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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Vertragsstrafe - Allgemeines
Vertragsstrafe - Allgemeines
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
- 5.
- 6.
- 7.Rechtsprechungs-ABC
- 7.1
- 7.2
- 7.3
- 7.4
- 7.5
- 7.6
- 7.7
- 7.8
- 7.9
- 7.10
- 7.11
- 7.12
- 7.13
- 7.14
- 7.15
Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber kann auf vertragswidriges Verhalten seiner Mitarbeiter unter anderem mit Abmahnung, Versetzung oder Kündigung reagieren. Die individualrechtlichen Sanktionsmittel auf Pflichtverletzungen reichen aber oft nicht aus. Das Gesetz lässt den Arbeitgeber in diesem Punkt weitgehend allein. Also muss er nach Mitteln und Wegen suchen, seine Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag umfassender zu sichern. Dabei kann ihm die Vereinbarung einer Vertragsstrafe helfen - immer vorausgesetzt, seine Strafabrede hält auch einer rechtlichen Prüfung stand.
Praxistipp:
Eine Vertragsstrafe muss ausdrücklich vereinbart werden. Sie kommt nicht automatisch in den Arbeitsvertrag. Eine Vertragsstrafe hat auch keinen Selbstzweck. Sie soll den Arbeitgeber dabei unterstützen, seine Erfüllungs- und Leistungsansprüche aus dem Arbeitsvertrag zu sichern. Sie soll ihm nicht dabei helfen, sich über ein zivilrechtlich zulässiges Mittel auf Kosten eines Arbeitnehmers zu bereichern. Daher ist vor Vereinbarung einer Strafabrede immer zu prüfen, ob dafür auch ein anzuerkennendes Arbeitgeberinteresse besteht - zum Beispiel die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfristen zu sichern.
Der Regelungszweck einer Vertragsstrafe besteht zum einen darin, als Druckmittel gegen den Arbeitnehmer eingesetzt zu werden. Zum anderen soll sie dem Arbeitgeber den oft mühevollen Einzelnachweis entstandener Schäden ersparen. Die Rechtsgrundlagen eines Vertragsstrafenversprechens sind zunächst die allgemeinen BGB-Bestimmungen über den Vertragsschluss, die §§ 145 ff. Speziellere Regelungen stehen in den §§ 339 ff. BGB. Üblich sind Vertragsstrafenklauseln in Formulararbeitsverträgen - die seit der Schuldrechtsreform der AGB-Kontrolle des BGB unterliegen. Zu hohe Vertragsstrafen können nach § 343 BGB herabgesetzt werden. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht nur, wenn eine Betriebsbuße verhängt werden soll.
2. Regelungszweck
Der Arbeitnehmer schuldet aus dem Arbeitsvertrag die Leistung Arbeit, der Arbeitgeber die Gegenleistung Geld. Um die Leistung Arbeit zu sichern, können die Vertragspartner in ihrem Arbeitsvertrag eine Strafabrede treffen - das heißt eine Vertragsstrafe vereinbaren. Sie soll - so ihr Regelungszweck -
zum einen als Druckmittel gegenüber dem Arbeitnehmer und
zum anderen als Beweiserleichterung für den Arbeitgeber
dienen.
Beispiel:
Die Heltz & Kehr GmbH betreibt mehrere Seniorenwohnheime. Sie verwendet in ihren Arbeitsverträgen eine Klausel, mit der sich ihre Mitarbeiter verpflichten, bei Nichtantritt der Stelle, einem Vertragsbruch oder dem Nichteinhalten der maßgeblichen Kündigungsfrist eine Vertragsstrafe zu zahlen. Diese Vertragsstrafe kann von der Heltz & Kehr GmbH gezielt als Druckmittel dazu eingesetzt werden, einen Vertragsbruch oder eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verhindern. Verhalten sich Mitarbeiter trotzdem vertragswidrig und ist die vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt, braucht die Heltz & Kehr GmbH die ihr entstandenen Schäden in diesen Fällen nicht en détail nachzuweisen, sondern kann gleich die Vertragsstrafe fordern. Ohne Strafabrede hingegen müsste sie konkret darlegen und nachweisen, wie, wo und in welcher Höhe ihr durch das vertragswidrige Verhalten ihrer Mitarbeiter ein Schaden entstanden ist.
