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BAG, 22.02.1996 - 8 AZR 772/93 - Fachliche Eignung einer ehemaligen DDR-Kreisschulinspektorin als im öffentlichen Dienst angestellte Lehrerin; Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Voraussetzung der fachlichen Eignung einer Lehrerin ; Bekenntnis zur Verfassung in Krisenzeiten und Konfliktsituationen als qualifizierte Voraussetzung der fachlichen Eignung einer Lehrerin; Beweisverteilung im Kündigungsschutzprozess; Frühere Tätigkeit als SED-Funktionsträger in exponierter Stellung als Grund für die Annahme mangelnder persönlicher Eignung und Grund für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses
Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 22.02.1996, Az.: 8 AZR 772/93
Fachliche Eignung einer ehemaligen DDR-Kreisschulinspektorin als im öffentlichen Dienst angestellte Lehrerin; Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Voraussetzung der fachlichen Eignung einer Lehrerin ; Bekenntnis zur Verfassung in Krisenzeiten und Konfliktsituationen als qualifizierte Voraussetzung der fachlichen Eignung einer Lehrerin; Beweisverteilung im Kündigungsschutzprozess; Frühere Tätigkeit als SED-Funktionsträger in exponierter Stellung als Grund für die Annahme mangelnder persönlicher Eignung und Grund für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses
Verfahrensgang:
vorgehend:
LAG Sachsen - 04.08.1993 - AZ: 6 (4) Sa 64/92
Rechtsgrundlagen:
Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Absch. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1
Abs. 4 Ziff. 1 EV
§ 82 Abs. 1 PersVG-DDR
§ 82 Abs. 1 BPersVG
BAG, 22.02.1996 - 8 AZR 772/93
In dem Rechtsstreit
hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 1996
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ascheid,
die Richter Dr. Wittek und Dr. Müller-Glöge sowie
den ehrenamtlichen Richter Brückmann und
die ehrenamtliche Richterin Morsch
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 4. August 1993 - 6 (4) Sa 64/92 - aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch hinsichtlich der Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (fortan: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
2
Die 1941 geborene Klägerin war seit 1960 als Lehrerin im Schuldienst der ehemaligen DDR beschäftigt. Von 1972 bis 1974 war sie stellvertretende Direktorin an der 5. Oberschule in H. Im Jahre 1975 wurde sie zur Kreisschulinspektorin beim Rat des Kreises H. ernannt. 1979 übernahm die Klägerin die Funktion einer ehrenamtlichen Parteisekretärin in der Abteilung Volksbildung beim Rat des Kreises. Die Ämter des Kreisschulinspektors und des ehrenamtlichen Parteisekretärs übte die Klägerin bis zum Jahre 1982 aus. Danach wurde sie zur Direktorin an der Oberschule in B. ernannt und übte dieses Amt bis zum Jahre 1990 aus. Anschließend wurde die Klägerin wieder als Lehrerin an der 5. Oberschule in H. eingesetzt.
3
Mit Schreiben des Oberschulamtes vom 25. September 1991 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter Hinweis auf deren Tätigkeit als Kreisschulinspektorin wegen mangelnder persönlicher Eignung zum 31. Dezember 1991.
4
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Allein aus ihren in der Vergangenheit wahrgenommenen Funktionen könne nicht auf ihre fehlende Eignung für den Lehrerberuf geschlossen werden. Das Amt einer Kreisschulinspektorin sei ihr gegen ihren Willen übertragen worden. Die politische Bedeutung einer ehrenamtlichen Parteisekretärin sei gering gewesen. Im Jahre 1982 habe sie eine weitere Kandidatur als Parteisekretärin verweigert und sei deshalb als Kreisschulinspektorin abgelöst und an eine kleine Schule "im trostlosen Niemandsland des Braunkohlebergbaues" strafversetzt worden. Im übrigen sei die Kündigung bereits deshalb unwirksam, da der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei.
5
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 25. September 1991 nicht beendet sei, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;
ferner - für den Fall, daß sie mit dem Feststellungsantrag obsiege - den Beklagten zu verurteilen, sie zu unveränderten Bedingungen als Lehrerin weiterzubeschäftigen.
