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BAG, 24.01.2001 - 4 AZR 637/99 - Verletzung eines Tarifvertrages durch Neustrukturierung eines administrativen Bereichs einer Spielbank
Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 24.01.2001, Az.: 4 AZR 637/99
Verletzung eines Tarifvertrages durch Neustrukturierung eines administrativen Bereichs einer Spielbank
Verfahrensgang:
vorgehend:
ArbG Münster - 19.03.1999 - AZ: 4 Ca 2351/98
LAG Hamm - 27.10.1999 - AZ: 14 Sa 872/99
Fundstelle:
NZA 2002, 351 (red. Leitsatz)
BAG, 24.01.2001 - 4 AZR 637/99
Redaktioneller Leitsatz:
- 1.
Die Einführung einer außertariflichen Hierachiestufe durch die Spielbank verstößt nicht gegen den Entgelt-RTV und nicht gegen den Tronc-TV, solange die Gesamtbelastung des Troncs für außertarifliche Angestellte die tarifliche Höchstgrenze nicht erreicht.
- 2.
Tarifangestellte mit zusätzlichen Aufgaben sind am Tronc beteiligt.
- 3.
Die Übertragung zusätzlicher Aufgaben an Tarifangestellte verstößt jedenfalls solange nicht gegen den Entgelt-RTV, als nicht belegt ist, daß es dadurch zu Höhergruppierungen kommt und/oder zusätzliche Tarifangestellte beschäftigt werden müssen.
In dem Rechtsstreit
hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts
auf Grund der Beratung vom 24. Januar 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Schliemann,
die Richter am Bundesarbeitsgericht Bott und Dr. Friedrich,
die ehrenamtlichen Richter Winterholler und Seifner
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Oktober 1999 - 14 Sa 872/99 - wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte mit der Klägerin abgeschlossene Tarifverträge verletzt, indem sie die Inhaber der durch Neustrukturierung ihres administrativen Bereichs ihrer Spielbanken geschaffenen Positionen, dh. insbesondere "Bereichsleiter""stellvertretender Bereichsleiter" aus dem 75 %igen Anteil des Gesamttroncaufkommens gemäß § 3 "Troncquotierung" des Tarifvertrages "Teilvereinbarungen zu einem Tronctarifvertrag" vom 1. Februar 1996 bezahlt.
2
Die Beklagte betreibt in Nordrhein-Westfalen drei Spielkasinos. Die Aufkommen für den Tronc bilden einen Gesamttronc. Aus dem Gesamttronc werden die wesentlichen Personalausgaben der Beklagten bestritten. Der Tarifvertrag "Teilvereinbarungen zu einem Tronctarifvertrag" (im folgenden Tronc-TV) bestimmt in seinem § 3 "Troncquotierung" folgendes:
"1.Der Tronc wird wie folgt quotiert:
75 % des Gesamttroncaufkommens sind den Arbeitnehmer/-innen in der Spieltechnik und in der Kasse,
25 % des Gesamttroncaufkommens sind den Arbeitnehmer/-innen im Service und in der Verwaltung sowie den Personalkosten, soweit diese in den Bereichen "Raumpflege", "Kantine", "Haustechnik" durch Sachkosten ersetzt werden und eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird, daß diese Kosten durch den Tronc übernommen werden, zuzurechnen."
