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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Kündigungsschutz - Betrieb
Kündigungsschutz - Betrieb
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.Rechtsprechungs-ABC
- 4.1
- 4.2
- 4.3
- 4.4
- 4.5
- 4.6
- 4.7
- 4.8
- 4.9
- 4.10
- 4.11
- 4.12
- 4.13
- 4.14
- 4.15
- 4.16
- 4.17
- 4.18
- 4.19
- 4.20
Information
1. Allgemeines
Der KSchG-Kündigungsschutz greift nicht in jedem Betrieb. Die Sätze 2 und 3 des § 23 Abs. 1 KSchG verlangen eine Mindestbetriebsgröße. Das ist aber nicht alles. Kündigungsschutz ist betriebs-, nicht unternehmensbezogen. § 23 Abs. 1 KSchG sagt ausdrücklich, dass der Erste und Zweite KSchG-Abschnitt nur für "Betriebe" ("und Verwaltungen") gilt.
Praxistipp:
Ein unselbstständiger Betriebsteil gehört in vielen Fällen zum (Haupt)Betrieb des Arbeitgebers. Die in ihm beschäftigten Arbeitnehmer zählen zu den "in der Regel" Beschäftigten. Für den Arbeitgeber wird der Betriebsbegriff streitentscheidend, wenn er eine selbstständige Einheit behauptet, die zwar ein "Betrieb" ist, aber in die Kategorie Kleinbetrieb fällt. Dies im Kündigungsschutzprozess darzulegen und zu beweisen ist seine Aufgabe.
Der allgemeine Betriebsbegriff kann nach der Rechtsprechung mit "organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern durch Einsatz technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen", umschrieben werden. Abzugrenzen ist der Begriff Betrieb vom Begriff Unternehmen.
2. Abgrenzung § 1 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 KSchG
§ 1 Abs. 1 KSchG stellt bei der Wartezeit darauf ab, dass das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers "in demselben Betrieb oder Unternehmen" ununterbrochen länger als sechs Monate bestand. Die gesetzliche Wartezeit für den Kündigungsschutz ist damit nicht betriebsbezogen, sondern kann
sowohl in einem Betrieb
als auch im Unternehmen
des Arbeitgebers zurückgelegt werden.
Beispiel:
Die Group H ist ein Unternehmen, das sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Autozubehör befasst. Unter ihrem Dach laufen alle unternehmerischen Fäden zusammen, auch wenn die einzelnen Betriebe jeweils kaufmännisch und steuerrechtlich voneinander getrennt sind. Arbeitnehmer T nimmt seine Beschäftigung am 01.06. in der GmbH S auf. Ab dem 15.08. wird Herr T nahtlos in der KG H eingesetzt. Beide Gesellschaften sind Betriebe der Group H. Mit Ablauf des 30.11. bekommt T nach § 1 Abs. 1 KSchG Kündigungsschutz, weil sein Arbeitsverhältnis "in demselben Betrieb oder Unternehmen" der Group H ununterbrochen länger als sechs Monate besteht.
Anders dagegen § 23 Abs. 1 KSchG: Er sagt, dass die Vorschriften des Ersten und Zweiten KSchG-Abschnitts nur für "Betriebe" ("und Verwaltungen") gelten - also gerade nicht für Unternehmen.
Beispiel:
Herr T hat im vorausgehenden Beispiel mit Ablauf des 30.11. Kündigungsschutz. Die KG H kündigt sein Arbeitsverhältnis am 03.01. zum 31.01 betriebsbedingt. Abzustellen ist auf den Betrieb der KG H - nicht auf die GmbH S, nicht auf die Group H.
Mehr zur Abgrenzung Unternehmen in dem gleichnamigen Stichwort.