Vertragsstrafen sind in der Regel nur zulässig, wenn sie ein anzuerkennendes Sicherungsinteresse des Arbeitgebers abdecken. Das kann beispielsweise der Schutz vor einem schuldhaft vertragswidrigen Verhalten oder die Sanktion für Verstöße gegen ein Verschwiegenheits- oder Wettbewerbsverbot sein. Mehr dazu im Stichwort Vertragsstrafe - Regelungszweck.
3. Rechtsgrundlagen
Das Bürgerliche Recht unterscheidet zwischen
selbstständigen und
unselbstständigen
Strafversprechen. Letztere sind im Arbeitsrecht der Regelfall. Sie setzen eine erfüllbare, wirksame Hauptverbindlichkeit voraus, bei deren Verletzung die vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt ist. Die maßgeblichen Vertragsstrafe-Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts stehen in den §§ 339 ff. BGB.
Eine Strafabrede ist ein Vertrag. Für diesen Vertrag gelten unter anderem die §§ 145 ff. BGB. Die Vertragsstrafe kann
in einem Individualarbeitsvertrag,
in einem Formulararbeitsvertrag oder
in einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag
versprochen werden. Sie ist keine arbeitsrechtliche Selbstverständlichkeit.
Praxistipp:
Die Frage, ob im Arbeitsvertrag eine Vertragsstrafe vereinbart werden soll, lässt sich nicht generell und für jeden Fall bejahen. Man sollte als Arbeitgeber überlegen, ob es Risiken gibt, die mit einer Vertragsstrafe abgesichert werden müssen. Das kann beispielsweise schon der pünktliche Arbeitsantritt sein. Dabei ist für einen Beruf, für den es auf dem Arbeitsmarkt ein großes Mitarbeiterangebot gibt, eine Strafabrede vielleicht eher überflüssig als für einen Beruf, für den es nur wenige Bewerber gibt.
Eine Vertragsstrafe kann nur verwirkt sein, wenn sie zuvor wirksam vereinbart wurde (BAG, 04.03.2004 - 8 AZR 344/03). Mehr dazu im Stichwort Vertragsstrafe - Rechtsgrundlagen.
4. AGB-Kontrolle
Seit der Schuldrechtsreform von Anfang 2002 sind Vertragsstrafenklauseln in Formulararbeitsverträgen Allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen fallen in den Anwendungsbereich der AGB-Regeln des BGB. Während das überholte AGBG das Arbeitsrecht noch aus seinem Anwendungsbereich heraushielt, sagt § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nur:
"Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden".
Zu den Besonderheiten des Arbeitsrechts gehört es, dass Arbeitgeber entgegen § 309 Nr. 6 BGB - Klauselverbot - doch Vertragsstrafen vereinbaren dürfen (BAG, 04.03.2004 - 8 AZR 344/03). Ansonsten ist unter anderem Folgendes zu beachten:
Die Vertragsstrafenklausel muss als AGB wirksam in den Vertrag einbezogen sein, § 305 Abs. 1 BGB.
Individualabreden haben Vorrang vor AGB, § 305b BGB.
Überraschende und mehrdeutige Vertragsstrafenklauseln sind unwirksam, § 305c BGB.
Bestimmungen, die eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners darstellen, sind ebenfalls unwirksam, § 307 Abs. 1 BGB (das können auch Bestimmungen sein, die nicht klar und verständlich sind).
Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit müssen beachtet werden, § 308 BGB.
Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit müssen beachtet werden, § 309 BGB.
Die AGB-Bestimmungen des BGB dürfen nicht durch anderweitige Gestaltung umgangen werden, § 306a BGB.
