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BFH, 17.01.1995 - VII B 124/94 - Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluss des Verfahrens
Bundesfinanzhof
Beschl. v. 17.01.1995, Az.: VII B 124/94
Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluss des Verfahrens
Fundstellen:
BFH/NV 1995, 806
DStZ 1995, 607 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
BFH, 17.01.1995 - VII B 124/94
Tatbestand
1
Durch Beschluß vom 22. Juni 1992 hat das Finanzgericht (FG) das Verfahren wegen des gegen den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Antragsgegner) als Geschäftsführer der X-GmbH u. Co. KG (KG) ergangenen Umsatzsteuer-Haftungsbescheids des Antragstellers und Beschwerdeführers (Finanzamt -- FA --), gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt. Das FG hat den Beschluß damit begründet, daß der Ausgang des Rechtsstreits zum Teil vom Ausgang des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG abhänge. Der Beschluß sei im Interesse des FA ergangen, weil das FG bei einer alsbaldigen Entscheidung den angefochtenen Umsatzsteuer-Haftungsbescheid wegen fehlerhafter Ermessensentscheidung hätte aufheben müssen. Die fehlerhafte Ermessensentscheidung liege darin, daß das FA dem Haftungsbescheid einen nicht einwandfrei geklärten Sachverhalt zugrunde gelegt habe.
2
Gegen diesen Beschluß hat das FA zwar keine Beschwerde eingelegt. Es hat aber mit Schreiben vom 14. April 1994 beantragt, den Ausetzungsbeschluß aufzuheben und das Verfahren fortzusetzen. Das FA hat diesen Antrag damit begründet, daß es gegen den Aussetzungsbeschluß aus verwaltungsökonomischen Gründen keine Beschwerde erhoben habe. Es sei davon ausgegangen, daß das Konkursverfahren bis Ende 1993 abgeschlossen sein werde. Inzwischen habe aber der Konkursverwalter mitgeteilt, daß keine Prognose darüber möglich sei, wann das Konkursverfahren abgeschlossen sein werde. Das FA halte es daher nicht für sachdienlich, daß das Klageverfahren auf ungewisse Zeit weiterhin ausgesetzt bleibe. Es sei zu befürchten, daß eine spätere erfolgreiche Inanspruchnahme des Antragsgegners -- evtl. erst nach dessen Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben -- nicht mehr möglich sein werde.
3
Das FG wies den Antrag zurück. Grundsätzlich könne zwar ein ausgesetztes Verfahren nach Anhörung der Beteiligten jederzeit wieder aufgenommen werden, wenn nach der ergangenen Entscheidung neue Tatsachen entstanden seien, die eine andere Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts rechtfertigten. Die Aufnahme des Verfahrens stehe aber nicht zur Disposition der Beteiligten. Diese könnten zwar die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses wegen veränderter Tatsachenlage beantragen. Das Gericht müsse dem aber nicht folgen. Der Umstand, daß der Abschluß des Konkursverfahrens auf sich warten lasse, rechtfertige die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses nicht. Unerheblich sei, daß das FA die Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluß aus verwaltungsökonomischen Gründen nicht eingelegt habe. Die Sorge, daß der Antragsgegner später nicht mehr erfolgreich in Anspruch genommen werden könne, sei nicht konkretisiert worden. Das FA habe im übrigen in Gestalt des Haftungsbescheids einen Vollstreckungstitel, aufgrund dessen es jetzt schon Zahlungen verlangen könne. Würde das Verfahren antragsgemäß fortgesetzt werden, würde das FG möglicherweise die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen wegen Ermessensfehlgebrauchs aufheben. Dann hätte das FA nichts mehr in der Hand, was es sicherstellen könnte.
4
Mit seiner Beschwerde gegen diese Entscheidung des FG macht das FA geltend, das FG hätte das Verfahren nicht aussetzen dürfen, weil das über das Vermögen der KG verhängte Konkursverfahren für dieses Verfahren nicht i. S. des § 74 FGO vorgreiflich sei.
5
Die Vorentscheidung werde unter Bezugnahme auf den Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Dezember 1991 II B 112/91 (BFHE 166, 114, BStBl II 1992, 250) zu Unrecht darauf gestützt, daß nach Ergehen des Aussetzungsbeschlusses keine neuen Tatsachen "von auch nur einigem Gewicht" entstanden seien, die eine andere Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts rechtfertigen würden. Der vom BFH entschiedene Sachverhalt sei mit der im vorliegenden Verfahren zu treffenden Entscheidung nicht vergleichbar. Danach stehe die materielle Rechtskraft der Entscheidung nur der Zulässigkeit eines Antrags entgegen, der den gleichen Inhalt habe wie der, über den bereits rechtskräftig entschieden worden sei. Dem Wiederaufnahmeantrag des FA sei jedoch zu keinem Zeitpunkt ein Antrag gleichen Inhalts vorausgegangen, über den das FG bereits entschieden habe. Außerdem sei das FG nicht gehindert, auch ohne Vorliegen neuer Tat sachen von einigem Gewicht den Beschluß über die Aussetzung des Verfahrens nach § 155 FGO i. V. m. § 150 der Zivilprozeßordnung (ZPO) jederzeit wieder aufzuheben, wenn besondere Gründe für die Fortsetzung des Verfahrens sprächen. Die erst nachträglich bekannt gewordene nicht absehbare Dauer des Konkursverfahrens stelle einen solchen Grund dar.
