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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Stolpersteine - Betriebsprüfung
Stolpersteine - Betriebsprüfung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Sie sind nicht immer gerne gesehen - die Betriebsprüfer der Rentenversicherung. Und dennoch geben sie dem Betrieb und seinen Mitarbeitern im Personalwesen die Sicherheit, bei der Sozialversicherung alles richtig gemacht zu haben. Und wenn es zu Beanstandungen kommt, können die Fehler für die Zukunft vermieden werden. 2019 wurden rund 789.000 Arbeitgeber geprüft. Dabei wurden 1,14 Milliarden EUR an Abgaben nachberechnet und 105 Millionen EUR erstattet. Der digitale Fortschritt zieht unaufhaltsam auch bei der Betriebsprüfung ein. Mehr als die Hälfte der Prüfungen wurden 2020 elektronisch unterstützt durchgeführt. Ab 2023 wird dies das Regelverfahren. Im Corona-Jahr 2021 wurden 765.000 Betriebe geprüft. Der Beitrag informiert Sie über die Prüfungen und geht auch darauf ein, was Sie gegen ungerechtfertigte Nachforderungen tun können.
2. Gesetzliche Grundlagen
2.1 Allgemeines
Die Betriebsprüfung ist in § 28p SGB IV geregelt. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Hintergrund ist, dass der Arbeitgeber ist im Arbeitsverhältnis für die Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages nach §§ 28d, 28e SGB IV verantwortlich ist. Dazu gehört auch die richtige Berechnung und Abführung der Kranken-, Arbeitslosen-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge. Nach § 28g SGB IV hat der Arbeitgeber dabei einen Anspruch gegen den Arbeitnehmer auf den von ihm zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Diesen Anspruch kann der Arbeitgeber nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend machen (LAG Berlin-Brandenburg, 23.02.2022 - 25 Sa 1472/20).
Träger der Rentenversicherung sind die Deutsche Rentenversicherung Bund, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See sowie die 14 Regionalträger (§ 125 SGB VI). Die Prüfung wird für den jeweiligen Betrieb von dem Träger vorgenommen, den die Rentenversicherer aufgrund der Betriebsnummer festgelegt haben. Soweit dies ein Regionalträger ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz der Lohn- und Gehaltsabrechnung des Arbeitgebers.
"Sonstige Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen", sind insbesondere die Feststellung von Versicherungspflicht sowie die Berechnung und Zahlung der Beiträge.
Praxistipp:
Die Prüfung bezieht sich auch auf Beschäftigte, für die Beiträge nicht gezahlt wurden, weil der Betrieb davon ausgeht, dass sie nicht versicherungspflichtig sind.
2.2 Weitere Inhalte der Prüfung
Über den reinen Gesetzeswortlaut hinaus umfassen die Prüfungen auch die Umlagen bei Krankheit und Mutterschaft, die Insolvenzgeldumlage sowie den ausreichenden Insolvenzschutz bei Wertguthabenvereinbarungen.
Die Rentenversicherungsträger geben die Ergebnisse ihrer Prüfung an die Unfallversicherung weiter; ggf. fordern diese dann separat Beiträge nach.
Gesetzlich ist außerdem geregelt, dass sich die Betriebsprüfungen auch auf die Umlage zur Künstlersozialversicherung beziehen. Dabei wird festgestellt, ob die Meldepflichten nach dem KSVG ordnungsgemäß erfüllt sind und ob die Künstlersozialabgabe rechtzeitig und vollständig entrichtet wurde (§ 28p Abs. 1a SGB IV). Das Gesetz regelt folgende Vorgehensweise: Alle Betriebe mit 20 Beschäftigten und mehr werden bei der turnusmäßigen Betriebsprüfung zusätzlich daraufhin kontrolliert, ob die Pflichten nach dem KSVG ordnungsgemäß erfüllt wurden. Dies gilt auch für kleinere Unternehmen, die bei der Künstlersozialkasse als abgabepflichtig erfasst sind. Davon abgesehen werden Betriebe bis 19 Beschäftigte sukzessive geprüft (im Durchschnitt alle zehn Jahre); soweit aktuell die Abgabepflicht nicht geprüft wird, erfolgt eine schriftliche Information über die Künstlersozialabgabe. Die Betriebe sollen dann schriftlich bestätigen, dass Sie über die Künstlersozialabgabe unterrichtet wurden und sie alle abgabenpflichtigen Sachverhalte melden werden. Weitere Einzelheiten siehe auch Stolpersteine - Abgabe zur Künstlersozialversicherung.
2.3 Prüfturnus
Die Prüfungen sind mindestens alle vier Jahre durchzuführen; dies entspricht auch den Regelungen über die Verjährung der Beiträge. Auf Verlangen des Arbeitgebers soll sie in kürzeren Zeitabständen erfolgen. Dies kann sinnvoll sein, wenn es bei der vorherigen Prüfung zu Beanstandungen gekommen ist und der Beitrieb sich sicher sein will, dass nunmehr alles richtig gemacht wird. Ebenfalls kann eine Prüfung bei unklaren Sachverhalten beantragt werden, um die Rechtslage schnell zu klären. Bei der Entscheidung, ob in solchen Fällen tatsächlich vorzeitig geprüft wird, hat der Rentenversicherungsträger ein Ermessen. Auch die Krankenkasse kann die vorzeitige Durchführung der Prüfung beantragen (z.B. bei Insolvenzverfahren, Betriebsschließung, fehlenden Beitragsnachweisungen). Der Prüfturnus begrenzt aber nicht den Zeitraum, auf den sich die Prüfung bezieht; daher können die Prüfer auch Sachverhalte aufgreifen, die bereits früher geprüft und nicht beanstandet wurden (BSG, 29.07.2003 – B 12 AL 1/02 R).
2.4 Befugnisse der Prüfer
Die Rentenversicherungsträger haben im Zusammenhang mit den Prüfungen umfassende Befugnisse. Sie entscheiden insbesondere per Verwaltungsakt über die Versicherungspflicht von Beschäftigten und über evtl. Nachforderungen. Die Prüfer sind verpflichtet, sich auszuweisen.
Praxistipp:
Hinsichtlich der Frage, ob ein bereits vor Beginn der Betriebsprüfung gestellter, bisher nicht beschiedener Antrag auf Statusfeststellung einer Feststellung der Versicherungspflicht im Rahmen der Betriebsprüfung entgegensteht, war ein Revisionsverfahren anhängig. Das Verfahren wurde an das LSG zurückverwiesen. Nach den Ausführungen des BSG würde eine vorrangige Zuständigkeit der DRV Bund für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht im Statusfeststellungsverfahren bestehen, wenn der Antrag auf Statusfeststellung zeitlich vor der Einleitung der Betriebsprüfung gestellt worden wäre. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Einleitung der Betriebsprüfung ist grundsätzlich die Prüfankündigung nach § 7 Abs. 1 S 1 BVV (BSG, 04.09.2018 – B 12 KR 11/17 R).
