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BAG, 25.01.2000 - 3 AZR 871/98 - Versorgungswiderruf wegen wirtschaftlicher Notlage; Höhe eines Ruhegeldes; Bedeutung schützenswerter Bestandsschutzinteressen; Aufhebungsvertrag bezüglich der Berechnung eines Betriebrentenanspruchs
Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 25.01.2000, Az.: 3 AZR 871/98
Versorgungswiderruf wegen wirtschaftlicher Notlage; Höhe eines Ruhegeldes; Bedeutung schützenswerter Bestandsschutzinteressen; Aufhebungsvertrag bezüglich der Berechnung eines Betriebrentenanspruchs
Verfahrensgang:
vorgehend:
ArbG Köln - 11.12.1997 - AZ: 13 Ca 2196/97
LAG Köln - 22.09.1998 - AZ: 13 (4) Sa 198/98
BAG, 25.01.2000 - 3 AZR 871/98
Redaktioneller Leitsatz:
- 1.
Bei einer Kürzung von Betriebsrentenrechten wegen wirtschaftlicher Notlage handelt es sich um einen besonderen Fall einer Vertragsanpassung wegen nachträglicher Änderung der Geschäftsgrundlage. Sie bedarf einer förmlichen Widerrufserklärung des Versorgungsschuldners, die dem Versorgungsberechtigten auch zugehen muss. Bei der Widerrufserklärung handelt es sich nicht um eine rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärung im Rechtssinne, sondern um die Geltendmachung des Rechtsmißbrauchseinwandes, auf die gleichwohl die Regeln für die empfangsbedürftigen Willenserklärungen anzuwenden sind.
- 2.
Das Gewicht der schützenswerten Bestandsschutzinteressen hängt davon ab, inwieweit der Berechtigte auf den unveränderten Fortbestand der ihm erteilten Versorgungszusage vertrauen darf. Ein solches schützenswertes Vertrauen, das bei vorangegangenem treuwidrigen Verhalten regelmäßig nicht zu berücksichtigen ist, besteht grundsätzlich so lange und in dem Umfang, wie der Versorgungsschuldner seinen Anpassungswillen noch nicht eindeutig kund getan hat.
- 3.
Die in einem Aufhebungsvertrag getroffene Vereinbarung über die Berechnung des Betriebsrentenanspruchs bei vorzeitiger Inanspruchnahme nach § 6 BetrAVG haftet an einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ebenso wie an dem durch Verbleib im Betrieb erdienten Vollanspruch. Durch ein vorzeitiges Ausscheiden wird die sich hieraus ergebende Rechtsposition nicht inhaltlich verändert. Eine solche Berechnungsvereinbarung nimmt deshalb auch bei einem Versorgungsanwärter nach § 7 Abs. 2 BetrAVG am Insolvenzschutz teil.
- 4.
Bei einzelvertraglichen Versorgungszusagen ohne allgemeinen Widerrufs- oder Abänderungsvorbehalt wegen der im Betriebsrentenrecht bestehenden Besonderheiten entgegen der Grundwertung des § 279 BGB unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage grundsätzlich rechtlich möglich.
- 5.
Wegen der existentiellen Bedeutung der Altersversorgung muss ein Arbeitgeber, der Versorgungsleistungen versprochen hat, vor einem Widerruf seine Kräfte aufs äußerste anspannen, um eine Sanierung seines Unternehmens zu erreichen. Ein Widerruf kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Bestand des Unternehmens infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten ernsthaft gefährdet ist und wenn der Widerruf sich in ein umfassendes Sanierungskonzept einpasst.
- 6.
Ein Betriebsrentner oder ein Versorgungsanwärter muss im Hinblick auf die fortbestehende Verbundenheit mit dem Unternehmen, das ihn versorgt, und aus Solidarität mit den übrigen auf die Ertragsfähigkeit des Unternehmens angewiesenen Pensionäre und Arbeitnehmer seine Belange dann zurückstellen, wenn die Lebensfähigkeit des Unternehmens ohne ein solches Opfer gefährdet ist.
In dem Rechtsstreit
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke,
die Richter am Bundesarbeitsgericht Kremhelmer und Bepler,
die ehrenamtlichen Richter Dr. Schmidt und Schmitthenner
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. September 1998 - 13 (4) Sa 198/98 - aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Höhe des Ruhegeldes, das die Beklagte dem Kläger schuldet.
2
Der am 30. Juni 1935 geborene Kläger war vom 16. September 1960 bis zum 31. Dezember 1990 im Konzern der Beklagten beschäftigt, die früher als Klöckner-Humboldt-Deutz AG (KHD-AG) firmierte und die seine Arbeitgeberin war. Bei seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis war er als Abteilungsleiter im Motorenwerk M, einem Tochterunternehmen der Beklagten, eingesetzt.
3
Dem Kläger war eine Versorgungszusage nach der Leistungsordnung des Essener Verbandes (LO) in ihrer jeweils gültigen Fassung erteilt. Da er vor dem 1. Januar 1988 beim Essener Verband angemeldet worden war, galt für ihn die Leistungsordnung "A". Sie regelt in ihrem Teil I die Leistungen an Angestellte, die bis zum Eintritt des Leistungsfalles in einem Dienstverhältnis zu einem Mitglied des Essener Verbandes gestanden haben. Teil II legt die Leistungen fest, die Angestellten zustehen, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft vorzeitig ausgeschieden sind. Der Kläger war zuletzt in der Gruppe "G" der Leistungsordnung angemeldet.
4
Am 12. Dezember 1989/26. Januar 1990 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1990. Darin heißt es, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolge "auf Veranlassung der KHD-AG aus betrieblichen Gründen" gegen Zahlung einer Abfindung von 208.260,00 DM. Weiter bestimmt der Vertrag:
"4.
Der Werksrentenanspruch wird nach Eintritt des Versorgungsfalles entsprechend den geltenden Richtlinien für die Alters- und Hinterbliebenen-Versorgung und den gesetzlichen Vorschriften ermittelt, wobei wir für die Berechnung der Dienstjahre eine Beendigung des Dienstverhältnisses mit Vollendung des 63. Lebensjahres zugrunde legen werden. Tritt jedoch der Versorgungsfall vor dem 60. Lebensjahr ein, kann die Dienstzeit auch nur bis zu diesem Zeitpunkt angerechnet werden.5.
Wir weisen Sie darauf hin, daß Sie rechtzeitig vor Auslaufen des ALG-Bezuges unbedingt einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe stellen müssen, damit Sie vorgezogenes Altersruhegeld beanspruchen können (Rente mit 60). ..."
5
Von Mai 1991 bis zum 30. Juni 1995 war der Kläger als Berater auf Grund freier Dienstverträge weiter für die Beklagte tätig.
6
Mit Schreiben vom 28. Juni 1996, einem Freitag, wurde auf einem Schreiben mit dem Briefkopf der D Motor GmbH der Widerruf von Teilen der betrieblichen Altersversorgung erklärt. In diesem Schreiben heißt es ua.:
"Da Ihre Zusage Bestandteile (ua. Verzicht auf ratierliche Kürzung gem. § 2 BetrAVG und/oder Verzicht auf Abschläge gem. § 3 der LO EV) enthält, die nicht dem Schutz des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung unterliegen, sehen wir uns im Hinblick auf die wirtschaftliche Notlage bedauerlicher Weise gezwungen, diese Bestandteile zu widerrufen. Wir werden eine vorläufige Neuberechnung nach § 2 BetrAVG mit Stichtag zum 30.06.96 erstellen, die Ihnen umgehend zugeleitet wird."
