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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Mutterschutz - Übertragung von Erholungsurlaub
Mutterschutz - Übertragung von Erholungsurlaub
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Neben Beschäftigungsverboten (Mutterschutz - Schutzvorschriften) nach dem Mutterschutzgesetz steht der Arbeitnehmerin grundsätzlich Erholungsurlaub zu (siehe aber Mutterschutz - Erholungsurlaub bei Beschäftigungsverboten). Dies gilt auch, wenn die Frau im laufenden Urlaubsjahr nur eine geringe Arbeitsleistung erbracht hat. Die Entstehung des Anspruchs auf Erholungsurlaub hängt allein vom rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ab, nicht aber von der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Erbringung von Arbeitsleistung. Daher wirken sich Ausfallzeiten aufgrund von mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten nicht auf den Urlaubsanspruch aus (BAG, 23.01.2018 – 9 AZR 200/17 und 15.12.2015 – 9 AZR 52/15). Allerdings können die Beschäftigungsverbote der tatsächlichen Gewährung von Urlaub entgegenstehen. Das Gleiche gilt für die Elternzeit. Einzelheiten können Sie den Beiträgen Mutterschutz - Urlaub und Elternzeit entnehmen. Der Beitrag informiert Sie über die Übertragungsmöglichkeiten von Urlaub, der durch den Mutterschutz nicht genommen werden konnte.
2. Übertragung von Urlaubsansprüchen
Nach § 24 Satz 2 MuSchG kann der Urlaub übertragen werden, wenn die Arbeitnehmerin ihn vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhalten hat. Voraussetzung ist lediglich, dass der Urlaub tatsächlich nicht gewährt wurde. Die Gründe dafür spielen keine Rolle. Der Resturlaub kann nach Ablauf der Beschäftigungsverbote im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beansprucht werden.
Beispiel 1:
Sachverhalt: Für die Arbeitnehmerin laufen die Schutzfristen nach §§ 3 Abs. 1 und 2 MuSchG vom 24.09.2023 bis zum 28.01.2024. Für 2023 besteht noch ein Anspruch auf Resturlaub von zehn Arbeitstagen. 2024 hat die Frau Anspruch auf den vollen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen.
Lösung: Der Resturlaub für 2023 kann bis zum 31.12.2025 genommen werden. Dagegen ist der Jahresurlaub 2024 nicht nach § 24 S. 2 MuSchG übertragbar, da der Anspruch hierauf nicht vor Beginn der Beschäftigungsverbote entstanden ist.
Beispiel 2:
Sachverhalt: Für die Arbeitnehmerin laufen die Schutzfristen nach § 3 Abs. 1 und 2 MuSchG vom 25.06. bis 29.10.2023. Für 2023 besteht bei Beginn des Mutterschutzes noch ein Resturlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen.
Lösung: Der Resturlaub kann nach dem 29.10.2023 im laufenden oder folgenden Jahr genommen werden, spätestens also bis zum 31.12.2024.
Beispiel 3:
Sachverhalt: Wie Beispiel 2, jedoch schließt sich an die Schutzfrist nach der Entbindung ab 30.10.2023 ein ärztliches Beschäftigungsverbot nach § 16 Abs. 2 MuSchG an, welches bis zum 09.01.2024 läuft.
Lösung: Die Übertragungsfrist für den Resturlaub 2023 beginnt mit dem Ende des letzten Beschäftigungsverbotes am 09.01.2024. Der Urlaub kann daher bis zum 31.12.2025 genommen werden.
Evtl. bereits erloschener Urlaubsanspruch (§ 7 Abs. 3 BUrlG) lebt durch die Regelung des § 24 S. 2 MuSchG nicht wieder auf (BAG, 15.12.2015). Dies gilt selbst dann, wenn die Zeit zwischen dem Beginn des Beschäftigungsverbots und dem 31.03. nicht ausgereicht hätte, um den Urlaub zu nehmen.
Für den Urlaub, der nach den Beschäftigungsverboten noch zusteht, muss der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachkommen: Der EuGH hat mit Blick auf Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG entschieden, dass der Urlaubsanspruch nicht nach § 7 Abs. 3 BurlG untergeht, wenn der Mitarbeiter keinen Urlaubsantrag gestellt hat, der Arbeitgeber seinerseits es aber unterlassen hat, ausdrücklich auf den drohenden Verfall hinzuweisen und es so dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, seinen Urlaub doch noch rechtzeitig zu nehmen (EuGH, 06.11.2018 - C 619/16 u. C 684/16). Dem hat sich das BAG angeschlossen – hinzuweisen ist förmlich auf den konkreten Resturlaubsanspruch und den Zeitpunkt des Verfalls; offen bleibt, bis wann der Arbeitnehmer darauf hinzuweisen ist (BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 541/15; 9 AZR 423/16 u. BAG, 26.05.2020 - 9 AZR 259/19). Der konkrete Hinweis des Arbeitgebers muss neben der taggenauen Angabe des Resturlaubs die Aufforderung enthalten, den Urlaub zu nehmen. Außerdem muss über das Erlöschen des Anspruchs mit Ablauf des Kalenderjahres aufgeklärt werden (BAG, 21.05.2019 – 9 AZR 259/18). Erfüllt der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht, ist der Urlaubsanspruch für das jeweilige Urlaubsjahr unabhängig vom Vorliegen eines Übertragungsgrundes regelmäßig nicht i.S.v. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG an das Urlaubsjahr gebunden.