Soweit eine Vertragsstrafenklausel nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam ist, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften, § 306 BGB.
Früher war es möglich, unwirksame Formularvertragsklauseln inhaltlich anzupassen. Auch das ist seit der Schuldrechtsreform vorbei. Eine geltungserhaltende Reduktion kommt nicht mehr in Frage (BAG, 04.03.2004 - 8 AZR 344/03). Ausführlichere Informationen zu diesem Thema sind im Stichwort Vertragsstrafe - AGB-Kontrolle hinterlegt.
5. Herabsetzung
Ist eine verwirkte Vertragsstrafe unangemessen hoch, so kann sie
auf Antrag des Schuldners
durch Urteil
auf den angemessenen Betrag
herabgesetzt werden.
Beispiel (nach früherem Recht):
Die Phon Adel GmbH vereinbart mit Arbeitnehmerin Brigitte Bardow eine Vertragsstrafe von 8.000,00 EUR für den Fall, dass Brigitte ihre Tätigkeit nicht vertragsgemäß am 01.09. aufnimmt. Das tut Frau Bardow tatsächlich nicht - schreibt der Phon Adel GmbH allerdings zuvor, dass sie ein besseres Angebot bekommen habe und deswegen - "mit der Bitte um Verständnis" - vom Arbeitsvertrag zurücktrete. Das geht natürlich nicht. Also denkt sich die Geschäftsführung der Phon Adel GmbH: 'Dann machen wir mal die Vertragsstrafe geltend...' Unterstellt, Brigitte hat ein Monatsgehalt von 2.500 EUR, ist die Vertragsstrafe unangemessen hoch. Hier war es nach früherem Recht möglich, die unangemessen hohe Vertragsstrafe durch Urteil auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen.
Seit Umsetzung der Schuldrechtsreform kann eine Vertragsstrafe nur verwirkt sein, wenn sie ordnungsgemäß vereinbart worden ist (BAG, 04.03.2004 - 8 AZR 344/03). Das wiederum setzt voraus, dass sie zunächst durch die AGB-Kontrolle kommt. Das wird im oberen Beispielfall schon daran scheitern, dass kein besonderes Sicherungsinteresse des Arbeitgebers bejaht werden kann und die Vertragsstrafenabsprache nach § 307 Abs. 1 BGB eine unangemessene Benachteiligung ist. Das führt nach § 306 BGB wiederum zu dem Ergebnis, dass sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften richtet. Und das Gesetz lässt eine Vertragsstrafe eben nur zu, wenn sie rechtswirksam vereinbart wird.
Beispiel (nach neuerem Recht):
Die zwischen der Phon Adel GmbH und Brigitte Bardow vereinbarte Vertragsstrafe von 8.000 EUR ist nach § 307 Abs. 1 BGB unangemessen. Wegen dieser Unangemessenheit ist die Vertragsstrafenklausel unwirksam. Da eine geltungserhaltende Reduktion ausgeschlossen ist, richtet sich der Vertrag zwischen der Phon Adel GmbH und Frau Bardow nun nach den gesetzlichen Bestimmungen. Die gesetzlichen Bestimmungen sehen keine Vertragsstrafe vor. Das heißt: Die zwischen der Phon Adel GmbH und Brigitte vereinbarte Vertragsstrafenklausel fällt ersatzlos weg. Es gibt nichts.
Erst dann, wenn eine Vertragsstrafenklausel wirksam vereinbart wurde, kann sie nach § 343 BGB verwirkt sein. Erst dann wäre es möglich, eine verwirkte Vertragsstrafe auf den angemessenen Betrag herabzusetzen (s. dazu das Stichwort Vertragsstrafe - Herabsetzung).
6. Mitbestimmung
Parteien des Arbeitsvertrags sind
Arbeitgeber und
Arbeitnehmer.