7
Wann dieses Schreiben dem Kläger zugegangen ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.
8
Seit dem 1. Juli 1996 bezieht der Kläger Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Mit Schreiben vom 12. Juli 1996 errechnete der Essener Verband gegenüber der Betriebskrankenkasse der Beklagten noch einen Betriebsrentenanspruch des Klägers in Höhe von 1.488,00 DM. Unter dem 6. August 1996 legte die Beklagte dem Kläger dann eine Neuberechnung des Essener Verbandes vom 2. August 1996 vor, wonach die Rente nur 1.027,60 DM betrage. Dabei wird ein Gruppenbetrag von 3.000,00 DM zugrunde gelegt. Der Unverfallbarkeitsfaktor wird anhand einer Beschäftigungszeit des Klägers bis zum 30. Juni 1996 im Verhältnis zu einer möglichen Beschäftigungszeit bis zum 30. Juni 2000 mit 430/478 (= 0,900) ermittelt. Der sich daraus ergebende Betriebsrentenanspruch wird im Hinblick auf dessen um 48 Monate vorgezogene Inanspruchnahme um 24 % gekürzt.
9
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war der KHD-Konzern zum Zeitpunkt des Widerrufs offensichtlich überschuldet. Ende Mai 1996 war bekannt geworden, daß auf Grund von Bilanzmanipulationen bei der Tochtergesellschaft H AG Verluste von ca. 779 Millionen DM im Auslandsgeschäft entstanden waren, die im KHD-Konzern ausgeglichen werden mußten. Es hatte sich herausgestellt, daß zusammen mit weiteren Verlusten im gesamten KHD-Konzern für 1995 ein Jahresfehlbetrag von 1.134 Mio. DM bestand. Innerhalb weniger Tage wurde von der Konzernleitung ein Sanierungskonzept erstellt, zu dem zwei Wirtschaftsberatungsfirmen am 4. Juni 1996 Stellung nahmen. Der Pensions-Sicherungs-Verein VVaG (PSV) verpflichtete sich in einer Vereinbarung vom 14. Juni 1996 auf Grund eines Antrages vom 10. Juni 1996 dazu, für die Zeit vom 1. Juni 1996 bis zum 1. Juni 2001 die Erfüllung der laufenden insolvenzgeschützten Versorgungszusagen zu übernehmen. Die Einstandspflicht des PSV wurde dabei auf insgesamt 199.980.000,00 DM begrenzt. Zugleich wurde dem PSV ein sog. "Besserungsschein" erteilt, wonach die gezahlten Beträge unter bestimmten Voraussetzungen teilweise wieder zurückzuerstatten sind. Die Zusage des PSV sollte nur wirksam werden unter der Bedingung, daß weitere Sanierungsbeiträge erbracht würden. Entsprechend dem vereinbarten Sanierungsplan beteiligte sich die Deutsche Bank, die Hauptaktionärin der Beklagten, mit einem Sanierungsbeitrag in Höhe von 550 Mio. DM. Sonstige Banken trugen mindestens 35 Mio. DM, Gebietskörperschaften 187 Mio. DM, sonstige Gläubiger 6 Mio. DM und die Arbeitnehmer insgesamt rund 100 Mio. DM bei. Dabei verzichtete die aktive Belegschaft unter Mitwirkung von Gewerkschaft und Betriebsrat auf Vergütungsbestandteile. Befristet bis zum 31. Dezember 1997 wurde eine höhere Arbeitszeit ohne Lohnausgleich vereinbart. Das bisherige betriebliche Versorgungswerk wurde durch Betriebsvereinbarung geschlossen. Danach sollten bis zum 30. Juni 1996 alle verfallbaren Anwartschaften iSd. § 1 BetrAVG entfallen, unverfallbare Anwartschaften zum 30. Juni 1996 nach § 2 BetrAVG der Höhe nach ermittelt und ihr weiteres Anwachsen ausgeschlossen werden. Durch die deshalb mögliche Auflösung von Bilanzrückstellungen für die zukünftige Renten ergaben sich Entlastungen in Höhe von ca. 45 Mio. DM. Schließlich wurde durch den Verkauf von Firmengrundstücken ein Sanierungsbeitrag von rund 150 Mio. DM erbracht.
10
Die Gruppenendbeträge der Gruppe "G" des Essener Verbandes sind seit 1995 mehrfach erhöht worden. Das Protokoll über die Sitzung des Vorstandes des Essener Verbandes vom 16. Januar 1995 enthält ua. die folgende Passage:
"Der Beschluß einer Gruppenbetrags-Erhöhung ab 01.01.1995 um 3 % bindet Mitglieds-Unternehmen nicht, wenn und soweit deren schwierige wirtschaftliche Situation eine derartige Erhöhung nicht zuläßt."
11
Eine entsprechende Klausel ist mit Wirkung vom 1. Januar 1997 in § 5 Abs. 1 der Satzung des Essener Verbandes aufgenommen worden.
12
Der Kläger hält die von der Beklagten vorgenommene Betriebsrentenberechnung aus mehreren Gründen für unrichtig: Die Aufhebungsvereinbarung sei so auszulegen, daß ihm Leistungen nach Teil I LO zustünden. Nach § 6 Abs. 1 b der LO idF vom 1. Januar 1992 sei ihm dies nach 29 anrechnungsfähigen Dienstjahren selbst bei einer betriebsbedingten Kündigung sicher gewesen. Die Aufhebungsvereinbarung habe seine Altersversorgung aber verbessern, nicht verschlechtern sollen. Es sei damit für die Berechnung seines Versorgungsanspruchs auch über das Jahr 1994 hinaus der jeweils gültige Gruppenbetrag und nicht der bei seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geltende zugrunde zu legen.
13
Erstmals in der Berufungsbegründung hat der Kläger den Standpunkt eingenommen, der teilweise Widerruf der Versorgungszusage vom 28. Juni 1996 sei schon deshalb unwirksam, weil die D Motor GmbH, die nie seine Arbeitgeberin gewesen sei, dazu nicht berechtigt gewesen sei. Sie habe auch nicht zum Ausdruck gebracht, für die Beklagte handeln zu wollen. Ebenfalls erstmals in der Berufungsinstanz hat der Kläger vorgetragen, das Widerrufsschreiben sei ihm erst am 1. Juli 1996 zugegangen, als er bereits Rente bezogen habe, und schon deshalb unwirksam.
14
Der Kläger hat schließlich geltend gemacht, der Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage sei auch materiell nicht berechtigt gewesen. Eine wirtschaftliche Notlage im Konzern sei nicht durch Sachverständigengutachten nachgewiesen. Ferner fehle es an einem ausgewogenen Sanierungsplan. Auch sei der PSV nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Der Widerruf sei ihm gegenüber auch treuwidrig; er beziehe nur auf Veranlassung der Beklagten entgegen der Aufhebungsvereinbarung erst mit Vollendung seines 61. Lebensjahres Rente. Hätte er sie bereits mit 60 Jahren in Anspruch genommen, wäre ein Widerruf nicht mehr möglich gewesen.
