Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Die Inhalte des Bereichs „Fachwissen SV“ geben Ihnen kostenlos Auskunft zu allen Themen der Sozialversicherung. Sie sind ein exklusives Angebot für eingeloggte Nutzer.
Jetzt einloggen:
Sie sind noch nicht registriert?
Heimarbeit - Gleichstellung
Heimarbeit - Gleichstellung
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
- 5.
Information
1. Allgemeines
Der vom HAG gewährte Schutz von Personen, die zu Hause und von zu Hause aus arbeiten, ist oft nur unzureichend. Die HAG-Regeln lassen daher für bestimmte Personen oder Personengruppen eine Gleichstellung mit den in Heimarbeit Beschäftigten zu (s. dazu Gliederungspunkt 2.). Das unverzichtbare Kriterium für eine Gleichstellung ist allerdings die Schutzbedürftigkeit dieser Personen. Wer wirtschaftlich unabhängig und als Gewerbetreibender gut aufgestellt, ja vielleicht auf dem Absatzmarkt etabliert ist, braucht den besonderen Schutz des HAG in der Regel nicht. Die Wirkung der Gleichstellung wird durch § 1 Abs. 3 HAG geregelt (s. dazu Gliederungspunkt 4.).
Praxistipp:
Das Gleichstellungsverfahren kommt nicht allein durch den Antrag an den Heimarbeitsausschuss oder die zuständige Arbeitsbehörde in Gang. Es kann auch auf Veranlassung einer dieser beiden Stellen eingeleitet werden. Die Aufklärung des Sachverhalts erfolgt in jedem Fall von Amts wegen. Der Heimarbeitsausschuss bzw. die zuständige Arbeitsbehörde sind nicht an die Tatsachenschilderungen und Rechtsauffassungen der Betroffenen gebunden.
In Heimarbeit Beschäftigte sind Heimarbeiter (§ 2 Abs. 1 HAG) und Hausgewerbetreibende (§ 2 Abs. 2 HAG). Ihnen können u.a. Hausgewerbetreibende, die mit mehr als zwei fremden Hilfskräften oder Heimarbeitern arbeiten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 lit. b) HAG), und Zwischenmeister (§ 1 Abs. 2 Satz 1 lit. d) HAG) gleichgestellt werden. Für die Gleichstellung gibt es ein besonderes Verfahren, dessen Grundzüge in § 1 Abs. 3 bis Abs. 5 HAG hinterlegt sind (s. dazu Gliederungspunkt 3.). Weitere Vorschriften zum Gleichstellungsverfahren enthält die Erste Rechtsverordnung zur Durchführung des Heimarbeitsgesetzes - 1. HAGDV. Die Entscheidung trifft der Heimarbeitsausschuss (s. dazu die §§ 5 ff. 1. HAGDV) - mit Zustimmung der zuständigen Arbeitsbehörde. Um offene Fragen kümmert sich die Rechtsprechung (s. dazu Gliederungspunkt 5.).
2. Berechtigter Personenkreis
Den in Heimarbeit Beschäftigten - § 1 Abs. 1 HAG (s. dazu auch das Stichwort Heimarbeit - Beschäftigte) - können, wenn dies wegen ihrer Schutzwürdigkeit gerechtfertigt erscheint, gleichgestellt werden:
Personen, die in der Regel allein oder mit ihren Familienangehörigen (§ 2 Abs. 5 HAG) in eigener Wohnung oder selbst gewählter Betriebsstätte eine sich in regelmäßigen Arbeitsvorgängen wiederholende Arbeit im Auftrag eines anderen gegen Entgelt ausüben, ohne dass ihre Tätigkeit als gewerblich anzusehen oder dass der Auftraggeber ein Gewerbetreibender oder Zwischenmeister (§ 2 Abs. 3 HAG) ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 lit. a) HAG);
Hausgewerbetreibende, die mit mehr als zwei fremden Hilfskräften (§ 2 Abs. 6 HAG) oder Heimarbeitern (§ 2 Abs. 1 HAG) arbeiten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 lit. b) HAG);
andere im Lohnauftrag arbeitende Gewerbetreibende, die infolge ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit eine ähnliche Stellung wie Hausgewerbetreibende einnehmen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 lit. c) HAG);
Zwischenmeister (§ 1 Abs. 2 Satz 1 lit. d) HAG).