3
Der zwischen den Parteien abgeschlossene "Entgeltrahmentarifvertrag für punktbesoldete Arbeitnehmer/-innen ... in der Spieltechnik und in der Kasse" (im folgenden Entgelt-RTV) gültig ab 1. Januar 1996 und gekündigt zum 31. Dezember 1999 erhält in § 7 "Entgeltgruppen". In Ziffer 1 ist die Einordnung der Arbeitnehmer/-innen in acht Entgeltgruppen von der Entgeltgruppe 1 (Kassierer/in) bis zur Entgeltgruppe 8 (Saalchef) vorgesehen. § 7 Ziff. 2 Entgelt-RTV enthält Regelungen über die "maximale monatliche Troncbelastung" durch "außertarifliche Angestellte". Zu den letzteren zählen der geschäftsführende Direktor einer Spielbank, der spieltechnische Direktor und der außertariflich leitende Saalchef. Die monatliche Gesamtbelastung des Troncs ist für dieses Personal limitiert auf insgesamt 205 Punkte, wobei auf das Spielkasino Ba 40 Punkte, die Spielbank H... 125 Punkte und das Spielkasino B... 40 Punkte entfallen. Des weiteren sind in Ziff. 2 unter e) Sonderregelungen für das derzeitige Leitungspersonal in H... und B... enthalten. Die Parteien geben den durchschnittlichen Punktwert mit derzeit etwa 370,00 - 400,00 DM an.
4
Die Beklagte strukturierte den administrativen Bereich ihrer Kasinos seit etwa Oktober 1998 neu. Unterhalb des Spielbankdirektors sind drei oder vier Bereichsleiter vorgesehen. In der Spieltechnik sind dies die Bereiche "klassisches Spiel" und "Automatenspiel". Deren Stelleninhaber werden aus dem punktlimitierten Teil des Gesamttroncs vergütet. Jedem Bereichsleiter sind außerdem mehrere stellvertretende Bereichsleiter zugeordnet. Diese rekrutieren sich überwiegend aus der Gruppe der Saalchefs (Entgeltgruppe 8); teilweise sind aber auch Tischchefs (Entgeltgruppe 7) und Croupiers (Entgeltgruppe 6) als stellvertretende Bereichsleiter eingesetzt. Für dieses Personal wird der Punktanteil ihrer bisherigen Entgeltgruppe dem Gesamttronc entnommen.
5
Die klagende Gewerkschaft hält diese Neustrukturierung für tarifwidrig, weil sie Nachteile für die anderen punktbesoldeten Mitarbeiter bringen könne. Der Entgeltrahmentarifvertrag läge denjenigen Personenkreis, der aus dem 75 %igen Troncanteil bezahlt werden dürfe, abschließend fest. Insbesondere seien auch die AT-Positionen im einzelnen aufgeführt, so daß es der Beklagten nicht gestattet sei, neue troncbesoldete Positionen zu schaffen, wie sie dies bei den Bereichsleitern getan habe. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß der Tarifvertrag bei den außertariflichen Mitarbeitern eine Maximalbelastung des Troncs mit 205 Punkten monatlich vorsehe. Die stellvertretenden Bereichsleiter würden im eigentlichen Spielbetrieb fast nicht mehr eingesetzt. Deswegen müßten zusätzlich troncberechtigte Mitarbeiter an den Spieltischen eingesetzt werden. Dies erhöhe die Zahl der punktbesoldeten Kollegen und führe somit zu einer Minderung des einzelnen Punktwertes. Außerdem hält die Klägerin die Troncentnahme für den spieltechnischen Direktor im Kasino H... K... und für den AT-Saalchef Kl... für unzulässig. Der Direktor K..., mit dem eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses angestrebt wird, nimmt zur Zeit Aufgaben im Bereich der spieltechnischen Sicherheit wahr. K... sei, so die Klägerin, eben nicht als spieltechnischer Direktor eingesetzt, da es diese Position in der Spielbank H... überhaupt nicht mehr gebe. Mithin sei es unzulässig, diesen nach wie vor - wenn auch limitiert - am Spieltronc teilhaben zu lassen. Mit der am 30. Oktober 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Unterlassungsklage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
6
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verpflichten, die Bezahlung von Bereichsleitern aus dem 75 %igen Anteil des Gesamttroncaufkommens gemäß § 3 "Teilvereinbarungen zu einem Tronctarifvertrag" vom 1. Februar 1996 zu unterlassen;
- 2.
