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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Gerichte - Bundesarbeitsgericht (BAG)
Gerichte - Bundesarbeitsgericht (BAG)
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
- 5.
- 6.Rechtsprechungs-ABC
- 6.1
- 6.2
- 6.3
- 6.4
- 6.5
- 6.6
- 6.7
- 6.8
- 6.9
- 6.10
- 6.11
- 6.12
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- 6.43
- 6.44
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- 6.50
- 6.51
- 6.52
- 6.53
- 6.54
- 6.55
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- 6.58
- 6.59
- 6.60
- 6.61
- 6.62
- 6.63
- 6.64
- 6.65
- 6.66
- 6.67
- 6.68
- 6.69
- 6.70
Information
1. Allgemeines
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ist das höchste deutsche Arbeitsgericht. Sein Sitz ist seit dem 22.11.1999 in Erfurt (§ 40 Abs. 1 ArbGG). Vorher war er in Kassel. Hat ein prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt von dieser Sitzverlegung nichts mitbekommen, rechtfertigt das bei Fristversäumnis keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (BAG, 18.01.2000 - 9 AZN 959/99).
Die Geschäfte der Verwaltung und die Dienstaufsicht des BAG führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz (§ 40 Abs. 2 S. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Im Einvernehmen beider kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Geschäfte der Verwaltung und Dienstaufsicht auch auf den Präsidenten des BAG übertragen (§ 40 Abs. 2 S. 2 ArbGG).
2. Die Richter am BAG
Das BAG besteht aus dem Präsidenten, der erforderlichen Zahl von Vorsitzenden Richtern, von berufsrichterlichen Beisitzern sowie ehrenamtlichen Richtern (§ 41 Abs. 1 S. 1 ArbGG). Die ehrenamtlichen Richter werden je zur Hälfte aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber entnommen (§ 41 Abs. 1 S. 2 ArbGG).
Für die Berufung der Bundesrichter (Präsident, Vorsitzende Richter und berufsrichterliche Beisitzer) gelten die Vorschriften des Richterwahlgesetzes (§ 42 Abs. 1 S. 1 ArbGG).
Die ehrenamtlichen Richter werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales für die Dauer von fünf Jahren berufen (§ 43 Abs. 1 S. 1 ArbGG). Sie sind im angemessenen Verhältnis unter billiger Berücksichtigung der Minderheiten aus den Vorschlagslisten zu entnehmen, die von den Gewerkschaften, den selbstständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von bestimmten öffentlich-rechtlichen Körperschaften eingereicht worden sind (§ 43 Abs. 1 S. 2 ArbGG). Bundes- und ehrenamtliche Richter beim BAG müssen das 35. Lebensjahr vollendet haben (§§ 42 Abs. 2 u. 43 Abs. 2 S. 1 ArbGG).
Ehrenamtliche Richter müssen nach § 43 Abs. 2 Satz 2 ArbGG nicht aktiv als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer tätig sein. Es widerspricht allerdings dem Grundsatz der paritätischen Besetzung der Richterbank, wenn ein ehrenamtlicher Richter während seiner Amtszeit die Seiten wechselt und eine andere Funktion ausübt (BAG, 21.09.1999 - 1 AS 6/99). Das gilt allerdings nicht für einen Arbeitnehmer, der als Vorstandsmitglied einer Gewerkschaft Arbeitgeberfunktion ausübt: er bleibt weiterhin der Arbeitnehmerseite verbunden und ist damit dem bisherigen Interessenkreis zuzurechnen (BAG, 21.09.1999 - 1 AS 6/99). Der Wechsel eines ehrenamtlichen BAG-Richters von der Arbeitnehmer- auf die Arbeitgeberseite macht die Fortführung seines Amtes unmöglich (BAG, 19.08.2004 - 1 AS 6/03 - mit dem Hinweis, dass das zuständige Bundesministerium beantragen kann, den ehrenamtlichen Richter von seinem Amt zu entbinden).
3. Die Spruchkörper des BAG
Beim Arbeits- und Landesarbeitsgericht heißen die Spruchkörper Kammern, beim BAG Senate. Jeder dieser Senate wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, 2 berufsrichterlichen Beisitzern und je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber tätig (§ 41 Abs. 2 ArbGG).
Die Zahl der Senate bestimmt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz (§ 41 Abs. 3 ArbGG). Zurzeit gibt es beim BAG 10 Senate und den Großen Senat (Stand: 01.01.2020). Der Große Senat entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtssache von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will (§ 45 Abs. 2 ArbGG).
4. Der dritte Rechtszug
Das BAG entscheidet u.a. über Revisionen gegen Endurteile der Landesarbeitsgerichte, wenn die Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in einem BAG-Beschluss über eine Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen ist (§ 72 Abs. 1 ArbGG).
Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des BAG oder, solange eine Entscheidung des BAG in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder ein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt (§ 72 Abs. 2 ArbGG).
In den in § 76 ArbGG bestimmten Fällen ist auch eine Sprungrevision gegen erstinstanzliche Urteile des Arbeitsgerichts möglich. Schließlich entscheidet das BAG auch in Beschwerdeverfahren (§ 77 ArbGG).
Im Jahr 2021 gingen beim BAG 1.521 (Vorjahr: 2.041) Sachen ein. Davon waren
541 Revisionen und Rechtsbeschwerden im Beschlussverfahren (Vorjahr: 641),
909 Nichtzulassungsbeschwerden (Vorjahr: 1.202),
41 Revisions- bzw. Rechtsbeschwerden in Beschwerdeverfahren (Vorjahr: 95)
21 Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in Beschwerdeverfahren (Vorjahr: 33)
43 Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe außerhalb eines anhängigen Verfahrens (Vorjahr: 64) und
9 sonstige Verfahren (Vorjahr: 6)
Im Jahr 2021 sind 1.599 (Vorjahr: 2.266) Sachen erledigt worden. Es handelte sich um 563 (Vorjahr: 764) Revisions- und Rechtsbeschwerden im Beschlussverfahren und 943 (Vorjahr: 1.320) Nichtzulassungsbeschwerden. Daneben wurden 43 (Vorjahr: 89) Revisions- bzw. Rechtsbeschwerden in Beschwerdeverfahren, 43 (Vorjahr: 59) Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe außerhalb eines anhängigen Verfahrens und 11 (Vorjahr: 6) sonstige Verfahren erledigt. Von den erledigten Revisionen und Rechtsbeschwerden hatten unter Berücksichtigung der Zurückverweisungen 143 (Vorjahr: 119), d. h. 25,4 % (Vorjahr: 15,58 %) Erfolg. Von den erledigten Nichtzulassungsbeschwerden waren 4,14 % (= 39 Beschwerden - Vorjahr: 7,27 % mit 96 Beschwerden) erfolgreich. Anhängig waren am Stichtag 31.12.2021 noch 942 (Vorjahr: 1.020) Sachen.
Die durchschnittliche Verfahrensdauer aller erledigten Verfahren belief sich beim BAG 2020 auf 7 Monate und 6 Tage (Vorjahr: 6Monate und 9 Tage).
(Quellen: www.bundesarbeitsgericht.de;).
5. Anschrift
Die Anschrift des BAG lautet:
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
Tel.: 0361/26 36-0
Fax: 0361/26 36 20 00
http://www.bundesarbeitsgericht.de
E-Mail: bag@bundesarbeitsgericht.de
6. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden in alphabetischer Reihenfolge nach Stichworten geordnet einige interessante Entscheidungen zum Thema Revision vorgestellt. Zur weiteren Information wird ein Blick in das Stichwort Nichtzulassungsbeschwerde - Allgemeines empfohlen.