Eine Betriebsprüfung steht der Einleitung eines Statusverfahrens nach § 7a SGB IV dabei nur dann entgegen, wenn das konkrete Beschäftigungsverhältnis Gegenstand der Betriebsprüfung war (LSG Baden-Württemberg 28.03.2017, L 11 R 1310/16). Dabei reicht es aus, dass lediglich eine Stichprobenprüfung bei einer Anzahl gleichgelagerter Fälle erfolgt ist (LSG Baden-Württemberg, 19.02.2019 – L 11 BA 3452/18).
3. Verfahren
3.1 Elektronisch unterstützte Betriebsprüfung
Die elektronisch unterstützte Betriebsprüfung (euBP) ist seit dem 1. Januar 2023 verpflichtend; bis zum 31. Dezember 2026 können Arbeitgeber im begründeten Einzelfall auf Antrag von der Verpflichtung vom zuständigen Rentenversicherungsträger entbunden werden. Der Verzicht ist an keinerlei Bedingungen geknüpft, sodass dem Antrag in der Regel stattgegeben werden wird. Die Genehmigung kann zeitlich befristet werden, aber auch Zeiträume nach 2026 umfassen.
Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass die Daten vom Lohnabrechnungsprogramm in das elektronische Prüfprogramm der Betriebsprüfung übertragen werden. Für den Rentenversicherungsträger verringert sich der Personalaufwand, da der Prüfprozess weitgehend maschinell ablaufen kann. Aber auch der Betrieb profitiert: Das Heraussuchen der Unterlagen und der Aufwand für die Begleitung der Prüfer entfallen vollständig. Außerdem stellt die Rentenversicherung dem Arbeitgeber die Datensätze für Meldekorrekturen elektronisch zur Verfügung und der Prüfbericht wird ebenfalls elektronisch bereitgestellt. Vor dem Hintergrund der elektronischen Betriebsprüfung sind die ergänzenden Entgeltunterlagen i.S.v. § 8 Abs. 2 BVV bereits seit dem 01.01.2022 in elektronischer Form zu führen. Dazu gehören z.B. die Anträge von Minijobbern zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht und Bescheide von Krankenkassen über die Versicherungspflicht.
Das Verfahren erfasst die Übermittlung von Daten der Finanzbuchhaltung, wenn das Entgeltabrechnungsprogramm dies leisten kann. Andernfalls können diese auch über eine systemgeprüfte Schnittstelle oder einem systemgeprüften Programmmodul aus einem Programm der Finanzbuchhaltung übermittelt werden (Art. 1 Nr. 18 Buchst. a des 8. SGB IV-Änderungsgesetzes vom 20.12.2022 (BGBl. I Nr. 56 S. 2759).
Problematisch kann es werden, wenn der Betrieb ein neues Abrechnungsprogramm einführt und daher ein Zugriff auf die älteren Daten nicht mehr möglich ist. § 28p Abs. 6b SGB IV (i.d.F. durch Art. 1 Nr. 18 Buchst. b des 8. SGB IV-Änderungsgesetzes vom 20.12.2022, BGBl. I Nr. 56 S. 2756) schreibt daher vor, dass Arbeitgeber beim Wechsel der von ihnen verwendeten systemgeprüften Programme für die Unterlagen, die der nächsten Prüfung unterliegen, die (alten) Daten an die Datenstelle der Rentenversicherung zu übermitteln haben. Die Datenstelle der Rentenversicherung speichert diese Daten bis zum Abschluss der Prüfung. Dies gilt auch bei Wechsel eines Dienstleisters.
Praxistipp:
Einzelheiten ergeben sich aus den Gemeinsamen Grundsätzen nach § 9a BVV für die Entgeltunterlagen nach § 8 BVV und für die Beitragsabrechnung nach § 9 BVV in der vom 01.04.2022 an geltenden Fassung vom 18.03.2022. Siehe unter www.deutsche-rentenversicherung.de.
3.2 Ankündigung und Ort der Prüfung
Über die anstehende Prüfung wird der Arbeitgeber möglichst einen Monat, spätestens aber 14 Tage vor dem Termin, schriftlich informiert. In Ausnahmefällen kann von einer Ankündigung abgesehen werden. Dies ist z.B. der Fall, wenn Basis für die Feststellungen der Beitragsforderung umfangreiche Ermittlungen der Zollbehörde nach dem Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetz sind (vgl. BSG, 04.03.2020 – B 12 R 26/19 B). Die schriftliche Mitteilung beinhaltet auch den Prüfzeitraum. Die Prüfung findet in der Regel in den Räumen des Arbeitgebers statt; bei Kleinbetrieben können auch die benötigen Unterlagen im Original oder in Kopie eingeschickt werden, sodass eine Vor-Ort-Prüfung nicht erforderlich ist. Außerdem können kleinere Betriebe die Unterlagen auch in den Diensträumen des jeweiligen Rentenversicherungsträgers vorlegen (§ 13 BVV). In diesem Fall empfiehlt sich eine vorherige Terminabsprache. Im Rahmen der euBP entfällt die Durchsicht der Unterlagen im Betrieb und die Prüfdauer reduziert sich dadurch erheblich. Der Betrieb muss einen zur Durchführung der Prüfung geeigneten Raum oder Arbeitsplatz sowie die erforderlichen Hilfsmittel kostenlos zur Verfügung zu stellen. Außerdem muss er die erforderlichen Auskünfte geben und im notwendigen Umfang an der Prüfung mitwirken. Kosten oder Verdienstausfall, die durch die Prüfung entstehen, werden nicht erstattet (§ 7 BVV). Zur Durchsetzung der Mitwirkungspflicht bzw. der Pflicht des Arbeitgebers zur Prüfhilfe im Rahmen der Betriebsprüfung darf die zuständige Verwaltungsbehörde Verwaltungsakte erlassen und darin (u.a.) die Vorlage von Unterlagen anfordern. Die Rechtmäßigkeit der Vorlageanordnung hängt nicht davon ab, ob sich nach Abschluss der Betriebsprüfung tatsächlich eine Beitragsnachforderung ergibt. Die Mitwirkungspflicht kann durch Anordnung eines Zwangsgeldes durchgesetzt werden (LSG Baden-Württemberg, 20.10.2021 - L 5 BA 2751/20).
Praxistipp:
Es ist sinnvoll, spätestens jetzt die wichtigen Unterlagen zumindest stichprobenweise auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Sind die Aufzeichnungen lückenhaft, geht dies in der Regel zu Lasten des Betriebes.
