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BAG, 15.01.1992 - 7 ABR 36/91 - Anwendbarkeit von § 18 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bei der Beantwortung der Frage des Vorliegens von zwei selbstständigen Betrieben; Voraussetzungen für einen gemeinsamen Betrieb erforderlichen einheitlichen Leitungsapparat und einheitlichen Betriebszweck
Bundesarbeitsgericht
Beschl. v. 15.01.1992, Az.: 7 ABR 36/91
Anwendbarkeit von § 18 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bei der Beantwortung der Frage des Vorliegens von zwei selbstständigen Betrieben; Voraussetzungen für einen gemeinsamen Betrieb erforderlichen einheitlichen Leitungsapparat und einheitlichen Betriebszweck
Verfahrensgang:
vorgehend:
ArbG Hamburg - 28.09.1989 - AZ: 4 BV 5/89
LAG Hamburg - 13.02.1991 - AZ: 8 TaBV 8/89
Rechtsgrundlagen:
BAG, 15.01.1992 - 7 ABR 36/91
In dem Beschlußverfahren
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts
in der Sitzung vom 15. Januar 1992
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Seidensticker,
die Richter Schliemann und Kremhelmer sowie
die ehrenamtlichen Richter Dr. Johannsen und Dr. Klebe
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Auf die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 2) und 3) wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 13. Februar 1991 - 8 TaBV 8/89 - aufgehoben.
- 2.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. September 1989 - 4 BV 5/89 - wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1
A.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die S. GmbH und die N. GmbH in Hamburg einen gemeinsamen Betrieb unterhalten und ob der in der Hamburger Betriebsstätte der S. GmbH bestehende Betriebsrat auch für die in Hamburg beschäftigten Arbeitnehmer der N. GmbH zuständig ist.
2
Die S. GmbH (Beteiligte zu 2) ist ein privater kommerzieller Fernsehveranstalter mit Sitz in M. Sie beschäftigt in ihrer Betriebsstätte in Hamburg ca. 270 Arbeitnehmer, die u.a. in drei Redaktionen ein bundesweites Fernsehprogramm erstellen. Der Betriebsrat der Hamburger Betriebsstätte ist Antragsteller des vorliegenden Verfahrens.
3
Die S. GmbH, die auch Lizenzträgerin für landesweite Fernsehprogramme ist, gründete 1988 für den Bereich der Bundesländer Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein die N. GmbH (Beteiligte zu 3). In den folgenden Jahren baute die N. GmbH drei eigenständige Redaktionen auf, und zwar 1988 in Hamburg, sodann in Hannover und 1991 in Kiel. Die Hamburger Redaktion der N. GmbH führte zunächst die Bezeichnung "W. N.". Nach Gründung der weiteren Redaktionen in Hannover und Kiel erhielt die Hamburger Redaktion die Bezeichnung "W. H.". In dieser Redaktion sind 13 Arbeitnehmer beschäftigt.
4
Die drei Redaktionen der S. GmbH und die Redaktion "W. H." der N. GmbH waren ursprünglich in demselben Gebäude untergebracht. Mittlerweile ist die Redaktion "W. H." gemeinsam mit zwei Redaktionen der S. GmbH in ein Nachbargebäude umgezogen.
5
Die N. GmbH hatte ihren Sitz ursprünglich in Hamburg und verlegte ihn 1989 aufgrund der im Zusammenhang mit der Lizenzvergabe erteilten Zusagen nach Hannover. Geschäftsführer der N. GmbH sind die Herren D. und J.. Herr D. nimmt eine Aufsichtsfunktion wahr. Er ist Mitgeschäftsführer der S. GmbH, der als Lizenzträgerin die politische Verantwortung für die N. GmbH obliegt. Herr J. ist als sogenannter Tagesgeschäftsführer für die laufende Verwaltung zuständig und nimmt seine Aufgaben von Hannover aus wahr. In das Tagesgeschäft der Redaktion "W. H." greifen die Geschäftsführer nicht ein. Das Direktionsrecht wird vom dortigen Redaktionsleiter, Herrn S., ausgeübt. Er war vor seiner Tätigkeit bei der N. GmbH in der Nachrichtenredaktion der S. GmbH, der "B."-Redaktion, beschäftigt.