6.1 Ablehnungsgesuch
Lehnt eine Partei einen oder mehrere Richter ab, entscheidet das Prozessgericht über das Ablehnungsgesuch ohne dessen/deren Mitwirkung, § 45 Abs. 1 ZPO. Bei offensichtlich unzulässigen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchen gilt: Hier können die Gerichte für Arbeitssachen unter Beteiligung des abgelehnten Richters entscheiden. "Das Verbot der Selbstentscheidung gilt jedenfalls dann nicht, wenn mangels eines erkennbaren Befangenheits- oder Ausschlussgrundes eine Sachprüfung entfällt" (BAG, 07.02.2012 - 8 AZA 20/11).
6.2 Absoluter Revisionsgrund - 1
§ 547 ZPO enthält in sechs Nummern die absoluten Revisionsgründe. Zu diesen Gründen gehört die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des entscheidenden Gericht, § 547 Nr. 1 ZPO. Dieser absolute Revisionsgrund ist gegeben, wenn das Landesarbeitsgericht nicht unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, geprüft hat, "ob die Schriftsätze des Klägers, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangen sind, Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gaben". Selbst wenn das Urteil nach Beratung und Abstimmung bereits gefällt (§ 309 ZPO) aber noch nicht verkündet ist, "hat das Gericht weiterhin bis zur Urteilsverkündung eingehende Schriftsätze zur Kenntnis zu nehmen und eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu prüfen" (BAG, 25.01.2012 - 4 AZR 185/10).
6.3 Absoluter Revisionsgrund - 2
Hat jemand ein rechtliches Interesse daran, "dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, kann [er] dieser Partei zum Zwecke der Unterstützung beitreten" (Nebenintervention, § 66 Abs. 1 ZPO). § 71 Abs. 3 ZPO gibt den Gerichten auf: "Solange nicht die Unzulässigkeit der Intervention rechtskräftig ausgesprochen ist, wird der Intervenient im Hauptverfahren zugegzogen." Ein absoluter Revisionsgrund liegt nach § 547 Nr. 4 ZPO vor, "wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat". "Der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 4 ZPO liegt auch dann vor, wenn der Nebenintervenient vom Landesarbeitsgericht entgegen § 71 Abs. 3 ZPOnicht zur mündlichen Verhandlung geladen wurde" (BAG, 26.04.2018 - 8 AZN 974/17 - Leitsatz).
6.4 Anhörungsrüge
Macht eine Partei in ihrer Anhörungsrüge - § 78a ArbGG - gegen ein Urteil des Revisionsgerichts die Verletzung rechtlichen Gehörs in Bezug auf Tatsachenvortrag geltend, muss der Rügeführer darlegen, dass die seiner Auffassung nach übergangenen Tatsachen nach § 559 ZPO berücksichtigungsfähig waren. Tut er das nicht, ist die Rüge nicht in der gesetzlichen Form begründet und deshalb unzulässig (BAG, 30.11.2005 - 2 AZR 622/05).
6.5 Antragsänderung
Nach dem für den Arbeitsgerichtsprozess und das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens durch den konkret gestellten Antrag - den Klageantrag - und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt - den Klagegrund - bestimmt. Der Verfahrensgegenstand ändert sich im Sinn von § 263 ZPO auch dann, wenn zwar nicht der gestellte Antrag als solcher, sondern der ihm zugrunde liegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist. Die mit der Änderung des Verfahrensgegenstands einhergehende Antragsänderung ist unzulässig, weil über § 559 Abs. 1 ZPO in der Revisions- und Rechtsbeschwerdeinstanz eine Antragsänderung grundsätzlich ausgeschlossen ist (BAG, 02.10.2007 - 1 ABR 79/06).
6.6 Anwaltszwang
Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich vor dem Bundesarbeitsgericht durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen, § 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG. Bevollmächtigte sind in erster Linie Rechtsanwälte (§ 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG), weswegen man hier auch von "Anwaltszwang" spricht. Hat das zweitinstanzliche Landesarbeitsgericht in seinem Urteil die Revision, also den Weg in die dritte Instanz, nicht zugelassen, hat die beschwerte Partei die Möglichkeit, eine Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben, § 72a ArbGG. Das kann sie aber nicht selbst tun, sondern sie muss sich dabei durch einen Rechtsanwalt - oder einen anderen der in § 11 Abs. 4 ArbGG genannten Bevollmächtigten - vertreten lassen (BAG, 20.09.2011 - 9 AZN 582/11).
6.7 Außerordentliche Beschwerde
Das ArbGG und die ZPO sehen ein vorgegebenes System von Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln vor. Aus dem Rechtsstaatsgebot folgt das Gebot der Rechtsmittelklarheit. Der Gesetzgeber hat das Rechtsmittelrecht durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses und das Anhörungsrügengesetz umfassend neu geregelt. Er hat dabei keine positive Entscheidung dahingehend getroffen, dass neben den geregelten und an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Rechtsmitteln auch eine außerordentliche Beschwerde möglich sein soll (BAG, 03.02.2009 - 3 AZB 101/08 - mit dem Hinweis, dass eine "außerordentliche Beschwerde" auch von Verfassung wegen nicht geboten ist).
6.8 Auslegungsgrundsätze
Enthält der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Arbeitsvertrag so genannte "nichttypische Erklärungen", ist die Auslegung dieser Vertragsklauseln Sache der Tatsachengerichte (Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht, Anm. d. Verf.). Das Bundesarbeitsgericht kann die Erklärungen als Revisionsgericht nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Auslegungsregeln - §§ 133, 157 BGB - beachtet, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (s. dazu auch BAG, 19.12.2018 - 7 AZR 70/17). Enthält ein zeitlich nachfolgender Arbeitsvertrag beispielsweise die Erklärung "Dieser Vertrag ersetzt ab 01.03.2015 den Vertrag vom 27.01.2014", ist das eine deutliche Regelung, die zur Beendigung des 2014er Vertrags führt und nur noch den aktuellen gültig sein lässt (BAG, 19.11.2019 - 7 AZR 311/18).
6.9 Aussetzung wg. Verfassungsbeschwerde
Was war passiert? Das BAG hatte in letzter Instanz entschieden, dass die Kündigungen des Air Berlin-Cockpitpersonals wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige gem. § 17 Abs. 1 u. 3 KSchG i.V.m. § 134 BGB unwirksam waren (s. dazu BAG, 13.02.2020 - 146/19 u.a.). Der im arbeitsgerichtlichen Verfahren unterlegene Insolvenzverwalter wollte das Ergebnis nicht akzeptieren und erhob gegen die BAG-Entscheidung Verfassungsbeschwerde. Das bewegte das BAG in einem anderen Verfahren, seine Verhandlung in "Abwägung zwischen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen und dem Beschleunigungsgebot sowie zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Verfahrens der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG" in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO bis zum 31.03.2022 auszusetzen (BAG, 10.09.2020 - 6 AZR 136/19 - mit dem Hinweis, dass im laufenden Revisionsverfahren die Interessen beider Parteien mit der Aussetzung in angemessener Weise gewahrt werden).
6.10 Beschränkte Zulassung?
Die Zulassung der Revision kann nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente beschränkt werden. Möglich ist es dagegen, die Revision "auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs" zu beschränken (s. dazu BAG 28.05.2019 - 8 AZN 268/19 - und BAG, 15.01.2015 - 5 AZN 798/14): zum Beispiel auf ein selbstständig anfechtbares Teil- oder Zwischenurteil (s. dazu BAG, 28.05.2014 - 10 AZB 20/14; BAG, 24.09.1986 - 7 AZR 669/84; BAG, 28.05.1986 - 7 AZR 581/84; BGH, 12.02.2019 - VI ZR 141/18 - und BGH, 30.03.2007 - V ZR 179/06) oder auf den Gegenstand, auf "den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte" (s. dazu BGH, 25.06.2019 - I ZR 91/18 - und BGH, 12.02.2019 - VI ZR 141/18). "Letzteres setzt [allerdings] eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinne voraus, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Es muss sich hierbei weder um einen eigenen Streitgegenstand handeln, noch muss der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz teilurteilsfähig sein" (BAG, 23.10.2019 - 8 AZN 636/19 - zur Klage eines Arbeitnehmers gegen den angeblichen Betriebserwerber).
