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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Wegeunfall
Wegeunfall
Information
Unter einem Wegeunfall ist ein Unfall zu verstehen, der auf dem unmittelbaren Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eingetreten ist, § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Der Versicherungsschutz des Versicherten beginnt bei Verlassen der Wohnung ab der Haustür. Dabei muss es sich nicht notwendigerweise um die eigene Wohnung handeln. Versicherungsschutz besteht z.B. auch auf Wegen von und zur Wohnung des Lebensgefährten oder wenn der Versicherte neben der eigentlichen Familienwohnung wegen zu großer Entfernung noch eine weitere Wohnung am Arbeitsort unterhält, § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII.
Fahrten von und zur Arbeit sind aber nicht unter allen Umständen versichert.
Insbesondere Fahrten unter Alkoholeinfluss können zu einem Verlust des Versicherungsschutzes führen, wenn der Alkoholkonsum die alleinige Unfallursache darstellt. Kommen jedoch andere Unfallursache in Betracht, insbesondere mit betrieblichem Hintergrund wie z.B. eine mögliche Übermüdung nach einem außerordentlich langen Arbeitstag, kann selbst bei relativer Fahruntüchtigkeit (0,3 - 1,09 BAK) noch Versicherungsschutz bestehen. Immer dann, wenn andere gleichwertige Unfallursachen in Betracht kommen und die Verkehrsuntüchtigkeit des Fahrers nicht eindeutig erweisen ist, bleibt der Versicherungsschutz trotz relativer Fahruntüchtigkeit erhalten (Bayerisches LSG, 14.12.2011 - L 2 U 566/10).
Anders verhält es sich dagegen, wenn eine Arbeitnehmer alkoholbedingt im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit (ab 1,1 BAK) einen Unfall verschuldet. Es besteht dann kein Versicherungsschutz, wenn die Fahruntüchtigkeit die wesentliche Unfallursache ist.
Mitarbeiter sollten sich also besser ein Taxi rufen, wenn während der Arbeitszeit Alkohol konsumiert wurde und das selbstverständlich nicht nur aus versicherungstechnischen Gründen. Selbst wenn der Arbeitgeber den Alkoholkonsum im Dienst nicht verhindert hat, ändert dies nichts am Verlust des Versicherungsschutzes (Hessisches LSG, 18.07.2011 - L 9 U 154/09). Nur wenn der Arbeitgeber Alkohol am Arbeitsplatz ausdrücklich duldet und keine Vorkehrungen gegen die nachfolgende Nutzung des Kraftfahrzeugs trifft, kann im Einzelfall von einer massiven Fürsorgepflichtverletzung ausgegangen werden. Gilt im Betrieb aber ein Alkoholverbot und stellt der Arbeitgeber zudem alkoholfreie Getränke zur Verfügung, treffen ihn keine weiteren Verpflichtungen. Der Mitarbeiter gefährdet dann seinen Versicherungsschutz. Die Eigenverantwortung eines Mitarbeiters, der sich alkoholisiert ans Steuer setzt, wird also deutlich höher bewertet als eine eventuelle – im Streitfall auch nachzuweisende – Mitverantwortung der Arbeitgebers.
Bei einer Unterbrechung des direkten Weges zwischen Wohnung und Arbeitsstätte besteht häufig kein Versicherungsschutz. Der Versicherungsschutz wird dann unterbrochen, wenn die Person Besorgungen vornimmt, die eigenen wirtschaftlichen oder persönlichen Zwecken dienen, wie z.B. private Einkäufe in einem Hobbymarkt (BSG, 21.08.1991 - 2 RU 62/90). Dagegen liegt keine Unterbrechung vor, wenn Dinge, die zur Ausübung der Tätigkeit benötigt werden, vergessen wurden und der Versicherte zurückgeht, um diese zu holen (BSG, 26.05.1977 - 2 RU 97/75). Weiterhin sind Wege versichert, die mit dem Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern von Arbeitsgerät im Auftrage des Unternehmers zusammenhängen, § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII.