6
Die Arbeitnehmer der Redaktion "W. H." der N. GmbH werden in Hannover eingestellt. Dorthin sind auch die Bewerbungen zu richten. Die Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen der Arbeitnehmer der Redaktion "W. H." erfolgen in enger Absprache mit dem dortigen Redaktionsleiter. Die Arbeitsverträge der Mitarbeiter dieser Redaktion werden von beiden Geschäftsführern der N. GmbH unterzeichnet.
7
Am 22. November 1988 trafen die Beteiligten eine Regelungsabsprache, wonach der Betriebsrat der S. GmbH auch für den Hamburger Betriebsbereich W. N. der N. GmbH zuständig sein sollte. Nachdem der Sitz der N. GmbH nach Hannover verlegt worden war, kündigte sie die Regelungsabsprache.
8
Der Betriebsrat der Hamburger Betriebsstätte der S. GmbH hat die Auffassung vertreten, daß er auch für die in Hamburg beschäftigten Arbeitnehmer der N. GmbH zuständig sei, weil die Hamburger Betriebsstätte der S. GmbH und die Hamburger Redaktion der N. GmbH einen gemeinsamen Betrieb bildeten. Die Arbeitsabläufe der Hamburger Redaktion der N. GmbH und die Hamburger Betriebsstätte der S. GmbH seien personell, technisch und organisatorisch eng miteinander verknüpft. Aus dieser Verzahnung ergebe sich, daß ein einheitlicher Leitungsapparat bestehe.
9
Der Betriebsrat der Hamburger Betriebsstätte der S. GmbH hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß er für den Bereich W. N. in der Betriebsstätte Hamburg seit dem 6. Dezember 1988 zuständig ist.
10
Die beteiligten Arbeitgeber haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
11
Sie haben die Auffassung vertreten, ein gemeinsamer Betrieb liege nicht vor. Es bestehe kein einheitlicher Betriebszweck, weil die S. GmbH eine Studiogesellschaft sei, während die N. GmbH ein Regionalprogramm erstelle und damit Produktionen mit einer anderen redaktionellen und wirtschaftlichen Zielrichtung erarbeite. Ein einheitlicher Leitungsapparat bestehe nicht. Die Personalführung, Personalverwaltung, Aufsicht und Weisungsbefugnis hinsichtlich der Redaktion "W. H." liege allein bei der N. GmbH. Diese Redaktion der N. GmbH sei gegenüber der Hamburger Betriebsstätte der S. GmbH eine selbständige Organisationseinheit.
12
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht nach Einvernahme der Zeugen B., R. und S. und Parteieinvernahme des Geschäftsführers J. dem Antrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren die beteiligten Arbeitgeber die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses,
13
während der Betriebsrat beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Gründe
14
B.
Die Rechtsbeschwerden der beteiligten Arbeitgeber sind begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Antrag des Betriebsrats als unbegründet abzuweisen.
15
I.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde des Betriebsrats für zulässig erachtet. Nach § 89 Abs. 2 Satz 1 ArbGG muß die Beschwerdeschrift den Beschluß bezeichnen, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, und die Erklärung enthalten, daß gegen diesen Beschluß Beschwerde eingelegt wird. Außerdem muß aus der Beschwerdeschrift hervorgehen, wer Beschwerdeführer ist. Diesen Anforderungen hat die Beschwerdeschrift entsprochen.