die Bezahlung von stellvertretenden Bereichsleitern aus dem 75 %igen Anteil des Gesamttroncaufkommens gemäß § 3 "Teilvereinbarungen zu einem Tronctarifvertrag" vom 1. Februar 1996 zu unterlassen;
hilfsweise,
die Bezahlung der Bereichsleiter H... (D...), S... (B...), Sc... (A...) sowie der stellvertretenden Bereichsleiter He..., M..., W..., P... (Spielbank D...-H...), K..., S..., Z..., B... und L... (B...), Br..., F... und Be... (A...) aus dem 75 %igen Anteil des Gesamttroncaufkommens gemäß § 3 "Teilvereinbarungen zu einem Tronctarifvertrag" vom 1. Februar 1996 zu unterlassen;
- 3.
die Bezahlung der Angestellten K... und Kl... aus dem 75 %igen Anteil des Gesamttroncaufkommens gemäß § 3 "Teilvereinbarungen zu einem Tronctarifvertrag" vom 1. Februar 1996 zu unterlassen;
- 4.
der Beklagten für jeden Fall und Monat der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld bis zu 500.000,00 DM anzudrohen.
7
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
8
Sie hat geleugnet, daß durch die Einführung der Bereichsleiter und der stellvertretenden Bereichsleiter tarifwidrige Positionen geschaffen worden seien. Der Entgelt-RTV verbiete ihr nicht, ihre Leitungsstruktur zu ändern. Statt der Positionen des technischen Spielbankdirektors und des leitenden Saalchefs, die beide dem außertariflichen administrativen Bereich angegliedert gewesen seien, gebe es nun Bereichsleiter, die den Saalchefs, Tischchefs und Gruppiers vorgesetzt seien. Die Einführung von Bereichsleitern im AT-Angestelltenbereich beeinträchtige in keiner Weise die Positionen der punktbesoldeten Angestellten. Deren troncabhängiges Einkommen werde durch die Strukturänderung nicht tangiert. Das gelte auch für die Gruppe der stellvertretenden Bereichsleiter. Unterhalb der Bereichsleiterebene gebe es keine eigene Hierachiestufe der "stellvertretenden Bereichsleiter". Die zur Vertretung der Bereichsleiter herangezogenen Mitarbeiter übten vielmehr solche Tätigkeiten aus, wie sie im Entgeltrahmentarifvertrag für punktbesoldete Arbeitnehmer/-innen beispielsweise für die Entgeltgruppe 8 (Saalchefs) vorgesehen seien. Diese hätten ihre bisherigen Funktionen als Saal- oder Tischaufsicht behalten und übernähmen nur bei Bedarf administrative Aufgaben. Diese Zweiteilung des Aufgabenbereiches sei auch schon im Tarifvertrag angelegt.
9
Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der stellvertretenden Bereichsleiter und des Mitarbeiters Kl... entsprochen und im übrigen die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Hinsichtlich des Angestellten Kl..., AT-Saalchef, hat die Klägerin ihren Unterlassungsantrag in der Berufungsinstanz für erledigt erklärt, nachdem der Angestellte Kl... von der Beklagten nicht mehr aus dem Tronc besoldet wird. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter, allerdings mit einem neu formulierten Hilfsantrag, die Beklagte zu verurteilen, die Bezahlung von Bereichsleitern, stellvertretenden Bereichsleitern sowie der Angestellten K... und Kl... aus dem 75 %igen Anteil des Gesamttroncaufkommens gemäß § 3 "Teilvereinbarungen zu einen Tronctarifvertrag" vom 1. Februar 1996 zu unterlassen, soweit dies zu einer monatlichen Troncbelastung führt, die 205 Punkte übersteigt. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Gründe
10
Die Revision ist teils unzulässig, teils unbegründet.
11
A)
Die Revision ist hinsichtlich des Antrages zu 3 mangels Revisionsbegründung unzulässig.
12
1.
