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BFH, 29.07.2005 - VI B 199/04 - Bedeutung einer Rechtssache bei Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage; Einbeziehung von Einkommenssurrogaten in eine Besteuerung; Hinzurechnung von steuerfreien Leistungen zum versteuernden Einkommen im Rahmen des Progressionsvorbehalts
Bundesfinanzhof
Beschl. v. 29.07.2005, Az.: VI B 199/04
Progressionsvorbehalt: Lohnersatz darf die Steuer erhöhen
Der steuerliche Progressionsvorbehalt (also die Einbeziehung von Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld I, Krankengeld und Rente) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das gilt unabhängig davon, dass Steuerpflichtige mit Lohnersatzleistungen in dem betreffenden Jahr mehr Steuern zu zahlen haben als andere, die ohne solche Leistungen auskommen mussten. (Der Progressionsvorbehalt erhöht nicht das steuerpflichtige Einkommen, sondern durch einen speziellen Rechenweg nur den Steuersatz, der dann auf das steuerpflichtige Einkommen angewandt wird.)
Quelle: Wolfgang Büser
Bedeutung einer Rechtssache bei Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage; Einbeziehung von Einkommenssurrogaten in eine Besteuerung; Hinzurechnung von steuerfreien Leistungen zum versteuernden Einkommen im Rahmen des Progressionsvorbehalts
Verfahrensgang:
vorgehend:
FG Niedersachsen - 03.11.2004 - AZ: 2 K 784/00
Rechtsgrundlage:
Fundstellen:
BFH/NV 2005, 2002-2003 (Volltext mit amtl. LS)
NWB 2006, 1698 (Kurzinformation)
NWB direkt 2005, 6
BFH, 29.07.2005 - VI B 199/04
Gründe
1
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Es liegen weder die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch ein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) vor.
2
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Frage, ob der Progressionsvorbehalt für Lohnersatzleistungen verfassungsgemäß ist, nicht klärungsbedürftig ist (vgl. zu diesem Erfordernis: Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 28). Es kann offen bleiben, ob der behauptete Verfassungsverstoßüberhaupt in einer den gesetzlichen Anforderungen erforderlichen Weise gerügt worden ist (vgl. dazu § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Liegen nämlich zu einer Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Entscheidungen, insbesondere solche des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vor, genügt die bloße Behauptung eines Verfassungsverstoßes ohne Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht den Darlegungsanforderungen an die Klärungsbedürftigkeit der Rechtssache (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juli 2004 VI B 164/02, BFH/NV 2004, 1664).
3
Das BVerfG hat bereits entschieden, dass der Progressionsvorbehalt bei Lohnersatzleistungen (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- a.F.; jetzt § 32 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 i.V.m. § 32a Abs. 1 EStG) verfassungsgemäß ist (Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 3. Mai 1995 1 BvR 1176/88, BStBl II 1995, 758 --Bestätigung des BFH-Urteils vom 29. April 1988 VI R 74/86, BFHE 153, 363, BStBl II 1988, 674--, sowie BVerfG-Beschluss vom 24. April 1995 1 BvR 231/89, Betriebs-Berater --BB-- 1995, 1624). Es hat darauf hingewiesen, dass der Steuergesetzgeber von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gehindert ist, Einkommenssurrogate in die Besteuerung oder auch nur in den Tarif einzubeziehen, sofern hierbei die Grundsätze der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beachtet werden. Außerdem hat das BVerfG betont, dass Steuerpflichtige, die im Kalenderjahr neben eigenen Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen haben, wirtschaftlich leistungsfähiger sind als Steuerpflichtige, die gleich hohe Einkünfte ohne Lohnersatzleistungen erzielt haben. Es ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich, dass Steuerpflichtige, die neben steuerpflichtigen Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen haben, bei gleichem zu versteuernden Einkommen eine höhere Einkommensteuer zu leisten haben als Steuerpflichtige, die keine derartigen Leistungen bezogen haben (ebenso BFH-Urteil vom 9. August 2001 III R 50/00, BFHE 196, 185 [BFH 09.08.2001 - III R 50/00], BStBl II 2001, 778). Das Finanzgericht (FG) hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass entgegen dem Vorbringen der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch nur 60 v.H. des Bruttogehalts erhalten zu haben und mit diesem Nettobetrag noch zusätzlich dem Progressionsvorbehalt zu unterliegen, die Lohnersatzleistungen durch die Vorschrift des § 32b EStG nicht doppelt besteuert werden. Im Rahmen des Progressionsvorbehalts werden nämlich die steuerfreien Leistungen gerade nicht dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet, es erhöht sich lediglich der auf das zu versteuernde Einkommen anzuwendende Steuersatz. Das gesetzgeberische Ziel, Empfänger von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe im Ergebnis nicht besser zu stellen als mit dem in (damals) § 111 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes genannten Teilbeträgen der letzten Nettobezüge, begegnet --wie bereits ausgeführt-- keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG-Beschluss in BStBl II 1995, 758, re. Sp.).
4
Ein Verfahrensverstoß wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs im Hinblick auf eine unzureichende Würdigung des klägerischen Vortrags (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist nicht ausreichend dargelegt worden (siehe § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Im Übrigen hat das FG den Vortrag der Kläger im Tatbestand berücksichtigt und ist auf den Kern des klägerischen Vorbringens, nämlich die vermeintliche doppelte Besteuerung aufgrund einer Anwendung des § 32b EStG eingegangen (vgl. auch BFH-Beschluss vom 17. Februar 2005 X B 178/03, BFH/NV 2005, 1121).
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