15
Der Kläger hat zuletzt einen Gruppenbetrag von 3.175,00 DM zugrunde gelegt, von dem er die Hälfte der vom Essener Verband festgestellten hypothetischen Rentenversicherungsleistungen in Höhe von 1.497,80 DM abgezogen sowie einen versicherungsmathematischen Abschlag von 12 % vorgenommen hat. Ihm stehe danach eine monatliche Betriebsrente von 1.475,94 DM statt der gezahlten 1.027,60 DM zu. Er hat zuletzt sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit von Juli 1996 bis einschließlich Juni 1997 Betriebsrente über die gezahlte Rente hinaus in Höhe von 12 × 448,34 DM = 5.380,08 DM brutto nebst Zinsen zu zahlen.
16
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
17
Sie hat die Auffassung vertreten, der Leistungsanspruch des Klägers sei nach Teil II der Leistungsordnung zu errechnen. Danach nehme der Kläger an der Dynamik der Gruppenbeträge seit seinem vorzeitigen Ausscheiden nicht mehr teil. Im übrigen müsse sie Steigerungen der Gruppenbeträge entsprechend der Beschlußlage des Vorstandes des Essener Verbandes zumindest ab dem 1. Januar 1995 nicht mehr weitergeben. Eine schlechte wirtschaftliche Lage habe bereits zum damaligen Zeitpunkt bestanden. Jedenfalls entfalle die weitere Steigerung der Gruppenbeträge seit dem Widerruf vom 28. Juni 1996, der dem Kläger vor dem 1. Juli 1996 zugegangen sei. Daß der Widerruf durch die D Motor GmbH erklärt worden sei, beruhe darauf, daß der Kläger ursprünglich in einem Bereich gearbeitet habe, der 1992 auf die D Motor GmbH übergegangen sei. Konzernintern habe diese die Personalverwaltung auch für die ausgeschiedenen Mitarbeiter übernommen. In dem Widerrufsschreiben sei aber ausreichend auf die Lage im ganzen Konzern eingegangen; im übrigen habe die Beklagte den Widerruf auch stillschweigend genehmigt. Dem Kläger sei auch klar gewesen, daß die D Motor GmbH für die Beklagte gehandelt habe. Dies ergebe sich schon daraus, daß der Kläger sofort Klage gegen die D AG erhoben habe.
18
Mit dem Widerruf habe sie, die Beklagte, die unverfallbaren Teile der Versorgungszusage widerrufen. Dies seien die laufenden Steigerungen der Gruppenbeträge, der Verzicht auf eine zeitratierliche Kürzung und auf einen größeren versicherungsmathematischen Abschlag als 12 % gewesen.
19
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr im wesentlichen stattgegeben. Es hat für den Kläger einen Rentenanspruch in Höhe von monatlich 1.463,40 DM ermittelt und im Hinblick darauf aufgelaufene Rückstände von 5.229,60 DM nebst Zinsen zuerkannt. Die Beklagte strebt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des Urteils erster Instanz an.
Entscheidungsgründe
20
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann noch nicht abschließend entschieden werden, wie hoch der Betriebsrentenanspruch des Klägers ist. Es bedarf weiterer Sachaufklärung. Der Rechtsstreit muß deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
21
I.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht allerdings zu Recht angenommen, daß nach den Bestimmungen der Leistungsordnung des Essener Verbandes und nach dem Aufhebungsvertrag für die Berechnung des betrieblichen Versorgungsanspruchs des Klägers der jeweils geltende Gruppenbetrag der Gruppe "G" der Leistungsordnung des Essener Verbandes zugrunde zu legen ist. Es kommt nicht ausschließlich auf den Gruppenbetrag zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers am 31. Dezember 1990 an, den die Beklagte bei der Berechnung des Anwartschaftswertes zugrunde gelegt hat. Dem Kläger war insoweit eine Versorgung nach Maßgabe des Teils I der Leistungsordnung "A" des Essener Verbandes zugesagt.
22
1.
Die Leistungsordnung "A" regelt in ihrem Teil I die Ansprüche solcher Arbeitnehmer, die unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis in den Ruhestand wechseln. Sie erhalten Ruhegeld nach den jeweils geltenden Gruppenbeträgen in Höhe eines sich aus der Zahl der Dienstjahre ergebenden Prozentsatzes. Teil II regelt demgegenüber die Leistungsansprüche für Arbeitnehmer, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft vorzeitig ausgeschieden sind, und zwar im wesentlichen entsprechend § 2 BetrAVG. Teil I § 6 der Leistungsordnung in der bei Abschluß des Aufhebungsvertrages geltenden Fassung sah vor, daß bei arbeitgeberseitiger Kündigung eines Arbeitnehmers, der keinen Grund zu einer fristlosen Entlassung gesetzt, das 50. Lebensjahr vollendet und mindestens zehn Dienstjahre ununterbrochen zurückgelegt hatte, neben einem Übergangsgeld "nach Vollendung des 65. Lebensjahres die volle jeweils in Betracht kommende Leistung auf der Grundlage der mit dem Ablauf der Kündigungsfrist zu berücksichtigenden Dienstjahre" zu gewähren sei. In diesem Falle sollte dem Arbeitnehmer also auch die Dynamik der Gruppenbeträge des Essener Verbandes zugute kommen.
23
2.
Es spricht einiges dafür, daß der Kläger schon auf Grund von § 6 der vertraglich in Bezug genommenen Leistungsordnung einen Anspruch auf Teilnahme an der Dynamik der Gruppenbeträge über den Zeitpunkt seines Ausscheidens bei der Beklagten hinaus erworben hat. Die Bestimmung erstreckt sich nach ihrem Wortlaut zwar nicht auch auf Aufhebungsverträge. Zweck der Regelung war aber ein verstärkter sozialer Schutz für ältere Arbeitnehmer, die nach entsprechender Betriebstreue durch eine vom Arbeitgeber veranlaßte Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine wesentlichen Nachteile mehr in der betrieblichen Altersversorgung erleiden sollten. Dieser Regelungszweck ist von der im Einzelfall gewählten Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls dann unabhängig, wenn wie im Falle des Klägers feststeht, daß der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers aus betrieblichen Gründen ausgeschieden ist.
24
Ob angesichts dessen eine erweiternde Auslegung von § 6 aF der Leistungsordnung geboten ist, kann vorliegend dahinstehen. Das Landesarbeitsgericht hat den Aufhebungsvertrag vom 26. Januar 1990 in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahin ausgelegt, daß durch Nr. 4 der Vereinbarung ein Versorgungsanspruch zugesagt wurde, der entsprechend des Teils I der Leistungsordnung an der Dynamik der Gruppenbeträge teilnimmt. Dies gilt auch dann, wenn man zugunsten der Beklagten annimmt, es handele sich um die Auslegung einer typischen Vertragsklausel, die in der Revisionsinstanz uneingeschränkt zu überprüfen ist.