6.11 Beschwer
Der Rechtsmittelkläger, der gegen ein Urteil des ArbG Berufung oder gegen ein Urteil des LAG Revision einlegt, muss "beschwert" sein. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung der Vorinstanz für ihn ungünstig ist. Im Rechtsmittelverfahren kommt es nicht nur darauf an, dass der Rechtsmittelführer in dem Zeitpunkt beschwert ist, in dem er Berufung oder Revision einlegt. Er muss auch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel noch beschwert sein. Eine Klageänderung ist nach § 559 Abs. 1 ZPO in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen (BAG, 26.06.2013 - 5 AZR 428/12 - mit dem Hinweis, dass eine Klageänderung im Ausnahmefall beispielsweise in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO aus prozessökonomischen Gründen zulässig sein kann).
6.12 Bestellung eines "Notanwalts"
Über § 72 Abs. 5 ArbGG gelten für das Revisionsverfahren vor dem BAG die ZPO-Bestimmungen über die Revision entsprechend - mit Ausnahme des § 566 ZPO. Im Revisionsverfahren ist nach § 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG u.a. eine Vertretung durch Rechtsanwälte vorgesehen. Findet eine Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt und erscheinen Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos, hat das Prozessgericht einer Partei auf Antrag einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen (§ 78b Abs. 1 ZPO). Um die Beiordnung eines so genannten "Notanwalts" zu erreichen, muss die Partei allerdings darlegen und glaubhaft machen, dass sie vergeblich eine gewisse Zahl von Rechtsanwälten ersucht hat, ihr Mandat zu übernehmen. Die Beiordnung scheidet aus, wenn die Partei die Ablehnung des Mandats dadurch provoziert hat, dass sie die Rechtsanwälte erst am Tag nach Ablauf einer Frist (hier: für die Nichtzulassungsbeschwerde) um die Übernahme des Mandats gebeten hat (BAG, 25.08.2014 - 8 AZN 226/14).
6.13 Eingeschränkte Zulassung
Eine Revision gegen Endurteile eines LAG findet nur dann statt, wenn sie im Urteil des LAG oder im Beschluss des BAG nach § 72a Abs. 5 ArbGG zugelassen worden ist (§ 72 Abs. 1 ArbGG). Dabei kann eine im Tenor beschränkt ausgesprochene Zulassung der Revision in den Entscheidungsgründen nicht wirksam weiter eingeschränkt werden (BAG, 05.11.2003 - 4 AZR 643/02).
6.14 Erledigungserklärung - 1
"Nicht nur die Hauptsache, sondern auch das Rechtsmittel kann für erledigt erklärt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn ihm durch ein nachträgliches Ereignis die Grundlage entzogen wird und die zu einer unangemessenen Kostenentscheidung führen würde. Nach § 516 Abs. 1 ZPO kann der Berufungskläger die Berufung nur bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen. Mit Einwilligung des Gegners ist die Rücknahme der Berufung auch nach Verkündung des Berufungsurteils bis zum Eintritt der Rechtskraft zulässig" (BAG, 20.12.2007 - 9 AZR 1040/06 Leitsätze).
6.15 Erledigungserklärung - 2
Wenn die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichen eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, entscheidet das Gericht über die Pflicht, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO) - auch noch in der Rechtsmittelinstanz. Aber: Eine übereinstimmende Erledigungserklärung kann den Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz nur dann erledigen, wenn das jeweilige Rechtsmittel im Augenblick der Erledigungserklärung noch zulässig ist. Das ist eine Revision beim BAG nicht mehr, wenn sie nicht innerhalb der gesetzliche vorgesehenen Frist begründet ist (BAG, 23.09.2015 - 5 AZR 290/15 (F)).
6.16 Feststellungsinteresse
Die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gemäß § 256 ZPO kann auch im Beschlussverfahren erfolgen. Das setzt allerdings voraus, dass der Antragsteller das von § 256 ZPO geforderte Feststellungsinteresse hat. Sein Feststellungsantrag darf aber nicht auf bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses oder abstrakte Rechtsfragen zielen. "Das liefe auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus, was den Gerichten verwehrt ist" (s. dazu BAG, 17.09.2013 – 1 ABR 24/12). "Für eine nur auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung, aus der sich keinerlei Rechtsfolgen für die Zukunft mehr ergeben, besteht regelmäßig kein besonderes rechtliches Interesse. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, einem Beteiligten zu bescheinigen, dass er im Recht war, oder eine die Verfahrensbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu klären" (BAG, 17.11.2021 - 7 ABR 39/19 - mit Hinweis auf die ausführlichere Begründung in BAG, 15.04.2008 – 1 ABR 14/07).
6.17 Freie richterliche Beweiswürdigung
Die Tatsachengerichte - Arbeits- und Landesarbeitsgericht - entscheiden gem. § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO "nach freier Überzeugung", "ob eine tatsächliche Behauptung für oder nicht für wahr zu erachten sei." Das Revisionsgericht - Bundesarbeitsgericht - kann die freie richterliche Beweiswürdigung nur beschränkt überprüfen. Nämlich danach, ob sich das Tatsachengericht umfassend und widerspruchsfrei mit dem Prozessstoff auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und kein Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze vorliegt. Zudem gilt: "Der Angriff gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts bedarf einer Verfahrensrüge" (BAG, 16.01.2018 - 7 AZR 312/16 - mit Hinweis auf BAG, 20.08.2014 - 7 AZR 924/12 und BAG, 16.01.2008 - 7 AZR 603/06).
6.18 Fristversäumnis (Revisionsbegründung)
Die Frist für die Begründung der Revision beträgt nach § 74 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG zwei Monate. Die Revisionsbegründungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Unter den Bedingungen des § 233 ZPO ist einer Partei, die ohne ihr Verschulden daran gehindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dem Verschulden der Partei steht das Verschulden ihres Prozessbevollmächigten gleich. "Allein der stationäre Krankenhausaufenthalt und die Arbeitsunfähigkeit ihres Prozessbevollmächtigten schließen dessen Verschulden an der Fristversäumnis nicht aus." Ein Anwalt muss allgemeine Vorkehrungen für den Fall treffen, "dass das zur Wahrung der Fristen Erforderliche auch dann veranlasst wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt" (BAG, 20.08.2013 - 3 AZR 302/13 - mit dem Hinweis, dass der als Einzelanwalt tätige Rechtsanwalt für eine Vertretung sorgen muss).
6.19 Fristversäumnis (Revisionseinlegung)
Die Revision ist nach § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG innerhalb eines Monats einzulegen. Die Frist beginnt nach § 74 Abs. 1 Satz 2 ArbGG "mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung." Wird ein LAG-Urteil am 10.01. verkündet und am 13.06. zugestellt, kommt eine am 15.07. (Anm.: der 13.06. war hier ein Samstag, der 14.06. ein Sonntag, sodass die Monatsfrist wegen § 193 BGB erst am nächsten Werktag ablief) eingelegte Revision zu spät. Die Frist zur Einlegung der Revision lief hier bereits am 10.06. ab - sie wurde mit Verkündung - "spätestens" - in Lauf gesetzt (BAG, 15.10.2013 - 3 AZR 640/13 - mit dem Hinweis, dass keine Wiedereinsetzung in Frage kam, weil die 2-wöchige Antragsfrist für die Wiedereinsetzung nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO am 15.07. ebenfalls verstrichen war).
