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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Auskunftspflichten - Folgearbeitgeber
Auskunftspflichten - Folgearbeitgeber
Inhaltsübersicht
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Information
Der alte Arbeitgeber hat mit Erteilung des Schlusszeugnisses seine gesetzliche Pflicht zur Auskunftserteilung eigentlich erfüllt. Die Angaben in der Beurteilung sind allerdings meistens auf ein Minimum beschränkt. Das wahre Leistungsbild lässt sich oft nur mündlich beschreiben. Außerdem gibt es Informationen, die in einem Zeugnis nichts zu suchen haben, aber für den Folgearbeitgeber von vitalem Interesse sind. Er setzt deswegen alles daran, dieses Zusatzwissen beim früheren Arbeitgeber abzurufen.
1. Rechtliche Verpflichtung?
Grundsätzlich ist der alter Arbeitgeber rechtlich nicht verpflichtet, einem Folgearbeitgeber Auskünfte über seinen früheren Mitarbeiter zu geben. Es gibt dafür keinen gesetzlichen Anknüpfungspunkt. Eine mögliche Anspruchsgrundlage wäre ein Vertrag, mit dem sich alter und neuer Arbeitgeber verpflichten, sich wechselseitig Auskünfte über Arbeitnehmer zu erteilen.
Beispiel:
In X-Stadt hat sich auf lokaler Ebene ein sogenanntes Wirtschaftsforum - der WFO e.V. - etabliert. Ziel dieses Wirtschaftsforums ist zum einen die effektive Sicherung des Wirtschaftsstandorts X-Stadt, zum anderen die Schaffung einer gewissen Arbeitnehmer-Transparenz. Die Mitglieder des WFO haben sich durch Anerkennung der Satzung verpflichtet, sich gegenseitig mit Informationen über Arbeit suchende X-Städter zu versorgen. Man will dadurch verhindern, arbeitsunwillige, kranke, schwierige und straffällig gewordene Mitarbeiter einzustellen.
Ob diese satzungsrechtliche Verpflichtung rechtlich überhaupt haltbar ist, ist fraglich. Sie führt geradewegs zu BDSG-Verstößen und wäre wohl nach §§ 134, 138 BGB nichtig. So wird beispielsweise auch die Vereinbarung einer wechselseitigen Auskunftserteilung in Konzernunternehmen kontrovers beurteilt. Selbst bei öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern wird man nicht soweit gehen können, eine uneingeschränkte Ausklunftspflicht zu bejahen.
Die Beschränkungen für den Arbeitgeber gelten nicht gegenüber Dritten, denen er nach gesetzlichen Vorgaben Auskunft erteilen muss (z.B. Sozialleistungsträger, Ermittlungsbehörden, Gerichte, Verwaltungsbehörden etc.).
2. Tatsächliche Berechtigung?
Während man früher davon ausging, dass ein Arbeitgeber auch ohne Zustimmung seines Mitarbeiters Auskünfte über ihn erteilen durfte, rückt man mittlerweise mehr und mehr davon ab. Das Bundesverfassungsgericht erkennt dem Einzelnen das so genannte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu (grundlegend: BVerfG, 15.12.1983 - 1 BvR 209/83): "Das Grundrecht des Art. 2 I gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Einschränkungen dieses Rechts auf `informationelle Selbstbestimmung´ sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig." Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch im Arbeitsrecht verankert (grundlegend: BAG, 06.06.1984 - 5 AZR 286/81 - hier: Anspruch auf Vernichtung des Personalfragebogens eines abgelehnten Bewerbers).
Praxistipp:
Es ist oft eine Gratwanderung, die der Arbeitgeber vornimmt. Auf der einen Seite muss er sein Interesse berücksichtigen, sich weder gegenüber der Arbeitnehmer noch gegenüber dem Folgearbeitgeber schadensersatzpflichtig zu machen. Im Rahmen der nachwirkenden Fürsorgepflicht darf er das weitere Fortkommen des ausgeschiedenen Mitarbeiters nicht behindern. Schließlich muss er dafür sorgen, dass auch der Dritte nicht Schaden nimmt. Insoweit macht es Sinn, im Zusammenhang mit dem Ausscheiden direkt die Tatsachen zu besprechen, die weitergegeben werden können. Das Gleiche gilt für den Kreis der Dritten, die diese Auskünfte bekommen dürfen.
Das BAG sagt aber auch, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht schrankenlos ist. Wo jedoch die Grenze eines unantastbaren Bereichs privater Lebens- und Informationsgestaltung endet, lässt sich nur im Einzelfall nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entscheiden (BAG, 04.04.1990 - 5 AZR 299/89 - hier zulässig: Einsichtnahme in Personalakte durch Innenrevision). Ohne Zustimmung des Mitarbeiters läuft also gar nichts. Auskünfte gegenüber dem Folgearbeitgeber sind gesetzlich nicht geregelt. Ein übergeordnetes Interesse des Dritten wird schwer zu begründen sein.