Soweit die Beklagte mit dem Hauptantrag zu 3 verpflichtet werden soll, die Bezahlung des Angestellten Kl... aus dem 75 %igen Anteil des Gesamttroncaufkommens gemäß § 3 des Tarifvertrages "Teilvereinbarungen zu einem Tronctarifvertrag" vom 1. Februar 1996 zu unterlassen, ist die Revision mangels Begründung unzulässig.
13
Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz den Rechtsstreit bezüglich ihrer Klage wegen der Troncteilnahme des Angestellten Kl... für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte erklärt hatte, daß eine Troncteilnahme dieses Mitarbeiters nicht mehr beabsichtigt sei.
14
Das Landesarbeitsgericht hätte prüfen müssen, ob die Klage insoweit zulässig und begründet war, aber durch ein nach Anhängigkeit eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist, nachdem die Beklagte ersichtlich dieser Erledigungserklärung nicht zugestimmt hatte. War die Sache erledigt, so hätte eine entsprechende Feststellung ergehen und insoweit eine Kostenentscheidung getroffen werden müssen (nach § 91, § 97 Abs. 1 ZPO). War die Erledigung nicht eingetreten, war die Klage abzuweisen. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit lediglich aufgeführt, was den Angestellten Kl... angehe, so stehe inzwischen fest, daß dieser nicht mehr aus dem Tronc vergütet werde, so daß das Unterlassungsbegehren der Klägerin gegenstandslos geworden sei. Das spricht trotz fehlenden entsprechenden Tenors dafür, daß das Landesarbeitsgericht von einer Erledigung ausgegangen ist. Es kann aber auch die Klage insoweit abgewiesen haben, weil es der Klägerin an einem Rechtsschutzinteresse fehle, weil "inzwischen feststeht, daß diese (scil.: der Angestellte Kl...) nicht mehr aus dem Tronc vergütet wird".
15
Gleichviel, dieses Urteil ist insoweit, sei es als Sachurteil, sei es als Prozeßurteil anfechtbar mit der Folge, daß die Revision - da besonderer Streitgegenstand - diesen Punkt hätte aufgreifen und sich mit dem Berufungsurteil hätte auseinandersetzen müssen. Das ist nicht geschehen. Die Revision erwähnt den Angestellten Kl... lediglich in ihren Anträgen. Der Hauptantrag ist ersichtlich ungeachtet der Erledigungserklärung aus den Vorinstanzen übernommen worden. In den neu gestellten Hilfsantrag ist - wohl aus dem Hauptantrag - der Name Kl... mit übernommen worden.
16
2.
Die Revision ist mangels Begründung auch unzulässig, soweit die Beklagte unterlassen soll, den Angestellten K... aus dem 75 %igen Anteil des Gesamttroncaufkommens gemäß § 3 des Tarifvertrages "Teilvereinbarungen zu einem Tronctarifvertrag" vom 1. Februar 1996 zu vergüten. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit ausgeführt, was die Vergütung des Angestellten K... aus dem limitierten Punktanteil des Gesamttroncs angehe, so habe das Arbeitsgericht hier mit Recht die Unterlassungsklage abgewiesen. Denn auch wenn dieser Angestellte nicht das volle Spektrum eines technischen Spielbankdirektors nach den früher geltenden Tätigkeitsmerkmalen wahrnehme, so sei er doch unzweifelhaft nach wie vor im Bereich der Spieltechnik eingesetzt, was bereits allein die Teilhabe am limitierten Punktanteil des Troncs rechtfertige. Die Revision setzt sich mit dieser Begründung in keiner Weise auseinander. Da insoweit ein gesonderter Streitgegenstand vorliegt, hätte die Revision dartun müssen, warum sie das Urteil des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich des Angestellten K... für falsch hält.
17
B)
Soweit die Revision zulässig ist, ist sie unbegründet.
18
1.
Die Anträge zu 1 und 2 sind zu Recht als unbegründet zurückgewiesen worden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Bezahlung von Bereichsleitern, stellvertretenden Bereichsleitern aus dem 75 %igen Anteil des Gesamttroncaufkommens gemäß § 3 "Teilvereinbarungen zu einem Tronctarifvertrag" vom 1. Februar 1996.