16
Die Beschwerde des Betriebsrats ist nicht deshalb unzulässig gewesen, weil in der Beschwerdeschrift nur die S. GmbH als weitere Beteiligte aufgeführt worden ist. Dadurch konnten keine Zweifel über den Umfang des eingelegten Rechtsmittels entstehen. Unklarheiten hätten allenfalls dann auftreten können, wenn im angegriffenen Beschluß über zwei Streitgegenstände entschieden worden wäre, die jeweils nur eine der Gesellschaften betroffen hätten. Der angegriffene Beschluß hat sich jedoch nur mit einem beide Gesellschaften betreffenden Streitgegenstand befaßt. Im Beschwerdeverfahren entscheidet das Landesarbeitsgericht von Amts wegen, welche Personen und Stellen nach § 83 Abs. 3, § 90 Abs. 2 ArbGG zu beteiligen sind. Weder der Antragsteller noch der Rechtsmittelführer haben insoweit eine Dispositionsbefugnis. Abgesehen davon, daß im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Rechtsmittelschrift auch dann ordnungsgemäß ist, wenn sie nicht die ladungsfähige Anschrift des Rechtsmittelgegners oder seines Prozeßbevollmächtigten enthält (Beschluß des Großen Senats vom 16. September 1986, BAGE 53, 30 = AP Nr. 53 zu § 518 ZPO unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung), waren aus dem der Rechtsmittelschrift beigefügten Beschluß des Arbeitsgerichts die im erstinstanzlichen Verfahren Beteiligten zu ersehen.
17
II.
Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.
18
1.
Der Antragsteller hat mit dem Beschlußverfahren die zutreffende Verfahrensart gewählt (§ 2 a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 1 ArbGG). Er begehrt die Klärung einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit nach § 18 Abs. 2 BetrVG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist § 18 Abs. 2 BetrVGüber den Wortlaut des Gesetzes hinaus nach dessen Sinn und Zweck auch bei der Beantwortung der Frage anzuwenden, ob zwei selbständige Betriebe vorliegen oder nicht (BAGE 30, 12, 18 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972, zu II 1 c der Gründe; BAG Beschluß vom 29. Januar 1987 - 6 ABR 23/85 - AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, zu I 1 der Gründe).
19
2.
Die Antragsbefugnis und das allgemeine Rechtsschutzinteresse folgen aus der entsprechenden Anwendung des § 18 Abs. 2 BetrVG (BAGE 30, 12, 18 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972, zu II 1 c der Gründe; Beschluß vom 29. Januar 1987 - 6 ABR 23/85 - AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, zu I 2 a der Gründe). Der Betriebsrat hat auch ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung (§ 256 Abs. 1 ZPO), ob er die geltend gemachte betriebsverfassungsrechtliche Zuständigkeit hat. Die Frage, ob der Betriebsrat der S. GmbH als Organ der Betriebsverfassung Ansprechpartner für alle in Hamburg tätigen Mitarbeiter beider beteiligter Arbeitgeber ist oder nicht, betrifft das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. BAG Beschluß vom 29. Januar 1987 - 6 ABR 23/85 - AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, zu I 2 b der Gründe). Die Beteiligten sind unterschiedlicher Auffassung über das Bestehen eines einheitlichen Betriebes und die Zuständigkeit des Betriebsrats für die Redaktion "W. H.". Zur Klärung dieser Streitfrage mit weitreichenden betriebsverfassungsrechtlichen Folgen bedarf es einer gerichtlichen Feststellung, die in entsprechender Anwendung des § 18 Abs. 2 BetrVG jederzeit herbeigeführt werden kann.
20
III.
Der Antrag des Betriebsrats ist aber unbegründet. Der Betriebsrat der Hamburger Betriebsstätte der S. GmbH ist schon deshalb nicht für die in der Hamburger Redaktion der N. GmbH beschäftigten Arbeitnehmer zuständig, weil die beteiligten Arbeitgeber in Hamburg keinen gemeinsamen Betrieb geschaffen haben.