6.20 Haupt-/Hilfsantrag - 1
"Wird ein Hauptantrag durch das Landesarbeitsgericht abgewiesen und nach einem Hilfsantrag erkannt, setzt eine Entscheidung über den Hauptantrag im Revisionsverfahren voraus, dass der durch die Abweisung dieses Antrags beschwerte Kläger die Revision oder Anschlussrevision verfolgt. Legt nur der Beklagte Revision ein, erwächst die Abweisung des Hauptantrags in Rechtskraft" (BAG, 20.09.2017 - 6 AZR 474/16 - Leitsätze).
6.21 Haupt-/Hilfsantrag - 2
Legt die unterlegene Partei Revision ein, wird der Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung durch die in der Revisionsinstanz angefallenen Streitgegenstände bestimmt. Hat das zweitinstanzliche LAG einen Hauptantrag (hier: Klage auf Zahlung einer tariflichen Jahressonderzahlung) abgewiesen, fällt dieser Antrag beim Revisionsgericht nicht an, wenn der Beklagte bloß gegen die auf den Hilfsantrag (hier: Klage auf Zahlung einer Sonderzahlung aufgrund betrieblicher Übung) gestützte Klagestattgabe Revision einlegt. Der durch Abweisung seines Hauptantrags beschwerte Kläger ist gehalten, selbst ein Rechtsmittel einzulegen - sonst wird die gerichtliche Entscheidung in diesem Umfang rechtskräftig (BAG, 23.01.2019 - 4 AZR 445/17 - mit Hinweis auf BAG, 20.09.2017 - 6 AZR 474/16).
6.22 Kenntnisnahme von Pressemitteilungen
"Wie gewissenhafte und kundige Prozessbevollmächtigte wissen, gibt das Bundesarbeitsgericht bei Entscheidungen zu grundlegenden Rechtsfragen Pressemitteilungen heraus. Ein gewissenhafter Prozessbevollmächtigter prüft, wenn er - wie hier die Prozessbevollmächtigten der Beklagten - ein Revisionsverfahren zur sog. Escapeklausel führt, in dem es auf eine grundlegende Rechtsfrage ankommt, ob bereits Entscheidungen des maßgeblichen Spruchkörpers vorliegen und dazu eine Pressemitteilung veröffentlicht ist. Das gilt umso mehr, wenn Prozessbevollmächtigte, wie diejenigen der Beklagten, ihre Sachkunde bereits öffentlich gemacht haben (…), insbesondere wenn ihnen die betreffenden Aktenzeichen der beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Revisionsverfahren zu dieser Frage bekannt sind (…)." Hier hätte dem Anwalt die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 44/19 vom 10.12.2019 (Sterbegeld ist keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung) bekannt sein müssen (BAG, 03.06.2020 – 3 AZR 255/20).
6.23 Klageänderung - 1
Eine Klageänderung nach der letzten Tatsacheninstanz ist wegen § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich unzulässig. Sie kommt in der Revisionsinstanz nur ganz ausnahmsweise in Betracht - wird sie doch in der Regel auf neue Tatsachen gestützt, deren Feststellung und Beurteilung nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist. Stützt sich die Klageänderung allerdings auf einen vom Berufungsgericht bereits festgestellten Sachverhalt, wird eine Klageänderung auch in der Revisionsinstanz als ausnahmsweise zulässig angesehen (BAG, 06.06.2007 - 4 AZR 411/06 - hier: Tatsachen, die das Revisionsgericht ohnehin hätte von Amts wegen ermitteln müssen, z.B. das Fortbestehen eines erforderlichen Feststellungsinteresses bei einer Verbandsklage nach § 9 TVG).
6.24 Klageänderung - 2
Grundsätzlich ist es dem Kläger verwehrt, in der Revisionsinstanz eine Klageänderung vorzunehmen, § 559 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht - und das gilt sowohl für das tatsächliche Vorbringen des Klägers als auch für seine Anträge - ist der Schluss der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz. Von diesem Prinzip lässt das BAG in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO und dann Ausnahmen zu, "wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden" (BAG, 28.05.2014 - 5 AZR 794/12).
6.25 Klageänderung - 3
"Eine Klageänderung in der Revisionsinstanz ist nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich unzulässig. In den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO ist eine Antragsänderung zulässig, wenn der Kläger Rechtsmittelführer ist. Eine Beschränkung des Klageantrags i.S.v. § 264 Nr. 2 ZPO durch den revisionsbeklagten Kläger ist ausnahmsweise auch ohne Anschlussrevision zulässig, wenn der Kläger mit der Umstellung des Antrags keine Änderung des Berufungsurteils zu seinen Gunsten, sondern allein die Zurückweisung der Revision erreichen will" (BAG, 05.06.2019 - 10 AZR 100/18 (F) - Leitsatz).
6.26 Klageantrag
Der Klageantrag des Kündigungsschutz suchenden Arbeitnehmers kann auch in der Revisionsinstanz vor dem BAG noch ausgelegt werden. Bei der Auslegung eines Klageantrags sind die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregelungen - die §§ 133, 157 BGB - anzuwenden. Das heißt: Das Revisionsgericht muss nicht am buchstäblichen Wortlaut des Antrags haften. Es hat den Willen des Klägers zu erforschen - der sich aus seiner Klagebegründung, dem Ziel seines Kündigungsschutzprozesses und der Interessenlage ergibt. "Im Zweifel ist das gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage des .. [Antragstellers] entspricht" (BAG, 26.03.2015 - 2 AZR 783/13).
6.27 Klagehäufung
Hängt die Entscheidung des Berufungsgerichts über einen Streitgegenstand bei mehreren Streitgegenständen notwendig von der Entscheidung über einen anderen, korrekt angefochtenen Streitgegenstand ab, muss die Revision für jeden Streitgegenstand begründet werden. Ein Klage ist wegen eines nicht hinreichend bestimmten Klageantrags unzulässig, wenn bei mehreren im Wege einer objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO in einer Klage verbundenen Ansprüchen nicht erkennbar ist, wie sich die eingeklagte Gesamtsumme ziffernmäßig auf die unterschiedlichen Ansprüche verteilt und die einzelnen Ansprüche damit nicht im Sinn des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO individualisiert sind. Wird ein Anspruch nicht in voller Höhe eingeklagt, weil der Kläger eine Anrechnung bereits gezahlter Leistungen vornimmt, muss er darlegen, wie die Anrechnung im Einzelnen vorgenommen werden soll (BAG, 24.03.2011 - 6 AZR 691/09).
6.28 Nebenintervenient
Nach § 547 Nr. 4 ZPO liegt ein absoluter Revisionsgrund vor, "wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt." "Solange nicht die Unzulässigkeit der Intervention rechtskräftig ausgesprochen ist", sagt § 71 Abs. 3 ZPO, "wird der Intervenient im Hauptsacheverfahren zugezogen." Das bedeutet für die Nicht-Ladung: "Der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 4 ZPO liegt auch dann vor, wenn der Nebenintervenient vom Landesarbeitsgericht entgegen § 71 Abs. 3 ZPO nicht zur mündlichen Verhandlung geladen wurde" (BAG, 26.04.2018 - 8 AZN 974/17 - Leitsatz).
6.29 Neue Ansprüche
Im Revisionsverfahren können grundsätzlich keine neuen prozessualen Ansprüche mehr zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. Das Revisionsgericht prüft, ob die Vorinstanz rechtsfehlerfrei über die Klage entschieden hat. Die Urteilsgrundlage wird mit dem Ende der Berufungsverhandlung abgeschlossen (BAG, 03.05.2006 - 10 AZR 310/05 - zur Problematik der Erfolgsbeteiligung an einem sogenannten "Carried-Interest-Plan").