3. Der KSchG-Betriebsbegriff
Das KSchG definiert den Betriebsbegriff nicht - es setzt ihn voraus. Nach der bisherigen BAG-Rechtsprechung bedeutet Betrieb
eine organisatorische Einheit,
innerhalb derer der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern
durch Einsatz technischer und immaterieller Mittel
bestimmte arbeitstechnische Zwecke,
die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen,
fortgesetzt verfolgt.
Unternehmen sind zwar ebenfalls organisatorische Einheiten. Diese organisatorischen Einheiten bestehen jedoch aus einem oder mehreren Betrieben, die durch einen gemeinsamen wirtschaftlichen oder ideellen Zweck verbunden sind. Mehrere Unternehmen können einen gemeinsamen Betrieb führen, auf den dann wiederum das KSchG anzuwenden ist.
Beispiel:
Die GmbH H betreibt mit etlichen Freiberuflern und Wellnessanbietern das Never2Fit-Zentrum. Dieses Zentrum hat eine gemeinsame Verwaltungszentrale mit einem Geschäftsführer, der den Kunden- und Geschäftsverkehr koordiniert und einen großen Teil des Mitarbeitereinsatzes steuert. Behandlungs- und Therapieräume werden gemeinsam genutzt. Jedes Unternehmen zahlt für die Gemeinschaftseinrichtungen, jedes Unternehmen übernimmt mit seiner Ansiedlung im Never2Fit-Zentrum bestimmte Pflichten (Betriebszeit, Teilnahme an Sonderveranstaltungen, Förderung der gemeinsamen Werbung etc.), jedes Unternehmen hat eine entsprechende Führungsvereinbarung unterschrieben. Hier muss man von einem gemeinsamen Betrieb ausgehen - mit dem Ergebnis, dass der KSchG-Kündigungsschutz in diesem gemeinsamen Betrieb greift.
Ein gemeinsamer Betrieb kann angenommen werden, "wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird" (LAG Hamm, 14.10.2011 - 10 TaBV 27/11).
Der Betrieb unterscheidet sich von einem Betriebsteil dadurch, dass Letzterer keine eigene Leitungsmacht hat, sondern in der Regel unselbstständig ist und vom Hauptbetrieb abhängt.
Der Betrieb muss zudem die Größenanforderungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG erfüllen. Kleinbetriebe sind vom KSchG ausgenommen. Der Arbeitnehmer hat die Darlegungs- und Beweislast für die Annahme eines Betriebs. Auch hier gilt die abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitnehmer muss zunächst nur vortragen, dass er in einem KSchG-Betrieb beschäftigt ist. Danach ist es Sache des Arbeitgebers, darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass sein Betrieb(steil) kein KSchG-Betrieb(steil) ist.
4. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum KSchG-Betriebsbegriff in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
4.1 Abgrenzung § 1 Abs. 1 /§ 23 Abs. 1 KSchG
Der Erste KSchG-Abschnitt findet - Territorialprinzip - nur auf Betriebe Anwendung, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. Damit ist die Berücksichtigung von Arbeitnehmern, die in einem ausländischen Betrieb des Arbeitgebers, der eine Zweigniederlassung in Deutschland hat, arbeiten, bei der Berechnung der Mindestarbeitnehmerzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG ausgeschlossen. Aber: "Im Gegensatz zu § 23 Abs. 1 KSchG stellt § 1 Abs. 1 KSchG nicht auf die jeweiligen Verhältnisse im Betrieb ab, sondern erweitert seinen Anwendungsbereich auf das gesamte Unternehmen des Arbeitgebers" - mit dem Erfolg, dass Beschäftigungszeiten im ausländischen Betrieb bei der Dauer der gesetzlichen Wartezeit - "in demselben Betrieb oder Unternehmen" - mitzuzählen sind (BAG, 07.07.2011 - 2 AZR 476/10).