21
1.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß ein einheitlicher Betrieb bestehe. Die Redaktion "W. H." sei nur als eine von vier Redaktionen anzusehen, die alle unter einem Dach tätig seien. Bei dieser Würdigung ist das Landesarbeitsgericht von folgenden tatsächlichen Feststellungen ausgegangen:
22
In der Redaktion "W. H." seien 13 Arbeitnehmer der N. GmbH beschäftigt, die mit der Erstellung von Berichten aus dem Bereich Hamburg für das ... ausgestrahlte regionale Fernsehprogramm befaßt seien. In politischer Hinsicht liege die Aufsicht darüber, daß das Regionalprogramm den zu beachtenden Grundsätzen entspreche, bei der S. GmbH. Sie habe ihren Einfluß durch die Bestellung ihres Geschäftsführers D. zum Mitgeschäftsführer der N. GmbH sichergestellt. Herr D. müsse sämtliche Arbeitsverträge mitunterschreiben. Die Personalverwaltung der Arbeitnehmer der N. GmbH erfolge zentral in Hannover durch eine damit beauftragte Gesellschaft. Der für die laufende Verwaltung zuständige Geschäftsführer der N. deutschland GmbH, Herr J., greife in das Tagesgeschäft der Redaktion nicht ein. Die redaktionelle Verantwortung liege beim Leiter der Hamburger Redaktion der N. GmbH. Diese Redaktion unterstehe nicht dem Chefredakteur der S. GmbH. Er habe jedoch ein Interesse an der Qualität der Regionalsendungen. Hin und wieder führe er Gespräche mit dem Geschäftsführer J. Zudem habe er erklärt, er würde, falls es sich im Hinblick auf die Qualität der Beiträge als notwendig erweise, seinen Einfluß gegebenenfalls über personelle Konsequenzen nutzen. Im März 1990 habe er anläßlich eines Wettbewerbs für regionale Berichterstattung das Archiv angewiesen, Beiträge der Redaktion "W. H." herauszusuchen. Diese Redaktion verfüge über keinerlei technische Ressourcen. Ihr werde die für die Herstellung eines Fernsehbeitrags erforderliche Ausstattung wie Kamera, Maske, Grafik, Dekoration/Bühne, Musik, Archiv, Schnitt und Ton von der S. GmbH zur Verfügung gestellt. Honorare und Lizenzen würden für beide Bereiche einheitlich von der S. GmbH bearbeitet. Die Fahrbereitschaft, die Kantine und die Sozialräume würden gemeinsam genutzt. Die zentrale Disposition der S. GmbH entscheide bei den Kamerateams, beim Filmschnitt und in den anderen technischen Bereichen über das eingesetzte Personal. Sie ordne für die Mitarbeiter der S. GmbH Überstunden an, falls dies nach den Produktionsanforderungen der Redaktion "W. H." erforderlich sei. Die Redakteure der N. GmbH könnten ihre personellen Vorstellungen nicht durchsetzen, jedoch ihren redaktionellen Einfluß vor Ort geltend machen. Prinzipiell seien die Redaktionen personell getrennt. Die Ausbildung der Volontäre und Praktikanten der beteiligten Arbeitgeber erfolge jedoch in beiden Bereichen. Gelegentlich sei auch ein Mitarbeiter der Redaktion "W. H." in der "B."-Redaktion tätig gewesen und umgekehrt. Soweit die S. GmbH Beiträge übernommen habe, sei die N. GmbH als Fremdanbieter behandelt worden.
23
2.
Sowohl nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts als auch nach dem eigenen Vortrag des Betriebsrats liegt kein einheitlicher Betrieb vor. Zu Recht haben die beteiligten Arbeitgeber die Subsumtion des Landesarbeitsgerichts angegriffen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Voraussetzungen eines einheitlichen Betriebs richtig wiedergegeben, die Bedeutung der maßgeblichen Merkmale jedoch bei der Rechtsanwendung verkannt.