25
Die vertragliche Regelung sieht eine Berechnung des Versorgungsanspruchs erst "nach Eintritt des Versorgungsfalles" vor. Diese von der zwingenden Regelung des § 2 Abs. 6 BetrAVG abweichende Festlegung spricht dafür, daß dem Kläger anders als nach dem Maßstab des § 2 Abs. 5 BetrAVG grundsätzlich auch Veränderungen der Berechnungsgrundlagen bis zum Versorgungsfall zugute kommen sollten. Dies gilt um so mehr, als der Kläger nach der vom Landesarbeitsgericht zutreffend gewerteten Zusage im Aufhebungsvertrag insgesamt so gestellt werden sollte, als sei er bis zur Vollendung seines 63. Lebensjahres im Betrieb verblieben und anschließend in den vorgezogenen gesetzlichen Ruhestand gewechselt. Ein solcher tatsächlicher Geschehensablauf hätte aber eine Anwendung des Teils I der Leistungsordnung des Essener Verbandes zur Folge gehabt. Dabei sollte der Kläger sogar dadurch noch erheblich besser gestellt werden, daß er die auf ein Erreichen des vollendeten 63. Lebensjahres im Betrieb berechnete Betriebsrente nach Nr. 8 der Vereinbarung bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres ohne weitere Kürzung sollte in Anspruch nehmen können. Auf diese Weise wurde der in § 3 Nr. 7 der Leistungsordnung für einen solchen Fall vorgesehene versicherungsmathematische Abschlag von 0,5 % für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme auf 12 % begrenzt. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch gegen Denkgesetze verstoßen, daß es ergänzend auf die Interessenlage bei Abschluß des Aufhebungsvertrages abgestellt hat. Es hat lediglich angenommen, ein Arbeitnehmer, dem selbst bei einer betriebsbedingten Kündigung auf Grund seines Alters und der bisher zurückgelegten Dienstjahre nach § 6 aF der Leistungsordnung ein dynamisierter Versorgungsanspruch sicher sei, werde sich in Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag nicht auf eine Verschlechterung dieser Rechtsposition einlassen. Das entspricht der Lebenserfahrung. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn diese Wertung zur Unterstützung des aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der Versorgungszusage im Rahmen des Aufhebungsvertrages gewonnenen Auslegungsergebnisses herangezogen wird.
26
3.
Die Versorgungsanwartschaft des Klägers entwickelte sich auf Grund der im Aufhebungsvertrag getroffenen Vereinbarung in der Zeit seit seinem Ausscheiden am 31. Dezember 1990 zumindest bis zum 30. Juni 1996 entsprechend der Entwicklung des Gruppenbetrages der Gruppe "G" der Leistungsordnung des Essener Verbandes weiter. Der Hinweis im Protokoll der Vorstandssitzung des Essener Verbandes vom 16. Januar 1995, wonach der Beschluß einer Gruppenbetrags-Erhöhung ab 1. Januar 1995 Mitgliedsunternehmen nicht binde, wenn und soweit deren schwierige wirtschaftliche Situation eine derartige Erhöhung nicht zulasse, hat die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerinnen nicht von der Pflicht befreit, die seit 1995 eingetretenen Gruppenbetragserhöhungen zu berücksichtigen.
27
a)
Es spricht viel dafür, daß es sich bei der zitierten, nicht als Beschluß gekennzeichneten Textpassage nicht um einen satzungsmäßigen Beschluß des Vorstandes des Essener Verbandes handelt, durch den die Mitgliedsunternehmen unabhängig vom Vorliegen der satzungsmäßigen Voraussetzungen zu einem Abweichen von den einheitlich festgelegten Gruppenbeträgen ermächtigt werden sollten. Die Formulierung findet sich räumlich und inhaltlich getrennt von der förmlich beschlossenen Gruppenbetragserhöhung und dem weiteren Beschluß zur Anrechnung der Rentenerhöhungen in den Jahren 1993 und 1994.
28
b)
Das kann letztlich dahinstehen. Selbst wenn man von einem förmlichen Vorstandsbeschluß des Essener Verbandes ausgeht, ändert dies nichts am Ergebnis. Ein solcher Vorstandsbeschluß wäre unwirksam, weil er satzungswidrig ist. Nach § 3 der Satzung hat der Verband die Aufgabe, die Leistungsordnung und die Zahlbeträge der laufenden Leistungen zu überprüfen und ggf. anzupassen. Es ist gerade der Zweck des Verbandes, unabhängig von der wirtschaftlichen Lage der einzelnen Mitgliedsunternehmen die Leistungen für Betriebsrentenempfänger zu vereinheitlichen. Die Leistungsordnung hat auf diese Weise eine einem Tarifvertrag ähnliche Ordnungsfunktion. Dieser satzungsmäßige Zweck des Essener Verbandes, die Ruhegeldregelungen für gehobene Angestellte unternehmensübergreifend zu vereinheitlichen, würde grundlegend in Frage gestellt, wenn es dem einzelnen Unternehmen freigestellt werden könnte, auf Grund wirtschaftlicher Überlegungen Vorstandsbeschlüsse anzuwenden oder dies zu unterlassen. Dies ginge in der Wirkung weit über die vom Senat für wirksam gehaltenen Vorstandsbeschlüsse hinaus, durch die Gruppenbetragserhöhungen getrennt für verschiedene im Verband zusammengeschlossene Branchen vorgenommen wurden (Senat 27. August 1996 - 3 AZR 466/95 - BAGE 84, 38 [BAG 27.08.1996 - 3 AZR 466/95]).
29
Eine solche Satzung und Richtlinien widersprechende Beschlußfassung des Vorstandes des Essener Verbandes müßte der Kläger nicht hinnehmen. Ihm ist Versorgung nach Maßgabe der allgemein beim Essener Verband geltenden Regelungen zugesagt.
30
c)
Die Unwirksamkeit eines etwaigen Vorstandsbeschlusses über die Ermächtigung für einzelne Mitgliedsunternehmen, unabhängig von der Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen die Gruppenbetragserhöhungen nicht weiterzugeben, führte entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entsprechend § 139 BGB zu einer Unwirksamkeit der Beschlüsse des Verbandes vom 16. Januar 1995 im übrigen.
31
Unabhängig davon, ob § 139 BGB auf die Beschlüsse des Essener Verbandes überhaupt anwendbar ist, scheidet eine Anwendung jedenfalls für den vorliegenden Fall aus. Ersichtlich hat der Vorstand des Essener Verbandes, nachdem zwei Jahre lang jede Erhöhung der Gruppenbeträge unterblieben war, grundsätzlich beschlossen, die Gruppenbeträge wie vorgeschlagen zu erhöhen. Mit der von der Beklagten angesprochenen Erklärung im Protokoll vom 16. Januar 1995 hat er allenfalls eine Ausnahme von dieser Regel eröffnen wollen. Angesichts dessen ist davon auszugehen, daß der Vorstand die Gruppenbeträge auch dann wie geschehen maßvoll erhöht hätte, wenn er gewußt hätte, daß die von ihm getroffene Ausnahmeregelung die Mitgliedsunternehmen nicht über die allgemein eröffneten Widerrufsmöglichkeiten hinaus wirksam zu abweichendem Verhalten ermächtigen konnte.
32
II.
Es steht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts noch nicht fest, daß die Beklagte die Erhöhungen des Gruppenbetrages über den 30. Juni 1996 hinaus berücksichtigen muß, und daß der Versorgungsanspruch, den die Beklagte dem Kläger am 26. Januar 1990 zugesagt hat, ihm auch tatsächlich ungekürzt zusteht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann noch nicht entschieden werden, ob der unter dem 28. Juni 1996 erklärte Teilwiderruf der Versorgungszusage zum 30. Juni 1996 dem Kläger gegenüber unwirksam war.