6.30 Neue Tatsachen
Das Revisionsverfahren beim BAG ist eine Rechts- und keine Tatsacheninstanz. Das führt dazu, dass neue Tatsachen vom Revisionsgericht grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Das kann allerdings anders sein, wenn sonst ein Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben wäre. "Das Revisionsgericht darf nicht sehenden Auges ein Urteil erlassen, das alsbald durch eine Restitutionsklage wieder beseitigt würde." Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn es um die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers geht, der die Zustimmung des Integrationsamts angegriffen hat und erst im weiteren Prozessverlauf beim Oberverwaltungsgericht rechtskräftig entschieden wurde, dass die Zustimmung doch zu Recht erteilt worden war (BAG, 23.05.2013 - 2 AZR 991/11 - mit dem Hinweis, das LAG habe zu Unrecht angenommen, die Wirkung der Zustimmung sei mit dem nicht rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts hinfällig gewesen).
6.31 Nutzung des EGVP
"Über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Bundesarbeitsgerichts kann eine Nichtzulassungsbeschwerde seit dem 1. Januar 2018 nur dann eingereicht werden, wenn die als elektronisches Dokument übermittelte Beschwerdeschrift mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen ist. Die gesetzliche Form ist nicht mehr gewahrt, wenn die qeS nur an dem an das EGVP übermittelten Nachrichtencontainer angebracht ist" (BAG, 15.08.2018 - 2 AZN 269/18 - Leitsatz).
6.32 Presseberichterstattung
Der Presse ist zumindest während der verschiedenen Abschnitte am Rande einer Gerichtsverhandlung, zum Beispiel bei Beginn, in einer Sitzungspause oder nach dem Ende der Verhandlung, die - auch tatsächlich realisierbare - Möglichkeit zu geben, TV- und Lichtbildaufnahmen zu machen. In dieser Zeit darf das Geschehen im Sitzungssaal mit den anwesenden Verfahrensbeteiligten aufgenommen werden - was von dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Berichterstattungsinteresse gedeckt ist (BVerfG, 03.04.2009 - 1 BvR 654/09 - zur Berichterstattung über ein Strafverfahren, wobei die hier aufgestellten Grundsätze auch bei der Berichterstattung über arbeitsgerichtliche Verfahren Anwendung finden können).
6.33 Prozesskostenhilfe
Das Revisionsgericht weist die vom Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 552a Satz 1 ZPO - Zurückweisungsbeschluss). Insoweit fehlt die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche Erfolgsaussicht, wenn die beabsichtigte Revision zwar zugelassen ist, aber nach § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen wäre (BGH, 27.09.2007 - V ZR 113/07).
6.34 Rechtsbehelf
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ein Rechtsbehelf, kein Rechtsmittel. Die Belehrungspflicht - § 9 Abs. 5 ArbGG - gilt nur für Rechtsmittel. Auch wenn das LAG eine dahin gehende Rechtsmittelbelehrung ausspricht, das gegen seine Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben ist, heißt das nicht, dass es damit gleichzeitig eine Aussage über die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde getroffen hat. Insoweit kann eine unterbliebene Rechtsmittelbelehrung keine Auswirkung auf die Entscheidung des Erinnerungsführers in einer Kostenangelegenheit haben, eine Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen (BAG, 08.07.2008 - 3 AZB 31/08).
6.35 Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung
Das Landesarbeitsgericht muss eine Revision u.a. zulassen, "wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat" (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). "Rechtsfrage", das ist eine Frage, "die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat" (s. dazu BAG, 18.02.2020 - 3 AZN 954/19). Um die von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG verlangte grundsätzliche Bedeutung bejahen zu können, muss die Entscheidung des Rechtsstreits zunächst überhaupt von einer klärungsfähigen und -bedürftigen Rechtsfrage abhängen. Tut sie das, ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob die Klärung a) von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder b) "wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt." Letzteres ist anzunehmen, wenn sich die Rechtsfrage in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann "und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt" (BAG, 19.01.2022 - 3 AZN 774/21 - mit Hinweis auf BAG, 08.12.2020 - 3 AZN 849/20).
6.36 Rechtsmittelfrist
Der Rechtsmittelführer ist in der Revisionsinstanz nicht verpflichtet, sich vom gleichen Bevollmächtigten vertreten zu lassen wie im Berufungsverfahren. Er darf sich einen Revisionsanwalt auch selbst aussuchen und ihm einen Rechtsmittelauftrag erteilen. Schickt er diesem Anwalt sein Auftragsschreiben per Fax zu und erfolgt darauf keine Reaktion, muss sich der Rechtsmittelführer selbst vergewissern, dass sein Fax den Revisionsanwalt tatsächlich erreicht hat und der auch zur Durchführung des Auftrags bereit ist (BGH, 04.03.2008 - VI ZR 66/07).
6.37 Rechtsmittelverzicht
Das ArbGG sieht keine Regelung über den Verzicht der Parteien auf ein Rechtsmittel vor. Grundsätzlich ist ein Verzicht auf ein Rechtsmittel auch möglich, wenn es die Beschwerde gegen einen im Beschlussverfahren ergehenden, das Verfahren beendenden arbeitsgerichtlichen Beschluss betrifft. Die Möglichkeit, ein Rechtsmittel einzulegen, ist parteidispositiv - niemand ist rechtlich gezwungen, einen Rechtsstreit in die nächste Instanz zu bringen. Dabei wird nicht vorausgesetzt, dass die angreifbare Entscheidung bereits verkündet ist. Der Verzicht kann schon vorher erklärt werden. Schließlich ist es sogar möglich, den Rechtsmittelverzicht schon vor Rechtshängigkeit des Hauptverfahrens zu erklären. Der Verzicht des Betriebsrats, ein Rechtsmittel einzulegen, ist kein Verzicht auf sein Mitbestimmungsrecht - er hat es in der Hand, die erstinstanzliche Entscheidung als abschließend zu akzeptieren (BAG, 08.09.2010 - 7 ABR 73/09).
6.38 Rechtsweg
"Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist" (§ 17a Abs. 5 GVG). Darüber hinaus gilt: "Das Rechtsmittelgericht ist nach § 17a Abs. 5 GVG auch dann an die durch die Entscheidung in der Hauptsache in dem angefochtenen Urteil stillschweigend bejahte Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs gebunden, wenn das erstinstanzliche Gericht mangels Rüge einer Partei von einer Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtwegs durch Beschluss nach § 17a Abs. 3 GVG absehen durfte" (BGH, 18.09.2008 - V ZB 40/08).
6.39 Revisionsbegründung - 1
Die Revisionsbegründung muss nach § 72 Abs. 5 ArbGG in Verbindung mit § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Angabe der Revisionsgründe enthalten. Dazu gehören die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen die Rechtsverletzung resultiert (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. a) ZPO), und die Bezeichnung der Tatsachen, die einen Verfahrensmangel ergeben (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit b) ZPO). Dabei muss sich der Revisionsführer mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen (BAG, 11.10.2006 - 4 AZR 544/05).
6.40 Revisionsbegründung - 2
Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszugs u.a. dann zurückverweisen, wenn das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Rügt der Berufungsführer allein die vom Berufungsgericht angestellten materiell-rechtlichen Überlegung, ist das keine ordnungsgemäße Verfahrensrüge, die zu einer Aufhebung und Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO führt (BGH, 07.01.2008 - II ZR 234/06).
6.41 Revisionsbegründung - 3
Stützt das Berufungsgericht seine Entscheidung auf zwei oder mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen, muss die Revisionsbegründung alle Erwägungen angreifen. Die Revisionsbegründung muss im Fall ihrer Berechtigung geeignet sein, die zweitinstanzliche Entscheidung in Frage zu stellen. Setzt sie sich nur mit einer der Begründungen auseinander, ist die Revision insgesamt unzulässig (BAG, 19.03.2008 - 5 AZR 442/07).
6.42 Revisionsbegründung - 4
Zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung gehört nach § 72 Abs. 5 ArbGG in Verbindung mit § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. a) ZPO den Rechtsfehler des LAG so aufzeigen, dass der Gegenstand und die Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Deswegen muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten (BAG, 20.01.2009 - 9 AZR 650/07).
