folgejahres für sechs Wochen weiter besteht oder wiederauflebt. Bezüglich der Fortzahlung des hälftigen Pflegegeldes vgl. Ziffer 2.2.3 zu § 37 SGB XI.
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 1. Januar 2023 durch RdSchr. vom 20.12.2022