6
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
7
Er hat die Auffassung vertreten, aus den in der Vergangenheit wahrgenommenen Funktionen einer stellvertretenden Direktorin, einer Kreisschulinspektorin, einer ehrenamtlichen Parteisekretärin und einer Schuldirektorin ergebe sich, daß die Klägerin sich mit den Bildungszielen der SED in hohem Maße identifiziert habe. Deshalb könne sie nun nicht den Schülern die Werte des Grundgesetzes glaubwürdig vermitteln und sei für den Lehrerberuf ungeeignet. An einer fehlenden Beteiligung der Personalvertretung könne die Wirksamkeit der Kündigung deshalb nicht scheitern, weil eine zuständige Stufenvertretung nicht bestanden habe.
8
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
9
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
10
A.
Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
11
Die Klägerin sei für den Lehrerberuf persönlich nicht geeignet. Zwar könne diese Feststellung nicht aus ihrer Tätigkeit als ehrenamtliche Parteisekretärin in der Abteilung Volksbildung beim Rat des Kreises hergeleitet werden, da zu diesem nachgeschobenen Kündigungsgrund der inzwischen bestehende Bezirkspersonalrat nicht beteiligt worden sei. Die besondere Identifikation der Klägerin mit dem SED-Staat folge aber aus ihrer langjährigen Tätigkeit als Kreisschulinspektorin. Ihre Behauptung, ihr sei dieses Amt gegen ihren Willen übertragen worden, habe sie nicht durch konkrete, nachprüfbare Tatsachen belegt. Ihr Vortrag, sie sei wegen der Ablehnung einer erneuten Kandidatur als ehrenamtliche Parteisekretärin von ihrem Amt als Kreisschulinspektorin abgelöst und strafversetzt worden, sei nicht glaubhaft, weil ihr anschließend die verantwortungsvolle Position einer Schuldirektorin übertragen worden sei. Der Entlastungsvortrag der Klägerin sei ungeeignet. Ihre dienstliche Beurteilung vom 20. September 1991 beziehe sich im wesentlichen auf ihre fachliche Eignung. Die situationsbedingt abgegebenen Einschätzungen und Sympathiebekundungen des Schulleiters sowie von Eltern und Schülern ließen kaum Rückschlüsse auf die persönliche Eignung der Klägerin zu.
12
Die Beteiligung des Personalrats sei nicht zu beanstanden.
13
B.
Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
14
1.
Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne dieser Bestimmung ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsgemäße Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BVerfGE 2, 1 [BVerfG 23.10.1952 - 1 BvB 1/51] - Leitsatz 2 -).
15
a)
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfG Beschluß vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 [BVerfG 22.05.1975 - 2 BvL 13/73] = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG; BAG Urteil vom 18. März 1993 - 8 AZR 356/92 - BAGE 72, 361, 364 f. = AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX zu B III 1, 2 der Gründe).
16
b)
Der Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt zugrunde, daß Arbeitnehmer von einem früheren Arbeitgeber eingestellt worden sind, mit denen der jetzige Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er an ihrer persönlichen Eignung berechtigte Zweifel gehabt hätte. Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt daher - auch - eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber im übergeordneten staatlichen Interesse nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers in jedem Falle zunächst zu erproben (BAG Urteil vom 18. März 1993, a.a.O.). Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen (vgl. zum Beurteilungsspielraum BAG Urteil vom 6. Juni 1984 - 7 AZR 456/82 - AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a aa der Gründe; BAG Urteil vom 28. Januar 1993 - 8 AZR 169/92 - BAGE 72, 176, 182 = AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu III der Gründe; BVerwG Urteil vom 27. November 1980 - 2 C 38.79 - AP Nr. 10 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen; BVerwG Urteil vom 28. November 1980 - 2 C 24.78 - AP Nr. 12 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Entlassung eines Beamten auf Probe), denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
17
c)
Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit den Zielsetzungen der SED identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen, nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 - 8 AZR 57/93 - AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 3 b der Gründe).
18
d)
Bei der Auslegung und Anwendung des Abs. 4 Ziff. 1 EV ist der Bedeutung und Tragweite von Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen. Danach begründet die für Verbleib und Aufstieg im öffentlichen Dienst der DDR notwendige und übliche Loyalität und Kooperation für sich allein keine mangelnde Eignung. Die Kündigung erfordert - auf der Grundlage des Parteivortrags - eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers nach seinem gesamten Verhalten vor und nach dem Beitritt. Abs. 4 Ziff. 1 EV eröffnet nicht die Möglichkeit, die Tragbarkeit eines Arbeitnehmers für den öffentlichen Dienst allein nach seiner Stellung in der Hierarchie der DDR und seiner früheren Identifikation mit dem SED-Regime pauschal zu beurteilen. Die innere Einstellung eines Menschen kann sich ändern, und die Erfahrungen und Einsichten, die gerade Bürger der DDR nach 1989 gemacht haben, können eine solche Änderung herbeigeführt haben (BVerfG Beschluß des 1. Senats vom 21. Februar 1995 - 1 BvR 1397/93 - AP Nr. 44 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu C I 3 b aa der Gründe). Der besondere Kündigungstatbestand des Abs. 4 Ziff. 1 EV ist in dieser - der dargestellten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechenden - Auslegung verfassungsgemäß (BVerfG, a.a.O., zu C I der Gründe).