4.2 Ausländischer Betrieb - 1
Die Bestimmungen des Ersten KSchG-Abschnitts gelten nur für Betriebe - und dass auch nur, soweit sie in der Bundesrepublik Deutschland, also im Inland, liegen. Die Einschränkung des KSchG-Geltungsbereichs beruht unter anderem darauf, dass die Gewährung von Kündigungsschutz Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse des Arbeitgebers mit anderen Arbeitnehmern haben kann. "Das ist widerspruchsfrei nur möglich, wenn im Zeitpunkt der Kündigung gegenüber allen möglicherweise betroffenen Arbeitnehmern und gegenüber dem Arbeitgeber dasselbe, nämlich deutsches Kündigungsschutz- und Arbeitsrecht angewendet und auch durchgesetzt werden kann" (BAG, 07.07.2011 - 2 AZR 12/10).
4.3 Ausländischer Betrieb - 2
Eine Beendigungskündigung ist immer das letzte Mittel, zu dem ein Arbeitgeber greifen darf, wenn er auf eine betriebliche Entwicklung reagieren muss. Nun gibt es Unternehmen, die im Ausland bereits eine Niederlassung haben, dann ihren Betrieb in Deutschland schließen und die gesamte Arbeit ins Ausland verlagern. In der Regel erfolgt dann eine betriebsbedingte Beendigungskündigung. Da § 1 Abs. 2 KSchG auf den Betrieb abstellt und das KSchG nur für Betriebe des Arbeitgebers im Inland gilt, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, seinen Mitarbeitern in der Bundesrepublik die Weiterbeschäftigung im Ausland (hier: NRW-Betrieb, der in die Tschechische Republik ging) anzubieten, auch nicht im Rahmen einer - milderen - Änderungskündigung. Freie Arbeitsplätze im Ausland sind nicht in die Weiterbeschäftigungspflicht einzubeziehen (BAG, 29.08.2013 - 2 AZR 809/12).
4.4 Betrieb i.S.d. EU-Rechts
"Der Begriff 'Betrieb' in Art. 1 Abs.1 Unterabs. 1 Buchst. a Ziff. ii der Richtlinie 98/59/EG ... ist ebenso auszulegen wie in Buchst. a Ziff. i dieses Unterabsatzes." "Betrieb" i.S.d. Richtlinie bezeichnet die "Einheit", "der die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgaben angehören. Ob die fragliche Einheit eine Leitung hat, die selbständig Massenentlassungen vornehmen kann, ist für die Definition des Begriffs 'Betrieb' nicht entscheidend." Ein Betrieb im Rahmen eines Unternehmens ist "u.a. eine unterscheidbare Einheit von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität", "die zur Erledigung einer oder mehrerer bestimmte Aufgaben bestimmt ist und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern sowie über technische Mittel und eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt." Ein Betrieb ist normalerweise Teil eines Unternehmens, wobei ein Unternehmen, das "nicht über mehrere unterscheidbare Einheiten verfügt", dann selbst der Betrieb ist (EuGH, 30.04.2015 - C-80/14).
4.5 Betriebsbegriff - 1
§ 23 Abs. 1 KSchG und die anderen KSchG-Bestimmungen definieren den Betriebsbegriff nicht. "Nach dem in Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelten Betriebsbegriff ist ein Betrieb eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern durch Einsatz technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen. Da mit und in einem Betrieb mehrere Zwecke verfolgt werden können, ist in erster Linie auf die Einheit der Organisation, nicht auf die Einheit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung abzustellen. Erforderlich ist ein Leitungsapparat, um insbesondere in personellen und sozialen Angelegenheiten wesentliche Entscheidungen selbst treffen zu können" (BAG, 15.03.2001 - 2 AZR 151/00).