3.3 Unterlagen für die Prüfung
Mit der schriftlichen Information erhält der Betrieb auch eine Übersicht über die Unterlagen, die für die Prüfung bereitgehalten werden müssen. Im Rahmen der euBP ist eine Vorlage von Unterlagen weitgehend entbehrlich, da sich die notwendigen Daten aus dem systemgeprüften Abrechnungsprogramm ergeben.
Einzelheiten ergeben sich auch aus der BVV. Vorzulegen sind alle Aufzeichnungen und Unterlagen, die über versicherungs-, beitrags- und melderechtlich relevante Tatsachen Aufschluss geben. Dazu gehören insbesondere:
Lohn- und Gehaltskonten aller Arbeitnehmer .
Unterlagen, die Aufschluss über das zustehende Arbeitsentgelt einschließlich Sonderzuwendungen und Zusatzleistungen geben. Dazu gehören Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Arbeits- und Ausbildungsverträge bzw. Niederschriften nach dem NachwG, Gewinn- und Verlustrechnung bzw. Einnahmen-Überschussrechnung, Belege über Reisekosten etc.
Wichtig:
Die Unterlagen werden für die Feststellung der beitragspflichtigen Bezüge gebraucht. Wichtig sind diese Belege aber insbesondere im Hinblick auf das sogenannte Entstehungsprinzip: Nach § 22 Abs. 1 SGB IV sind die Beiträge für die laufende Vergütung nicht nach dem tatsächlich gezahlten, sondern nach dem arbeitsrechtlich geschuldeten Verdienst zu berechnen. Dagegen kommt es bei Einmalzahlungen auf den tatsächlichen Zufluss an (Zuflussprinzip).
Beitragsabrechnungen und Beitragsnachweise.
Alle relevanten Unterlagen, die die Versicherungsfreiheit oder die Befreiung von der Versicherungspflicht belegen (z.B. Rentenbescheide, Schulbescheinigungen, Immatrikulationsbescheinigungen, Erklärungen von Minijobbern oder Aushilfen über weitere Beschäftigungen).
Evtl. Anstellungsverträge von Gesellschaftern des Unternehmens, Geschäftsführer-Verträge.
Wichtig:
Gerade bei der Versicherungspflicht von Gesellschaftern sowie Geschäftsführern gibt es immer wieder Meinungsverschiedenheiten. Die Prüfer schauen daher nicht nur auf die Lohn- und Gehaltsabrechnungen, sondern auch in das Rechnungswesen. Daher sollte deren sozialversicherungsrechtliche Zuordnung nochmal überprüft werden (siehe Stolpersteine - GmbH – Unternehmensleitung und Sozialversicherung). Relativ auf der sicheren Seite sind Sie, wenn ein Statusfeststellungsverfahren (§ 7a Abs. 1 SGB IV) durchgeführt wurde (das Verfahren ist seit 2005 bei diesem Personenkreis obligatorisch) oder ein Bescheid von einer anderen Stelle (z.B. der Krankenkasse) vorliegt. Zwar kann der Prüfer selbst dann aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten abweichend entscheiden. Für die zurückliegende Zeit besteht aber Vertrauensschutz und daher entfallen rückwirkende Beitragsforderungen. Dieser Vertrauensschutz besteht nach der Rechtsprechung des BSG allerdings nur so lange, wie es nicht zu wesentlichen Änderungen in den Umständen, die der Statusentscheidung zugrunde lagen, kommt (BSG, 29.03.2022 – B 12 KR 1/20 R). Das Gericht hat eine Mitteilungspflicht des Arbeitgebers aus einer analogen Anwendung des § 60 Abs. 1 S. 1 Nr., 2 i.V.m. § 28a Abs. 1 SGB IV abgeleitet. Verletzt der Arbeitgeber diese, besteht kein Vertrauensschutz und die frühere Statusentscheidung kann rückwirkend aufgehoben werden. Ggf. können dadurch auch für zurückliegende Zeiten Beiträge nachgefordert werden.
Berichte über Lohnsteuerprüfungen innerhalb des Prüfungszeitraums, einschl. evtl. Lohnsteuerhaftungsbescheide (§ 10 Abs. 2 BVV).
Wichtig:
Wurde bei einer Lohnsteuerprüfung festgestellt, dass für steuerpflichtige Entgeltteile keine Lohnsteuer abgeführt wurde, hat dies meist auch Auswirkungen auf die Beitragspflicht. Daher ist der Arbeitgeber verpflichtet, nach Erhalt den Bericht des Finanzamtes auch hinsichtlich der Auswirkungen auf die Sozialversicherung zu überprüfen. Auch von der Zollbehörde festgestellte Verstöße gegen das Verbot der Schwarzarbeit oder gegen das MiLoG führen meist zu Nachforderungen.
Unterlagen über den Nachweis der Elternschaft im Hinblick auf den Beitragszuschlag für Kinderlose in der Pflegeversicherung.
Unterlagen über Leiharbeitnehmer und Werkverträge.
Wichtig:
Bei Werkverträgen steht oft die Frage der Scheinselbstständigkeit im Raum. Wird festgestellt, dass es sich um ein Beschäftigungsverhältnis handelt, werden hohe Nachzahlungen fällig (siehe Stolpersteine - Scheinselbstständigkeit).
Unterlagen über Kurzarbeiter- und Saisonkurzarbeitergeld.
Eine Dokumentation des Abrechnungsverfahrens einschließlich der Änderungen seit der letzten Prüfung (§ 10 Abs. 4 BVV).
Hinweis:
Weitere Einzelheiten siehe §§ 8 und 9 BVV sowie Stolpersteine - Entgeltunterlagen. Die Aufzeichnungen der Personalbuchhaltung sind so zu führen, dass bei einer Prüfung innerhalb angemessener Zeit ein Überblick über die formelle und sachliche Richtigkeit der Entgeltabrechnung des Arbeitgebers gewährleistet ist (§ 10 Abs. 1 BVV). Die Prüfer können auch weitergehende Einsicht in Unterlagen verlangen. Dieses Recht ist aber auf das Rechnungswesen begrenzt (§ 11 Abs. 2 BVV). Werden die Unterlagen auf Datenträger geführt, müssen diese ggf. ausgedruckt werden (§ 9 Abs. 5 BVV).