6
Das FA beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Verfahren fortzusetzen.
7
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde des FA abzulehnen.
Entscheidungsgründe
8
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Einwendungen des FA gegen die Ablehnung seines Antrags auf Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses und Fortsetzung des Verfahrens durch das FG greifen nicht durch.
9
Nach § 150 ZPO, der gemäß § 155 FGO auch im finanzgerichtlichen Verfahren sinngemäß anzuwenden ist (vgl. Urteil des BFH vom 27. September 1990 I R 143/87, BFHE 162, 208, BStBl II 1991, 101), kann das FG die von ihm angeordnete Aussetzung des Verfahrens wieder aufheben. Dies kann auch auf Antrag eines Beteiligten hin geschehen. Wie die Aussetzung des Verfahrens ist aber auch die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses eine Ermessensentscheidung des FG, die vom BFH nur auf Ermessensfehler hin überprüft werden kann.
10
Der Senat vermag in der angefochtenen Vorentscheidung keinen Ermessensfehler zu erkennen.
11
Das FG beruft sich in seiner Entscheidung auf den Beschluß des BFH in BFHE 166, 114, BStBl II 1992, 250 über die materielle Rechtskraft eines Beschlusses im Verfahren der einstweiligen Anordnung. Die Grundsätze dieser Entscheidung sind zwar -- wie auch das FA ausgeführt hat -- im Streitfall nicht unmittelbar anwendbar, weil das FG noch nicht rechtskräftig über einen Antrag auf Aufhebung seines Aussetzungsbeschlusses entschieden hat. Im Rahmen seiner Ermessenserwägungen konnte das FG aber die Grundgedanken dieser Entscheidung durchaus zur Begründung der Ablehnung des Antrags des FA auf Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses und Fortsetzung des Verfahrens heranziehen.
12
Auch der Beschluß über die Aussetzung des Verfahrens ist ein Beschluß, der mit der Beschwerde nach § 128 Abs. 1 FGO angefochten werden kann. Die Beschwerde ist nach den Regeln des § 129 FGO einzulegen. Deshalb gilt auch für die Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluß die Beschwerdefrist von zwei Wochen nach § 129 Abs. 1 FGO. Ungeachtet der Möglichkeit, daß das FG den Aussetzungsbeschluß nach § 155 FGO i. V. m. § 150 ZPO aufheben kann, ist daher hinsichtlich des Beschlusses über die Aussetzung des Verfahrens zu beachten, daß er nach Ablauf der Zweiwochenfrist nicht mehr angefochten werden kann. Diesem Umstand muß das Gericht bei seiner Entscheidung aufgrund von § 155 FGO i. V. m. § 150 ZPO Rechnung tragen können, indem es die Bedenken des FA insoweit unberücksichtigt läßt, als das FA diese schon im Beschwerdewege gegen den Beschluß über die Aussetzung des Verfahrens hätte geltend machen können. Dürfte das FG das Vorbringen des FA insoweit nämlich nicht außer acht lassen, würde die Regelung des § 129 Abs. 1 FGO im Bezug auf den Beschluß über die Aussetzung des Verfahrens über den Weg eines Antrags auf Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses praktisch außer Kraft gesetzt werden. Das ist aber nicht im Sinne der Fristenregelung des § 129 Abs. 1 FGO, die einen zeitlich unbegrenzten Streit über vom FG bereits getroffene Entscheidungen ausschließen will.
13
Deshalb ist das FG in der angefochtenen Entscheidung zu Recht nicht mehr auf die von ihm bereits im Aussetzungsbeschluß entschiedene Frage eingegangen, ob -- wie das FA bestreitet -- das über das Vermögen der KG eröffnete Konkursverfahren für das vom FG ausgesetzte Klageverfahren i. S. des § 74 FGO vorgreiflich ist.
14
Soweit das FG die vom FA weiter geltend gemachten, erst nach Ergehen des Aussetzungsbeschlusses eingetretenen Gründe der nicht absehbaren Dauer des Konkursverfahrens und der Sorge wegen etwaiger Schwierigkeiten bei der späteren Inanspruchnahme des Antragsgegners für nicht so gewichtig hält, daß sie eine andere Sicht der Dinge als im Aussetzungsbeschluß rechtfertigen, vermag der Senat darin keinen Ermessensfehler des FG zu sehen.