24
a)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb i.S. des § 1 BetrVG unterhalten. Regelmäßig liegt ein einheitlicher Betrieb vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefaßt, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. In erster Linie kommt es auf die Einheit der Organisation und weniger auf die Einheitlichkeit der arbeitstechnischen Zwecksetzung an. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zur gemeinsamen Führung des Betriebs rechtlich verbunden haben. Dabei muß die einheitliche Leitung nicht in einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung der beteiligten Unternehmen geregelt sein. Vielmehr genügt es, daß eine solche Vereinbarung stillschweigend geschlossen worden ist und sich ihre Existenz aus den tatsächlichen Umständen herleiten läßt. Ohne eine solche rechtliche Vereinbarung ist nicht gewährleistet, daß der Betriebsrat in Fragen der sozialen und personellen Mitbestimmung einen zur einheitlichen Willensbildung für alle Unternehmen fähigen Ansprechpartner hat. Wird nach den Umständen des Einzelfalles der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt, so deutet dies regelmäßig darauf hin, daß zumindest eine konkludente Vereinbarung über die Führung eines gemeinsamen Betriebs besteht. Dagegen genügt es nicht, daß die Unternehmen z.B. auf der Grundlage von Organ- oder Beherrschungsverträgen lediglich unternehmerisch zusammenarbeiten (vgl. BAGE 59, 319, 324 f.= AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972 zu B 2 und 3 der Gründe; BAGE 60, 191, 198 f. = AP Nr. 77 zu § 613 a BGB, zu I 2 a bb der Gründe, jeweils m.w.N.; zuletzt Beschluß vom 30. Oktober 1991 - 7 ABR 28/90 -, unveröffentlicht, zu B III 2 a der Gründe).
25
b)
Diese Voraussetzungen für einen gemeinsamen Betrieb sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Hamburger Redaktion der N. GmbH und die Hamburger Betriebsstätte der S. GmbH bilden keine organisatorische Einheit. Ein einheitlicher Leitungsapparat fehlt.
26
aa)
Die Hamburger Betriebsstätte der S. GmbH und die Hamburger Redaktion der N. GmbH werden trotz enger Zusammenarbeit eigenständig verwaltet und geführt. Keiner der beiden Gesellschaften stehen Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse zu, die über die eigene Arbeitsorganisation hinausreichen.
27
Die S. GmbH hat der N. GmbH auch insoweit kein Direktionsrecht eingeräumt, als die Arbeitnehmer der S. GmbH Leistungen für die N. GmbH erbringen. Das Direktionsrecht gegenüber den Arbeitnehmern der Redaktion "W. H." wird vom dortigen Redaktionsleiter und vom Tagesgeschäftsführer der N. GmbH ausgeübt. Der Chefredakteur der S. GmbH ist dem Hamburger Redaktionsleiter der N. GmbH nicht übergeordnet und ist nicht berechtigt, den in der Redaktion "W. H." tätigen Arbeitnehmern Weisungen zu erteilen oder bestimmte Aufgaben zuzuweisen.
28
Ein Weisungsrecht des Chefredakteurs gegenüber der Redaktion "W. H." ergibt sich auch nicht daraus, daß er anläßlich eines Wettbewerbs für regionale Berichterstattung das Archiv der S. GmbH anwies, vier Beiträge der Hamburger Redaktion der N. GmbH herauszusuchen. Das Archiv der S. GmbH bewahrt auch das Material der Redaktion "W. H." auf, so daß der Chefredakteur lediglich das Direktionsrecht der S. GmbH gegenüber ihren eigenen Arbeitnehmern ausübte. Die Hamburger Betriebsstätte der S. GmbH und die Hamburger Redaktion der N. GmbH sind organisatorisch nicht derart miteinander verbunden, daß sich der Chefredakteur der S. GmbH unmittelbar an die Arbeitnehmer der Redaktion "W. H." hätte wenden und von ihnen bestimmte Tätigkeiten hätte verlangen können.
29
bb)
Ebensowenig wie das Direktionsrecht gemeinsam ausgeübt wird, besteht eine gemeinsame Leitungsspitze für die in personellen und sozialen Angelegenheiten zu treffenden Entscheidungen.
30
Die Personal Verwaltung der N. GmbH wird, auch für die Hamburger Redaktion "W. H.", von einer damit beauftragten Verlagsgesellschaft in Hannover wahrgenommen. Davon getrennt erledigt die S. GmbH ihre Personalangelegenheiten.
31
cc)
Personelle Verflechtungen, die auf einen einheitlichen Leitungsapparat schließen lassen, bestehen nicht.