4.6 Betriebsbegriff - 2
Das KSchG enthält weder in § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG noch in anderen Paragrafen eine Definition des Begriffs "Betrieb". Für die KSchG-Bestimmungen, in denen dieser Begriff verwendet wird (§§ 1, 15 und 17 KSchG), gilt damit im Wesentlichen der BetrVG-Betriebsbegriff i.S.d. § 1 BetrVG. Betrieb ist danach "die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt." Da es keine entgegenstehenden Hinweise gibt, ist die Annahme gerechtfertigt, dass das gesamte KSchG den Betriebsbegriff einheitlich verwendet. Schon § 1 Abs. 1 KSchG unterscheidet zwischen "Betrieb" und "Unternehmen", sodass auch der "Betrieb" in § 23 Abs. 1 KSchG - wenn es um die Bestimmung des KSchG-Anwendungsbereichs geht - nicht mit "Unternehmen" gleichgesetzt werden kann (BAG, 19.07.2016 - 2 AZR 468/15 - mit Hinweis auf BAG, 17.01.2008 - 2 AZR 902/06 u. BVerfG, 27.01.1998 - 1 BvL 15/87).
4.7 Betriebsbegriff - 3
Ein Betrieb i.S.d. § 23 Abs. 1 KSchG verlangt als organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln "einen einheitlichen organisatorischen Einsatz der Sachmittel und Personalressourcen". Die den Betrieb begründende Leitungsmacht zeichnet sich dadurch aus, "dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbstständig ausgeübt wird." Dabei kommt es darauf an, "wo schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden" (s. dazu BAG, 07.07.2011 - 2 AZR 476/10 u. BAG, 28.10.2010 - 2 AZR 392/08). Betrieb i.S.d. § 23 Abs. 1 KSchG - s. dazu die Unterscheidung in § 1 Abs. 1 KSchG - ist nicht mit Unternehmen gleichzusetzen (s. dazu BAG, 19.07.2016 - 2 AZR 468/15 und BAG, 17.01.2008 - 2 AZR 902/06) - was verfassungsrechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden ist (BAG, 02.03.2017 - 2 AZR 427/16 - mit Hinweis auf BVerfG, 27.01.1998 - 1 BvL 15/87).
4.8 Betriebsteilbegriff - 1
Vom Betrieb sind Betriebsteile zu unterscheiden. Betriebsteile sind "gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch unselbstständig" und nehmen "eine Teilfunktion von dessen arbeitstechnischem Zweck" wahr. "Betriebsteile zeichnen sich dadurch aus, dass sie über einen eigenen Arbeitnehmerstamm, eigene technische Hilfsmittel und eine durch die räumliche und funktionale Abgrenzung vom Hauptbetrieb bedingte relative Selbstständigkeit verfügen. Andererseits fehlt ihnen aber ein eigenständiger Leitungsapparat" (BAG, 15.03.2001 - 2 AZR 151/00 - mit dem Hinweis, dass es bei einem Betriebsteil kündigungsrechtlich nicht - wie betriebsverfassungsrechtlich bei § 4 BetrVG - auf eine räumliche Einheit zwischen Haupt- und Nebenbetrieb ankommt).
4.9 Betriebsteilbegriff - 2
Die Arbeitnehmer eines Betriebsteils ohne Betriebsrat i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG haben drei Möglichkeiten, "über eine kollektivrechtliche Repräsentanz zu befinden: Sie .. [können] betriebsratslos bleiben, weil sie sich weder für die Wahl eines eigenen Betriebsrats noch für eine Zuordnung zum Hauptbetrieb ... [entscheiden]; sie .. [können zudem] für den Betriebsteil einen eigenständigen Betriebsrat wählen, der dann nur die Beschäftigten dieses Betriebs vertritt, oder die Teilnahme an der Wahl im Hauptbetrieb beschließen."
Entscheiden sie sich für die dritte Variante, können nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG mit Stimmenmehrheit formlos beschließen, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen. Dann gilt: "Ein Betriebsteil ist dem Hauptbetrieb zuzuordnen, wenn seine Belegschaft nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Teilnahme an der dort stattfindenden Betriebsratswahl beschließt" (BAG, 17.09.2013 - 1 ABR 21/12 - 2. Leitsatz).