19
e)
Entgegen der Ansicht der Revision verstößt eine solche Anwendung von Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II, S. 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründete mangelnde persönliche Eignung, als Lehrer gemäß seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung die Grundwerte unserer Verfassung den Schülern glaubwürdig zu vermitteln. Wer über längere Zeit aufgrund seiner Funktion eine verfassungsmäßige Ordnung als revanchistisch und imperialistisch zu bekämpfen hatte, kann nun nicht glaubhaft eine gegenteilige Auffassung vertreten, wenn er sich nicht durch konkretes Verhalten von dem ideologischen Auftrag distanziert hat. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht das mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltende Übereinkommen Nr. 111 verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 28. April 1994 - 8 AZR 57/93 - a.a.O., zu B II 2 e der Gründe, m.w.N.; BAG Urteil vom 13. Oktober 1994 - 2 AZR 261/93 - AP Nr. 36, a.a.O., zu B II 5 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
20
2.
Ob nach diesen Grundsätzen die Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin wirksam ist, kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beurteilt werden.
21
a)
Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß die von 1975 bis 1982 währende Tätigkeit der Klägerin als Kreisschulinspektorin Zweifel an ihrer persönlichen Eignung für den Lehrerberuf begründet.
22
Die Tätigkeit des Schulinspektors wurde durch die Anweisung über die Stellung, die Vollmachten und die Tätigkeit der Schulinspektion und Berufsschulinspektion - Inspektionsordnung - vom 15. September 1961 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung vom 20. November 1961 Nr. 22 S. 287 ff.) geprägt. Aus § 2 Abs. 1 Buchst. a), b) und Abs. 2 Inspektionsordnung folgte die Pflicht zu einer politischen Überwachung und Anleitung der Schulen (Direktor, Lehrer, weitere Funktionsträger, Schüler) nebst regelmäßiger Berichtspflicht nach oben. Der Senat hat deshalb in ständiger Rechtsprechung bei Lehrern, die nicht nur kurzfristig als Schulinspektoren tätig waren, eine besondere Identifikation mit den Zielen der SED als indiziert angesehen (vgl. Urteile des Senats vom 20. Januar 1994 - 8 AZR 658/92 - n.v., zu B II 3 der Gründe; vom 17. Februar 1994 - 8 AZR 194/93 - n.v., zu B I 2 b der Gründe; vom 27. April 1995 - 8 AZR 275/93 - n.v., zu B I 2 der Gründe).
23
Damit kommt es nicht mehr darauf an, ob diese Indizwirkung auch daraus herzuleiten wäre, daß die Klägerin von 1979 bis 1982 auch das Amt der ehrenamtlichen Parteisekretärin in der Abteilung Volksbildung beim Rat des Kreises ausübte. Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, daß dieser nachgeschobene Kündigungsgrund deshalb unbeachtlich sei, weil der inzwischen bestehende Bezirkspersonalrat nicht hierzu angehört worden sei, folgt der Senat nicht. Der Arbeitgeber war nicht verpflichtet, die später gebildete Personalvertretung zu solchen Kündigungsgründen anzuhören, die bereits zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorlagen, als noch kein zuständiger Personalrat gebildet war (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 20. Januar 1994 - 8 AZR 613/92 - n.v., zu B I 3 der Gründe; einschränkend Urteil des Zweiten Senats vom 11. Mai 1995 - 2 AZR 265/94 - n.v., zu II 4 a der Gründe).