Beispiele:
- (1)
Arbeitnehmer A1 ist durch und durch Gewerkschafter. Wo immer er eine neue Beschäftigung aufnimmt: Er versucht, gleich einen Betriebsrat zu installieren und seine neuen Arbeitskollegen zum Eintritt in die Gewerkschaft zu motivieren.
- (2)
Arbeitnehmer A2 ist das, was seine Kolleginnen einen "widerlichen Kerl" nennen. Er macht ständig anzügliche Bemerkungen und grabscht seine Mitarbeiterinnen hier und da an. Sein Verhalten stört den Betriebsfrieden. Er hält es nirgendwo lange aus.
- (3)
Arbeitnehmer A3 hat Leukämie. Er fällt deswegen wiederholt aus und verursacht mit seiner Erkrankung hohe Entgeltfortzahlungskosten. Die Kollegen weigern sich, mit ihm zusammenzuarbeiten.
- (4)
Arbeitnehmer A4 ist gewalttätig veranlagt. Er schlägt seine Familie und macht auch vor Arbeitskollegen nicht Halt. Er hat es nicht gelernt, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben bereits nach kurzer Zeit Angst vor ihm. Es geht sogar das Gerücht um, dass er vor Jahren bei einer anderen Firma fast seinen Chef totgeprügelt hätte.
Im Fall (1) wird man mit Blick auf das Grundrecht der informationellen Selbtsbestimmung und das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 1 GG sicherlich konsensfähig sagen, dass diese persönlichen Tatsachen nicht an einen Folgearbeitgeber gegeben werden dürfen. Aber was ist mit den Fällen (2), (3) und (4)? Ist das Interesse des Folgearbeitgebers hier höher einzustufen als die Grundrechte der Arbeitnehmer?
Arbeitgeber tauschen hinter verschlossenen Türen und über das Telefonnetz häufig Informationen aus. Das findet so im Verborgenen statt, dass nie ein Arbeitnehmer davon erfahren wird. Informationen, die bereits im Zeugnis stehen, können unbedenklich weitergegeben werden. Bei anderen Informationen - da schließt sich der Kreis zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung - ist es eine Frage des Einzelfalls und der Güterabwägung. Wie heißt es schon in Art. 2 Abs. 1 GG: Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit besteht nur so lange, wie sein Träger "nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt."
3. Verpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer
Der Arbeitgeber ist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen seiner nachwirkenden Fürsorgepflicht gehalten, auf Wunsch des Arbeitnehmers Auskünfte zu erteilen. Dabei wird
ein besonderes Interesse des Arbeitnehmers und
eine einfache und zumutbare Art der Auskunftserteilung auf Seiten des alten Arbeitgebers
vorausgesetzt. Die Auskunftserteilung erfolgt hier im Interesse des Arbeitnehmers.
Praxistipp:
Wer als Arbeitnehmer von seinem alten Arbeitgeber wünscht, Dritten bestimmte Auskünfte zu geben, sollte den Kreis der Dritten genau bestimmen. Darüber hinaus sollte sorgfältig abgestimmt werden, über welche Tatsachen Auskünfte gegeben werden sollen.
Wie beim Zeugnis muss die Auskunft wahr und wohlwollend sein. Die Auskunft erstreckt sich in der Regel auf die Punkte, die kein Zeugnisinhalt geworden sind. Negative Auskünfte wird ein Arbeitgeber nur insoweit geben dürfen, als er sie auch in ein Zeugnis hätte aufnehmen können.
Praxistipp:
Arbeitgeber können sich bei der Auskunft schnell in Widersprüche verstricken oder sich in eine unangenehme Lage hineinmanövrieren. Der rhetorisch geschulte Gesprächspartner will ja genau das erreichen. Er will die "Wahrheit" über seinen Kandidaten wissen. Wer sich nicht mehr genau erinnern kann, sollte das dem Anrufer sagen. Wenn diese Entgegnung glaubwürdig rüberkommt, ist das Gespräch schnell beendet. Aus der Entschuldigung "Dazu möchte ich nichts sagen" werden schnell für den Arbeitnehmer nachteilige Schlüsse gezogen.
Eine schriftliche Auskunft kann vom Arbeitnehmer und einem Folgearbeitgeber nicht verlangt werden. Eine mündliche Auskunft reicht. Sicherheitshalber sollte sich der Auskunft Gebende jedoch stichpunktartig die Tatsachen notieren, zu denen er gefragt wurde und über die er eine Auskunft gegeben hat. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch darauf, mitgeteilt zu bekommen, welche Auskünfte über ihn erteilt worden sind. Verbietet der Arbeitnehmer seinem früheren Arbeitgeber die Erteilung von Auskünften, ist der alte Arbeitgeber daran gebunden.
4. Konsequenzen: Schadensersatz
Erteilt ein Arbeitgeber rechtswidrig und schuldhaft eine falsche, unvollständige oder sonst mangelhafte Auskunft oder erteilt er die geforderte Auskunft zu spät, kann der Arbeitnehmer seinen früheren Arbeitgeber auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Der Arbeitgeber hat dann eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, für die er nach § 280 Abs. 1 BGB haftet. Ein oft unlösbares Problem für den Arbeitnehmer ist der Nachweis der Pflichtverletzung.