Der Arbeitnehmer schuldet die Leistung Arbeit, der Arbeitgeber die Gegenleistung Geld. Soweit es Formulararbeitsverträge betrifft, hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Das ist lediglich bei
der Einführung von Personalfragebögen (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) oder
bei der Verwendung persönlicher Daten in schriftlichen Arbeitsverträgen (§ 94 Abs. 2 BetrVG)
der Fall. Mit einer Vertragsstrafe sichert der Arbeitgeber lediglich seine Position als Gläubiger der Leistung Arbeit. Die Vertragsstrafe ist wie
Abmahnung,
Versetzung oder
Kündigung
ein mitbestimmungsfreies individualrechtliches Gestaltungsmittel des Arbeitgebers. Soll sie darüber hinausgehen, wäre sie als so genannte Betriebsbuße nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG schon mitbestimmungspflichtig. Dann soll nicht die Arbeitsleistung, sondern die betriebliche Ordnung gesichert werden. Dazu mehr im Stichwort Vertragsstrafe - Mitbestimmung).
7. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zu allgemeinen Fragen bei Vertragsstrafen in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
7.1 Ablösungsentschädigung
Sieht ein Arbeitsvertrag vor Im Falle einer Ablösung der Familienanalogen Wohngruppe vom FHZ W (z.B. durch Anschluss an einen anderen Jugendhilfeträger oder Verselbstständigung) ist von Frau K eine Entschädigung von 3.000 EUR je Platz (siehe § 1 Abs. 2) an das FHZ zu zahlen", ist das eine Regelung, die nicht durch die AGB-Kontrolle nach den §§ 305 BGB kommt. Auch wenn offen bleiben kann, ob die Regelung gegen § 308 Nr. 7 BGB verstößt, sie ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam: Der Arbeitnehmer wird unangemessen benachteiligt. Der pauschalierte Aufwendungsersatzanspruch lässt dem Arbeitnehmer keine Möglichkeit nachzuweisen, "dass keine oder gegenüber der Pauschale wesentlich geringere Aufwendungen angefallen sind" (BAG, 27.07.2010 - 3 AZR 777/08).
7.2 Abwerbeverbot
"a) Grundsätzlich stellen nicht nur Einstellungsverbote, sondern auch Vereinbarungen zwischen Unternehmern, sich nicht gegenseitig Arbeitskräfte abzuwerben, gerichtlich nicht durchsetzbare Sperrabreden im Sinne von § 75f HGB dar. b) Derartige Abwerbeverbote fallen allerdings nicht in den Anwendungsbereich des § 75f HGB, wenn sie nur Nebenbestimmungen der Vereinbarung sind und einem besonderen Vertrauensverhältnis der Parteien oder einer besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden Seiten Rechnung tragen. c) Ein zwischen zwei Unternehmen im Hinblick auf einen gemeinsamen Vertrieb vereinbartes Abwerbeverbot darf grundsätzlich einen Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung der Zusammenarbeit nicht überschreiten" (BGH, 30.04.2014 - I ZR 245/12 - Leitsätze).
7.3 Außerordentliche Eigenkündigung - 1
Der vereinfachte Fall: Arbeitnehmerin A war seit 1999 als hauswirtschaftliche Helferin in Arbeitgeber G's Seniorenzentrum beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag sah eine Gegenseitigkeitsregelung für die Einhaltung verlängerter Kündigungsfristen vor. Danach hätte sie bei ihrer Kündigung im Jahr 2015 eine 6-monatige Kündigungsfrist einhalten müssen. A kündigte am 24.03.2015 außerordentlich fristlos. Begründung: Sie sei wegen einer Konfliktsituation am Arbeitsplatz einer nachhaltigen psychischen Belastung (neurasthenische Erschöpfungsreaktion und reaktive depressive Entwicklung) ausgesetzt und ihr Gesundheitszustand mache es ihr unzumutbar, die 6-monatige Kündigungsfrist einzuhalten. G verlangte von A die arbeitsvertraglich vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatslohns.