32
Eine institutionalisierte, gemeinsame Betriebsführung ergibt sich nicht schon daraus, daß Herr D. Mitgeschäftsführer beider Gesellschaften ist. Abgesehen davon, daß eine Personalunion bei den Geschäftsführern mehrere eigenständige Organisationseinheiten nicht ausschließt, hatte Herr D. lediglich die Aufgabe, durch seine Aufsicht die Lizenzvoraussetzungen sicherzustellen. Der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten war ihm nicht zugewiesen. Für die laufende Verwaltung war der weitere Geschäftsführer J. zuständig.
33
dd)
Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist es auch unerheblich, daß der Chefredakteur der S. GmbH sein Interesse an der Qualität der Beiträge der Redaktion "W. H." bekundete und erklärte, er werde, falls sich dies als notwendig erweise, auf personelle Konsequenzen hinwirken. Jeder Abnehmer eines Produkts hat ein Interesse an ausreichender Qualität und kann unter Ausnutzung seiner Kontakte zu erreichen versuchen, daß ein gewisser Leistungsstandard beibehalten wird und daraus die notwendig erscheinenden personellen Konsequenzen gezogen werden. Eine derartige potentielle, mittelbare Einflußnahme auf die Personalführung kann einer gemeinsamen Betriebsorganisation nicht gleichgestellt werden. Selbst wenn der Chefredakteur der S. GmbH durch seine Beziehungen einen gewissen Druck ausüben konnte, hatte ausschließlich die N. GmbH die personellen Entscheidungen zu treffen, die in der Redaktion "W. H." anstanden.
34
ee)
Aus dem Überwechseln von Arbeitnehmern einer Gesellschaft zur anderen Gesellschaft ergibt sich noch keine organisatorische Einheit der Redaktionen beider Gesellschaften. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts spielt es keine Rolle, ob ein Personalwechsel deshalb keine Schwierigkeiten bereitete, weil bei den beteiligten Arbeitgebern die Aufgabenstellung ähnlich ist und die Qualifikationsanforderungen gleich sind. Vielmehr kommt es darauf an, ob und inwieweit ein Zugriff auf die Arbeitnehmer der anderen Gesellschaft ohne Beendigung oder Änderung des Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber möglich ist. Das Landesarbeitsgericht hat nicht hinreichend auf den organisatorischen und rechtlichen Hintergrund des Personalwechsels abgestellt. Das Landesarbeitsgericht hat zwar erkannt, daß es sich beim vorliegenden Personalwechsel nicht in erster Linie um gegenseitige Aushilfe handelt, sondern um die Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses und den Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages mit dem nunmehrigen Arbeitgeber. Diesem Umstand hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen. Der Abschluß neuer Arbeitsverträge trägt der organisatorischen Trennung der Redaktionen beider Gesellschaften Rechnung und spricht gegen einen einheitlichen Betrieb.
35
Soweit Arbeitnehmer einer Gesellschaft zeitweilig im Betrieb der anderen Gesellschaft tätig waren, hatte die aufnehmende Gesellschaft keinen Anspruch darauf. Allein die abgebende Gesellschaft entschied darüber, ob und welche Arbeitnehmer sie überließ. Eine gemeinsame Einrichtung zur Entscheidung über einen gesellschaftsübergreifenden Personaleinsatz gibt es nicht. Im übrigen kam es auch nach dem Vortrag des Betriebsrats nur in wenigen Fällen zu derartigen Personalüberlassungen. Für die rechtliche Bewertung kommt es jedoch nicht auf Ausnahme fälle, sondern auf das normale Geschehen an.
36
c)
Obwohl das Landesarbeitsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß sich die Annahme eines einheitlichen Leitungsapparates im Bereich der personellen und sozialen Angelegenheiten nicht schlüssig begründen läßt, hat es daraus nicht die gebotenen rechtlichen Folgerungen gezogen. Die arbeitsteilige Zusammenarbeit der beiden Gesellschaften ändert an der organisatorischen Selbständigkeit ihrer Hamburger Redaktionen nichts und führt zu keinem gemeinsamen Betrieb.