19
1.1.
Die Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (Senat 5. Oktober 1999 - 4 AZR 578/98 - AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 8).
20
1.2.
Die Beklagte hat mit der Einführung der im limitierten Umfang aus dem 75 %igen Gesamttronc vergüteten Bereichsleiter "Klassisches Spiel" und "Automatenspiel" der Spielbanken A..., B... und D... den Entgelt-RTV nicht verletzt.
21
a)
Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Bereichsleiterpositionen seien der Spieltechnik iSd. § 3 Ziff. 1 der Teilvereinbarungen zu einem Tronctarifvertrag vom 1. Februar 1996 zuzurechnen. 3/4 des Gesamttroncs könnten für die Vergütung der Arbeitnehmer/-innen in der Spieltechnik und in der Kasse verwandt werden. Aus diesem Grundsatz der Teilhabe sämtlicher Mitarbeiter der Spieltechnik und Kasse am Tronc nehme die Beklagte zu Recht für sich in Anspruch, daß auch ihre Bereichsleiter - anteilmäßig - aus dem Tronc vergütet werden könnten. Der Entgelt-RTV für punktbesoldete Arbeitnehmer habe an dem Grundsatz der Troncteilhabe für alle Mitarbeiter der Spieltechnik nichts geändert. Vielmehr sei in diesem Tarifvertrag nur geregelt, in welchem Umfang die Troncteilhabe stattfinde. Hierzu seien für die punktbesoldeten Arbeitnehmer, deren Vergütung in vollem Umfang dem Tronc entnommen werde, Entgeltgruppen mit bestimmten Tätigkeitsmerkmalen gebildet worden. Die Entgeltgruppen korrespondierten wiederum mit bestimmten monatlichen Punktanteilen, die in den jeweiligen Entgelttarifverträgen festgelegt seien. In dem ab 1. Januar 1996 gültigen Entgelt-RTV seien nur die Entgeltgruppen 1 (Kassierer) bis 8 (Saalchef) als tariflich verbindliche Vergütungsgruppen genannt und hierfür Tätigkeitsmerkmale festgelegt. Die Gruppen des technischen Direktors, des stellvertretenden technischen Direktors und des Saalchefs I... würden in dem Entgelt-RTV als außertarifliche Angestellte bezeichnet, für die kein bestimmter Punktanteil vorgesehen sei, sondern nur eine limitierte Troncteilhabe mit Maximalpunkten. Damit hätten die Tarifparteien diese Leitungsfunktionen aus dem tariflichen Regelungsbereich herausgenommen und im Interesse der Tarifangestellten eine maximale Punktbelastung vorgesehen. Die Beklagte habe dadurch die Möglichkeit bekommen, weitere Funktionen in der Spieltechnik, die früher tariflich festgelegt gewesen seien, neu zu strukturieren und ihnen abweichend von den bislang geregelten Tätigkeitsmerkmalen und -bezeichnungen andere Funktionen und Bezeichnungen zuzuordnen. Zwar würden in dem Entgelt-RTV noch die alten Bezeichnungen für die AT-Angestellten der Spieltechnik genannt. Dahinter stehe aber nicht mehr der Wille der Tarifparteien, für den AT-Bereich feste Tätigkeitsmerkmale zu schaffen, die mit einem bestimmten Punktanteil am Gesamttronc korrespondierten. Entscheidend sei hier nur, daß eine Maximalbelastung des Troncs für die Leitungsfunktionen geschaffen worden sei. Diese werde von der Beklagten bei den Bereichsleiterpositionen nicht überschritten. Die Vergütung der Bereichsleiter tangiere die Besitzstände der punktbesoldeten Tarifangestellten nicht. Dem Ziel des Tarifvertrages, die Troncteilhabe im Bereich der administrativ tätigen Angestellten im Bereich der Spieltechnik zu limitieren, werde Rechnung getragen. Ein tarifwidriges Verhalten der Beklagten sei insoweit nicht erkennbar.