4.10 Betriebsteilbegriff
Für die Beurteilung eines Betriebs(teil)übergangs (hier: "Wet-Lease-Geschäfte" bei Air Berlin) i.S.d. § 613a Abs. 1 BGB ist der Betriebsbegriff des § 24 Abs. 2 KSchG unbeachtlich. § 24 Abs. 2 KSchG sieht als "Betrieb im Sinne dieses Gesetzes ... jeweils die Gesamtheit der Seeschiffe oder der Binnenschiffe eines Schifffahrtsbetriebs oder der Luftfahrzeuge eines LuftverkehrsbetriebsBetrieb" an. In Abgrenzung von Land- und Bodenbetrieben enthält § 24 Abs. 2 KSchG damit für Luftverkehrs- und Schifffahrtsbetriebe einen eigenständigen Betriebsbegriff (s. dazu BAG, 13.02.2020 - 6 AZR 146/19). Die Antwort auf die Frage, ob ein Betriebs(teil)übergang i.S.d. § 613a Abs. 1 BGB vorliegt, hängt jedoch davon ab, ob eine eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. Richtlinie 2001/23/EG übergeht. "Das nationale Betriebsverständnis ist ohne Belang. Der deutsche Gesetzgeber wollte mit § 24 Abs. 2 KSchG auch nicht zugunsten der Arbeitnehmer über den Schutz der Richtlinie 2001/23/EG hinausgehen, was zulässig wäre" (BAG, 14.05.2020 - 6 AZR 235/19 - mit Hinweis auf EuGH, 06.03.2014 - C-458/12 und der Feststellung, dass sich der in § 24 Abs. 2 KSchG geregelte eigenständige Betriebsbegriff ausweislich § 24 Abs. 1 KSchG nur auf die Vorschriften des 1. und 2. KSchG-Abschnitts bezieht).
4.11 Betriebsübergang
Die Übernahme eines Betriebs fällt nur dann unter § 613a BGB und die Richtlinie 2001/23/EG, "wenn eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit übernommen wird, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck, die hinreichend strukturiert und selbstständig ist. Eine solche Einheit muss nicht unbedingt bedeutsame materielle oder immaterielle Betriebsmittel umfassen. In bestimmten Wirtschaftszweigen liegen diese Betriebsmittel nämlich oft nur in ihrer einfachsten Form vor und es kommt im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an" (BAG, 10.11.2011 - 8 AZR 538/10).
4.12 Betriebsteilübergang
"Ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang i.S.v. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB verlangt, dass die Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit gewahrt bleibt. Eine wirtschaftliche Einheit besteht aus einer organisatorischen Gesamtheit von Personen und/oder Sachen, die auf Dauer angelegt wirtschaftliche Tätigkeit mit eigener Zielsetzung ausüben soll. Handelt es sich nach diesen Grundsätzen um einen Betriebs(-teil)übergang, betrifft er nur Arbeitnehmer, die in den übergegangenen Betrieb oder Betriebsteil tatsächlich eingegliedert waren. Es genügt nicht, dass sie Tätigkeiten für den übertragenen Teil verrichteten, ohne in dessen Struktur eingebunden gewesen zu sein" (BAG, 13.12.2012 - 6 AZR 608/11).
4.13 BetrVG-Geltungsbereich
Der Geltungsbereich des BetrVG ist in räumlicher Hinsicht auf die in der Bundesrepublik Deutschland beheimateten Betriebe angegelegt (= Territorialprinzip). Auf den Vertragsstatut der in diesen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer kommt es nicht an. Dagegen interessiert in persönlicher Hinsicht die Frage, ob auch im Ausland tätige Mitarbeiter vom BetrVG berührt werden. Da werden nur die Arbeitnehmer erfasst, "bei deren Tätigkeit es sich um eine 'Ausstrahlung' des Inlandsbetriebs handelt". Dazu muss eine Beziehung zum Inlandsbetrieb bestehen, die eine Zurechnung der Auslandstätigkeit der im Inland entfalteten Betriebstätigkeit rechtfertigt - was bei ständiger Beschäftigung im Ausland regelmäßig nicht der Fall ist (BAG, 24.05.2018 - 2 AZR 54/18 - mit vielen Anhaltspunkten für die Ausfüllung des Merkmals "Beziehung").