33
1.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann die Unwirksamkeit des Widerrufs nicht daraus hergeleitet werden, daß er nicht von der früheren Arbeitgeberin des Klägers, der Beklagten, sondern von der D Motor GmbH erklärt worden ist.
34
a)
Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß es sich bei einer Kürzung von Betriebsrentenrechten wegen wirtschaftlicher Notlage um einen besonderen Fall einer Vertragsanpassung wegen nachträglicher Änderung der Geschäftsgrundlage handelt. Auf Grund der Besonderheiten im Betriebsrentenrecht tritt diese Vertragsanpassung jedoch nicht kraft Gesetzes ein. Es bedarf einer förmlichen Widerrufserklärung des Versorgungsschuldners, die dem Versorgungsberechtigten auch zugehen muß. Bei der Widerrufserklärung handelt es sich zwar nicht um eine rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärung im Rechtssinne, sondern um die Geltendmachung des Rechtsmißbrauchseinwandes (BGH 13. Dezember 1994 - II ZR 152/98 - AP BetrAVG § 7 Widerruf Nr. 22). Auf sie sind aber die Regeln für empfangsbedürftige Willenserklärungen entsprechend anzuwenden, soweit es um einen Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage und nicht wegen treuwidrigen Verhaltens des Versorgungsanwärters oder Rentners geht; nur für die letztgenannte Fallgestaltung hat der Bundesgerichtshof eine Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen für Willenserklärungen abgelehnt. Bei einem Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage, der nicht notwendig den gesamten Anspruch betreffen muß, kommt es stets auch darauf an, die Bestandsschutzinteressen der Versorgungsempfänger oder Versorgungsanwärter und die Sanierungsbedürfnisse des Versorgungsschuldners gegeneinander abzuwägen. Das Gewicht der schützenswerten Bestandsschutzinteressen hängt dabei davon ab, inwieweit der Berechtigte auf den unveränderten Fortbestand der ihm erteilten Versorgungszusage vertrauen darf. Ein solches schützenswertes Vertrauen, das bei vorangegangenem treuwidrigen Verhalten regelmäßig nicht zu berücksichtigen ist, besteht grundsätzlich so lange und in dem Umfang, wie der Versorgungsschuldner seinen Anpassungswillen noch nicht eindeutig kund getan hat. Vom Zeitpunkt des Zugangs einer Widerrufserklärung des Versorgungsschuldners an ist dieses schützenswerte Vertrauen geringer. Bis dahin entstandene Versorgungsbesitzstände genießen einen höheren Schutz als solche, die erst in der Folgezeit entstehen sollten (im Ergebnis ebenso Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. Einleitung Rn. 545; Höfer BetrAVG 3. Aufl. Stand Januar 1999 ART Rn. 349).
35
36
Die D Motor GmbH war durch die Beklagte ermächtigt, für sie gegenüber dem Kläger den Teilwiderruf der Versorgungszusage zu erklären. Der Kläger hat das Vorbringen der Beklagten nicht in Frage gestellt, wonach die D Motor GmbH im Jahre 1992 konzernintern, also auf Veranlassung des beklagten herrschenden Unternehmens, die Personalverwaltung für Arbeitnehmer wie den Kläger übernommen hatte. Zur Personalverwaltung gehörte auch die Abgabe von konzernweit veranlaßten Erklärungen, welche arbeitsvertragliche Versorgungsansprüche des Klägers betrafen.
37
Die D Motor GmbH ist bei Abgabe der Widerrufserklärung zwar nicht ausdrücklich im Namen der Beklagten aufgetreten. Der bis Mitte 1995 als Berater im KHD-Konzern tätige Kläger hat jedoch erkannt, daß diese Erklärung für die Beklagte abgegeben worden ist. Hieran bleibt er gebunden. Er hat mit seiner am 7. März 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift geltend gemacht, die Beklagte habe dem Kläger den Widerruf der Versorgungszusage mit dem unter dem Briefkopf der D Motor GmbH erstellten Schreiben vom 28. Januar 1996 mitgeteilt. Zu diesem Widerruf sei die Beklagte dem Kläger gegenüber nicht berechtigt gewesen. Diese Ausführungen in der Klageschrift hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, was die Beklagte zutreffend gerügt hat. Aus ihnen ergibt sich, daß der Kläger die Klage nicht nur gegen die Beklagte gerichtet hat, weil sie seine letzte Arbeitgeberin war und weil die D Motor GmbH zwischenzeitlich mit der Beklagten verschmolzen worden war. Er hat die Beklagte als diejenige angesehen, für die seine Versorgungszusage widerrufen worden war. Dies schließt den Erfolg seiner erstmals in zweiter Instanz erhobenen Rüge aus, der Widerruf stamme nicht von der Beklagten als seiner Versorgungsschuldnerin.
38
2.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Der Teilwiderruf wegen wirtschaftlicher Notlage ist weder deshalb von vornherein unwirksam, weil er Versorgungspositionen des Klägers betreffen soll, die ihm im Rahmen des am 26. Januar 1990 zustande gekommenen Aufhebungsvertrages gemacht worden sind, noch deshalb, weil der Kläger ohne die mit der Beklagten vereinbarten Tätigkeiten als freier Dienstnehmer bereits 1995 vorgezogene gesetzliche Rente und Betriebsrente bezogen hätte.
39
a)
Die dem Kläger im Aufhebungsvertrag zugesagten und durch das Schreiben vom 28. Juni 1996 widerrufenen Versorgungspositionen standen entgegen der Auffassung des Klägers nicht derart im Austauschverhältnis des Aufhebungsvertrages, daß hierdurch ein auf diesen Teil des Aufhebungsvertrages beschränkter Widerruf ausgeschlossen wäre. Durch die Vereinbarung in Nr. 4 des Aufhebungsvertrages wurde die ursprüngliche Versorgungszusage zwar erheblich verbessert. Dabei hielt sich die Zusage jedoch im Rahmen der ursprünglichen Zusage, die mit Hilfe der Anerkennung von Zurechnungszeiten der Höhe nach verbessert wurde. Es wurde aber nicht vereinbart, daß der Kläger besser stehen sollte, als wäre er tatsächlich bis zum Ablauf der Zurechnungszeit im Betrieb verbleiben und dann in den Ruhestand gewechselt. In diesem Falle wäre er aber ebenfalls einem Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage ausgesetzt gewesen, was sich schon aus dem entsprechenden Widerrufsvorbehalt in § 18 Buchst. c der weiterhin dem Grunde nach maßgeblichen Leistungsordnung "A" des Essener Verbandes ergibt.
40
b)
Der Widerruf ist auch nicht deshalb treuwidrig, weil der Kläger nur auf Veranlassung der Beklagten entgegen der Aufhebungsvereinbarung erst mit Vollendung seines 61. Lebensjahres Rente bezogen hätte. Es war die freie Entscheidung des Klägers, nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis wieder eine entgeltliche, freiberufliche Beratertätigkeit bei der Beklagten aufzunehmen, durch die der Zeitpunkt des vorzeitigen Rentenbezugs hinausgeschoben wurde. Die sich daraus möglicherweise ergebenden nachteiligen Rechtsfolgen für seine Versorgungsituation muß der Kläger hinnehmen.
41
3.
Der Widerruf kann aber gleichwohl von vornherein unwirksam sein, wenn er dem Kläger erst am 1. Juli 1996 zugegangen ist, wie der Kläger in der Berufungsinstanz behauptet hat. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht noch keine Feststellung getroffen. Dies wird es nachzuholen haben.