22
Das Landesarbeitsgericht hat ferner ausgeführt, da auch die als stellvertretende Bereichsleiter fungierenden Angestellten im klassischen Spiel Arbeitnehmer im Bereich der Spieltechnik seien, gelte auch für sie der in § 3 der Teilvereinbarungen zu einem Tronctarifvertrag festgelegte Grundsatz, daß sie am 75 %igen Anteil des Gesamttroncs beteiligt seien. Insoweit gelte für sie dasselbe wie für die Bereichsleiter. Schon deshalb sei die Unterlassungsklage, die auf eine Nichtteilhabe am Gesamttronc abziele, unbegründet.
23
b)
Dem hält die Revision entgegen, nur die tariflich aufgeführten Positionen dürften sowohl im tariflichen als auch im außertariflichen Bereich aus dem 75 %igen Troncanteil vergütet werden, und zwar unabhängig davon, daß die Tarifgruppen durch Tätigkeitsmerkmale definiert seien und die AT-Positionen nur benannt seien. Die Beklagte sei zwar frei, neue Strukturen einzuführen. Sie sei aber nicht frei, diese in das Zahlungssystem aus dem Tronc "einzubauen". Dem ist im Ergebnis nicht zu folgen.
24
c)
Es ist zwar richtig, daß die Position "Bereichsleiter" im Entgelt-RTV nicht genannt ist. Dh. aber nicht, daß die Beklagte an die in § 7 Ziff. 2 Entgelt-RTV genannten Positionen gebunden ist, wenn sie statt dieser Positionen andere einführt, indem sie technische Spielbankdirektoren und leitende Saalchefs durch Bereichsleiter ersetzt, die den Saalchefs, Tischchefs und Croupiers vorgesetzt sind. Da es sich insoweit um aussertarifliche Angestellte handelt, sind die Interessen der tariflichen Angestellten nicht berührt, da die Gesamtbelastung für die außertariflichen Angestellten ohnehin nicht 205 Punkte übersteigen darf. Die Tarifvertragsparteien haben für den AT-Bereich lediglich Funktionsbezeichnungen angegeben, eine Tätigkeitsbeschreibung oder Definition oder ein Tätigkeitsmerkmal liegen nicht vor. Im AT-Bereich hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, diejenigen zu bestimmen, die dazu gehören sollen; er kann entsprechende Funktionsbezeichnungen einführen. Lediglich die Vergütung dieser Mitarbeiter hat im Rahmen der vorgesehenen maximalen Troncbelastung zu verbleiben.
25
1.3.
Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß auch die stellvertretenden Bereichsleiter aus dem 75 %igen Anteil des Gesamttroncaufkommens gemäß § 3 des Tarifvertrages "Teilvereinbarungen zu einem Tronctarifvertrag" vom 1. Februar 1996 zu vergüten sind.
26
a)
Sie gehören als Angestellte im klassischen Spiel zu den Arbeitnehmern in der Spieltechnik. Damit nehmen sie an der 75 %igen Troncvergütung teil. Im Lichte des gestellten Antrags ist die Klage daher unbegründet. Die Klägerin hat zwischen außertariflichen und tariflichen Angestellten nicht unterschieden.
27
b)
Die Klägerin beanstandet insoweit, der Antrag habe als Minus dahin verstanden werden müssen, daß Bereichsleiter und stellvertretende Bereichsleiter nur insoweit aus dem Tronc bezahlt werden dürfen, als dabei nicht mehr als 205 Punkte entnommen werden. Das ist unzutreffend. Es macht einen Unterschied, ob die Mitarbeiter/-innen überhaupt aus dem Tronc vergütet werden dürfen oder ob sie nur aus der maximalen monatlichen Troncbelastung für AT-Angestellte zu vergüten sind oder ob sie im Hinblick auf § 3 Ziff. 1 Entgelt-RTV nicht eingeführt werden dürfen, weil sie keiner Entgeltgruppe unterliegen.