6.43 Revisionsbegründung - 5
Zur Angabe der Revisionsgründe gehört es bei Sachrügen, die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Nr. 2 lit. a) ZPO. Dabei muss die Revisionsbegründung den angenommenen Rechtsfehler des LAG so verdeutlichen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar werden. Sie hat sich mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils auseinanderzusetzen, um sicherzustellen, "dass der Prozessbevollmächtigte des Revisionsklägers das angefochtene Urteil auf das Rechtsmittel hin überprüft und die Rechtslage genau durchdenkt" (BAG, 13.10.2009 - 9 AZR 875/08).
6.44 Revisionsbegründung - 6
Die Revisionsbegründung muss neben anderem auch die "Angabe der Revisionsgründe" enthalten - das heißt insbesondere nach § 551 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) ZPO "die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt". Die Revisionsbegründung muss "den angenommenen Rechtsfehler des LAG in einer Weise verdeutlichen, die Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennen lässt" - sie muss sich also mit den tragenden Urteilsgründen auseinandersetzen. "Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung" (BAG, 18.05.2011 - 10 AZR 346/10).
6.45 Revisionsbegründung - 7
Zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung gehört nach § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Angabe der Revisionsgründe. Erhebt der Revisionsführer eine Sachrüge, "muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind." Der Revisionsführer muss sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen - will heißen, er muss konkret darlegen, warum das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Das soll zum einen sicherstellen, dass der Bevollmächtigte die Entscheidung überprüft und durchdacht hat, zum anderen soll die Revisionsbegründung "durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen" (BAG, 15.01.2013 - 9 AZR 276/11).
6.46 Revisionsbegründung - 8
Der Revisionskläger muss in seiner Revisionsbegründung nach § 72 Abs. 5 ArbGG die Revisionsgründe angeben. Dabei reicht es nicht aus, pauschal auf Entscheidungen anderer Gericht hinzuweisen. Der Rechtsmittelführer muss sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. So genügt der pauschale Hinweis selbst dann nicht, wenn die anderen Gerichte zu dem Ergebnis gekommen sind, das der Rechtsmittelführer mit seiner Revision anstrebt. Ist die Revision nicht ordnungsgemäß begründet, ist sie unzulässig und zu verwerfen (BAG, 22.07.2014 - 9 AZR 41/13).
6.47 Revisionsbegründung - 9
Der Revisionskläger muss zur ordnungsgemäßen Begründung seines Rechtsmittels gem. § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angeben. "Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO)." Dabei muss der Revisionskläger den von ihm angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so deutlich machen, "dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind." Der Revisionskläger ist insoweit verpflichtet, sich mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen. Er hat darzulegen, warum er die Begründung des Berufungsgerichts für falsch hält. "Allein die Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung ebenso wenig wie die Wiedergabe des bisherigen Vorbringens" (BAG, 24.06.2020 – 5 AZR 93/19 – mit Hinweis auf BAG, 24.05.2017 - 5 AZR 251/16).
6.48 Revisionsbegründung - 10
In einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung sind gem. § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe anzugeben. Zu einer Sachrüge gehört die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll (s. dazu § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO). "Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung." Bei einer Verfahrensrüge muss die Revisionsbegründung gem. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b) ZPO "die genaue Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Revision stützen will." D.h. dazu gehört auch die Darlegung der Kausalität zwischen dem Verfahrensmangel und dem Ergebnis des Berufungsurteils (s. dazu BAG, 18.11.2019 - 4 AZR 105/19). "Hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung beide Erwägungen angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig" (BAG, 12.01.2021 – 4 AZR 271/20 – mit Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung, zuletzt u.a. in BAG, 30.01.2019 - 5 AZR 450/17 und BAG, 06.07.2016 - 4 AZR 966/13).
6.49 Revisionsgrund
Ein absoluter Revisionsgrund liegt nach § 547 Nr. 6 ZPO vor, "wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist." Das Fehlen von Gründen ist anzunehmen, wenn sich das LAG in den Entscheidungsgründen nicht mit dem Hauptantrag des Arbeitnehmers auf tatsächliche Weiterbeschäftigung befasst, sondern dem Hilfsantrag stattgibt ("denn seine Befassung mit dem Hilfsantrag setzt eine solche mit dem Hauptantrag voraus"). Eine entsprechende Rüge des beklagten Arbeitgebers erfolgt im Rahmen der Revision zwar zu Recht - ist für ihn aber ohne Bedeutung. Er ist durch die Abweisung des Hauptantrags nicht beschwert. Die Abweisung des Hauptantrags ist für ihn günstig - der Revisionskläger hat insoweit keine Veranlassung, "eine ihm ungünstige vorinstanzliche Entscheidung durch Inanspruchnahme einer weiteren Instanz überprüfen zu lassen" (BAG, 13.03.2013 - 7 AZR 334/11).
6.50 Revisionsrichterliche Überprüfung
Hat das Berufungsgericht seine Beweiswürdigung im Rahmen des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO - "Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahmenach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei" - vorgenommen, ist diese Beweiswürdigung revisionsrichterlich nur eingeschränkt überprüfbar. Das Revisionsgericht prüft nur, ob das Berufungsgericht die von § 286 ZPO aufgestellten Voraussetzungen und gezogenen Grenzen beachtet hat. Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts muss "in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und rechtlich möglich sein" (BAG, 19.11.2015 - 2 AZR 217/15 - mit Hinweis auf BAG, 23.10.2014 - 2 AZR 865/13 und BAG, 08.05.2014 - 2 AZR 1005/12).
6.51 Tatsachenprüfung
Vor den Tatsachengerichten gilt der Grundsatz freier Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO: "Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder unwahr zu erachten ist". Das gilt auch für Fälle, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts "vermuten" lassen. Aber: Revisionsrechtlich ist eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 ZPO vorgenommene Würdigung nur daraufhin überprüfbar, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist, gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt und ob alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände in sich widerspruchsfrei beachtet worden sind (BAG, 24.04.2008 - 8 AZR 257/07 - mit dem Hinweis, dass die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Arbeitnehmer vorgetragenen Tatsachen eine Benachteiligung wegen seines Geschlechts vermuten lassen, revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar sind).
6.52 Überlange Verfahrensdauer
"Für den Bereich des Zivilprozesses gewährleistet Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) einen wirkungsvollen Rechtsschutz (...). Daraus ergibt sich die Verpflichtung der Fachgerichte, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen (...)."
Auch wenn sich aus dem GGkeine allgemein gültigen Zeitvorgaben für die Beantwortung der Frage entnehmen lassen, wann eine Verfahrensdauer unangemessen ist: In dem hier zu entscheidenden Fall ist davon auszugehen, dass das "Verfahren vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht .. mit einer Dauer von mehr als 20 Jahren schon insgesamt als überlang anzusehen" ist. "Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber für den Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit ein schnelles Verfahren bereitstellen wollte (...),. was in dem allgemeinen Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 ArbGG Ausdruck gefunden hat. Gegen diesen verstoßen vorliegend drei ermessensfehlerhafte Aussetzungen, die insgesamt zu einer Verzögerung des Rechtsstreits von zwölf Jahren geführt haben" (BVerfG 05.08.2013 - 1 BvR 2965/10).
