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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Entgeltfortzahlung - Sterilisation
Entgeltfortzahlung - Sterilisation
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber braucht nicht bloß bei Krankheit Entgelt fortzuzahlen. Die Arbeitsunfähigkeit kann auch auf einer anderen medizinischen Ursache beruhen. Das EFZG gibt Arbeitnehmern in § 3 Abs. 2 Satz 1 auch dann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn die unverschuldete Arbeitsunfähigkeit i. S. des § 3 Abs. 1 EFZG infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation eintritt.
2. Begriff: Sterilisation
Das ZEIT-Lexikon definiert "Sterilisation" als "das operative Unfruchtbarmachen, bei dem im Unterschied zur Kastration die Keimdrüsen (Hoden, Eierstöcke), die Geschlechtsorgane sowie der Sexualtrieb erhalten bleiben."
Die Sterilisation, so das ZEIT-Lexikon weiter, sei "die sicherste Form der Empfängnisverhütung". Sie erfolgt
bei Frauen durch Tubensterilisation (Aufhebung der Durchgängigkeit der Eileiter) und
bei Männern durch Vasektomie (Entfernung eines Teilstücks des Samenleiters)
Das Unfruchtbarmachen ist keine Krankheit oder Erkrankung. Es stellt aber einen medizinischen Eingriff dar, der zu einer Arbeitsunfähigkeit führen kann. Damit Arbeitnehmer für diese Arbeitsunfähigkeit keine Entgelteinbußen haben, gibt § 3 Abs. 2 Satz 1 EFZG ihnen einen Entgeltfortzahlungsanspruch. Auch hier ist die Wartezeit aus § 3 Abs. 3 EFZG zu berücksichtigen.
3. Voraussetzung: Rechtmäßigkeit des Eingriffs
Die Sterilisation ist vom Grundsatz her eine schwere Körperverletzung, §§ 223, 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB: "Hat die Körperverletzung zur Folge, dass die verletzte Person ... die Fortpflanzungsfähigkeit verliert, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren." Aber: Die Sterilisation wird im Auftrag und im Einverständnis des Arbeitnehmers von einem Arzt durchgeführt. Und dazu sagt § 228 StGB: "Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt."
Eine Sterilisation kann durch
eugenische oder
soziale Gründe oder
zur Empfängnisverhütung
gerechtfertigt sein.
Eltern können nicht in die Sterilisation eines Kindes einwilligen (§ 1631c Satz 1 BGB). Auch das Kind selbst kann es nicht (§ 1631c Satz 2 BGB). Die Sterilisation eines Betreuten ist nur nach Maßgabe des § 1905 BGB zulässig.
4. Rechtsfolge der Sterilisation
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 EFZG gilt als "unverschuldete Arbeitsunfähigkeit" auch eine Arbeitsverhinderung, die infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation eintritt. Die Sterilisation tritt damit an die Stelle des Tatbestandsmerkmals "Krankheit" aus § 3 Abs. 1 EFZG. Einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gibt es aber nur, wenn mit der Sterilisation eine Arbeitsunfähigkeit verbunden ist. Der begünstigte Arbeitnehmer muss - um im Wortlaut des § 3 Abs. 1 EFZG zu bleiben - durch die Sterilisation an seiner Arbeitsleistung verhindert sein. Das Gesetz stellt die Fiktion fehlenden Verschuldens auf. Es braucht daher keine besondere Prüfung vorgenommen zu werden. Die Sterlisation muss nicht krankheitsbedingt durchgeführt werden.
So lange die Arbeitsunfähigkeit auf dem ärztlichen Eingriff beruht, wird unwiderleglich vermutet, dass den Arbeitnehnmer kein Verschulden trifft. Etwas anderes gilt in Fällen, in denen sich ein Arbeitnehmer nicht an die Anweisungen des Arztes hält.
Beispiel:
Arbeitnehmerin N lässt sich sterilisieren. Der Gynäkologe gibt ihr auf, in den nächsten drei Wochen keinen Sport zu treiben. N hält sich nicht an die Anweisung. Sie geht - wie gewohnt - ins Fitness-Studio. Es kommt zu Wundheilungsstörungen und schweren Entzündungen. N wird deswegen für drei Wochen arbeitsunfähig geschrieben. Da sie diese Arbeitsunfähigkeit wegen Missachtung der ärztlichen Verhaltensvorschrift schuldhaft herbeigeführt hat, braucht Arbeitgeber A für diese drei Wochen nach § 3 Abs. 1 EFZG kein Arbeitsentgelt fortzuzahlen. N hat sie verschuldet. Hätte sie die ärztliche Anweisung befolgt, wäre sie nicht arbeitsunfähig geworden.
Ein Arbeitgeber, der sich auf das Verschulden der Arbeitsunfähigkeit beruft, muss dieses Verschulden darlegen und beweisen. Er hat dabei allerdings ein Problem: Er kennt die persönlichen Lebensumstände seines Mitarbeiters oft nicht und ist nicht in der Lage, die Tatsachen, die für ein Verschulden sprechen, im einzelnen darzulegen. Deshalb ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sie auf Verlangen des Arbeitgebers nach bestem Wissen und Gewissen zu offenbaren. Er ist über § 242 BGB zur Mitwirkung und zur Aufklärung gehalten (BAG, 07.08.1991 - 5 AZR 410/90).
Praxistipp:
Es ist für den Arbeitgeber schon äußerst schwierig, überhaupt an den sogenannten "Anfangsverdacht" für eine verschuldete Arbeitsunfähigkeit zu kommen. Der Mitarbeiter selbst wird sich ihm kaum offenbaren. Gelegentlich hört der Arbeitgeber etwas über Dritte - die aber in keinem Fall in einen Prozess hineingezogen werden möchten. Vor diesem Hintergrund ist es schwer, ein Arbeitsgericht zu überzeugen. Der Arbeitgeber sollte es sich reichlich überlegen, ob er die Anspruch ausschließende Verschuldensfrage stellt. Auch wenn der Arbeitnehmer zur Mitwirkung verpflichtet ist: Der Verdacht des Verschuldens muss sich aus objektiven Tatsachen ergeben.
Die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts ergibt sich aus § 4 EFZG.