42
a)
Am 1. Juli 1996 war der Kläger Rentner und hatte Anspruch auf die ihm versprochene Betriebsrente, deren Bezug ab Inanspruchnahme der vorgezogenen gesetzlichen Rente bereits in Nrn. 4 und 5 des Aufhebungsvertrages vereinbart worden war. Durch einen ihm an diesem Tag zugehenden Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage hätte deshalb nur noch in einen bereits entstandenen Versorgungsanspruch eingegriffen werden können. Dies wollte die Beklagte aber nicht, wie sich aus ihrem Widerrufsschreiben ergibt. Es ging ihr nur darum, die Bestandteile der Versorgungsposition des Klägers zu widerrufen, "die nicht dem Schutz des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung unterliegen". Der Widerruf betraf mithin nur die noch verfallbaren, nicht insolvenzgeschützten Versorgungsrechte. Hierzu gehören bereits entstandene und fällige Betriebsrentenansprüche nicht, die nach § 7 Abs. 1 BetrAVG in vollem Umfang insolvenzgeschützt sind. Im übrigen hätte der Widerruf eines insolvenzgeschützten Betriebsrentenanspruchs wegen wirtschaftlicher Notlage im Jahre 1996 die vorherige Zustimmung des PSV erfordert (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 iVm. Satz 4 BetrAVG aF). Eine solche Zustimmung liegt jedoch nicht vor. Der PSV hat lediglich verlangt, daß die Beklagte die nicht insolvenzgeschützten Versorgungsbesitzstände widerrufen sollte. Eine weitergehende Zustimmung fehlt.
43
b)
Sollte das Landesarbeitsgericht deshalb feststellen, daß der Widerruf dem Kläger erst nach dem 30. Juni 1996, als Rentner, zugegangen ist, wäre die Klage ohne weiteres begründet, soweit sie noch rechtshängig ist.
44
Dabei weist der Senat im Anschluß an die Ausführungen des Klägers darauf hin, daß der Kläger bisher weder in erster noch in zweiter Instanz schriftsätzlich erklärt hat, er habe das Widerrufsschreiben am 28. Juni 1996 erhalten. Die Beklagte verweist insoweit zu Unrecht auf die Schriftsätze des Klägers vom 15. September 1997 und 1. April 1998. Dort ist jeweils nur von einem Widerruf vom 28. Juni 1996 oder davon die Rede, am 28. Juni 1996 sei widerrufen worden. Wann der Kläger die Widerrufserklärung erhalten hat, wird damit nicht zum Ausdruck gebracht. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte bisher nicht behauptet hat, das Widerrufsschreiben sei per Boten überbracht worden. Ein Zugang des Schreibens auf dem Postweg am Tag seiner Erstellung dürfte ausscheiden. Die Beklagte hat weiter unter Beweisantritt behauptet, der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung am 11. Dezember 1997 die nicht protokollierte Erklärung abgegeben, der Widerruf treffe ihn besonders hart, weil er einen Tag vor dem Rentenbezug erfolgt sei. Das Landesarbeitsgericht wird zu entscheiden haben, wie es eine solche Erklärung, sollte sie erfolgt sein, bewertet. Es erscheint jedenfalls nicht zweifelsfrei, daß damit eine Aussage zum Zugang des Widerrufsschreibens gemacht wurde; der Tag vor dem Rentenbezug des Klägers war ein Sonntag.
45
III.
Sollte das Landesarbeitsgericht einen Zugang des Widerrufsschreibens vor dem 1. Juli 1996 feststellen, wird es weitere Feststellungen dazu zu treffen haben, ob und in welchem Umfang der Teilwiderruf der Beklagten den Versorgungsanspruch des Klägers auf der Grundlage der im Aufhebungsvertrag verbesserten Versorgungszusage verschlechtert hat und welcher genaue Versorgungsanspruch dem Kläger hiernach verbleibt. Im Hinblick auf die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und das Vorbringen der Parteien sieht sich der Senat zu den folgenden Hinweisen veranlaßt.
46
1.
Der Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage berechtigt die Beklagte in keinem Fall, über die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Begrenzung des versicherungsmathematischen Abschlags auf 12 % hinauszugehen und die dem Kläger zustehende Betriebsrente wegen deren Inanspruchnahme ab Vollendung des 61. Lebensjahres um 24 % zu kürzen.
47
a)
Die Widerrufserklärung der Beklagten ist dahin auszulegen, daß mit ihr alle verfallbaren, nicht insolvenzgeschützten Teile der dem Kläger für den Versorgungsfall versprochenen betrieblichen Versorgungsleistungen wegen wirtschaftlicher Notlage widerrufen werden sollten. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der im Schreiben gewählten Formulierung, es gehe um den Widerruf der Bestandteile der dem Kläger erteilten Zusage, "die nicht dem Schutz des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung unterliegen". Frühere Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Widerrufs noch Versorgungsanwärter waren, sollten durch den Widerruf im wirtschaftlichen Ergebnis nicht schlechter gestellt werden als sie bei Eintritt eines Insolvenzfalles am 30. Juni 1996 gestanden hätten, wobei aber die Arbeitgeberin selbst für die verbliebenen Versorgungsansprüche einstehen wollte. Der PSVübernahm demgegenüber in der Sanierungsvereinbarung auf Zeit die Erfüllung der insolvenzgeschützten Ansprüche der Betriebsrentner.
48
Daraus wird deutlich, daß es in dem Schreiben vom 28. Juni 1996 zunächst darum ging, die Möglichkeit zu eröffnen, den dem Kläger im Aufhebungsvertrag versprochene Versorgungsanspruch auf Grund des Widerrufs entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG zeitratierlich zu kürzen, und damit eine weitere Anrechnung von Nachdienstzeiten auszuschließen. Das Gesetz schreibt die zeitratierliche Berechnung nach § 7 Abs. 2, § 2 Abs. 1 BetrAVG als Maßstab für die Insolvenzsicherungsansprüche von Versorgungsanwärtern zwingend vor (BAG 22. November 1994 - 3 AZR 767/93 - BAGE 78, 279, 284 f.). Dabei strebte die Beklagte mit dem Widerruf nur eine anteilige Kürzung auf den 30. Juni 1996 und nicht auf den Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens des Klägers an. Dies ist konsequent, weil sie dem Kläger im Aufhebungsvertrag versprochen hatte, ihn bei der Berechnung seines Betriebsrentenanspruchs so zu behandeln, als wäre er bis zur Vollendung seines 63. Lebensjahres im Betrieb verblieben.
49
Das Ziel des Schreibens vom 28. Juni 1996, eine zeitratierliche Kürzung auf den 30. Juni 1996 zu erreichen, wird im übrigen auch deutlich durch die Angabe, es gehe um den Widerruf des Verzichts auf ratierliche Kürzung, auch wenn diese Formulierung angesichts der Zusage im Aufhebungsvertrag rechtlich unpräzise ist.
50
Aus dem Ziel des Widerrufs, alle auf die Zeit nach dem 30. Juni 1996 entfallenden Steigerungen des Betriebsrentenanspruchs zu beseitigen, ergibt sich zugleich, daß die Beklagte mit dem Widerruf auch das Ziel verfolgte, alle nach dem 30. Juni 1996 eintretenden Gruppenbetrags-Erhöhungen nicht mehr berücksichtigen zu müssen, sollte eine solche Pflicht ursprünglich begründet worden sein. Das folgt bei der mit dem Widerruf angestrebten zeitratierlichen Kürzung des erreichbaren Vollanspruchs auf den 30. Juni 1996 aus § 2 Abs. 5 BetrAVG.