Das BAG hat A's außerordentliche Eigenkündigung nicht beanstandet und den wichtigen Grund für ihre Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB bejaht. Im Wesentlichen hat es die Rechtmäßigkeit der Kündigung mit folgenden Argumenten begründet: Der von A behauptete Kündigungssachverhalt ist zunächst an sich geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zu liefern. A war es nach den Einzelfallumständen auch nicht zumutbar, ihr Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der 6-monatigen Kündigungsfrist fortzusetzen. Nach Aussage der behandelnden Ärztin habe sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert und es war ein "Abrutschen" in die Psychiatrie zu befürchten. A konnte ihre Genesung nur durch die außerordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses beschleunigen. Auf Seiten G's gab es dagegen nur ein geringes Interesse an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses. Sein Verhalten hatte den Konflikt sogar noch verstärkt. Da A's außerordentliche Kündigung rechtmäßig war, konnte G von ihr keine Vertragsstrafe verlangen (BAG, 22.03.2018 - 8 AZR 190/17).
7.4 Außerordentliche Eigenkündigung - 2
Der Arbeitnehmer kann sein Recht, die von ihm selbst ausgesprochene Kündigung mit dem Argument, die Voraussetzungen des § 626 BGB hätten gar nicht vorgelegen, nur in den Grenzen von Treu und Glauben – § 242 BGB – ausüben. Daraus folgt der Grundsatz, dass bei Willenserklärungen ein widersprüchliches Verhalten verboten ist. Wer als Arbeitnehmer seine außerordentliche Kündigung dem Schriftformgebot des § 623 BGB entsprechend erklärt, ohne zuvor dazu von seinem Arbeitgeber herausgefordert worden zu sein, der drückt damit regelmäßig seine ernsthafte und endgültige Lösungsabsicht aus. Und damit ist die Geltendmachung der Unwirksamkeit dieser schriftlich erklärten Eigenkündigung in der Regel treuwidrig. Da wäre es Sache des Arbeitgebers, die Unwirksamkeit der Kündigung geltend zu machen. Greift der so eine außerordentliche Kündigung nicht an, "so liegt darin grundsätzlich eine hinzunehmende schutzwerte Disposition" (BAG, 10.09.2020 – 6 AZR 94/19 (A) – mit Hinweis auf BAG, 09.06.2011 – 2 AZR 418/10 u. BAG, 12.03.2009 – 2 AZR 894/07).
7.5 Einflussnahmemöglichkeit
Die in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB angesprochene Möglichkeit der Einflussnahme entspricht inhaltlich einem "Aushandeln" und setzt damit voraus, dass der Verwender die Klausel ernsthaft zur Disposition stellt und dem Arbeitnehmer zur Wahrung seiner Interessen eine Gestaltungsfreiheit einräumt. Dabei ist die Einflussnahmemöglichkeit nicht schon deswegen auszuschließen, weil der vorformulierte Text am Ende doch stehen bleibt. "Sie ist auch bei einem Belassen des vorformulierten Textes anzunehmen, wenn der Text zwischen den Vertragspartnern erörtert worden ist und der Verwender grundsätzlich zu einer Abänderung der Klausel bereit war und dies dem anderen bei Abschluss des Vertrags bewusst gewesen ist" (BAG, 18.12.2008 - 8 AZR 81/08).
7.6 Gesetzesverstoß
Ein Vertragsstrafenversprechen ist schon nach § 134 BGB unwirksam, wenn es eine unwirksame Hauptverbindlichkeit sichern oder der Mitarbeiter dazu angehalten werden soll, eine unwirksam vereinbarte Kündigungsfrist einzuhalten. Es ist aber durchaus zulässig, eine Vertragsstrafe für den Fall zu vereinbaren, dass längere, von § 622 Abs. 1 BGB zwar abweichende, aber für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleich lange Kündigungsfristen eingehalten werden sollen (BAG, 25.09.2008 - 8 AZR 717/07).