4.14 Darlegungs- und Beweislast
Glaubt ein Arbeitnehmer, seine Kündigung sei sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 1 u. Abs. 2 KSchG), hat er mit einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht nur dann Erfolg, wenn das KSchG auf sein Arbeitsverhältnis anwendbar ist. Der betriebliche KSchG-Anwendungsbereich wird in § 23 Abs. 1 KSchG festgelegt. Im Arbeitgeberbetrieb müssen also in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer (bis 31.12.2003: mehr als fünf) beschäftigt werden. Für die betrieblichen Geltungsvoraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast (BAG, 19.07.2016 - 2 AZR 468/15 - mit dem Hinweis, dass bei Schwierigkeiten des Arbeitnehmers in der Beweisführung, die sich aus fehlenden Kenntnismöglichkeiten ergeben, die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast (s. dazu auch BAG, 24.01.2013 - 2 AZR 140/12) anzuwenden sind).
4.15 Darlegungs- und Beweislast
An die Darlegungslast des klagenden Arbeitnehmers zur betrieblichen Organisation des Arbeitgebers dürfen nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Grundsätzlich genügt es, wenn er "die äußeren Umstände schlüssig darlegt, die für die Annahme sprechen, dass die Betriebsstätte, in der er beschäftigt ist, über keinen eigenständigen Leitungsapparat verfügt, diese vielmehr zentral gelenkt wird." Ist ihm das gelungen, muss sich der Arbeitgeber dazu nach Maßgabe des § 138 Abs. 2 ZPOerklären und im Einzelnen darlegen, "welche rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen Leitungsapparates für mehrere Betriebsstätten sprechen. Nach dem Prinzip der Sachnähe ist regelmäßig nur der Arbeitgeber in der Lage, nähere Auskunft über die betrieblichen Führungsstrukturen zu geben" (BAG, 02.03.2017 - 2 AZR 427/16 - mit Hinweis auf BAG, 15.03.2001 - 2 AZR 151/00; bestätigt durch BAG, 20.05.2021 – 2 AZR 560/20.
4.16 Eingliederung, Ausgliederung
Für die Beantwortung der Frage, ob ein Arbeitnehmer in einen Betrieb eingegliedert ist, ist es unerheblich, dass der Mitarbeiter an die Weisungen einer Führungskraft dieses Betriebs gebunden ist (s. dazu BAG, 22.10.2019 – 1 ABR 13/18 u. BAG, 12.06.2019 – 1 ABR 5/18). "Die Unterstellung eines in einem Betrieb tätigen Arbeitnehmers unter das fachliche Weisungsrecht eines in einem anderen Betrieb ansässigen Vorgesetzten führt nicht zur Ausgliederung des Arbeitnehmers aus seinem bisherigen Beschäftigungsbetrieb und zur Eingliederung in den Beschäftigungsbetrieb des Vorgesetzten." Nach der Rechtsprechung des 1. BAG-Senats zur personellen Mitbestimmung liegt in so einem Fall "eine Einstellung iSv. § 99 BetrVG und damit eine Eingliederung des Vorgesetzten in den Betrieb der ihm unterstellten Arbeitnehmer vor, da durch die Wahrnehmung der Führungsaufgaben (auch) der arbeitstechnische Zweck des Betriebs verwirklicht wird, in dem die ihm unterstellten Mitarbeiter tätig sind" (BAG, 26.05.2021 – 7 ABR 17/20 – mit Hinweis auf BAG, 12.06.2019 – 1 ABR 5/18).