Die Feststellung der Schutzbedürftigkeit orientiert sich am Maß der wirtschaftlichen Abhängigkeit (§ 1 Abs. 2 Satz 2 HAG). Dabei sind insbesondere die
Zahl der fremden Hilfskräfte,
die Abhängigkeit von einem oder mehreren Auftraggebern,
die Möglichkeiten des unmittelbaren Zugangs zum Arbeitsmarkt,
die Höhe und Art der Eigeninvestitionen sowie
der Umsatz
zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 2 Satz 3 HAG).
Mit Rücksicht auf die weit reichenden Folgen einer Gleichstellung, insbesondere die erheblichen Eingriffe in die Vertragsfreiheit der betroffenen Personen, muss sichergestellt sein, dass keine Zweifel über die Anwendbarkeit der zwingenden Vorschriften des Heimarbeitsrechts auftreten. Eine Gleichstellung ist nach dem Willen des Gesetzgebers eher restriktiv zu handhaben. Es sollen nur die wirklich schutzbedürftigen Personen und Personengruppen erfasst werden (BAG, 08.03.1988 - 3 AZR 426/87).
3. Verfahren der Gleichstellung und ihre Wirkung
Die Gleichstellung erfolgt nach Anhörung der Beteiligten durch eine widerrufliche Entscheidung des zuständigen Heimarbeitsausschusses (§ 1 Abs. 4 Satz 1 HAG). Die Entscheidung ist vom Vorsitzenden des Heimarbeitsausschusses zu unterschreiben und bedarf
der Zustimmung der zuständigen Arbeitsbehörde und
der Veröffentlichung der von der Arbeitsbehörde bestimmten Stelle (§ 1 Abs. 4 Satz 2 HAG).
Wenn die Gleichstellungsentscheidung keinen anderen Zeitpunkt nennt, tritt sie am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft (§ 1 Abs. 4 Satz 3 HAG). Betrifft die Gleichstellung nur bestimmte einzelne Personen, kann die Veröffentlichung unterbleiben (§ 1 Abs. 4 Satz 4 Halbs. 1 HAG). In diesem Fall ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens in der Gleichstellung festzusetzen (§ 1 Abs. 4 Satz 4 Halbs. 2 HAG).
Die Rechtsnatur der Gleichstellung wird kontrovers beurteilt. Im Ergebnis wird man von Folgendem ausgehen können:
Die Gruppengleichstellung ist ein Akt der Rechtssetzung,
die Einzelgleichstellung ist ein mehrstufiger Verwaltungsakt.
Die Einzelgleichstellung bezieht sich nur auf einen ganz konkret Betroffenen, die Gruppengleichstellung auf eine nach abstrakten Merkmalen bestimmte Gruppe nicht individualisierter Personen. Die Einzelgleichstellung ist mit einer verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage angreifbar, die Gruppengleichstellung nicht. Die Betroffenen haben hier nur die Möglichkeit, die Gleichstellung inzidenter im Arbeitsgerichtsprozess auf den Prüfstein zu legen. Lehnt die zuständige Arbeitsbehörde eine Gleichstellung ab, steht zur Durchsetzung einer verwaltungsgerichtliche Verpflichtungsklage zur Verfügung.
Die weiteren Einzelheiten des Gleichstellungsverfahrens sind in der Ersten Rechtsverordnung zur Durchführung des Heimarbeitsgesetzes - 1. HAGDV - geregelt.