37
aa)
Soweit der Hamburger Redaktion der N. GmbH technische und personelle Ressourcen fehlen und sie deshalb Einrichtungen und Dienste der S. GmbH in Anspruch nimmt, handelt es sich lediglich um eine unternehmerische Zusammenarbeit. Hierdurch entsteht kein gemeinsamer Leitungsapparat. Die N. GmbH kann zwar Arbeitsmittel und Dienstleistungen der S. GmbH anfordern. Die S. GmbH führt jedoch die ihr erteilten Aufträge eigenverantwortlich nach ihren Möglichkeiten und Dispositionen durch. So hat die Redaktion "W. H." keine Möglichkeit, über das Personal der Kamerateams oder des Filmschnitts zu bestimmen. Die S. GmbH entscheidet allein darüber, welche Mitarbeiter die jeweilige Produktionsanforderung durchführen. Sie legt fest, in welchen Arbeitsschichten die Dienst- oder Werkleistungen erbracht werden, und ordnet, wenn sie es selbst für erforderlich hält, Überstunden an. Da der N. GmbH gegenüber den Arbeitnehmern der S. GmbH keine Weisungsrechte zustehen, kann sie die Durchführung der Aufträge nicht steuern.
38
Auch die Bereitstellung der Kantine, die Energie- und Wasserversorgung, die Pförtnerdienste, die Telefonvermittlung, die Fahrbereitschaft, die Archivierung und die Bearbeitung der Honorare und Lizenzen sind Leistungen der S. GmbH, die sie in eigener unternehmerischer Verantwortung mit einer selbständigen Organisation erbringt.
39
bb)
Soweit die N. GmbH Programmbeiträge mit ihrer eigenen Hamburger Redaktion herstellt, wirkt die S. GmbH weder bei der Festlegung der Thematik noch bei der inhaltlichen Ausgestaltung mit. Jede Gesellschaft entscheidet selbständig sowohl über ihre Produktion und deren Realisierung als auch über die Ausgestaltung und Führung ihrer eigenen Organisationseinheit. Wenn die S. GmbH Beiträge der N. GmbH übernimmt, wird die N. GmbH wie ein Fremdanbieter behandelt und entsprechend bezahlt.
40
d)
Die gemeinsame räumliche Unterbringung ist allenfalls ein Indiz, dessen Bedeutung nicht überschätzt werden darf, zwingt aber nicht dazu, einen einheitlichen Betrieb anzunehmen. Entscheidend ist, ob zugleich eine einheitliche Organisation vorliegt (BAGE 40, 163, 168 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, zu III 2 d der Gründe).
41
e)
Ob sämtliche Redaktionen der beteiligten Arbeitgeber unter einem einheitlichen Signet letztlich an einem Programm arbeiten, wie das Landesarbeitsgericht meint, kann dahingestellt bleiben. Abgrenzbare Teilaufgaben können fremden Unternehmen und Betrieben zur selbständigen Erledigung übertragen werden. Weder Betriebe noch Unternehmen verlieren dadurch ihre organisatorische Unabhängigkeit, daß ihre Produkte und Leistungen einem übergeordneten Zweck dienen.
42
f)
Die Hamburger Redaktionen der beiden beteiligten Arbeitgeber arbeiten organisatorisch getrennt, wenngleich sie Leistungen füreinander erbringen. Die vom Landesarbeitsgericht für erforderlich gehaltene Gleichbehandlung macht eine gemeinsame Betriebsleitung nicht überflüssig. Abgesehen davon, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz die Voraussetzungen eines einheitlichen Betriebes nicht verändert, gebietet er dem Arbeitgeber nicht, einen Teil seiner Arbeitnehmer nach der im Betrieb eines anderen Arbeitgebers geltenden Ordnung zu behandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet dem Arbeitgeber lediglich die Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer von ihm selbst festgelegten Ordnung,
Dr. Seidensticker,
Schliemann,
Kremhelmer,
Dr. Johannsen,
Für den infolge Urlaubs an der Unterschrift verhinderten ehrenamtlichen Richter Dr. Klebe und den aus demselben Grund verhinderten Vorsitzenden Schliemann
Von Rechts wegen!
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