51
b)
Nach seinem Wortlaut könnte der Widerruf auch den Verzicht der Beklagten im Aufhebungsvertrag betreffen, im Falle der dort ausdrücklich vorgesehenen vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers auf versicherungsmathematische Abschläge nach § 3 Nr. 7 der Leistungsordnung des Essener Verbandes zu verzichten, soweit sie über 12 % hinausgehen.
52
Dagegen spricht aber entscheidend, daß dem Kläger mit diesem Verzicht im Aufhebungsvertrag eine Rechtsposition versprochen wurde, die dem Schutz des Betriebsrentengesetzes untersteht, und der PSV dem Widerruf insoweit nicht zugestimmt hat. Die im Aufhebungsvertrag getroffene Vereinbarung über die Berechnung des Betriebsrentenanspruchs bei vorzeitiger Inanspruchnahme nach § 6 BetrAVG haftet an einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ebenso wie an dem durch Verbleib im Betrieb erdienten Vollanspruch. Durch ein vorzeitiges Ausscheiden wird die sich hieraus ergebende Rechtsposition nicht inhaltlich verändert. Eine solche Berechnungsvereinbarung nimmt deshalb auch bei einem Versorgungsanwärter nach § 7 Abs. 2 BetrAVG am Insolvenzschutz teil (BAG 20. April 1982 - 3 AZR 1137/79 - AP BetrAVG § 6 Nr. 4 = EzA BetrVG § 6 Nr. 5, zu 1 a der Gründe; 16. März 1993 - 3 AZR 350/92 - nv.; Andresen/Förster/Rößler/Rühmann Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Bd. I Teil 9 A Rn. 1875). Das Gesetz gibt für den Fall einer vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente keine Berechnungsregel vor, etwa mit dem Inhalt, daß ein bestimmter versicherungsmathematischer Abschlag vorzunehmen wäre. Nur von einer solchen gesetzlichen Regelung könnte nach dem Rechtsgedanken aus § 7 Abs. 2 BetrAVG nicht zu Lasten des PSV abgewichen werden.
53
Der Beklagten ging es aber auch nach ihrem Vorbringen im Prozeß bei dem Widerruf nur darum, die verfallbaren, nicht insolvenzgeschützten Bestandteile des Versorgungsanspruchs des Klägers zu widerrufen. Daraus ergibt sich, daß die ohnehin nur in Klammern gesetzte Erwähnung des Verzichts auf Abschläge nach § 3 der Leistungsordnung des Essener Verbandes keine eigenständige Bedeutung haben sollte. Sie sollte lediglich erläutern, was nach der Rechtsauffassung der Beklagten zu den verfallbaren, nicht insolvenzgeschützten Bestandteilen der dem Kläger erteilten Zusage gehörte. Eine Erweiterung des Umfangs des Widerrufs über die verfallbaren, nicht insolvenzgeschützten Bestandteile des Versorgungsanspruchs hinaus war mit dieser Erklärung nicht bezweckt. Damit erfaßt der Widerruf den teilweisen Verzicht auf einen versicherungsmathematischen Abschlag schon nach dem Willen der Beklagten nicht. Einen höheren versicherungsmathematischen Abschlag als den im Aufhebungsvertrag vorbehaltenen um 12 % kann die Beklagte daher auch nach ihrem Widerruf nicht vornehmen.
54
Daran, daß die Beklagte im Hinblick auf die vorgezogene Inanspruchnahme der Betriebsrente durch den Kläger mit Vollendung von dessen 61. Lebensjahr keine höheren versicherungsmathematischen Abschläge vornehmen kann, als um die im Aufhebungsvertrag vorgesehenen 12 %, änderte sich auch dann nichts, wenn man die Widerrufserklärung anders auslegte. Da der Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage bei diesem Verständnis in einen insolvenzgeschützten Versorgungsbesitzstand eingreifen würde, wäre er nur wirksam, wenn der dann einstandspflichtige PSV dem vor Ausspruch des Widerrufs zugestimmt hätte (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 iVm. Satz 4 BetrAVG aF). Eine solche Zustimmung liegt jedoch nicht vor.
55
2.
Der Teilwiderruf der Versorgungszusage kann die Beklagte aber entgegen der Zusage im Aufhebungsvertrag dazu ermächtigen, die erreichbare Betriebsrente auf den 30. Juni 1996 ratierlich zu kürzen und die Erhöhungen der Gruppenbeträge der Gruppe "G" ab diesem Zeitpunkt nicht mehr an den Kläger weiterzugeben. Dies ist dann der Fall, wenn das Landesarbeitsgericht feststellt, daß der Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage materiell wirksam war. Es spricht einiges dafür, daß dies der Fall ist, sollte er dem Kläger rechtzeitig, also vor dem 1. Juli 1996, zugegangen sein.
56
a)
Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei einzelvertraglichen Versorgungszusagen ohne allgemeinen Widerrufs- oder Abänderungsvorbehalt wegen der im Betriebsrentenrecht bestehenden Besonderheiten entgegen der Grundwertung des § 279 BGB unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage grundsätzlich rechtlich möglich. Die in die Zeit vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes zurückreichende Rechtsprechung geht davon aus, es sei unausgesprochene Grundlage jeder Versorgungszusage, daß die Versorgungsschuldnerin noch in der Lage ist, die versprochenen Versorgungsleistungen zu erbringen. Wegen der existentiellen Bedeutung der Altersversorgung muß ein Arbeitgeber, der solche Leistungen versprochen hat, zwar vor einem Widerruf seine Kräfte aufs äußerste anspannen, um eine Sanierung seines Unternehmens zu erreichen. Ein Widerruf kommt nur dann in Betracht, wenn der Bestand des Unternehmens infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten ernsthaft gefährdet ist und wenn der Widerruf sich in ein umfassendes Sanierungskonzept einpaßt. Auf der anderen Seite muß nach dieser Rechtsprechung aber auch der Betriebsrentner oder Versorgungsanwärter im Hinblick auf die fortbestehende Verbundenheit mit dem Unternehmen, das ihn versorgt, und aus Solidarität mit den übrigen auf die Ertragsfähigkeit des Unternehmens angewiesenen Pensionäre und Arbeitnehmer seine Belange dann zurückstellen, wenn die Lebensfähigkeit des Unternehmens ohne ein solches Opfer gefährdet ist (BAG 5. Mai 1955 - 2 AZR 55/53 -BAGE 2, 18 [BAG 05.05.1955 - 2 AZR 55/53]; 5. November 1965 - 3 AZR 116/65 - BAGE 17, 331; 10. Dezember 1971 - 3 AZR 190/71 - BAGE 24, 63). Das Betriebsrentengesetz in seiner bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung hatte diese Rechtsprechung aufgegriffen und in der Sache bestätigt, indem es einen Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage als Sicherungsfall eingestuft und unter bestimmten Bedingungen eine Einstandspflicht des PSV festgelegt hat. Schon angesichts dieser gesetzgeberischen Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung, von der auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, sieht der Senat keinen Anlaß, von ihr abzuweichen, soweit es um die Behandlung von Widerrufen geht, die bis zum 31. Dezember 1998 wirksam geworden sind. Darauf, ob an dieser Rechtsprechung auch nach der Streichung des Sicherungsfalles "Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage" (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG aF) mit Wirkung zum 1. Januar 1999 festzuhalten ist, kommt es für die Bewertung des streitbefangenen, bereits im Jahre 1996 zugegangenen Widerrufs nicht an.