4. Die Wirkung der Gleichstellung
Die Gleichstellung erstreckt sich, wenn sie es selbst nicht anders regelt, nach § 1 Abs. 3 Satz 1 HAG auf
die allgemeinen Schutzvorschriften (§§ 6 - 9 HAG),
die Vorschriften über
die Entgeltregelung (§§ 17 bis 22 HAG),
den Entgeltschutz (§§ 23 bis 27 HAG) und
die Auskunftspflicht über Entgelte (§ 28 HAG).
Die Gleichstellung kann
auf einzelne dieser Vorschriften beschränkt oder
auf weitere Vorschriften des Gesetzes ausgedehnt
werden (§ 1 Abs. 3 Satz 2 HAG). Zudem kann sie für
bestimmte Personengruppen oder
Gewerbezweige oder
Beschäftigungsarten
allgemein oder räumlich begrenzt werden (§ 1 Abs. 3 Satz 3 HAG Halbs. 1 HAG). Zudem dürfen auch bestimmte einzelne Personen gleichgestellt werden (§ 1 Abs. 3 Satz 3 HAG Halbs. 2 HAG). Die Gleichstellung wirkt konstitutiv.
Besteht für einen Gewerbezweig oder eine Beschäftigungsart kein Heimarbeitsausschuss, entscheidet die zuständige Arbeitsbehörde nach Anhörung der Beteiligten über die Gleichstellung (§ 1 Abs. 5 Satz 1 HAG). Ihre Entscheidung ergeht unter Mitwirkung der zuständigen Gewerkschaften und Vereinigungen der Auftraggeber, soweit diese zur Mitwirkung bereit sind (§ 1 Abs. 5 Satz 2 HAG). Die Bestimmungen über die Veröffentlichung und das Inkrafttreten finden entsprechende Anwendung (§ 1 Abs. 5 Satz 1 HAG).
Gleichgestellte haben bei der Entgegennahme von Heimarbeit auf Befragen des Auftraggebers ihre Gleichstellung bekannt zu geben (§ 1 Abs. 6 HAG).
5. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Heimarbeit - Gleichstellung in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet vorgestellt:
5.1 Gleichstellungsanordnung
Ordnet der Heimarbeitsausschuss an, dass im Lohnauftrag arbeitende Gewerbetreibende den Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden gleichgestellt werden sollen, muss diese Anordnung den erfassten Personenkreis mit Rücksicht auf die weit reichenden Folgen der Gleichstellung eindeutig umschreiben. Prägend für die Entscheidung, welche Gewerbetreibenden gleichgestellt werden sollen, ist die nach den in § 1 Abs. 2 Satz 3 HAG aufgestellten Kriterien zu beurteilende soziale Schutzbedürftigkeit. Insoweit kann der Heimarbeitsausschuss die Gleichstellung auf natürliche Personen beschränken und Personengesellschaften - OHG und KG - von der Gleichstellung ausschließen (BAG, 08.03.1988 - 3 AZR 426/87).
5.2 Hinweispflicht
"Der Gleichgestellte kann ausnahmsweise nach § 242 BGB verpflichtet sein, den Auftraggeber ungefragt auf die Gleichstellung hinzuweisen. Verletzt er diese nur unter besonderen Umständen bestehende Offenbarungspflicht, so kann die Berufung auf die Gleichstellung unzulässige Rechtsausübung sein. Dieser Einwand ist nur bei besonders schweren Verstößen gegen die Grundsätze des redlichen Geschäftsverkehrs begründet, etwa wenn der Gleichgestellte durch seine Angaben über seinen Geschäftsbetrieb den Auftraggeber von Fragen nach einer eventuellen Gleichstellung abhält" (BAG, 19.01.1988 - 3 AZR 424/87 - 3. Leitsatz).
5.3 Mischbetriebe
"Eine Gleichstellung von Hausgewerbetreibenden nach § 1 Abs. 2 HAG, die auf bestimmte Tätigkeiten abstellt, gilt im Zweifel auch für Mischbetriebe, wenn die dort überwiegend ausgeführten Arbeiten, die dem Mischbetrieb das Gepräge geben, von der Gleichstellung erfasst werden" (BAG, 08.04.1986 - 3 AZR 489/84 - Leitsatz).