Praxistipp:
Nach Art. 26 Nr. 3a des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.06.2020 (BGBl. I Nr. 28 S. 1248) wurde § 9 Abs. 1 der BVV neu gefasst. Danach ist das monatliche Verzeichnis aller Beschäftigten in der Sortierfolge der Entgeltunterlagen künftig elektronisch zu erfassen und zur Verfügung zu stellen. Das Gleiche gilt für die ergänzenden Unterlagen zu den Entgeltunterlagen, die in § 8 Abs. 2 BVV aufgelistet sind. Dazu gehören u.a. Anträge von Minijobbern zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht, Erklärungen von Aushilfen über weitere kurzfristige Beschäftigungen sowie Bescheide von Krankenkassen über die Feststellung der Versicherungspflicht. Die Regelung trat am 01.01.2022 in Kraft. Bei Unterlagen, für die die Schriftform vorgeschrieben ist, muss entweder eine qualifizierte elektronische Signatur vorliegen oder neben der elektronischen Form muss das Originaldokument in Papierform aufbewahrt werden.
4. Durchführung
4.1 Allgemeines
Meistens werden im Rahmen der Prüfung nur Stichproben durchgeführt (§ 11 Abs. 1 BVV). Entdeckt der Prüfer dabei Unregelmäßigkeiten, wird er intensiver nachschauen. Der Rentenversicherungsträger ist aber bei der Definition des Gegenstandes seiner Prüfung grundsätzlich frei. Zwingend muss sich die Betriebsprüfung auf die im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers sowie auf geschäftsführende GmbH-Gesellschafter erstrecken, sofern ihr sozialversicherungsrechtlicher Status nicht bereits festgestellt ist (BSG, 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R; B 12 KR 21/19 R; B 12 R 7/19 R u. B 12 R 9/19 R).
Die Prüfung darf den betrieblichen Ablauf nicht unzumutbar beeinträchtigen.
Die Rentenversicherung darf sich bei der Betriebsprüfung auch allein auf Ermittlungsergebnisse, die der Zoll im Rahmen einer Überprüfung zur Bekämpfung der Schwarzarbeit gewonnen hat, stützen. Sie muss dann keine eigenen Ermittlungen durchführen (LSG Baden-Württemberg, 29.06.2017 - L 10 R 592/17). Das Unterlassen einer eigenen Prüfung beim Arbeitgeber führt in solchen Fällen nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides (LSG Baden-Württemberg, 13.03.2018 – L 11 R 609/17). Darüber hinaus ist der Rentenversicherungsträger bei der Wahl der Schätzmethode zur Ermittlung der Höhe der Beitragsforderung frei, sofern er sachlichen Erwägungen folgt (LSG Nordrhein-Westfalen, 03.03.2021 - L 8 BA 36/20 B ER). Soweit nach den Feststellungen des Zolls der Mindestlohn nicht eingehalten wurde, kann dies zu erheblichen Nachforderungen führen (vgl. LSG Sachsen, 24.09.2019 – L 9 KR 506/17 B ER). Kommt es zu einer "tatsächlichen Verständigung" zwischen dem Betrieb und der Finanzbehörde, entfaltet diese keine unmittelbare Wirkung für das Betriebsprüfungsverfahren (LSG Nordrhein-Westfalen, 19.12.2018 – L 8 R 335/14). Es ist aber zulässig, den Inhalt der Verständigung der Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen zugrunde zu legen, wenn der Arbeitgeber keine entgegenstehenden aussagekräftige Nachweise über die tatsächliche Vergütung vorlegt (SG Osnabrück, 26.01.2021 – S 54 R 661/16 und 5 weitere).
Praxistipp:
Es ist sinnvoll, auch in der laufenden Prüfung Kontakt zu dem Prüfer zu halten. Ggf. können dann Unklarheiten ausgeräumt und Beanstandungen vermieden werden.
4.2 Besprechung
Nach Abschluss der Prüfung findet eine Besprechung statt, an dem je nach Gegebenheiten die Unternehmensleitung, die Leitung des Personal- bzw. Abrechnungswesens und die Sachbearbeiter teilnehmen. Dabei erläutert der Prüfer die Ergebnisse und geht auch auf evtl. Fehler und Nachberechnungen ein.
Praxistipp:
Auch in dieser Besprechung können Punkte, die aus Sicht des Betriebes eindeutig sind, ausgeräumt werden. Der Prüfer wird evtl. bei schlüssiger und nachweisbarer Argumentation auf die Aufnahme in den schriftlichen Prüfbericht verzichten. Ansonsten sollten seitens des Betriebes keine abschließenden Bewertungen der Beanstandungen gemacht werden.
In der Folge der Besprechung können die beanstandeten Punkte nochmal seitens des Betriebes geprüft werden.
Praxistipp:
Falls in einzelnen Punkten für den Betrieb die Rechtslage unklar ist, kann es sinnvoll sein, eine Auskunft der zuständigen Krankenkasse einzuholen (siehe auch Auskunftspflichten - Sozialversicherungsträger).
Für die Betriebsprüfungen der Finanzverwaltung wurde entschieden, dass Unternehmen nach einer Steuerprüfung keinen Anspruch auf eine persönliche Schlussbesprechung haben. Im Hinblick auf die Corona-Pandemie hatte das Finanzamt auf einer Besprechung im Rahmen einer Telefonkonferenz bestanden. Aus Sicht des Gerichts standen in dem entschiedenen Fall dieser Vorgehensweise weder technische noch rechtliche Bedenken entgegen (FG Düsseldorf, 11.05.2020 – 3 V 1087/20 AE [AO]).
4.3 Prüfbescheid
Das Ergebnis der Prüfung wird den Betrieb per Verwaltungsakt mitgeteilt. Dieser Verwaltungsakt muss – auch wenn sich keine Beanstandungen ergeben haben – den Umfang, die geprüften Personen und das Ergebnis der Betriebsprüfung festhalten (BSG, 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R; B 12 KR 21/19 R; B 12 R 7/19 R u. B 12 R 9/19 R). Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger haben sich im Hinblick auf die Gesetzesbegründungen zu § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV und § 7 Abs. 4 BVV (BT-Drs. 13/1205 S. 7; 13/1559 S. 13) sowie den Stichprobencharakter der Prüfung entschlossen, dieser Rechtsprechung nicht zu folgen (summa summarum 1/21 S. 3; TOP 6 Besprechungsergebnis vom 24.03.2021): Danach wird ein Verwaltungsakt erlassen, wenn sich bei einer Prüfung Beanstandungen (Nachforderungen oder Gutschriften) ergeben. Bei beanstandungsfreier Prüfung wird das Ergebnis lediglich durch eine schriftliche Mitteilung dem Arbeitgeber übermittelt. Dies ist kein Verwaltungsakt, sondern dokumentiert lediglich den Abschluss des Verwaltungsverfahrens. Hinsichtlich des Steuerrechts ist beim BFH ein Verfahren anhängig, bei dem die Frage geklärt werden soll, ob es sich bei der Mitteilung des Finanzamtes an den Steuerpflichtigen, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsunterlagen geführt habe, um einen Verwaltungsakt handelt (Az.: IV R 17/22).
