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BFH, 26.11.1949 - II 21/49 S - Einbringen von Grundstücken in eine GmbH als eine von der Rückerstattung unabhängige Maßnahme; Befreiung von der Grunderwerbssteuer bei Übertragung von Grundstücken; Grunderwerbsteuerbarkeit bei einer Übertragung eines Übereignungsanspruchs auf eine GmbH; Weiterübertragung des Vermögens als Wiedergutmachung im Falle eines Verfolgten; Übertragen des Rückerstattungsanspruchs des Finanzhofs infolge einer Erbschaft auf den Gesamtrechtsnachfolger
Bundesfinanzhof
Urt. v. 26.11.1949, Az.: II 21/49 S
Einbringen von Grundstücken in eine GmbH als eine von der Rückerstattung unabhängige Maßnahme; Befreiung von der Grunderwerbssteuer bei Übertragung von Grundstücken; Grunderwerbsteuerbarkeit bei einer Übertragung eines Übereignungsanspruchs auf eine GmbH; Weiterübertragung des Vermögens als Wiedergutmachung im Falle eines Verfolgten; Übertragen des Rückerstattungsanspruchs des Finanzhofs infolge einer Erbschaft auf den Gesamtrechtsnachfolger
BFH, 26.11.1949 - II 21/49 S
Amtlicher Leitsatz:
Überträgt der Rückerstattungsberechtigte die Grundstücke, deren eingetragener Eigentümer er früher, war, oder den Übereignungsanspruch auf eine GmbH, so ist der Vorgang von der Grunderwerbsteuer auch dann nicht befreit, wenn der Rückerstattungsberechtigte die GmbH beherrscht.
Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs
vom 26. November 1949
bestätigt durch Entscheidung Nr. 307 vom 17. Februar 1953 des United States Court of Restitution Appeals of the Allied High Commission for Germany.
Tatbestand
1
Der Kaufmann A. hat in Deutschland ein Gewerbe betrieben. Zum Betriebsvermögen gehörten mehrere Grundstücke. Durch Vertrag vom 17. Oktober 1938 veräußerte er sein Betriebsvermögen einschließlich dieser Grundstücke an die X. KG. Auf Grund des Gesetzes Nr. 59 der amerikanischen Militärregierung - Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände (Rückerstattungsgesetz - REG. -) - verlangte er von der X. KG. die Rückerstattung seines Betriebsvermögens. In dem Vergleich vom 16. August 1948 erkannten die Beteiligten die Nichtigkeit des Vertrages vom 17. Oktober 1938 an; die Teilhaber der X. KG. verpflichteten sich, das gesamte Betriebsvermögen einschließlich der Grundstücke an A. herauszugeben, willigten auch in die Berichtigung des Grundbuchs.
2
Zusammen mit dem Kaufmann B. errichtete A. am 6. Dezember 1948 die A. Grundstücksgesellschaft mbH, deren Stammanteile A. in Höhe von 545.000,00 DM und B. mit Mitteln des A. in Höhe von 5.000,00 DM übernahmen. A. verpflichtete sich im. Gründungsvertrag, die Grundstücke einzubringen; zugleich wurde die Auflassung erklärt und die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch bewilligt und beantragt. Die Grundstücke wurden sodann nach der Darstellung des Finanzgerichts von der X. KG. unmittelbar auf die GmbH, übertragen. Zum Gründungsvertrag forderte das Finanzamt von der steuerpflichtigen GmbH. Grunderwerbsteuer. Das Finanzgericht gab der Berufung statt, indem es den Art. 91 Abs. 1 REG., der vorschreibt, daß Steuern aus Anlaß der Rückerstattung nicht erhoben werden, für anwendbar erachtete.
3
Das Finanzgericht erblickt bei weiter Auslegung des Art. 91 Abs. 1 REG. entsprechend dem Grundgedanken des Gesetzes, geschehenes Unrecht nach Möglichkeit wieder gutzumachen, erst in der Übertragung der Grundstücke durch die Rückerstattungsverpflichteten an die Einmann-GmbH. die Rückerstattung, wie A. sie sich wünschte. Das Finanzgericht würde, wie es ausführt, ebenso entscheiden, wenn das Eigentum an den Grundstücken zuerst auf A. und von diesem auf die GmbH übertragen worden wäre. Der bekannte Rechtsgrundsatz, daß, wenn jemand zwischen sich und den Verkehr eine juristische Person einschiebe, alle steuerlichen Rechtsfolgen von den Beteiligten getragen werden müßten, hätte in diesem Falle dem Grundgedanken des Art. 91 Abs. 1 REG. zu weichen. Die GmbH, habe dargetan, aus welchen Gründen sie von A. gegründet worden sei. Sein Wohnhaus sei zerstört. Eine Wohnung in Deutschland zu finden, sei aus altbekannten Gründen sehr schwieriges sei auch verständlich, daß er die im Ausland aufgebaute Existenz nicht wieder aufgeben wolle. Es sei weiter menschlich verständlich, daß er als Jude nicht nach Deutschland zurückkehren möge. Die von ihm gewählte Rechtsform der wirtschaftlichen Einmann-GmbH. sei für ihn daher tatsächlich der nächstliegende Weg zur Verwaltung und Nutzung des ihm zurückerstatteten Vermögens gewesen. Das Finanzgericht sieht aus diesen Gründen in der Einbringung der Grundstücke einen Teil des Rückerstattungsvorganges.