24
b)
Die Revision rügt allerdings zu Recht, daß das Landesarbeitsgericht bei der Einzelfallprüfung die Klägerin entlastende Umstände nicht ausreichend gewürdigt hat. Zwar ist dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen, daß der Hinweis der Klägerin, sie habe sich bei ihrer Amtsführung nichts zuschulden kommen lassen, als Entkräftung der aus der Funktion hergeleiteten Indizwirkung nicht ausreicht. Anders verhält es sich jedoch mit der Darlegung der Klägerin, sie sei 1982 deshalb an eine "Dorfschule" strafversetzt worden, weil sie sich geweigert habe, das Amt des Parteisekretärs weiter auszuüben. War es nämlich so, daß die Klägerin 1982 aus politischen Gründen nicht mehr bereit gewesen war, das Amt des Parteisekretärs auszuüben, und deshalb eine Herabstufung von der Kreisschulinspektorin zur Direktorin und eine Versetzung an eine kleinere Oberschule in Kauf genommen hat, um das Parteiamt loszuwerden, spräche dies gegen ihre besondere Identifikation mit den Zielen der SED. Die Klägerin wird ihren Entlastungsvortrag allerdings noch zu ergänzen und die Einzelheiten der "Strafversetzung" so genau zu bezeichnen haben, daß über den Vortrag Beweis erhoben werden kann. Dabei könnte es auch darauf ankommen, ob die Klägerin vor ihrer Versetzung ermahnt wurde und ihr die Folgen einer Weigerung, das Parteisekretärsamt weiter auszuüben, angedroht wurden. Eine Umkehr der im Kündigungsprozeß bestehenden Beweislast des Arbeitgebers findet jedoch nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994, a.a.O.).
25
Das Landesarbeitsgericht wird in die Einzelfallprüfung auch den Inhalt des von der Klägerin bereits mit der Klage vorgelegten Schreibens des Schulleiters vom 2. Oktober 1991 an das Oberschulamt einzubeziehen haben. In diesem Schreiben wird der Klägerin aufgrund von Hospitationen - die nach dem Zeitablauf vor dem Zugang der Kündigung gelegen haben müssen - durch den Schulleiter und aufgrund ihres Auftretens in der Schule u.a. bestätigt, sie vertrete "voll die Grundgesetze der BRD und einer freiheitlich demokratischen Grundordnung" und erziehe "zur Achtung vor dem Leben, zur Toleranz, zur Humanität und zu einem liebevollen Umgang miteinander". Ohne nähere Prüfung der Umstände, die zu diesem Schreiben geführt haben, kann das Schreiben nicht, wie das Landesarbeitsgericht meint, als bloße unbeachtliche "Sympathiebekundung" angesehen werden.
26
3.
Soweit die Revision rügt, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Die dahingehenden Ausführungen des Berufungsgerichts sind ohne Rechtsfehler.
27
a)
Gemäß § 82 Abs. 1 PersVG-DDR, der wortgleich mit § 82 Abs. 1 BPersVG ist, wäre die Stufenvertretung bei der für die Kündigung zuständigen Dienststelle, die hier das Oberschulamt Dresden war, zu beteiligen gewesen. Unstreitig bestand beim Oberschulamt Dresden zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs keine Stufenvertretung, so daß eine Beteiligung entfiel. Wie der Senat schon mit Urteil vom 9. Juni 1993 (- 8 AZR 659/92 - n.v.) in einem insoweit vergleichbaren Fall entschieden hat, war keine andere Vertretung etwa nach § 82 Abs. 6, § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR zu beteiligen (vgl. Senatsurteil, a.a.O., zu B II 2 der Gründe).
28
b)
Die Bildung der Stufenvertretung während des Kündigungsrechtsstreits hat die personalvertretungsrechtliche Wirksamkeit der Kündigung nicht berührt, weil es hierfür allein auf die notwendige Beteiligung zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches ankommt. War zu diesem Zeitpunkt, wie hier, keine beteiligungsfähige zuständige Personalvertretung vorhanden, kann die einmal in personalvertretungsrechtlicher Hinsicht wirksame Kündigung nicht nachträglich unwirksam werden.
29
c)
Die Unwirksamkeit der Kündigung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß das Sächsische Staatsministerium für Kultus die Einleitung der Wahl eines Hauptpersonal- bzw. Bezirkspersonalrates unterlassen haben soll. Eine Rechtsvorschrift, aus der eine solche Folge hergeleitet werden könnte, existiert nicht und kann auch nicht aus der Denkschrift zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 entnommen werden. Dem dort geäußerten Anliegen hat das PersVG-DDR bereits Rechnung getragen.
Ascheid
Dr. Wittek
Müller-Glöge
Brückmann
Morsch
Von Rechts wegen!