Beispiel:
MTA M hat sich entschlossen, ihren Anstellungsvertrag mit ihrem Arbeitgeber zu kündigen. Es hatte in den letzten Wochen einige Differenzen gegeben, man kam einfach nicht mehr miteinander klar. M lief lange hinter ihrem Zeugnis her und musste es wiederholt zwecks Korrektur zurückgeben. Mit der Endfassung des Zeugnisses bewarb sie sich am Ort bei unterschiedlichen Ärzten. Sie bekam jedes Mal eine Absage. M fühlte, dass da etwas nicht stimmen konnte. Sie wusste, dass sich die Ärzte kannten und sich auch über ihre Mitarbeiter unterhalten. Dass sie keinen neuen Job bekomme, könne nur daran liegen, dass ihr alter Arbeitgeber schlechte Auskünfte über sie erteilt. Dieses Bauchgefühl reicht für eine erfolgreiche Schadensersatzklage aber nicht aus.
Der auf Schadensersatz klagende Arbeitnehmer trägt für seinen Schadensersatzanspruch nach den allgemeinen Regeln des Deliktsrechts die Darlegungs- und Beweislast. Kann er die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht unter Beweis stellen, wird er seinen Prozess verlieren. Und da sich die Gespräche zwischen altem und Folgearbeitgeber häufig nur am Telefon abspielen, ist es kaum möglich, die erforderlichen Beweise zu sammeln. Letztlich basiert alles auf Vermutungen, mit denen man keinen Prozess führen kann. Schließlich muss auch die Kausalität bewiesen sein: Der Arbeitnehmer wurde nur deswegen nicht eingestellt, weil der alte Arbeitgeber eine verbotene Auskunft gegeben hat.
Praxistipp:
Wenn sich der Folgearbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer nicht schadensersatzpflichtig machen will, sollte er bei einem ungekündigten Arbeitsverhältnis darauf verzichten, Auskünfte einzuholen. Es kann nämlich passieren, dass der Arbeitnehmer deswegen Probleme bekommt und seinen Job verliert. Wer zusätzliche Auskünfte braucht, sollte sich dafür von seinem Bewerber das Okay geben lassen. Das ist für alle Beteiligten vernünftiger.
Schadensersatzansprüche hat möglicherweise auch der Folgearbeitgeber. Das setzt allerdings voraus, dass eine schuldhafte sittenwidrige Schädigung i.S. des § 826 BGB vorliegt.
Beispiele:
Verkäuferin V hat von Einzelhändler E die fristlose Kündigung bekommen, weil sie nachweislich über einen längeren Zeitraum mehrere 1.000 EUR unterschlagen hatte. E bekommt einen Anruf von Folgearbeitgeber F. F möchte wissen, "ob es da irgendwelche Probleme mit der Ehrlichkeit gegeben hat". Antwortet E, er möchte dazu nichts sagen, ist das kein Grund, ihn später schadensersatzpflichtig zu machen. Möchte er F eins auswischen und antwortet er: "Wo denken Sie hin. Das war die Ehrlichkeit in Person. Da konnte ich mich immer voll drauf verlassen", ist das ein Fall von § 826 BGB. Hier will er einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise seinem Konkurrenten F einen Schaden zufügen. Er geht nämlich davon aus, dass V auch bei F Geld unterschlagen wird.
Der Folgearbeitgeber trägt für seinen Schadensersatzanspruch die Darlegungs- und Beweislast. Insoweit kommen auf ihn die gleichen Schwierigkeiten zu, mit denen der Arbeitnehmer zu tun hat: es ist oft schwierig, die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung überzeugend nachzuweisen.
5. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle sind einige der wichtigsten Entscheidungen zum Thema Auskunftspflichten - Folgearbeitgeber in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
5.1 Epilepsie
Ein Arbeitgeber ist grundsätzlich berechtigt, auch ohne Einverständnis seines ehemaligen Mitarbieters an Dritte Auskünfte zu erteilen, wenn die ein berechtigtes Interesse daran haben. Begründung: "Dass ein potenzieller Arbeitgeber aus dem Baunebengewerbe, der seine Arbeitnehmer auch auf Baustellen und damit u.U. auch auf Gerüsten einsetzt, ein berechtigtes Interesse an der Information hat, ob einem solchen Einsatz ggf. ein Anfallsleiden des einzustellenden Arbeitnehmers entgegensteht, bedarf keiner besonderen Begründung." Die Auskunft muss jedoch wahr sein (LAG Köln, 27.06.1997 - 11 Sa 1310/96 - mit Hinweis auf BAG, 25.10.1957 - 1 AZR 434/55, das nach Meinung vieler Autoren jedoch nicht mehr zeitgemäß ist).
Siehe auch
Auskunftspflichten - Allgemeines
Auskunftspflichten - Arbeitgeber
Auskunftspflichten - Arbeitnehmer
Betriebsrat - Anhörung des Betriebsrats
Mitbestimmung - Betrieb