Entscheidungsgründe
4
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Finanzamts hat Erfolg.
5
Der Vergleich vom 16. August 1948 und der Einbringungsvertrag vom 6. Dezember 1948 sind zwei getrennte Rechtsvorgänge, die jeder für sich der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) unterliegen. Die Frage, ob auch der Einbringungsvertrag durch Art. 91 Abs. 1 REG. von der Steuer befreit worden ist, ist aus dem Rückerstattungsgesetz heraus zu beantworten. Die Prüfung ergibt, daß das Einbringen außerhalb der Rückerstattung liegt und deshalb Art. 91 nicht Anwendung finden kann.
6
Das Einbringen der Grundstücke in die GmbH, stellt eine von der Rückerstattung unabhängige Maßnahme dar, nämlich eine im Anschluß an die Rückerstattung erfolgte Neuordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Rückerstattungsberechtigten. Das Rückerstattungsgesetz steht hinsichtlich des Inhalts der Rückerstattung auf dem Boden der Wiederherstellung des früheren Zustandes. Zur Zeit der Rückerstattung waren die entzogenen Gegenstände noch vorhanden und der frühere Eigentümer (Verfolgte) am Leben. Die Rückerstattung bestand deshalb in der Wiederherstellung des früheren Zustandes, in der Rückgewähr der Grundstücke an den damals Berechtigten, wie dies auch in dem Vergleich vom 16. August 1948 zum Ausdruck gekommen ist. Verfügte sodann der Berechtigte über den Rückerstattungsgegenstand weiter, so gehörte eine solche Maßnahme nicht mehr zur Rückerstattung. Die darin liegende Neuordnung der Vermögensverhältnisse des Verfolgten schließt sich zwar zeitlich an die Rückerstattung an oder fällt sogar mit ihr zusammen, ihren Grund hat sie aber in den gegen früher grundlegend geänderten Verhältnissen, insbesondere in der Veränderung der Lebenslage des Verfolgten. Der Berechtigte hat die GmbH, errichtet und die Grundstücke in diese eingebracht, weil er nicht mehr nach Deutschland zurückkehren wollte oder konnte und die Errichtung der GmbH, angesichts der heutigen Lage als die zweckmäßigste Ordnung seines in Deutschland verbleibenden Vermögens ansah. Es bleibt auch zu beachten, daß die Rückerstattung nicht die Wiedergutmachung des an den Verfolgten geschehenen Unrechts ist, sie bildet vielmehr nur einen Teil der Wiedergutmachung, die in größerem Rahmen durch das Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz) vom 16. August 1949 (Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden S. 187) geregelt ist. Diese Wiedergutmachung umfaßt sogar Schäden an Sachen, hinsichtlich deren ein Rückerstattungsanspruch besteht (§ 17), ferner allgemeine Vermögenseinbußen und Einbußen, die Verfolgte in ihrer gewerblichen Tätigkeit erlitten haben. Es kann deshalb auch nicht der Auffassung der Steuerpflichtigen zugestimmt werden, daß die Weiterübertragung unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der Wiedergutmachung in die Rückerstattung einbezogen werden könnte. Auf welche Weise der Rückerstattungsberechtigte die Neuordnung seiner Vermögensverhältnisse vornimmt, ob er die Gegenstände behält oder verkauft oder in eine Gesellschaft einbringt, die er beherrscht oder nicht oder deren Alleingesellschafter er ist, kann einen Unterschied nicht begründen; die Neuordnung der Vermögensverhältnisse liegt in allen Fällen außerhalb der Rückerstattung. Ist hiernach der Inhalt des Rechtsvorgangs als Rückerstattung auf der einen oder als Neuordnung auf der anderen Seite entscheidend, und ist die Verfügung über den Rückerstattungsgegenstand ein Akt der Neuordnung, so kann es auch nichts ausmachen, ob sich die Verfügung zeitlich an die abgeschlossene Rückerstattung anschließt oder in die Durchführung der Rückerstattung eingreift; der Veräußerung nach erfolgtem Eigentumsübergang an den Verfolgten steht deshalb die Abtretung des Ubereignungsanspruchs gleich.
7
Wenn nach Art. 7 REG. der Rückerstattungsanspruch dem Verfolgten "oder seinem Rechtsnachfolger" zusteht, so kommt als Rechtsnachfolger in erster Linie der Gesamtrechtsnachfolger (Erbe) oder die Nachfolgeorganisation des Art. 8 REG. in Betracht. Wird auch die Sonderrechtsnachfolge auf Grund einer Übertragung des Rückerstattungsanspruchs berücksichtigt, so beruht dies auf dem allgemeinen Grundsatz, daß der Schuldner nach der Übertragung des Anspruchs die geschuldete Leistung an den neuen Gläubiger zu bewirken hat (§ 398 Satz 2 BGB). Hierdurch wird der für die Entscheidung wesentliche Umstand, daß der Rückerstattungsanspruch in der Person des Verfolgten begründet ist und die Abtretung des Übereignungsanspruchs sachlich eine Maßnahme der Neuordnung darstellt, nicht berührt.
8
Nach allem erstreckt sich die Befreiungsvorschrift nicht auf den Einbringungsvertrag, und es war deshalb der Einspruchsbescheid des Finanzamts wiederherzustellen.