57
b)
Es spricht alles dafür, daß sich die Beklagte bei Ausspruch des Widerrufs in einer "konkursnahen" wirtschaftlichen Notlage befand. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Beklagte als das den Konzern beherrschende Unternehmen im Sommer 1996 überschuldet war. Es hat dies und die einzelnen zu diesem Schluß führenden Umstände allerdings nicht näher gewürdigt, da es nach seiner Rechtsauffassung hierauf nicht ankam. Dies wird es gegebenenfalls nachzuholen haben.
58
c)
Es kommt für die Wirksamkeit des Widerrufs entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf an, ob der PSV ihm vor Ausspruch zugestimmt hat.
59
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG aF muß der Versorgungsschuldner zwar auf Grund der ihm obliegenden Pflicht, Nachteile von seinen Arbeitnehmern und Versorgungsgläubigern abzuhalten, vor einem Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage den PSV auffordern, die Versorgungslasten nach § 7 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG zu übernehmen. Im Falle einer Weigerung muß der Arbeitgeber den PSV gerichtlich in Anspruch nehmen. Wird dies pflichtwidrig unterlassen, ist ein Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage unwirksam. Die Versorgungsansprüche bestehen ungekürzt fort (BAG 20. Januar 1987 - 3 AZR 313/85 - AP BetrAVG § 7 Widerruf Nr. 12 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 23; 17. September 1991 - 3 AZR 413/90 - BAGE 68, 272; 16. April 1997 - 3 AZR 865/95 - BAGE 85, 339). Einer vorherigen Einschaltung des PSV vor Ausspruch eines Widerrufs wegen wirtschaftlicher Notlage bedarf es aber dann nicht, wenn mit dem Widerruf nur in Besitzstände eingegriffen werden soll, die nicht insolvenzgeschützt sind (Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. Vorb. § 7 Rn. 112). Die Einschaltung des PSV vor Ausspruch eines Widerrufs wegen wirtschaftlicher Notlage dient dazu, möglichst frühzeitig sicherzustellen, daß der PSV in die widerrufenen Versorgungsansprüche eintritt. Wo wegen fehlenden Insolvenzschutzes ein Eintritt des PSV von vornherein ausscheidet, gibt es auch keinen Grund, ihn vor Ausspruch des Widerrufs einzuschalten.
60
Hiernach war eine Zustimmung des PSV vor dem Widerruf vom 28. Juni 1996 nicht erforderlich. Der Widerruf betraf lediglich nicht insolvenzgeschützte Bestandteile des Versorgungsanspruchs des Klägers. Es kann deshalb unentschieden bleiben, ob die Beteiligung des PSV an den Sanierungsvereinbarungen im KHD-Konzern als ausreichende Beteiligung im Sinne der bisherigen Rechtsprechung anzusehen ist.
61
d)
Der Wirksamkeit des auf eine wirtschaftliche Notlage gestützten Widerrufs steht auch nicht entgegen, daß vor dem Widerruf kein umfangreiches unabhängiges Sachverständigengutachten über die wirtschaftliche Lage im Unternehmen und Konzern erstellt worden ist. Die Beklagte befand sich im Sommer 1996 in einer krisenhaften Situation. Die Hauptursache der zutage getretenen Verluste, die Bilanzmanipulationen bei einem anderen Tochterunternehmen, war bekannt. Die für die wirtschaftliche Notlage maßgeblichen Umstände ergeben sich aus dem testierten Jahresabschluß und Geschäftsbericht. Zudem waren kurzfristig Stellungnahmen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zur Lage des Konzerns eingeholt und ein nach deren Einschätzung aussichtsreicher Sanierungsplan erstellt worden. Einer darüberhinausgehenden sachverständigen Begutachtung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten und des von ihr geführten Konzerns bedurfte es nicht. Denn der PSV hatte dem Sanierungsplan zugestimmt und sich an dessen Durchführung mit dem erheblichen Aufwand von rund 200 Millionen DM beteiligt. Eine solch erhebliche Beteiligung des PSV an der Sanierung eines Unternehmens oder Unternehmensverbundes hat indizielle Bedeutung für die Feststellung von deren wirtschaftlicher Notlage unabhängig davon, ob es um den Widerruf insolvenzgeschützter oder nicht insolvenzgeschützter Besitzstände geht. Hiernach bedarf es regelmäßig nach einer sachkundigen Beurteilung der wirtschaftlichen Lage keiner weiteren sachverständiger Feststellungen mehr (vgl. auch Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. Vorb. § 7 Rn. 92 mwN).
62
e)
Es spricht schließlich auch alles dafür, daß der für den KHD-Konzern ausgearbeitete Sanierungsplan eine angemessene und gerechte Lastenverteilung unter Heranziehung sämtlicher Beteiligter vorsieht, so daß auch diese Voraussetzung für einen wirksamen Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage erfüllt ist.
63
Den Hauptbeitrag zur Sanierung haben die Banken geleistet, insbesondere die Hauptaktionärin der Beklagten, die Deutsche Bank. Darüber hinaus haben sich das Unternehmen selbst, der PSV mit rund 200 Millionen DM, sonstige Gläubiger, sowie aktive Arbeitnehmer und leitende Angestellte mit teilweise erheblichen Beiträgen an der Sanierung des Konzerns beteiligt. Die Aufteilung der Sanierungsbeiträge erscheint ausgewogen und angemessen, zumal die Einbußen beim Kläger auch im Falle eines wirksamen Widerrufs in jedem Falle von Rechts wegen geringer sind, als von der Beklagten erwartet. Vom Kläger wird angesichts dessen kein unverhältnismäßig hohes Sonderopfer verlangt.
64
Die grundsätzlich angemessene Verteilung der Sanierungslast ist auch nicht deshalb zweifelhaft, weil die Beklagte dem PSV einen sog. "Besserungsschein" erteilt hat. Sie hat damit die Verpflichtung übernommen, bei etwa entstehenden Gewinnen einen bestimmten Anteil hiervon wegen der übernommenen Versorgungslasten an den PSV abzuführen. Die Beklagte hat zwar nicht in gleicher Weise auch ihren Betriebsrentnern und Betriebsrentenanwärtern versprochen, ihre ursprünglichen Ansprüche ganz oder teilweise wiederherzustellen, falls die Sanierung im erforderlichen Umfang gelingt. Dies steht einer gerechten Lastenverteilung aber nicht entgegen. Dabei kann unentschieden bleiben, ob eine Wiederherstellungspflicht nicht von Rechts wegen unter bestimmten Bedingungen auch gegenüber den betroffenen Versorgungsanwärtern bestehen kann. Unabhängig davon ist es nicht unangemessen, wenn der PSV als Repräsentant einer Solidargemeinschaft außerhalb des Unternehmens auch im Verhältnis zu Betriebsrentnern und Betriebsrentenanwärtern nur subsidiär und soweit notwendig einstehen muß.
Reinecke
Kremhelmer
Bepler
Schmidt
Schmitthenner
Von Rechts wegen!