Durch die Rechtsprechung werden sich die Prüfer der Rentenversicherung noch stärker als bisher auf "kritische" Personenkreise konzentrieren, soweit der versicherungsrechtliche Status nicht bereits geprüft wurde. Es handelt sich dabei um Ehegatten/Lebenspartner oder Familienangehörige des Arbeitgebers sowie Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. In Bezug auf diese Personenkreise haben sich die Rentenversicherungsträger verpflichtet, bei jeder turnusmäßigen Betriebsprüfung Verwaltungsakte zu deren sozialversicherungsrechtlichen Status zu erlassen, wenn sie bisher nicht als Beschäftigte angemeldet wurden und ihr Status nicht bereits durch Verwaltungsakt festgestellt ist (summa summarum 1/21 S. 4; TOP 6 Besprechungsergebnis vom 24.03.2021).
Praxistipp:
Soweit noch nicht geschehen, sollte für die genannten Personen eine Statusfeststellungsverfahren (§ 7a SGB IV) eingeleitet werden. Der erforderliche Antrag kann unter www.deutsche-rentenversicherung.de mit dem Formular V0027 gestellt werden.
Aus dem Prüfbescheid ergeben sich auch die Entscheidungen zur Versicherungspflicht und evtl. Nachforderungen (§ 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV). Soweit der Bescheid in die Rechte des Betriebes oder der Mitarbeiter eingreift, müssen die Betroffenen vorher angehört werden (§ 24 SGB X, siehe auch LSG Nordrhein-Westfalen, 06.12.2017 – L 8 R 1141/16). Dies ist insbesondere der Fall bei Nachforderungen von Beiträgen. Im Rahmen der Anhörung wird vorab mitgeteilt, welche Entscheidung beabsichtigt ist und es wird eine Frist gesetzt, innerhalb derer eine Stellungnahme möglich ist.
Sobald der schriftliche Bescheid über die Betriebsprüfung vorliegt, muss er endgültig ausgewertet werden. Bei berechtigten Beanstandungen sind - aufgrund der elektronisch zur Verfügung gestellten Datensätze - die notwendigen Korrekturen, ggf. einschließlich der Meldungen, vorzunehmen. Der Arbeitgeber ist außerdem verpflichtet, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit sich die festgestellten Mängel nicht wiederholen (§ 10 Abs. 6 BVV). Soweit auch Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen nachzuzahlen sind, ist § 28g S. 3 SGB IV zu beachten: Danach darf ein unterbliebener Abzug nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden; darüber hinaus nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Der letztgenannte Fall liegt z.B. vor, wenn der geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer falsche Angaben hinsichtlich weiterer Beschäftigungen gemacht hat. Die Einschränkung des Lohnabzuges für die letzten drei Abrechnungen gilt außerdem nicht, wenn der Mitarbeiter nur Sachbezüge erhält (§ 28g SGB IV). Die Zahlungen sind an die jeweils zuständige Einzugsstelle (Krankenkasse, Mini-Job-Zentrale, Künstlersozialkasse) zu leisten. Sofort vollziehbare Nachforderungen können unbillig sein, wenn z.B. aktuell Liquiditätsprobleme infolge von Rückgang bzw. Einstellung der Geschäftstätigkeit infolge staatlicher Verbote bestehen, wie z.B. durch Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus (LSG Bayern, 06.05.2020 – L 7 BA 58/20 B ER).
Praxistipp:
Der Prüfbescheid muss konkret die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe personenbezogen angeben. Nur ausnahmsweise, bei nicht ordnungsgemäßen Aufzeichnungen oder fehlender Mitwirkung des Betriebes, darf eine Nachforderung in einer Summe erfolgen (LSG Nordrhein-Westfalen, 18.05.2020 – L 8 BA 152/18 B ER u. LSG Berlin-Brandenburg, 15.01.2021 – L 28 BA 68/20 B ER). Insbesondere wenn die Ermittlung der Entgelte der einzelnen Arbeitnehmer nicht möglich oder mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden ist, kann auch eine Schätzung der Beitragsschuld erfolgen (§ 28f Abs. 2 SGB IV; LSG Berlin-Brandenburg, 11.03.2020 – L 9 KR 19/17). Können nachträglich die erforderlichen Angaben gemacht werden, muss der Summenbescheid aufgehoben werden.
Die Schätzung ist aber so exakt vorzunehmen, wie dies unter Wahrung eines noch verhältnismäßigen Verwaltungsaufwands möglich ist. Sie ist nicht zu beanstanden und bis zum Nachweis der tatsächlichen Höhe des Arbeitsentgelts verbindlich, wenn sie auf sorgfältig ermittelten Tatsachen gründet und nachvollziehbar ist, weil sie insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Innerhalb dieses Rahmens sind die an eine Schätzung zu stellenden Anforderungen wiederum abhängig von einer Abwägung zwischen der Bedeutung einer größeren Genauigkeit der Schätzung für Versicherte und Arbeitgeber und dem mit einem bestimmten Vorgehen verbundenen Verwaltungsaufwand. Dabei sind die Anforderungen an eine Schätzung umso höher, je größer die für die Versicherten und Arbeitgeber zu befürchtenden Nachteile sind. (BSG, 16.12.2015 – B 12 R 11/14 R u. 07.06.2018 – B 12 R 2/18 B).
Praxistipp:
Ist die Sach- und Rechtslage nicht eindeutig oder auch – im Hinblick auf die Vielzahl der betroffenen Fälle - nicht eindeutig zu klären, kann auch ein Vergleich geschlossen werden. Dieser ist dann nach § 54 SGB X wirksam (LSG Baden-Württemberg, 06.08.2019 – L 11 KR 316/19.
Die Nachentrichtung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung aufgrund von Sammelbescheiden (Schätzungen) nach § 28f SGB IV führt nicht zu Arbeitslohn i.S. des Lohnsteuerrechts (FG Köln, 24.01.2020 – 1 K 1041/17 – Revision anhängig unter dem Az: VI R 27/20).
Durch Art. 1 Nr. 11b des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.06.2020 (BGBl. I Nr. 28 S. 1248) wurde in dem neuen Abs. 1a des § 28a SGB IV klargestellt, dass der Arbeitgeber weiterhin in vollem Umfang für die Erfüllung der Arbeitgeberpflichten gegenüber dem jeweils zuständigen Träger der Sozialversicherung oder der berufsständischen Versorgungseinrichtung haftet, wenn er einen Dritten (z.B. Steuerberater) mit der Entgeltabrechnung und der Wahrnehmung der Meldepflichten beauftragt.