3. Weitere Übertragung bei Elternzeit
§ 17 Abs. 2 BEEG ermöglicht eine Übertragung von Resturlaub, der bis zum Beginn der Elternzeit nicht genommen werden konnte. Der Urlaub ist dann nach Ende der Elternzeit im laufenden oder folgenden Urlaubsjahr zu gewähren. Diese Regelung gilt auch für Resturlaub, der bereits nach § 24 MuSchG übertragen wurde.
Beispiel 4:
Sachverhalt: Wie Beispiel 1, die Arbeitnehmerin nimmt jedoch ab 29.01.2024 Elternzeit bis zum 28.01.2025 in Anspruch.
Lösung: Der Resturlaub für 2023 und der Teilurlaub für 2024 (vgl. § 17 Abs. 1 BEEG) können bis zum 31.12.2026 genommen werden.
4. Zweite Elternzeit
Nach der Rechtsprechung (BAG, 20.05.2008 - 9 AZR 219/07) gebietet eine verfassungs- und europarechtskonforme Auslegung des § 17 Abs. 2 BEEG eine weitere Übertragung des Resturlaubs auch, wenn er nach Ende der ersten Elternzeit wegen einer weiteren Elternzeit nicht genommen werden kann. Dies wirkt sich auch auf bereits nach § 24 Satz 2 MuSchG übertragene Urlaubsansprüche aus.
Beispiel 5:
Sachverhalt: Die Schutzfristen der Arbeitnehmerin liefen vom 26.08. bis 02.12.2018. Anschließend nahm sie Elternzeit bis 07.10.2021. Ab 08.10.2021 schließt sich lückenlos wegen der Geburt ihres zweiten Kindes im Jahr 2021 eine weitere Elternzeit bis zum 18.08.2023 an.
Für das Jahr 2018 bestand noch ein Anspruch auf 24 Arbeitstage Resturlaub.
Lösung: Der Resturlaub 2018 kann bis zum 31.12.2024 genommen werden. Dagegen ist der Urlaub, der ihr für das Jahr 2023 für die Zeit nach dem Ende der Elternzeit zusteht, nicht nach § 17 Abs. 2 BEEG übertragbar.
5. Arbeitsunfähigkeit nach Mutterschutz bzw. Elternzeit
Nach § 24 Satz 2 MuSchG und gem. § 17 Abs. 2 BEEG kann die Arbeitnehmerin den vor Beginn der Beschäftigungsverbote/der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhaltenen Erholungsurlaub auch noch nach Ablauf der Verbote/der Elternzeit im laufenden Jahr oder im Folgejahr nehmen. Diese gesetzlichen Regelungen verlängern nicht den Übertragungszeitraum des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG bis zum Ablauf des nächsten auf die Beendigung der Beschäftigungsverbote/der Elternzeit folgenden Jahres. Sie dehnen vielmehr die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG von dem Urlaubsjahr, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, auf das nächste Kalenderjahr (Folgejahr) aus. Dieses ist dann das für das Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG maßgebliche Urlaubsjahr. Ist der Arbeitnehmer aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gehindert, seinen Urlaub in diesem Folgejahr zu nehmen, wird dieser nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG i.V.m. der Rechtsprechung des EuGH übertragen (BAG, 15.12.2015 – 9 AZR 52/15). Siehe hierzu auch Urlaub – Anspruch bei Arbeitsunfähigkeit.
6. Urlaubsabgeltung
Für den Fall, dass der Urlaub trotz der erweiterten Übertragungsmöglichkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann, enthält § 24 MuSchG keine Regelung. Eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 3 BEEG scheidet nach h. M. aus. Es gelten daher zumindest für den Mindesturlaub im i.S.d. § 3 Abs. 1 BUrlG die allgemeinen Vorschriften (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Für einen zusätzlichen Urlaubsanspruch aufgrund eines Tarifvertrages gelten dessen Regelungen. Sind dort keine Festlegungen getroffen, ist ebenfalls § 7 Abs. 4 BUrlG anzuwenden.
Im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH zum Urlaubsanspruch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (siehe z.B. EuGH, 20.01.2009 - Rs C 350/06, die Rechtsprechung des BAG und Urlaub - Anspruch bei Arbeitsunfähigkeit) muss davon ausgegangen werden, dass auch dann ein Anspruch auf Abgeltung besteht, wenn der Urlaub ausnahmsweise wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Übertragungszeitraums nach § 24 S. 2 MuSchG nicht genommen werden kann. Entstehen Bruchteile von Urlaubstagen von weniger als einen halben Urlaubstag, ist der Anspruch weder auf volle Urlaubstage auf- noch abzurunden, sofern nichts anderes durch Gesetz, Tarif- oder Arbeitsvertrag geregelt ist. Es verbleibt daher bei dem Anspruch auf den bruchteiligen Urlaubstag. § 5 Abs. 2 BUrlG schließt dies nicht aus (BAG, 23.01.2018 – 9 AZR 200/17). Nach der Rechtsprechung des BAG ist der Vorschrift im Umkehrschluss nur zu entnehmen, dass ein Urlaubsanspruch, der weniger als einen halben Tag umfasst, nicht aufzurunden ist, nicht aber, dass er ersatzlos entfällt (BAG, 14.02.1991 – 8 AZR 97/90 sowie 23.01.2018 a.a.O.).
Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist kein Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern ein reiner Entgeltanspruch, der verfallen kann und daher auch verwirkt sein kann. Einzelheiten siehe auch Urlaub – Ende des Arbeitsverhältnisses.