Versicherungsschutz besteht auch dann, wenn der Unfall auf eine durch eine geringfügigeprivate Verrichtung hervorgerufene Gefahr zurückzuführen ist und das Handeln im ursächlichen Zusammenhang mit dem Weg steht (BSG, 19.10.1982 - 2 RU 24/81). Eine Unterbrechung findet in diesen Fällen nicht statt. Hierbei ist das Merkmal der "Geringfügigkeit" von entscheidender Bedeutung: Die private Besorgung muss hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer und der Art ihrer Erledigung als so geringfügig anzusehen sein, dass sie angesichts des Gesamtweges nicht ins Gewicht fällt (BSG, 31.01.1974 - 2 RU 169/72).
In diesem Fall benutzte der Versicherte für den Weg zur Arbeit öffentliche Verkehrsmittel. An einer Bushaltestelle wartete er auf seinen Bus und warf mit der Zeitung aus Versehen auch seinen Kugelschreiber in den Papierkorb. Bei dem Versuch, den Kugelschreiber aus dem Papierkorb zu ziehen, zog er sich an einer zerbrochenen Flasche erhebliche Verletzungen an der Hand zu. Das Gericht bejahte aufgrund der Geringfügigkeit und des ursächlichen Zusammenhangs einen Wegeunfall mit der Folge, dass der Versicherungsschutz durch die private Verrichtung nicht unterbrochen wurde. Der Versicherungsschutz setzt wieder ein, wenn die Unterbrechung, die bis zu zwei Stunden dauern kann, beendet ist (BSG, 31.10.1972 - 2 RU 99/71).
Allerdings trägt der Versicherte auch die Beweislast dafür, wann er seinen Heimweg von der Arbeitsstätte aus angetreten hat und auch dafür, dass er bei einer möglichen Unterbrechung seinen Heimweg eindeutig innerhalb der genannten Zeitgrenze von maximal zwei Stunden fortgesetzt hat. Unfallbedingte Erinnerungslücken oder eine Amnesie ändern an der Beweislastverteilung nichts (LSG Berlin-Brandenburg, 02.01.2012 - L 3 U 115/09). Unfallopfer, die sich an das Unfallereignis nicht mehr erinnern und deshalb keine genauen Angaben zum Unfallzeitpunkt machen können, laufen deshalb Gefahr, dass der Versicherungsträger ohne lückenlosen Nachweis des Zeitablaufs die Regulierung des Unfalls ablehnen kann. Für diese Fälle kann nur geraten werden, möglichst viele Sachbeweise und Zeugenaussagen zu sammeln.
Praxistipp:
Keine geringfügige private Verrichtung liegt dagegen vor, wenn der Arbeitnehmer einen Unfall auf dem Heimweg von der Arbeit erleidet, nachdem er die öffentliche Straße verlassen hat und sich durch den Begrenzungszaun eines Firmengeländes für wenige Minuten aus privaten Motiven mit einer anderen Person unterhält. Trotz minimalen Zeitfaktors führt das Verlassen der Straße dazu, dass es sich nicht mehr um den versicherten direkten Arbeitsweg handelt (SG Karlsruhe, 25.02.2010 - S 4 U 2233/09).
Verfährt sich ein Arbeitnehmer auf dem Weg zu Betriebsstätte aus Unachtsamkeit, unternimmt er zwar keinen bewussten Umweg, gleichwohl verlässt er den direkten und kürzesten Weg. In diesen Fällen spricht man von einem sog. Abweg, der ebenfalls nicht versichert ist. Das Risiko eines Unfalls, nachdem die richtige Abzweigung verpasst wurde, trägt also der Arbeitnehmer (LSG Niedersachsen-Bremen, 29.02.2012 - L 3 U 151/08).