7.7 Schadensersatz nach § 61 Abs. 1 HGB
Der geschädigte Arbeitgeber hat im Schadensersatzprozess u.a. die "Umstände" darzulegen "und in den Grenzen des § 287 ZPO" zu "beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung des § 252 BGB und § 287 ZPO auch die Darlegungslast des Geschädigten mindert, der Ersatz entgangenen Gewinns verlangt, dürfen insoweit keine strengen Anforderungen gestellt werden [es folgt ein Hinweis auf BAG 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 u.a.]. Dies gilt auch für den Nachweis eines wettbewerbsrechtlichen Schadens, für den es im Hinblick auf die künftigen Entwicklungen des Geschäftsverlaufs in der Natur der Sache liegende Beweisschwierigkeiten gibt [es folgt ein Hinweis auf BAG, 20.09.2006 - 10 AZR 439/05]. Greifbare Anknüpfungstatsachen, die für eine Schadensschätzung unabdingbar sind, muss der Geschädigte im Regelfall darlegen und beweisen" (BAG, 16.01.2013 - 10 AZR 560/11).
7.8 Schadensersatz wegen Verschwiegenheitspflichtverletzung
Der vereinfachte Fall: Der Arbeitgeber hatte einen Personalberater damit beauftragt, für ihn eine geeignete Person zu finden, die er als technischer Verkäufer einsetzen wollte. Einer interessierten - aber abgelehnten - Bewerberin sagte der Personalberater, dass der Arbeitgeber sie als Frau ohnehin nicht einstellen wollte. Er selbst halte das Arbeitgeberverhalten für skandalös, gab der abgelehnten Bewerberin dann auch noch den Tipp, eine AGG-Entschädigung zu fordern. 8 500 EUR bekam die Bewerberin vom Arbeitgeber, der daraufhin den Personalberater auf Schadensersatz in Anspruch nahm.
Der Personalberater hat mit seinem Verhalten die ihm obliegende Treue- und Verschwiegenheitspflicht gegenüber seinem Auftraggeber verletzt. Er musste über Tatsachen, die ihm in seiner Eigenschaft als Berater bekannt wurden, Stillschweigen bewahren. Zumal er in einem Flyer, mit denen er seine Dienste anbot, auch noch mit "strikter Diskretion" geworben hatte. Erschwerend kam hinzu, dass der Berater die abgelehnte Bewerberin geradezu angestachelt hatte, ihre Rechte nach dem AGG geltend zu machen. Trotzdem ging die Schadensersatzforderung des Arbeitgebers - zuletzt 11 500 EUR - nur zu einem Drittel durch: der Arbeitgeber müsse sich wegen seines Verhaltens ein erhebliches Mitverschulden entgegenhalten lassen (OLG Frankfurt a.M., 08.05.2014 - 16 U 175/13).
7.9 Strenger Maßstab
"Nach der Rechtsprechung des [8.] Senats sind zwar Vertragsstrafenabreden in Formularverträgen nach § 309 Nr. 6 BGB generell unzulässig, in formularmäßigen Arbeitsverträgen folgt aber aus der angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die grundsätzliche Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden [mit Hinweis auf BAG, 04.03.2004 - 8 AZR 196/03]. Dabei ist zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen." So muss der Arbeitgeber nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB seine Vertragsklauseln so gestalten, dass Rechte und Pflichten der Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar rüberkommen (BAG, 23.01.2014 - 8 AZR 130/13).
7.10 Unangemessene Benachteiligung - 1
Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Vertragsbestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. So ein Fall liegt nicht vor, wenn mit der Vertragsstrafenregelung - Verwirkung bei Lösung des Arbeitsverhältnisses "ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist" - eine Vertragsgestaltung durchgesetzt werden soll, für die der Gesetzgeber mit § 622 Abs. 6 BGB - "Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber" - ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet hat. "Zudem wird durch § 15 Abs. 4 TzBfG deutlich, dass sogar eine Bindung auf bis zu fünf Jahre ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit zulässig sein soll" (BAG, 28.05.2009 - 8 AZR 896/07 - verlängerte Kündigungsfristen).