Wird im Rahmen der Prüfung festgestellt, dass ein als Mini-Job behandeltes Beschäftigungsverhältnis doch versicherungspflichtig ist, gilt ein vereinfachtes Verfahren für die Korrekturen: Dabei wird vom Betriebsprüfer lediglich die Differenz bei den Beiträgen ermittelt und nachgefordert. Der Arbeitgeber muss dann lediglich noch die erforderlichen Korrekturen bei den Meldungen vornehmen.
Der Prüfbescheid ist bis zur nächsten Prüfung aufzubewahren.
Pflichtverletzungen können mit Bußgeldern geahndet werden (§ 111 SGB IV).
Die Betriebsprüfung und der Prüfbescheid haben für den Arbeitgeber keine Entlastungswirkung (BSG, 14.07.2004 – B 12 KR 1/04 R). Die Frage ist, ob sich bei Betriebsprüfungen, bei denen es zunächst keine Beanstandungen gab, später allerdings herausstellt, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht von Mitarbeitern des geprüften Arbeitgebers schon im Prüfungszeitraum unrichtig beurteilt wurde, dieses aber im Rahmen der Betriebsprüfung nicht aufgefallen war, spätere Beanstandungen für den bereits geprüften Zeitraum ausschließen. Nach den von dem BSG entwickelten Maßstäben können Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) aus solchen Betriebsprüfungen keine weitergehenden Rechte herleiten, weil Betriebsprüfungen unmittelbar das Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten nur den Zweck haben, die Beitragsentrichtung zu einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern (BSG, 14.07.2004, a.a.O.). Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt Betriebsprüfungen nicht zu und kann ihnen auch deshalb nicht zukommen, weil die Prüfung nicht erschöpfend zu sein braucht und sich auf Stichproben beschränken darf (LSG Nordrhein-Westfalen, 24.10.2018 – L 8 617/17 m.w.N.). Eine beanstandungsfreie Betriebsprüfung, begründet einen Bestands- und Vertrauensschutz für die Vergangenheit nur insoweit, als die entsprechenden Sachverhalte konkret in dem Prüfbescheid erschienen sind (BSG, 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R; B 12 KR 21/19 R; B 12 R 7/19 R u. B 12 R 9/19 R). Bestandschutz hat ein Prüfbescheid insoweit, als sich dieser auf konkrete Einzelpersonen und auf konkrete Zeiträume bezieht. Wird später bei einem konkreten Versicherungsverhältnis in einem der bereits geprüften Zeiträume festgestellt, dass die frühere Prüfung nicht richtig war, ist insoweit eine Korrektur ausgeschlossen (BSG, 18.10.2022 – B 12 R 7/20 R). Ein Bestandsschutz aus einer früheren "beanstandungsfrei" verlaufenen Betriebsprüfung ist auch dann zu verneinen, wenn für eine GmbH hauptsächlich nur die Gesellschafter-Geschäftsführer tätig waren und zusätzliche Mitarbeiter nur in geringem Umfang eingesetzt wurden (LSG Baden-Württemberg, 25.06.2019 - L 11 BA 2804/18 – Revision unter dem Az. B 12 R 12/19 R endete durch Vergleich).
4.4 Säumniszuschläge
Neben einer Beitragsforderung für die zurückliegende Zeit werden häufig auch Säumniszuschläge (12 % pro Jahr) berechnet – und das kann die Forderung erheblich nach oben treiben. Damit soll der Säumnis bei der Erfüllung von Beitragspflichten entgegengewirkt und der Sozialversicherung ein Schadenausgleich gewährt werden. Gleichzeitig soll verhindert werden, dass sich der Beitragsschuldner durch rechtswidriges Verhalten ein zinsloses Darlehn verschafft oder durch verspätete Beitragszahlung einen Zinsvorteil erlangt (BSG, 07.07.2020 - B 12 R 28/18 R). Nach § 24 Abs. 2 SGB IV sind die Säumniszuschläge bei rückwirkender Feststellung einer Beitragsforderung jedoch nicht zu erheben, wenn der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Dabei hat die Rentenversicherung kein Ermessen; sie ist verpflichtet, von der Forderung abzusehen, wenn Ihnen der genannte Nachweis gelingt (BSG, 12.12.2004 – B 13 RJ 28/03 R). Nach der Rechtsprechung des BSG ist "Kenntnis" i.S.d. § 24 Abs. 2 SGB IV das sichere Wissen darum, rechtlich und tatsächlich zur Beitragszahlung verpflichtet zu sein (BSG, 12.12.2018 – B 12 R 15/18 R). Ob ihr Fehlen "unverschuldet" ist, bestimmt sich nicht nach § 276 BGB, sondern nach einem eigenständigen Verschuldensmaßstab: Verschulden i.S.d. § 24 Abs. 2 SGB IV setzt wenigstens bedingten Vorsatz voraus. Das folgt aus der Systematik des SGB IV und dem Zweck der Säumniszuschläge. § 24 Abs. 2 SGB IV steht mit § 25 Abs. 1 S 2 SGB IV und § 14 Abs. 2 SGB IV, die an ein vorwerfbares Verhalten anknüpfen und jeweils vorsätzliches Handeln voraussetzen, in einem einheitlichen Regelungskomplex mit der Folge eines einheitlichen Haftungsmaßstabs. Auch kann der Zweck der Säumniszuschläge, Druck auf die Zahlungspflichtigen mit dem Ziel einer rechtzeitigen Beitragszahlung auszuüben und verspätete Zahlungen zu sanktionieren, unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nur erreicht werden, wenn der betroffene Arbeitgeber seine Zahlungspflicht zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, d.h. es muss mindestens bedingter Vorsatz vorliegen (BSG, 12.12.2018 – B 12 R 15/18 R). Dass dies nicht der Fall ist, muss vom Arbeitgeber bewiesen werden, wobei der abgesenkte Beweisgrad der Glaubhaftmachung ausreicht. Diese Definition beinhaltet auch, dass Säumniszuschläge für einen Teilzeitraum anfallen können, wenn der Arbeitgeber zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis von der Zahlungspflicht erlangte und diese billigend in Kauf nahm.
Praxistipp:
Mit der Definition der gesetzlichen Formulierung "unverschuldet keine Kenntnis" rückt das BSG von der bisherigen, allgemeinen Meinung und seiner bisherigen Rechtsprechung ab (siehe BSG, 01.07.2010 B 13 R 67/09 R sowie Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 99. EL Juni 2018, § 24 SGB IV Rn. 15). Falls bei einer rückwirkenden Feststellung von Beitragsforderungen auf Fahrlässigkeit hingewiesen wird, können Sie auf das BSG-Urteil vom 12.12.2018 verweisen.