6.53 Überprüfung von Verwaltungsakten
Die Gerichte aller Rechtszweige sind nach innerstaatlichem Recht an Bestand und Inhalt eines Verwaltungsakts (hier: Bescheid einer Krankenkasse über die Zahlung von Krankengeld) gebunden – es sei denn, den Gerichten ist eine Kontrollkompetenz eingeräumt (= Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten). Den Arbeitsgerichten ist es daher verwehrt, die materielle Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts zu überprüfen, wenn nicht ein Fall von Nichtigkeit des Verwaltungsakts vorliegt (s. dazu BAG, 15.02.2017 - 7 AZR 82/15; BAG, 16.04.2015 - 6 AZR 71/14; BAG, 07.07.1999 - 10 AZR 571/98 – und BAG, 28.06.2012 - 6 AZR 780/10). Liegt ein rechtskräftiger Bescheid vor, ist das vom Arbeitsgericht hinzunehmen – auch wenn der verklagte Arbeitgeber darauf hinweist, der Arbeitnehmer habe dem Leistungsträger (hier: Krankenkasse) nicht alle für den Leistungsbezug maßgeblichen Tatsachen mitgeteilt (BAG, 15.11.2018 – 6 AZR 522/17).
6.54 Unbestimmte Rechtsbegriffe
"Böswilligkeit" i. S. des § 615 Satz 2 BGB und "Zumutbarkeit" bei Abwägung der Gesamtinteressen sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Tatsachengerichte - ArbG und LAG - haben bei der Feststellung von Böswilligkeit und Zumutbarkeit einen Beurteilungsspielraum. Dieser Beurteilungsspielraum kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden: Hat das Berufungsgericht den Rechtsbegriff richtig erkannt? Hat es bei der Unterordnung des von ihm festgestellten Sachverhalts die üblichen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze beachtet? Hat es bei der gebotenen Interessenabwägung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt? Ist das Ergebnis stimmig und widerspruchsfrei? Werden diese Fragen bejaht, kann davon ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht von den zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist und diese Maßstäbe ohne Rechtsfehler auf den Streitfall angewendet hat (BAG, 19.05.2021 - 5 AZR 420/20 - mit Hinweis auf BAG, 22.03.2017 - 5 AZR 337/16 - und BAG, 07.11.2002 - 2 AZR 650/00).
6.55 Verfahrensrüge
Der Rechtsmittelführer muss in seiner Revisionsbegründung gemäß § 551 Abs. 3 ZPO u. a. auch die Revisionsgründe angeben. Stützt er sein Revision darauf, "dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei", muss er die Tatsachen bezeichnen, "die den Mangel ergeben" (so: § 511 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b) ZPO). Das wird allein jedoch kaum für eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung genügen. Daher muss der Revisionskläger "regelmäßig auch die Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Berufungsurteil" darlegen (s. dazu BAG, 03.12.2019 – 3 AZM 19/19 – und BAG, 24.10.2019 – 8 AZN 589/19). Tut er das nicht, ist selbst die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es zwei benannte Zeugen nicht gehört habe, unzulässig (BAG, 15.06.2021 – 9 AZR 413/19).
6.56 Verfassungsbeschwerde
Häufig drohen Beschwerdeführer (wie Kläger und Beklagte, Anm. d. Verf.), die ihren arbeitsgerichtlichen Prozess verloren haben, mit einer Verfassungsbeschwerde. Was Nichtjuristen dabei häufig übersehen: § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Der sagt nämlich: "Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden" (Subsidiaritätsprinzip). Das heißt für arbeitsrechtliche Streitigkeiten: Die beschwerdeführenden (oder klagenden, Anm. d. Verf.) Parteien müssen erst die prozessualen Möglichkeiten des Ausgangsverfahren ausgeschöpft haben, "um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen".
Der Beschwerdeführer (ebenso wie Kläger und Beklagter, Anm. d. Verf.) muss das fachgerichtliche Verfahren nicht gleich als "Verfassungsprozess" führen. Er braucht also nicht von Anfang an verfassungsrechtliche Erwägungen und Bedenken geltend machen (s. dazu BVerfG, 26.02.2016 - 1 BvR 2836/14). Allerdings: Können Beschwerde und Klage bei verständiger Würdigung der Rechtslage und Einschätzung der maßgeblichen verfahrensrechtlichen Situation nur erfolgreich sein, wenn verfassungsrechtliche Gesichtspunkte in das Verfahren eingeführt werden, ist das anders. Insbesondere dann, "wenn der Ausgang des Verfahrens von der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift abhängt oder eine bestimmte Normauslegung angestrebt wird, die ohne verfassungsrechtliche Erwägungen nicht begründbar ist" (BVerfG, 10.03.2017 - 1 BvR 201/14 - mit Hinweis auf BVerfG, 26.02.2016 - 1 BvR 2836/14 - und Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde nach § 93a Abs. 2 BVerfGG, weil der Beschwerdeführer nicht auf verfassungsrechtliche Zusammenhänge abgestellt hatte).
6.57 "Vergessene" Zulassung
"Hat das Landesarbeitsgericht eine Entscheidung über die Zulassung der Revision getroffen und es versehentlich versäumt, diese Entscheidung in den Urteilstenor aufzunehmen, ist es nach § 64 Abs. 3a ArbGG grundsätzlich nicht gehindert, den Urteilstenor unter den Voraussetzungen des § 319 ZPO von Amts wegen im Wege des Berichtigungsbeschlusses zu ergänzen. Allerdings muss das Gericht den Parteien gegenüber bis zum Ablauf der Frist des § 64 Abs. 3a Satz 2 ArbGG sein Versehen offenbart und seine Absicht mitgeteilt haben, das Urteil entsprechend zu berichtigen" (BAG, 22.03.2018 - 8 AZR 779/16 - Leitsatz).
6.58 Verletzung richterlicher Hinweispflicht
Ein Gericht muss vor seiner Entscheidung nicht auf seine Rechtsauffassung hinweisen, die es seiner Entscheidung zugrundelegen will. Das verlangt - grundsätzlich - nicht mal das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG (s. dazu BVerfG, 29.05.1991 - 1 BvR 1383/90). In besonderen Fällen kann Art. 103 Abs. 1 GG allerdings doch dazu führen, dass das Gericht einen entsprechenden Hinweis geben muss. So verstößt es beispielsweise gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, "wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte" (s. dazu BVerfG, 17.02.2004 - 1 BvR 2341/00; BVerfG, 07.10.2003 - 1 BvR 10/99; BAG, 18.09.2014 - 6 AZR 145/13 und BAG, 08.12.2011 - 6 AZN 1371/11). Rügt der Revisionskläger dann eine Verletzung der Hinweispflicht aus § 139 Abs. 2 ZPO, muss er "darlegen, welchen Hinweis das Gericht hätte erteilen müssen und wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte. Hierzu muss er dartun, welchen entscheidungserheblichen tatsächlichen Vortrag er gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen er gemacht hätte" (BAG, 14.12.2016 - 7 AZR 797/14 - mit Hinweis auf BAG, 16.10.2013 - 10 AZR 9/13 und BAG, 16.12.2010 - 2 AZR 770/09).
6.59 Vertrauen auf höchstrichterliche Rechtsprechung - 1
Selbst die höchstrichterliche Rechtsprechung bewirkt keine dem Gesetzesrecht entsprechende Rechtsbindung. Das führt dazu, dass ein schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen regelmäßig bloß bei Hinzutreten weiterer Umstände entstehen kann (s. dazu BVerfG, 02.05.2012 - 2 BvL 5/10). Zudem gilt: "Das Vertrauen auf die geltende Rechtslage ist ohnehin nur schutzwürdig, wenn sie generell geeignet ist, ein Vertrauen auf ihr Fortbestehen zu begründen und darauf gegründete Entscheidungen - insbesondere Vermögensdispositionen - herbeizuführen, die sich bei einer Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen" (BAG, 20.11.2018 - 10 AZR 121/18 - mit Hinweis auf BVerfG, 02.05.2012 - 2 BvL 5/10).