Die Unterbrechung endet, wenn die Person wieder den Verkehrsraum benutzt, den sie üblicherweise für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt. Auf Basis dieser Grundsätze wurde die Klage einer Arbeitnehmerin abgewiesen, die auf dem Weg zu Ihrer Arbeitsstätte von ihrer Fahrtroute abgewichen war, um einen Arzttermin wahrzunehmen. Nach der 1 1/2 Stunden dauernden ärztlichen Behandlung wollte sie weiter zu ihrer Arbeitsstätte fahren, erlitt jedoch auf dem Wegstück zwischen Arztpraxis und ihrer eigentlichen Fahrtroute einen Unfall. Das BSG bewertete dies - anders als die Vorinstanzen - als eine eigenen wirtschaftlichen Interessen dienende Unterbrechung des Weges zum Arbeitsort. Da der Aufenthalt in der Arztpraxis keine zwei Stunden gedauert habe, könne die Artpraxis kein den Versicherungsschutz begründender "dritter Ort" sein (BSG, 05.05.1998 - B 2 U 40/97 R).
Praxistipp:
Erfolgen die eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten im "Vorbeigehen", so tritt eine Unterbrechung nicht ein. Dies gilt auch dann, wenn der Weg des Versicherten zur Tankstelle nicht unmittelbar nach oder von dem Ort der Tätigkeit führt. Das BSG (BSG, 24.01.1995 - 8 RKnU 1/94) vertritt diesbezüglich die Auffassung, dass die Beantwortung der Frage, ob ein Verhalten versichertem Tun zugerechnet werden kann, maßgebend von den subjektiven Vorstellungen des Versicherten abhängig ist. Im vorliegenden Fall erfuhr der Versicherte in der Spätschicht, dass er in der nächsten Frühschicht um 6.00 Uhr arbeiten solle. Nach Ende der Spätschicht wollte er zum Tanken fahren, da sein Tankanzeiger schon längere Zeit im roten Bereich stand. Da die 2 km von der Arbeitsstelle entfernt gelegene Automatentankstelle nicht funktionierte, befuhr er eine Kreisstraße in der seiner Wohnung entgegengesetzten Richtung. Auf dem Weg dorthin ereignete sich der Unfall. Der Versicherungsschutz wurde aus den o.g. Gründen bejaht.
Eine Unterbrechung des Versicherungsschutzes tritt auch dann ein, wenn der Versicherte einen Umweg fährt (BSG, 19.03.1991 - 2 RU 45/90). Dieser liegt dann vor, wenn der Versicherte die Zielpunkte des Arbeitswegs beibehält, aber die kürzeste Wegstrecke nicht unbedeutend verlängert (BSG, 19.03.1991 - 2 RU 45/90). Kleinere Umwege spielen hierbei keine Rolle. Ob ein Umweg vorliegt, beurteilt sich nicht nur nach der Länge der Wegstrecke, sondern auch nach der Verkehrsanschauung.
Der Versicherungsschutz besteht gem. § 8 Abs. 2 SGB VII aber dann, wenn der Versicherte einen abweichenden Weg fahren muss, um z.B. seine Kinder, die im gemeinsamen Haushalt leben, in fremde Obhut zu begeben (z.B. in einen Kindergarten) oder um andere Berufstätige oder Versicherte mitzunehmen (z.B. bei einer Fahrgemeinschaft).
Nicht versichert ist der Weg, der zwischen der sog. Kindergeldkasse der Arbeitsagentur und einem neuen Arbeitsplatz zurückgelegt wird, um für den neuen Arbeitgeber eine Bescheinigung zu besorgen. Dies gilt auch dann, wenn der Unfallgeschädigte zuvor von der Arbeitsagentur dazu aufgefordert hatte, sich auf diesen Arbeitsplatz zu bewerben (BSG, 12.05.2009 - B 2 U 8/08 R).
Das Gericht hob die eigenwirtschaftlichen Handlung der Fahrt zu Besorgung einer Kindergeldbescheinigung hervor, die in keinem sachlichen Zusammenhang mehr zur früheren Vermittlungsaufforderung mehr gem. § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII stand. Vielmehr erfolgte die Fahrt aus rein privatwirtschaftlichen Motiven, um durch eine zeitnahe Vorlage der Kindergeldbescheinigung eine schnellere Zahlung zu erreichen. Zudem endete sie Zuständigkeit der Arbeitsagentur bereits am Vortrag mit dem wirksamen Abschluss des Arbeitsvertrages.
Siehe auch