Aufgrund der angeführten Rechtsprechung kann bei fehlerhafter Statusbeurteilung i.d.R. nicht von bedingtem Vorsatz ausgegangen werden. Säumniszuschläge können aber anfallen, wenn z.B. bei einer früheren Betriebsprüfung die versicherungsrechtliche Beurteilung bereits beanstandet wurde oder gleiche Sachverhalte abweichend beurteilt wurden. Dann ist im Einzelfall zu prüfen, ob bedingter Vorsatz vorlag. Außerdem ist dies naheliegend, wenn die Entgeltabrechnung entsprechend ausgebildetem Personal oder einem Steuerberater übertragen wurde. Der Arbeitgeber muss sich deren Fehler zurechnen lassen.
Ist aber z.B. das Bestehen von Versicherungspflicht zweifelhaft oder strittig, kann damit evtl. der Nachweis gelingen, dass die Zahlungspflicht unverschuldet nicht bekannt war.
Praxistipp:
Der Betriebsprüfer lässt sich die Berichte über die letzten Lohnsteuerprüfungen vorlegen. Ergibt sich daraus, dass Sie für Entgelte Lohnsteuer nachzahlen mussten, wird er in der Regel dafür auch Sozialversicherungsbeiträge nachberechnen. Spätestens nach dem Nachzahlungsbescheid des Finanzamtes ist anzunehmen, dass Sie Kenntnis von der Beitragspflicht hatten; daher fallen ab diesem Zeitpunkt auch Säumniszuschläge an. Daher ist es sinnvoll, die Fragen der Versicherungs- und Beitragspflicht sofort nach einem Prüfbescheid des Finanzamtes zu überprüfen. Das Gleiche dürfte gelten, wenn arbeitsgerichtlich festgestellt wurde, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegt.
Die Regelung über die Erhebung von Säumniszuschlägen wird als verfassungskonform angesehen. Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang und mit welchen rechtlichen Mitteln er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz - wie hier der Schutz der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung - ihm wesentlich und notwendig erscheint, verteidigen will (LSG Niedersachsen-Bremen, 28.02.2018 – L 2 R 258/17). Der Mindestbetrag für die Erhebung von Säumniszuschlägen von – abgerundet – 50 EUR bezieht sich auf den insgesamt rückständigen Beitrag. Dies gilt auch, wenn die einzelnen Beträge in unterschiedlichen Monaten fällig geworden sind (BSG, 07.07.2020 – B 12 R 28/18 R). Der Gesetzgeber ist dem aber nicht gefolgt und hat durch das 8-SGB IV-Änderungsgesetz klargestellt, dass es zulässig ist, rückständige Beiträge und Beitragsvorschüsse unterschiedlicher Fälligkeit ohne vorherige Addition jeweils gesondert abzurunden (§ 24 Abs. 1 SGB IV i.d.F. durch das 8. SGB IV-Änderungsgesetz vom 20.12.2022 (BGBl. I Nr. 56 S. 2759). Nach der Begründung würde die Umsetzung des BSG-Urteils vom 07.07.2020 bei zahlreichen Einzugsstellen tiefgreifende Eingriffe in die Kernsysteme erfordern. Sie wäre mit immensen Kosten verbunden, die in keinem Verhältnis zum erwarteten Nutzen einer Umstellung stehen. Darüber hinaus sind erhebliche Probleme an der Schnittstelle zu den Vollstreckungsverfahren über die Hauptzollämter zu erwarten. Eine effektive Anspruchsverwirklichung wird auch bei Anwendung der Fälligkeitsmethode erfüllt, ohne dass die am Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ausgerichtete vollständige Erhebung von Einnahmen dadurch in Frage steht (BT-Drs. 20/3900 S. 74).
Säumniszuschläge sind nicht zu erheben, wenn sich der Auftraggeber eines vermeintlich selbstständig Tätigen in einem unverschuldeten Irrtum über seine Arbeitgebereigenschaft befand und daher die sich daraus sozialversicherungsrechtlich ergebenden Pflichten nicht erfüllt hat (LSG Baden-Württemberg, 17.05.2021 – L 11 BA 543/20).
4.5 Verjährung
Beiträge dürfen grundsätzlich nur nacherhoben werden, soweit sie nicht verjährt sind. Die Verjährung tritt nach vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres ihrer Fälligkeit ein (§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Fällig werden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt berechnet werden, am drittletzten Bankarbeitstag des Monats, in dem es erzielt wurde (§ 23 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Die Verjährungsfrist für die Beiträge von Januar bis Dezember beginnt daher immer am 1. Januar des Folgejahres.
Beispiel:
Die Verjährungsfrist für die Beiträge des Jahres 2019 begann am 01.01.2020 und endet am 31.12.2023. Danach können keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden.
Die Verjährungsfrist gilt auch für die Umlagen Krankheit und Mutterschaft sowie für die Insolvenzgeldumlage. Eingeschlossen ist ebenfalls bei Minijobs die Pauschalsteuer.
Der Prüfturnus der Betriebsprüfer orientiert sich an der Verjährungsfrist.
Eine besondere Verjährungsfrist von 30 Jahren gilt aber, wenn die Beiträge vorsätzlich vorenthalten wurden (§ 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Dabei gilt die besondere Verjährungsfrist auch bei bedingtem Vorsatz. Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG, 30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R m.w.N.). Dies ist insbesondere der Fall bei Schwarzarbeit bzw. illegaler Beschäftigung.
Infolge der COVID-19-Pandemie kam es auch zu Verzögerungen bei den turnusmäßigen Prüfungen. In § 128 SGB IV wurde durch Art. 2 Nr. 10a des Gesetzes Digitale Rentenübersicht vom 11.02.2021 (BGBl. I Nr. 6 S. 154) eine Regelung eingeführt, nach der die Verjährung von Beitragsansprüchen für das Jahr 2016 und 2017 gehemmt ist. Voraussetzung für die Hemmung der Verjährung bis zum 31.12.2021 von Beitragsansprüchen mit Fälligkeit 2016 ist, dass eine Prüfung, die in 2020 und 2021 anstand, wegen der Pandemie nicht durchgeführt werden konnte. Für Beiträge mit Fälligkeit 2017 ist unter diesen Voraussetzungen die Verjährung bis 31.12.2022 gehemmt.