6.60 Vertrauen auf höchstrichterliche Rechtsprechung - 2
Gibt es für eine bestimmte Rechtsfrage eine langjährige, gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, scheidet bei einem Betroffenen, der eine davon abweichende Rechtsansicht vertritt und seine betrieblichen Dispositionen daran ausrichtet, die Annahme eines schützenswerten Vertrauens aus, wenn es nachträglich zu einer rückwirkenden gesetzlichen Festschreibung dieser Rechtsanwendungspraxis kommt (s. dazu BVerfG, 15.10.2008 - 1 BvR 1138/06). Selbst mit Blick auf den von einer letztlich als ungültig erkannten Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) gesetzten Rechtsschein und mit Rücksicht auf den in der AVE zum Ausdruck gekommenen Rechtsetzungswillen des Normgebers können sich nicht tarifgebundene Arbeitgeber "nicht darauf verlassen, von einer entsprechenden Regelung jedenfalls für den Zeitraum dieses Rechtsscheins verschont zu bleiben" (BAG, 20.11.2018 - 10 AZR 121/18 - mit Hinweis auf BVerfG, 03.09.2009 - 1 BvR 2384/08).
6.61 Vertretungszwang
"Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG muss sich eine Partei vor dem Bundesarbeitsgericht grundsätzlich durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dieser Vertretungszwang gilt auch für die Einlegung und Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde im Beschlussverfahren" (BAG, 18.08.2015 - 7 ABN 32/15 Leitsatz). Der Vertretungszwang gilt sowohl für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als auch für ihre Begründung. Als Folge der Nichtbeachtung der Verfahrensvorschrift wird die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen.
6.62 Vorlagepflicht an den EuGH
Der EuGH ist gesetzlicher Richter i.S.v. Art 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Liegen die Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV vor, sind die nationalen Gerichte der EU-Mitgliedsstaaten gehalten, von Amts wegen den EuGH anzurufen. Verletzt ein nationales Gericht seine Vorlagepflicht, "kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreit der gesetzliche Richter entzogen sein." Nach der EuGH-Rechtsprechung (s. dazu beispielsweise EuGH, 06.10.1982 - C-283/81) muss ein nationales Gericht letzter Instanz seiner Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV nachkommen, "wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt". Ausnahme: Das Gericht nimmt zu Recht an, dass die gestellte Frage gar nicht entscheidungserheblich ist, die in Frage kommende EU-Bestimmung schon durch den EuGH ausgelegt wurde "oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt" (BVerfG, 10.12.2014 - 2 BvR 1549/07 - unter Aufhebung des BAG-Urteils vom 01.02.2007 - 2 AZR 15/06 - wegen Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter, weil das BAG hätte vorlegen müssen).
6.63 Vorschriftswidrige Besetzung
Ein absoluter Revisionsgrund liegt nach § 547 Nr. 1 ZPO vor, "wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war". Auch wenn eine Verhandlung bereits geschlossen ist, kann das Gericht deren Wiedereröffnung anordnen (§ 156 Abs. 1 ZPO). Das bedeutet für § 547 Nr. 1 ZPO: "Der absolute Revisionsgrund ... liegt nicht vor, wenn nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung der Vorsitzende des Spruchkörpers ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter nach § 156 Abs. 1 ZPO die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnet und die Berufungskammer nach einer neuerlichen mündlichen Verhandlung in der dafür vorgesehenen Besetzung entscheidet" (BAG, 31.07.2018 - 3 AZN 320/18 - Leitsatz).
6.64 Wiedereinsetzung
Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten steht nach § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden der Partei gleich. Auch wenn nach § 233 ZPO in bestimmten Fällen nach Versäumen einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist: Hat der Anwalt die Revisionsbegründungsfrist verpasst, ist sein Verschulden nach § 85 Abs. 2 ZPO dem Rechtsmittelführer zuzurechnen. Der Anwalt ist verpflichtet, bei jeder Vorlage der Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung eigenverantwortlich zu prüfen, wann die Frist für die Prozesshandlung abläuft. "Werden einem Rechtsanwalt die Handakte zur Anfertigung einer Rechtsmittelschrift vorgelegt, hat er neben der Prüfung der Rechtsmittelfrist auch die ordnungsgemäße Notierung der zu diesem Zeitpunkt bereits feststehenden Rechtsmittelbegründungspflicht zu prüfen" (BAG, 17.01.2012 - 3 AZR 572/09).
6.65 Zuständigkeitsfrage - 1
§ 545 Abs. 2 ZPO schließt im Sinn von Prozessökonomie und -beschleunigung jede Prüfung der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts aus. Eine nach § 545 Abs. 2 ZPO unzulässige Zuständigkeitsprüfung kann auch nicht auf dem Weg eines erstmals im Revisionsverfahren hilfsweise geltend gestellten Verweisungsantrags erreicht werden (BGH, 05.03.2007 - II ZR 287/05).
6.66 Zuständigkeitsfrage - 2
Die Revision kann nach § 545 Abs. 2 ZPO nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Insoweit ist auch die Frage der örtlichen Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Und das gilt auch in Fällen, in denen das Berufungsgericht, das die Zuständigkeitsfrage in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Gericht beurteilt hat, wegen dieser Frage die Revision zugelassen hat (BGH, 23.04.2007 - II ZR 133/06).
6.67 Zustimmungsverfahren - Erledigung
Ein Beschlussverfahren ist nach den §§ 95 Satz 4, 83a Abs. 2 ArbGG in der Rechtsbeschwerdeinstanz einzustellen, wenn die Beteiligten es für erledigt erklärt haben. Erklärt nur der Arbeitgeber das Verfahren für erledigt während die anderen am Verfahren Beteiligten der Erledigungserklärung widersprechen, muss das Gericht prüfen, "ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist." Liegt so ein Ereignis vor, muss das Verfahren eingestellt werden. Das heißt, es müssen tatsächliche, nach Anhängigkeit des Beschlussverfahrens eingetretene Umstände greifbar sein, die dazu führen, "dass das Begehren des Antragstellers jedenfalls nunmehr als unzulässig oder unbegründet abgewiesen müsste." Im Beschlussverfahren kommt es - anders als im Urteilsverfahren - nicht darauf an, ob der gestellte Antrag bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war (BAG, 17.11.2021 - 7 ABR 39/19 - mit Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung, z. B. in BAG, 20.01.2021 - 4 ABR 1/20 - und BAG, 29.07.2020 - 7 ABR 27/19).
6.68 Zweites Versäumnisurteil - 1
Die Revision muss nach § 72 Abs. 1 ArbGG im Urteil des LAG zugelassen sein. Die Zulassungsgründe stehen in § 72 Abs. 2 ArbGG. Ohne Zulassung ist die Revision gegen ein so genanntes Zweites Versäumnisurteil des LAG auch dann nicht statthaft, wenn der Revisionsführer geltend macht, es habe kein Fall schuldhafter Versäumnis vorgelegen (BAG, 22.04.2004 - 2 AZR 314/03).
6.69 Zweites Versäumnisurteil - 2
Ohne Zulassung ist die Revision gegen ein Zweites Versäumnisurteil des LAG unzulässig. Mit Blick auf die Möglichkeit, bei einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör die nachträgliche Zulassung der Revision zu erreichen, bedarf es keiner einschränkenden Auslegung des § 72 Abs. 1 Satz 1 ArbGG (BAG, 05.06.2007 - 5 AZR 276/07).
6.70 Zweitinstanzliche Tatsachenfeststellung
§ 559 Abs. 2 ZPO sagt: "Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist." Dabei werden von § 559 Abs. 2 ZPO nicht bloß einzelne Umstände als Tatbestandsvoraussetzungen einer Rechtsfolge erfasst. Von der Rechtsprechung werden den tatsächlichen Umständen auch "Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung" gleichgestellt, "wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist (BAG, 09.12.2015 - 7 AZR 117/14 - mit dem Hinweis, dass so von den Parteien Tatsachen auch als Erklärung über Rechtstatsachen - hier: der Begriff "wissenschaftliches Personal" - in den Prozess eingeführt werden können).