7.11 Unangemessene Benachteiligung - 2
Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jede Benachteiligung eines rechtlich anerkannten Arbeitnehmerinteresses unangemessen, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Dabei setzt die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus (BAG, 27.07.2010 - 3 AZR 777/08 - mit dem Hinweis, dass bei der Bewertung "ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen" ist).
7.12 Unterlassungsverpflichtung
Der vereinfachte Fall: Eine Arbeitnehmerin verlor gleich in der Probezeit ihren Job und wurde von ihrem Arbeitgeber sofort freigestellt. Bei Übergabe des noch in ihrem Besitz befindlichen Firmeneigentums sagte sie in Anwesenheit des Shopleiters zur ihrer neu eingestellten Nachfolgerin, sie werde "auch nur verarscht und angelogen" - und den nicht anwesenden Geschäftsführer bezeichnete sie "mind. sinngemäß als 'Arschloch'". Der Arbeitgeber verlangte danach von der Arbeitnehmerin, ihm eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben, in der sie sich unter anderem verpflichten sollte, für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von mehr als 5 000 EUR zu zahlen. Die Arbeitnehmerin lehnte das ab, der Arbeitgeber verklagte sie auf Unterlassung.
Dazu das LAG Schleswig-Holstein: Beleidigt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber in einer mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zusammenhängenden einmaligen Eskalation, führt das nicht in jedem Fall dazu, dass der Mitarbeiter gegenüber seinem Arbeitgeber gleich ein strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben muss. Bei einem einmaligen Fall und einer Freistellung des Arbeitnehmers, bei der es zu keinen weiteren Berührungen mehr kommt, ist ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet, so eine Erklärung abzugeben. Hier lässt sich keine Wiederholungsgefahr annehmen. Das gilt auch dann, wenn sich der Arbeitnehmer gegen die Klage seines Arbeitgebers verteidigt und sich weigert, die verlangte Erklärung abzugeben (LAG Schleswig-Holstein, 27.08.2014 - 3 Sa 153/14).
7.13 Vorformulierte Vertragsbedingungen
Arbeitgeber sind Unternehmer im Sinn des § 14 BGB, Arbeitnehmer Verbraucher im Sinn des § 13 BGB. Während Vertragsformulierungen außerhalb des Arbeitsrechts bereits dann für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, wenn ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt ist, gilt nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB für Verbraucherverträge: Die §§ 305c Abs. 2, 306, 307 bis 309 BGB finden auch dann Anwendung, wenn die vorformulierten Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Verbraucher auf ihren Inhalt wegen der Vorformulierung keinen Einfluss nehmen konnte (BAG, 28.05.2009 - 8 AZR 896/07).
7.14 Wettbewerbsverbot - 1
Verletzt der Handlungsgehilfe (Arbeitnehmer) das Wettbewerbsverbot aus § 60 HGB, so kann der Prinzipal (Arbeitgeber) "Schadensersatz fordern; er kann stattdessen verlangen, dass der Handlungsgehilfe die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Prizipals eingegangen gelten lasse und die aus den Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgebe oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtrete". Der Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einem Wettbewerber ist kein Geschäft im Sinn des § 61 HGB. Der Arbeitnehmer braucht daher das mit dem Mitbewerber vereinbarte Festgehalt nicht an den Arbeitgeber herauszugeben (BAG, 17.10.2012 - 10 AZR 809/11).
7.15 Wettbewerbsverbot - 2
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Wettbewerbsverbot, muss sich der Arbeitgeber vertraglich verpflichten, seinem Mitarbeiter "für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr der Entschädigung mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistung erreicht" (§ 74 Abs. 2 HGB). Vereinbaren die Parteien "Die Firma verpflichtet sich, dem Mitarbeiter für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung zu zahlen, die in ihr Ermessen gestellt wird", ist das eine HGB-widrige Regelung. "Wird bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt, ohne dass eine Mindesthöhe iSv. § 74 Abs. 2 HGB vereinbart wurde, ist das Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer unverbindlich" (BAG, 15.01.2014 - 10 AZR 243/13 - Leitsatz).
Siehe auch