5. Widerspruch und Klageverfahren
Soweit die Beanstandungen und Nachberechnungen aus Sicht des Betriebes nicht berechtigt sind, kann Widerspruch eingelegt werden. Der Widerspruch ist jedoch nur statthaft, wenn er sich tatsächlich gegen einen Verwaltungsakt richtet. Ergeht unabhängig von dem Prüfbericht eine Zahlungsaufforderung, kann diese nicht mit einem Widerspruch angegriffen werden (LSG Bayern, 30.07.2020 – L 4 KR 516/19). Dieser ist schriftlich an den zuständigen Rentenversicherungsträger zu richten und - am besten ausführlich und schlüssig - zu begründen. Er muss innerhalb eines Monats, nachdem der Arbeitgeber den Bescheid erhalten hat, bei dem Rentenversicherungsträger vorliegen. Dies führt dazu, dass zunächst die Verwaltung intern die Sach- und Rechtslage nochmal überprüft. Sieht sie sich im Recht, wird der Vorgang einem Widerspruchsausschuss zur Entscheidung vorgelegt, der aus ehrenamtlich tätigen Vertretern der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite sowie einem hauptamtlichen Mitarbeiter besteht. Das Verfahren ist für den Betrieb kostenlos. Der Widerspruch ist unzulässig, wenn er nicht formwirksam eingelegt worden ist. Gem. § 84 Abs. 1 SGG ist der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Schriftform erfordert dabei gem. § 126 Abs. 1 BGB grundsätzlich eine eigenhändige Unterschrift des hierzu Befugten (LSG Mecklenburg-Vorpommern, 16.09.2021 - L 7 BA 5/21 B ER). Bei Beauftragung eines Steuerberaters muss dieser im Regelfall persönlich unterschreiben.
Praxistipp:
Der Widerspruch hat – ebenso wie eine Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid beim Sozialgericht - keine aufschiebende Wirkung, d.h. der Bescheid muss trotzdem umgesetzt und daher müssen auch angeforderte Zahlungen geleistet werden. Bei Verzögerungen können Säumniszuschläge anfallen. Auf Antrag kann unter bestimmten Voraussetzungen die sofortige Vollziehung des Bescheides durch den Rentenversicherungsträger ausgesetzt werden (§ 86a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Dies ist u.a. möglich, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes von einer Mehrzahl von Voraussetzungen abhängt, deren Prüfung schwierig zu klärende Sach- und Rechtsfragen beinhaltet (LSG Schleswig-Holstein, 08.11.2018 – L 5 BA 121/18 B ER). Die aufschiebende Wirkung kann auch gerichtlich geltend gemacht werden, wenn die Rentenversicherung dies ablehnt (vgl. LSG Sachsen, 24.09.2019 – L 9 KR 506/17 B ER). Voraussetzung für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist, dass – zumindest nach summarischer Prüfung – der Prüfbescheid rechtswidrig ist oder die Vollziehung der Forderung eine nicht zu vertretende Härte für den Adressaten darstellen würde (LSG Nordrhein-Westfalen, 16.12.2019 – L 8 BA 4/18 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, 18.01.2021 – L 8 BA 16/20 B ER). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung – ganz oder teilweise – gem. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer Abwägung des Interesses des Betroffenen an der Aussetzung der Beitragsforderung auf der einen Seite mit dem angesichts der gesetzlichen Vorgabe in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG regelmäßig vorrangigen öffentlichen Vollzugsinteresses auf der anderen Seite (LSG Hamburg, 22.09.2021 - L 3 BA 3/21 B ER). Insoweit müssen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen, um entgegen der gesetzlichen Regelung das Aussetzungsinteresse höher zu gewichten als das grundsätzlich vorrangig erachtete Vollzugsinteresse. Umgekehrt sind die Anforderungen an die Erfolgsaussichten geringer, je schwerer die angefochtene Entscheidung wirkt. Insofern ist neben den wirtschaftlichen Verhältnissen in die Abwägungsentscheidung auch einzustellen, ob die Vollziehung für den Beitragszahler eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (LSG Berlin-Brandenburg, 27.08.2021 - L 28 BA 12/21 B ER). Die aufschiebende Wirkung ist vom Gericht daher in der Regel anzuordnen, wenn der Erfolg einer Anfechtungsklage gegen den Nachforderungsbescheid überwiegend wahrscheinlich ist (LSG Nordrhein-Westfalen, 26.11.2020 – L 8 BA 228/19 B ER u. 12.01.2022 – L 8 BA 91/21 B ER).
Insbesondere bei Summenbescheiden müssen – trotz der häufig fehlenden Lohnunterlagen doch hinreichende Belege vorliegen. Zwar kann die Behauptung, es seien für einen bestimmten Zeitraum in einem bestimmten Umfang nicht gemeldete Arbeitnehmer beschäftigt worden, grundsätzlich durch Indizien untermauert werden Fehlt es jedoch an genügenden Einzelermittlungen, aus denen sich aussagekräftig eine beim Antragsteller tatsächlich ausgeübte Schwarzarbeit ergibt, müssen zumindest Indizien für die Schwarzarbeit vorliegen. Ist dies nicht der Fall, ist insoweit die aufschiebende Wirkung anzuordnen (LSG Nordrhein-Westfalen, 01.02.2021 - L 8 BA 5/20 B ER).
Bei einem Summenbescheid ist auch zu beachten, dass dessen Erlass sich nicht in den Leistungsansprüchen der betroffenen Arbeitnehmer widerspiegelt. Macht die Stelle, die ihn erlässt, geltend, dass ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand für die Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse erforderlich ist, müssen im Hinblick darauf intensive Bemühungen erfolgt sein (siehe LSG Nordrhein-Westfalen, 12.04.2021 – L 8 BA 130/20 B ER).
Die Voraussetzung für die Anordnung einer aufschiebenden Wirkung eines Beitragsbescheides wegen unbilliger Härte liegen nicht vor, wenn lediglich auf geringe Gewinne, fehlendes Kapital sowie ein Ausbleiben der Corona-Hilfe hingewiesen wird (LSG Nordrhein-Westfalen, 10.05.2021 – L 8 BA 45/21 B ER).
Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Interesses des Antragstellers an der Aufschiebung einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (LSG Nordrhein-Westfalen, 18.05.2020 - L 8 BA 152/18 B ER u. LSG Nordrhein-Westfalen, 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER). Allein die mit der Zahlung einer Beitragsforderung für den Arbeitgeber verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelingt darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte und die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als aktuell (LSG Nordrhein-Westfalen, 03.03.2021 - L 8 BA 36/20 B ER).
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, können ein überwiegendes Interesse an der Aufschiebung begründen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (LSG Nordrhein-Westfalen, 18.05.2020 - L 8 BA 241/19 B ER).
Soweit der Widerspruch abgewiesen wird, kann Klage beim Sozialgericht eingelegt werden. Der Widerspruchsbescheid enthält alle notwendigen Informationen dazu. Das Gericht kann darüber hinaus die aufschiebende Wirkung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG).
Soweit sich im Nachhinein ergibt, dass der Bescheid über die Betriebsprüfung und daher eine evtl. Nachforderung rechtswidrig war, muss ihn die Behörde auch für die Vergangenheit zurücknehmen (§ 44 Abs. 1 SGB X).