28
c)
Im übrigen sind die stellvertretenden Bereichsleiter nach Vortrag der Klägerin Croupiers (Entgeltgruppe 6), Tischchefs (Entgeltgruppe 7) oder Saalchefs (Entgeltgruppe 8). Nach Vortrag der Beklagten gibt es keine neue Ebene oberhalb des Saalchefs, der ohnehin nach dem Tätigkeitsmerkmal mit administrativen Aufgaben betraut werden dürfe. Diese hätten ihre bisherigen Funktionen als Saal- oder Tischaufsicht behalten und übernähmen nur bei Bedarf administrative Aufgaben. Dann handelt es sich der Sache nach um Angestellte der genannten Entgeltgruppen. Die Einführung einer anderen Bezeichnung und die Übertragung von zusätzlichen Aufgaben im Bedarfsfalle ändern daran nichts. Wie sie im einzelnen im Lichte der ihnen zusätzlich übertragenen Aufgaben eingruppiert sind, also gegenüber ihrer vorherigen Vergütung Anspruch auf eine höhere Vergütung haben, ist aufgrund des Antrags nicht Gegenstand des Verfahrens. Nach Vortrag der Klägerin werden die stellvertretenden Bereichsleiter im eigentlichen Spielbetrieb nicht mehr eingesetzt. Dadurch müßten troncberechtigte Mitarbeiter an den Spieltischen eingesetzt werden. Das erhöhe die Zahl der punktbesoldeten Mitarbeiter/-innen und führe zu einer Minderung des einzelnen Punktwertes. Insoweit hätte aber hinsichtlich der von der Klägerin bezeichneten stellvertretenden Bereichsleiter im einzelnen vorgetragen werden müssen, welche Aufgaben der jeweilige stellvertretende Bereichsleiter wahrnimmt, also seiner eigentlichen Tätigkeit als Croupier, Tischchef oder Saalchef nicht mehr nachkommen kann und nachkommt und welche Mitarbeiter/-innen zusätzlich an den Spieltischen eingesetzt worden sind. Das ist nicht geschehen. Auch die in Bezug genommene Berufungsbegründung vom 17. Mai 1999 verhält sich dazu nicht. Die Einführung einer nicht tarifkonformen Entgeltgruppe im Nicht-AT-Bereich kann so nicht erfolgreich beanstandet werden. Es ist lediglich von einer Aufgabenverschiebung auszugehen, die von den bestehenden Entgeltgruppen nach wie vor als gedeckt anzusehen ist.
29
2.
Der in der Revisionsinstanz neu gestellte Hilfsantrag ist unzulässig. Die Einführung neuer Ansprüche in der Revisionsinstanz im Wege der Klageänderung, hier durch den Hilfsantrag, ist unzulässig (Senat 5. Mai 1999 - 4 AZR 329/98 - nv., Senat 27. Januar 1999 - 4 AZR 573/97 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 25). Daran ändert auch nichts, daß der Hilfsantrag bereits in der Klageschrift angekündigt war. Er ist nicht gestellt worden. Darin liegt eine Rücknahme. Mit dieser Rücknahme hat die Klägerin zu erkennen gegeben, daß sie den Antrag überhaupt fallenlassen will. Darin liegt ein teilweiser Klageverzicht iSd. § 306 ZPO. Deshalb geht auch die Rüge der Verletzung des § 139 ZPO fehl. Die Beklagte rügt zwar, das Landesarbeitsgericht habe es unterlassen, sie darauf hinzuweisen, daß der nunmehr in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag sachdienlich sei. Das war aber deswegen nicht erforderlich, weil die Klägerin den in der Klageschrift gestellten Hilfsantrag gerade - aus welchen Gründen auch immer - nicht gestellt hat.
30
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Schliemann
Bott
Friedrich
Winterholler
Seifner
Von Rechts wegen!