4.17 Gemeinsamer Betrieb
KSchG-Kündigungsschutz kann es auch in einem so genannten "gemeinsamen Betrieb" geben. Ein gemeinsamer Betrieb lässt sich allerdings nur annehmen, "wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen zu arbeitstechnischen Zwecken zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird." Des Weiteren wird verlangt, dass die Unternehmen, die einen gemeinsamen Betrieb bilden, sich mindestens "stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben, sodass der Kern der Arbeitgeberfunktion im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird." Es reicht nicht aus, dass Unternehmen nur unternehmerisch zusammenarbeiten (BAG, 10.04.2014 - 2 AZR 647/13 - mit dem Hinweis, dass der gekündigte Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen des gemeinsamen Betriebs trägt; bestätigt durch BAG, 20.05.2021 – 2 AZR 560/20).
4.18 Keine Konzernbezogenheit
Der Arbeitgeber ist nach dem KSchG nicht verpflichtet, Arbeitnehmer im Betrieb eines anderen Arbeitgebers unterzubringen. Der KSchG-Kündigungsschutz ist betriebs-, nicht konzernbezogen. Arbeitgeber des gekündigten Arbeitnehmers ist der Vertragsarbeitgeber - und dieser Vertragsarbeitgeber ist an das KSchG gebunden. Soll ein Arbeitnehmer in einem anderen Unternehmen weiterbeschäftigt werden, bedeutet das zwingend einen Arbeitgeber- und damit Vertragspartnerwechsel. "Eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht kann [nur] ausnahmsweise bestehen, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme bereit erklärt hat. Entsprechendes gilt, wenn sich eine Unterbringungsverpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag, einer sonstigen vertraglichen Absprache oder der in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt" (BAG, 18.10.2012 - 6 AZR 41/11 - mit dem Hinweis, dass als weitere Voraussetzung ein "bestimmender Einfluss des vertragsschließenden Unternehmens auf die 'Versetzung'" bestehen muss).
4.19 Öffentliche Verwaltung
"Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 KSchG gelten die Vorschriften des Dritten Abschnitts des Gesetzes für Betriebe, die von einer öffentlichen Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen. Zur öffentlichen Verwaltung zählen auch die Stationierungsstreitkräfte … [es folgt ein Hinweis auf EuGH, 18.10.2012 - C-583/10 und BAG, 21.05.1970 - 2 AZR 294/69]. Wirtschaftliche Zwecke werden verfolgt, wenn die Dienststelle sich wie ein privatwirtschaftlich geführter Betrieb am - privaten - Wirtschaftsleben beteiligt … [es folgt u.a. ein Hinweis auf BAG, 22.09.2005 - 2 AZR 544/04]. Unter diesen Umständen soll die öffentliche Verwaltung nicht anders behandelt werden als Unternehmen der Privatwirtschaft (…). Öffentliche Betriebe, die keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgen, unterfallen hingegen nicht den §§ 17 bis 22 KSchG" (BAG, 15.12.2016 - 2 AZR 867/15 - mit Hinweis auf BAG, 06.07.2006 - 2 AZR 442/05).
4.20 Revisionsrechtliche Überprüfung
Das Bundesarbeitsgericht ist keine Tatsacheninstanz wie Arbeits- und Landesarbeitsgericht. Das, was das höchste deutsche Arbeitsgericht revisionsrechtlich überprüfen und feststellen kann, wird durch § 72 ArbGG i.V.m. den §§ 542 ff. ZPO festgelegt. Seine Kontrollmöglichkeiten erfassen u.a. so genannte "unbestimmte Rechtsbegriffe" - z.B. den Begriff "gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen". Hier prüft das BAG, ob das LAG diesen "Begriff verkannt, bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentlichen Tatsachenstoff unberücksichtigt gelassen hat" (BAG, 20.05.2021 – 2 AZR 560/20 – mit Hinweis auf BAG, 02.03.2017 – 2 AZR 427/16 u. BAG, 13.02.2013 – 7 ABR 36/11).